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BERLIN Mittwoch 4. November

1931

Der Abend

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Spalausgabe des Vorwärts"

10 Pf.

Nr. 518

B 259

48. Jahrgang

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Das Schicksal der ,, Osthilfe"

Löwenanteil für den Großbesitz/ Schlange stellt Bedingungen

Die Ost stelle hält es gegenüber gewissen Erörterungen in der Bresse für nötig, festzustellen, daß zwischen dem Reich und Preußen neue Differenzen nicht bestehen und auch die alten zwischen dem Reichskanzler und dem preußischen Minister­präsidenten durch die völlige Uebereinstimmung darüber ausge= glichen worden sind, daß die Führung der Osthilfe dem Reich allein überlassen werde. Dementsprechend sind die Ver= treter Preußens aus der Ost stelle ausgeschieden.

Der neue Reichsostkommissar ist noch nicht ernannt. Wie man weiß, soll Abgeordneter von Schlange- Schöningen mit dem Amt be­traut merden. Er hat gewisse Voraussetzungen für die Ueber­nahme des Amtes aufgestellt, die darauf hinauslaufen, die Osthilfe den veränderten Verhältnissen anzupassen. Seinerzeit, vor ein­einhalb Jahren, hatte man damit gerechnet, daß früher oder später eine Rentabilität in der Landwirtschaft wieder ein­treten werde. Das sei aber nicht geschehen. Ferner hätten die not­wendigen Mittel aus dem In- und Auslande nicht aufgebracht wer­den können, und es sei eine grundstürzende Veränderung der Boden­preise eingetreten.

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Trotz alledem könne man die Osthilfe nicht einfach auflösen, oder fie nur darauf beschränken, das wegen vollkommener Unrentabilität aufgegebene Land zu besiedeln und den Hypothekengläubigern, vor ellem Genossenschaften, Sparkassen, Landschaften und Hypotheken­banken Ersatz für ihre Ausfälle zu leisten. Dafür wären Mittel er forderlich, die dem Reich nicht zur Berfügung stehen. Für die Kleinsiedlerbetriebe besteht dies alles nach der Mei­nung der Oststelle teine Rentabilität mehr. In einigen Teilen Bayerns ist Milch nicht mehr verfäuflich. In großen Teilen Ostdeutschlands erhält man für den Zentner Rindfleisch nur 15-18 Mart und auch ein Schweinepreis von 40 Mark mird als miserabel bezeichnet. Der Kleinbetrieb ist zwar, da er keine Lasten hat, frisenfester als der Großbetrieb frisenfest ist er aber nicht. In den letzten Jahren ist gerade

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die Not der Kleinbetriebe noch viel größer geworden. Die zweckentsprechendste Form der Siedlung ist heute nicht die Neu­siedlung, sondern die Anliegersiedlung durch Hinzunahme von auf gegebenem Bauernland.

In der Entschuldungsfrage sind besonders wichtig die ersten Hypotheken, die durch die Entwertung des Bodens auch bereits erschüttert sind.

Zum großen Teil hängt die fünftige Gestaltung der Osthilfe

Kredite und Reparation

Rasche Entscheidung nicht in Gicht

Tätigkeit nicht als eine vorübergehende betrachten,

Paris , 4. November. ( Eigenbericht.) drittes Land richteten. Die Sachverständigen dürften die Ueber die Unterredung von Hoesch- Laval- Briand- ihnen obliegende Flandin veröffentlichen ,, Matin und, Echo de Paris" Angaben, die zeigen, daß zwischen der deutschen und der französischen Auffassung in den Fragen des zukünftigen Zahlungsregimes und der Rückerstattung der Deutsch­ land gewährten Kredite ein fundamentaler Gegensatz besteht.

Dieser Gegensatz bezieht sich zunächst auf die Reihenfolge der zu lösenden Probleme. Während der Reichsregierung zunächst an der Regelung der Kreditfrage gelegen ist, erklärt das Echo de Baris", daß sich die französische Regierung in erster Linie für das Reparationsproblem interessiere. Da die französische Re­gierung es für ihre Pflicht halte, sich um die Meinung des Landes und des Parlaments, 34 fümmern, wolle sie in dem juristischen zu Rahmen des. Young- Plans bleiben, indem sie den Botschafter bitte, der Reichsregierung zu raten, sich ihrer Meinung anzuschließen, daß nämlich die privaten Interessen vor den Interessen der Gläubiger­sta a ten zurüdtreten müssen.

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Der Matin" bringt dasselbe zum Ausdruck, wenn er erklärt, daß der Botschafter, falls er von irgendwelchen in Vorbereitung be­findlichen Plänen über die Rückzahlung der Kredite gesprochen habe, an eine falsche Adresse geraten sei. Es sei Sache der ameri­ kanischen und englischen Banten, die Deutschland die Kredite ge­währt haben, zu entscheiden, ob sie im Februar eine Verlängerung der Kredite bewilligen wollen. Erst wenn die Mehrzahl der Banken das ablehnen sollte, würde es Aufgabe der Mächte sein, sich an die Reichsregierung zu wenden und sie zu fragen, welche Garantie fie für eine Hilfe in der Regelung der Kreditfrage geben wolle.

In diesem Augenblick würde die ganze Politik der deutsch­französischen Wiederannäherung zur Diskussion fommen.

Auf jeden Fall denke niemand- bei dem gegenwärtigen Stand des Problems daran, der Bank von Frankreich fommerzielle Gefahren zu politischen Zwecken aufzubürden.

von der Zinssentung ab, über die wiederum der Wirtschafts: beirat eine Entscheidung treffen soll. In weiten Kreisen Deutsch­ lands hat die Landwirtschaft nicht mehr die Mittel, um bis zur In bezug auf die Regelung des Reparationsproblems schreibt nächsten Ernte auszuhalten. Im nächsten Jahr aber müssen wir In bezug auf die Regelung des Reparationsproblems schreibt der Matin", daß das im Young- Plan vorgesehene Verfahren ein­wegen Mangels an Devisen mit starken Einfuhrbeschränkungen gehalten werden müsse. Das Bajeler Sachverständigenfomitee werde rechnen, um so berechtigter erscheine die Forderung der Landwirt also aufgefordert werden, die 3 ahlungsfähigteit Deutsch schaft, durch irgendeine Art Moratorium die Sicherung der Mittel lands von neuem zu prüfen. Diese Prüfung werde nicht bis zur nächsten Ernte zu erhalten. Bisher sind noch keine Ent- lange Zeit in Anspruch nehmen, da der Wiggin- Layton- Bericht be­scheidungen, wohl aber Vorbereitungen in den verschiedensten Rich- reits alles Wissenswerte enthalte. Eine internationale Ron tungen getroffen, um je nach der Entscheidung des Wirtschaftsbeirates ferenz werde dann die notwendige Entscheidung treffen. Die Her­absetzung der Reparationszahlungen, die die Gläubiger eventuell Deutschland gewähren würden, hänge aber von der Höhe der Er­mäßigungen ab, die der amerikanische Kongreß auf dem Gebiet der interalliierten Schulden für möglich halten werde. Das legte Wort in der Debatte, die am Dienstag begonnen hat, werde also in Washington gesprochen werden.

weiterarbeiten zu können.

Im Reichsetat find Mittel für die Entschuldung nicht enthalten. Die Industrieaufbringungsumlage hat bisher 50 Millionen zur Verfügung gestellt, die Rentenbank hat 50 Millionen in Aussicht gestellt, und 5 Millionen davon bereits überwiesen. Dagegen hat sich die

Preußenkaffe im Zusammenhang mit dem Ausscheiden Preußens zurüdgezogen.

Für das nächste Jahr soll die Industrieaufbringungsumfage 90 Mil­lionen bringen, und zur Vorfinanzierung hat das Reichsfinanz­ministerium Schahwechsel in diesem Betrag ausgestellt. Die Ent­schuldungsbeträge werden zu einem Biertel in bar, zu drei Vierteln in Papieren gegeben. Insgesamt stehen für die Entschuldung 300 Millionen Mark zur Verfügung und für den Betriebsmittelfiche­rungsfonds für die Siedlungen 100 Millionen, welche Beträge bereits zum Teil ausgegeben find. Ungefähr 20 Millionen werden ins nächste Jahr als Reserve übernommen, etwa 15 Millionen können noch aus­gegeben werden.

Ueber die bisher von der Oststelle erledigten Anträge erfährt man, daß 95 Proz. der genehmigten Anträge Grundbesitz im Werte bis 40 000 m., also Kleinbesig, und nur 5 Pro3. größeren Besiz betrafen; aber es wurden

für die Kleinbetriebe etwas über 60 Proz., für die größeren und Großbetriebe nahezu 40 Proz. der ausgegebenen Mittel

verwendet.

Es soll sich nächstens entscheiden, ob Abgeordneter Schlange Schöningen als Minister ohne Geschäftsbereich oder als Reichs tommiljor die Leitung der Osthilfe übernimmt,

Die deutsch - französische Kommission. Brüning umreißt ihre Aufgaben. Amtlich wird mitgeteilt:

Unter Borfiz des Reichskanzlers Dr. Brüning versammelten sich am Dienstag zum ersten Male die deutschen Mitglieder und Sachverständigen der deutsch französischen Wirt fchaftstommission. Nachdem der Reichskanzler den Sach­an den verständigen für ihre Bereitwilligkeit zur Mitarbeit Aufgaben der Kommission gedankt hatte, führte er u. a. folgendes

aus:

Der Gedanke der Einsetzung der deutsch - französischen Wirt­schaftskommission verdanke Entstehung und Ausgestaltung den Zu­jammenfünften der deutschen und französischen Minister in Paris und Berlin . Hatte die Kommission ihren Ursprung somit auf poli­tischem Boden, so beschränke sich ihr Aufgabenfreis auf wirt. schaftliche Fragen. Hier allerdings finde fie ein weites. Feld; die Sachverständigen tönnten alle wirtschaftlichen Pro­bleme in Angriff nehmen, die ihnen geeignet erschienen, um die beiden Busammenarbeit und das Verständnis zwischen den Rationen zu fördern. Dabei sei zu betonen, daß die Arbeiten der deutsch - französischen Wirtschaftstommiffioa jich gegen Lein

die in wenigen Wochen bereits zu einem endgültigen Ziel geführt haben werde, sondern sollten ihre Aufgabe in einer ständigen

Reichsbannermann ermordet.

Nazihorden stechen jungen Proletarier nieder.

Riesa a. d. Elbe , 4. November. ( Eigenbericht.) Am Dienstag gegen 11 Uhr wurden in der hiesigen Hauptstraße zwei junge Reichsbaunerlente von einem größeren Trupp Nationalsozialisten überfallen. Während der eine der Ueberfallenen fliehen konnte, wurde der zweite, der 21jährige Sattler Arno Wolff, zu Fall gebracht und durch fünf Messerstiche, von denen einer ins Herz ging, sofort getötet. Die Nationalsozialisten hatten bereits den ganzen Tag über ein provozierendes Verhalten an den Tag gelegt, hatten mit auswärtigen Parteigenossen ,, Straßen abge­riegelt" usw. Die polizeilichen Ermittlungen über den Vorgang sind noch im Gange. Vorgang sind noch im Gange. Einige Verhaftungen wurden bereits vorgenommen. Nazis wurde geschlossen.

Das Verkehrslokal der

gegenseitigen Fühlungnahme und Zusammenarbeit erblicken, die nach und nach alle Fragen in ihren Bereich ziehen könne,

die im Rahmen dieser Gemeinschaft gelöst werden könnten.

Der Reichskanzler gab sodann bekannt, daß die Kommission ent­teilung in vier Unterfommissionen gegliedert worden ist, sprechend der zwischen den beiden Regierungen vereinbarten Arbeits von denen die erste Kommission wieder in zwei Abteilungen zerfällt. meinen Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Völkern befassen, Die erſte Unterkommission soll sich mit der Erörterung der allge= Das Hauptthema der einen Unterabteilung bildet der deutsch­französische Handelsvertrag, während sich die andere Unter­abteilung insbesondere mit den privaten Wirtschaftsvereinbarungen wie Kartellen usw. befassen wird. Die zweite Unterkommission soll die Verkehrsfragen( Eisenbahnen, Binnenschiffahrt, See­schiffahrt, Luftverkehr) behandeln. Der dritten Unterfommission liegt die Erörterung der Frage der Bildung von Interessen= gemeinschaften zum 3wede einer engeren Berflechtung der beiden Wirtschaften ob, während sich die vierte Unterkommission dem Problem der Zusammenarbeit im Auslande widmen soll. Die Kommission wird ihre Tätigkeit aller Wahrscheinlichkeit nach Ende der nächsten Woche mit einer Zusammenkunft einiger Mit­glieder und Sachverständigen in Paris beginnen.

Es wurde dann die Verteilung der deutschen Sachverständigen auf die verschiedenen Unterkommissionen festgesetzt. Als Vor­fißende der einzelnen Unterfommissionen wurden folgende Herren bestimmt. Unterkommiffion 1: Staatssekretär 3. D. von Simson; Unterabteilung 1: Ministerialdirektor Posse vom Reichswirtschaftsministerium; Unterabteilung II: Clemens 2am. mers; Unterfommission II: Graf von Roedern, Verband deut­scher Reeder; Unterkommission III: Abraham Fromein; Unter­fommission IV: Minister a. D. Hermes.

Teilzahlung der städtischen Gehälter.

Entgegen der ursprünglichen Meldung ist es dem Stadttämmerer gelungen, die Mittel zur Auszahlung eines Teiles der Ge­hälter am 10. November zur Verfügung zu stellen. Danach erhalten sämtliche Beamte und Fest angestellte am 10. November einen Betrag von 100 Mart ausgezahlt, die Pensionäre jedoch den Reft ihrer gesamten Bezüge