Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Nr. 537

A 270

.48. Jahrgang

Wöchentlich 85 Bf. monatlich 3.60 Dr. ( davon 95 Pf. monatlich für Bustel Lung ins Haus) im voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschließlich 60 Pf. Postzeitungs- und 72 Pf. Postbestellge bühren. Auslandsabonnement 6,-. pro Monat; für Länder mit ermäßig tem Drucksachenporto 5,- M

*

Der, Bormärts" erscheint mochentäg lich zweimal, Sonntags und Montags einmal die Abendausgabe fiir Berlin  und im Handel mit dem Sitel ,, Der Abend", Juftrierte Sonntagsbeilage

Bolf und Zeit".

Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

Sonntag

15. November 1931

Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.

Die einspalt. Nonpareillezeile 80 Bt. Reflamezeile 5,- R. Kleine An­zeigen" das fettgedruckte Wort 25 Bi. ( zuläffig zwei fettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengefuche das erste Wort 15 Pf. jedes meitere Wort 10 Bf. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Bf. Familien­anzeigen Zeile 40 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, mochen. täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Bartei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Fernspr.: Dönhoff  ( A 7) 292-297, Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  .

Breitscheid   warnt!

Schluß mit der Mordpest- sonst Schluß mit der Tolerierung.

Darmstadt  , 14. November.

Jn einer hier abgehaltenen Wahlversammlung der SPD.  , die von mehr als 5000 Zuhörern befucht war, sprach als Hauptredner der sozialdemokratische Abgeordnete Dr. Breitscheid. Im Carfe feiner Ausführungen fam er auch auf die täglichen zu fammenstöße zwischen polifisch Andersdenkenden zu sprechen und erklärte dazu:

,, Wir müffen in dieser Stunde eine

ernste Mahnung an die Reichsregierung

sind, so hat sich doch in fast allen Fällen ergeben, daß der Gegner der Nationalsozialisten in der Abwehr war. Wer das bezweifelt, möge sich daran erinnern, daß die Mord pest, die Mordanschläge und die Aufrufe zum Mord in Deutschland   nicht eriffiert haben, bevor der Nationalsozialismus   in Erscheinung traf. Wir erwarten von der Regierung eine

alsbaldige Antwort, ob sie bereit ist, den kampf gegen den Faschismus mit allen Mitteln

aufzunehmen

und an die Länderregierungen richten. Wir fragen, ob sie bereit cder ob sie sich dem Nationalsozialismus unterwerfen will. In diesem find, dem Terror der NSDAP  . ein Ende zu machen, da Falle ist die Gesamtheit der Arbeiterschaft bereit, den ihr aufge­sonst die Duldungspolitik der Sozialdemokraten gegenüber zwungenen Kampf mit allen mitteln durchzuführen. Durch der Regierung unmöglich wäre. Unsere Tolerierungspolitik den Beschluß der kommunistischen   Partei, dem Terror ein­sollte dazu dienen, die Republik   zu schützen. Sie kann aber nicht be- zelner Gruppen ein Ende zu machen, ist ein schweres Hinder deuten, daß die von uns tolerierie Regierung das Treiben der nis zwischen der Sozialdemokratie und der Kommunistischen Partei S.- Leute und der Nationalsozialisten sichert. Deutschlands   gefallen. Die Sozialdemokraten in Preußen werden Wenn auch hier und dort Hakenkreuzler zu Schaden gekommen fich gegen ein eventuell beabsichtigtes Berbot der KPD. wenden."

Der verhinderte Italienflug.

Die Namen von drei festgenommenen Italienern.

Sonstanz, 14. November.( Eigenbericht.)

Die fürzlich in Konstanz   bzw. Freiburg   im Zusammen­hang mit der Beschlagnahme eines aus Berlin   flammenden Flug­zeuges verhafteten 3taliener sollen die Antifaschisten Bassanesi, Tardiani und Rosselli sein, die im Juli 1930 den antifaschistischen Propagandaflug über Mailand  organisiert bzw. durchgeführt haben. Bassanesi, der seinerzeit das Flugzeug nach Mailand   fleuerte, verunglüdte auf dem Rüdflug im Gebiet des St. Gotthard- Massivs schwer. Nach seiner Genejung wurde er in der Schweiz   vor Gericht gestellt und zu einer längeren Gefängnisstrafe verurteilt.

*

Daß die deutschen   Behörden verpflichtet sind, ein derartiges Unternehmen, wenn es zu ihrer Kenntnis gelangt, zu verhindern, tann nicht bestritten werden; denn das entspricht nun einmal den international geltenden Auffassungen über die Beziehungen zwischen zwei befreundeten Staaten. Fraglich ist nur, ob darüber hinaus Deutschland   zu irgend etwas verpflichtet ist. Die italienische Re­gierung soll in Berlin   um Informationen über die Angelegenheit gebeten haben. Diese Neugier ist begreiflich, aber ein höfliche: Hinweis auf die erfolgte Durchkreuzung des Unternehmens dürfte genügen. Das Auswärtige Amt darf nicht vergessen, daß in den Augen der großen Mehrheit des deutschen   Volkes Männer wie Bassanesi und Lauro de Bosis   Helden der Freiheit sind und daß jeder geglückte Propagandaflug in Millionen deutscher Herzen Jubel auslöst, während das tragische Ende de Bosis aufrichtige Trauer hervorgerufen hat. 21

Namen mie Bassanesi, Rosselli und Tarchiani er weden bei allen Republikanern in Deutschland   nur Gefühle der Be wunderung und der Sympathie. Tarchiani ist einer der ersten Jour­nalisten Italiens  . Er hat seinen Posten als Chefredakteur des Cor­ riere della Sera  " aufgegeben und ist ins Ausland geflüchtet, um seine Meinungsfreiheit und Menschenwürde zu retten. Rosselli hat sich für den greisen Sozialistenführer Filippo Turati   geopfert, dem er zur Flucht verhalf. Dafür wurde er nach den Lipari  - Inseln ver­bannt. Seine eigene abenteuerliche Flucht zusammen mit dem Ab­geordneten Lupu und Fausto Nitti  , dem Neffen des früheren Mini­sterpräsidenten, gehört zu den wagemutigsten und großartigsten Heldentaten der Neuzeit. Das gleiche gilt für Bassanesi, dessen Mailand   Flug in aller Erinnerung ist.

|

Rosselli, die mir die zum Abwurf bestimmten Flugblätter nach Freiburg   überbracht haben, dann ist die sofortige Frei­laffung eine Selbstverständlichkeit.

Die zuständigen Behörden müssen wissen, daß von ihrem Ver. halten das Urteil vieler Millionen von Menschen in der ganzen Welt über deutsches Rechtsempfinden und deutsche Ritterlichkeit ab­hängen wird. Bozu fie gegenüber der derzeitigen italienischen   Re­gierung verpflichtet waren, das haben sie sowieso schon zur Genüge getan.

Polnische Pogrome. Radauftudenten werden Zwangsfoldaten.

Warschau  , 14. November.

In den kongreßpolnischen Städten Lo mza, Sosnowig und No mogrudef sind nach dem Vorbild von Warschau  , Krakau   und Posen Demonstrationen gegen die jüdische Bevölkerung veranstaltet worden. In Lomza   wurden ein Duzend Leute verlegt. In Sosnowih mußte die Polizei 3000 Demonstranten auseinander treiben, um Ausschreitungen zu verhindern. In Nowogrudek über­fielen Schüler jüdische Passanten.

In Krakau   haben sich die antisemitischen Exzesse wiederholt. Jüdische Geschäfte wurden blockiert und in mehreren Kaffeehäusern die Scheiben eingeschlagen. In Lemberg   veranstalteten 4000 Studenten einen Demonstrationszug durch die Hauptstraßen. In Warschau   berichten die jüdischen und die nationaldemokratischen Blätter von Ueberfällen auf ihre Anhänger. Wie es heißt, sollen jene Studenten, die bei den Ausschreitungen verhaftet wurden, sofort unter Verlust des ihnen zustehenden Aufschubs zum Militär eingezogen werden; dieses Verfahren hat schon an der Jahr hundertwende ein zaristischer Unterrichtsminister gegen revolutio­näre, Studenten eingeschlagen.

Korfants foll deutscher   Agent sein!

Warschau  , 14. November. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen gegen die Brester 2n­getlagten entspann sich ein sehr lebhaftes Wortgefecht zwischen der Verteidigung und den Anklagevertretern wegen der Zulassung von Belastungszeugen, die darüber aussagen sollten, in welchem Maße Korfanty   an den revolutionären Bestrebungen des Zentrolem" beteiligt gewesen sei. Die Verteidigung widersprach dieser Absicht, Korfanty   in den Prozeß hineinzuziehen, da Korfanty  , der nicht an getlagt ist, sich nicht verteidigen könne. Der Belastungszeuge Jonjec hat vor dem Untersuchungsrichter ausgesagt, zwischen Korfanty   und der deutschen   Regierung bestehe eine innige Zusammen­arbeit(!), Korfanty   erhalte von ihr größere geldliche Unter­ftüßung(!). Das Gericht beschloß, die in Frage kommenden Zeugen zu vernehmen, die Person Korfantys hierbei aber auszuschließen".

Solchen Männern gegenüber ist Deutschland   zur Ritterlich feit verpflichtet. Ihre Handlung, die übrigens nur vorbereitender Natur war, ist nach unserer Ueberzeugung den Gesetzen nach über­haupt nicht strafbar. Sollte bei dem einen oder dem anderen Baßvergehen vorliegen nun, dann muß das Gesetz natürlich zur Anwendung kommen, aber unter gerechter Würdigung der Motive und der Gesinnung. Jede Untersuchungshaft, über solche Männer verhängt, wäre kleinlich, denn sie würden sich bestimmt nicht dem Gericht entziehen. Dafür spricht, daß sie schon ganz andere Dinge freiwillig ristiert haben als eine Polizei oder gar eine Brze Freiheitsstrafe. Liegt aber nicht einmal Baßnergehen nor- und das gitt mujeres Wissens zumindest für Tariani unbeumahlen,

Postschedkonto: Berlin   37 536.- Banffonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3. Dt. B. u.Disc.- Ges., Depositent., Jerusalemer@tr. 65/65.

Die Bürgerkriegsparteien.

Legalitätsschwüre und Wirklichkeit.

#

von

Am Freitag, spät abends, und in der Nacht veranstalteten braunschweigische SA. Abteilungen, ohne von der Polizei gehindert worden zu sein, regelrechte mili tärische Uebungen vor den Toren der Stadt. Auto­mobilisten, Fuhrleute, Radfahrer usw. wurden ange halten, auf Waffen untersucht" und bei Weige rung tätlich bedroht. In dem Vorort Rautheim drangen die Hakenkreuzler in die Häuser Arbeitern ein, unt ,, Margisten zu suchen". Aehnliche Terrorakte werden aus anderen' braunschweigischen Orten gemeldet. Die Braunschweiger   Nationalsozialisten haben in kleinem Maßstab wiederholt, was sie am Braunschweiger Blutsonntag in größtem Stile in der Stadt Braunschweig   durchgeführt haben. Sie haben das Manöver Kriegszustand" durchge= Straßen besetzt, Häuser durchsucht, Personen durchsucht, die führt, haben tatsächlich die Polizeigemalt an sich gerissen, Bevölkerung terrorisiert.

-

sicht gegen das Strafgesetz verstößt Es ist kein Zweifel, daß dieje Aktion in mehrfacher Hin­aber wo sind die Staatsanwälte in Braunschweig  , die ein Verfahren einleiten werden? Der Verstoß gegen das Strafgesetz aber wiegt milde gegenüber dem ungeheurlichen Verstoß gegen die ver­fajfungsmäßigen Zustände, den dies Bürgerkriegsmanöver bedeutet. Die verfassungsmäßigen Zustände in Braunschweig  maren während dieser Aktion außer Kraft gesetzt nicht nur dadurch, daß die SA. des Herrn Klagges Kriegszustand ge­übt hat, sondern vor allem dadurch, daß die braunschweigi schen Behörden nichts gegen diese Machtanmaßung unter­nommen, daß sie die Belästigung und Terrorisierung der Staatsbürger durch eine Bürgerkriegstruppe geduldet haben.

In einem Lande, in dem derartiges geschieht, ist die Regalität zerfetzt.

Wir stellen uns vor: Minister Groener berührt auf einer Dienstfahrt braunschweigisches Gebiet. Sein Wagen wird auf offener Landstraße von einer Patrouille der Hitlerschen SA. in Uniform angehalten, und die SA.  - Leute nehmen an ihm und feinen Begleitern eine Durchfuchung nach Bassen vor. Das hätte ihm geschehen können, wenn er am Freitagabend über eine braunschweigische Landstraße gefahren wäre. Was würde er von der Legalität" einer derartigen Borgangs sagen?

-

Seit dem Legalitätsschmur von Hitler   in Leipzig   wiederholen die kleineren Götter der Hafenkreuzpartei in Dußenden von Versammlungen, daß sie legal sein würden bis zur Machtübernahme was sie dann mit der Macht anfangen würden, sei ihre Sache. Nun ist Macht und Legalität keineswegs identisch, und schließlich gibt es auch noch eine Reichsverfassung. Aber die Partei Hitlers   huldigt dem Prinzip: die Vorbereitung des gewaltsamen Um sturzes der Verfassung ist legal, immer legal, höchst legal, wenn man nur feft genug auf die Legalität schwört.

Eine saubere Legalität, diese Legalität der Nationalsozia­listen, und der neueste Fall Braunschweig   ist der sinnfällige Beweis dafür. Es ist nicht dieser Fall allein. Wir haben fürzlich einen Befehl an die Hitlersche SA.   veröffentlicht, der regelrechte Mobilmachungsvorbereitungen anordnete. Dieser Befehl ist von der Pressestelle des Herrn Hitler   als eine Fälschung bezeichnet worden. Wir haben nichts anderes er­wartet. Aber die Tatsachen lassen sich nicht de= mentieren. Es liegt nicht nur dieser eine Befehl vor, ähnliche Anordnungen sind aus verschiedenen Teilen Deutsch  )= lands bekannt geworden. Zunächst aus Bayern  , dann aus dem Ruhrgebiet  , dann aus Schlesien  , Thüringen   und Sachsen  wurde bekannt, daß die kasernierten SA.  - Leute verschiedener Städte und Landesteile ausgetauscht würden.

Diese Manöver haben dazu beigetragen, die Unsicher beit auf den Straßen zu vermehren, die Zahl der Zusammenstöße und der Opfer zu erhöhen. Die auswärtigen SA.  - Abteilungen haben ihre Tüchtigkeit durch Terrorakte be­wiesen siehe Jena  , Riesa   und Dresden  . Sie haben in einzelnen Orten und Gegenden ein förmliches Terrorregiment aufgerichtet, das im völligen Widerspruch steht zu allen

-

Legalitätsbeteuerungen.

Nichtsdestoweniger bemüht sich die nationalsozialistische Propaganda, diese Terrorgarden in der Rolle der ver­folgten Unschuld zu zeigen. Das stimmt merkwürdig Eine Frau im US- Senat  . Es ist zum zweiten Male in der zusammen mit den Geschehnissen der letzten Tage. Die per­Geschichte der Bereinigten Staaten eine Frau in den Senat eingefolgte Unschuld steht eben jetzt in Hamburg   von Gericht in zogen. Der Gouverneur des Staates Arizona   übertrug Frou Gestalt der drei Nationalsozialisten, die das kommunistische Caraman den durch den Tod ihres Gatten Anfang Nonember frei. gemordenen Senatsfig bis zu den am 12. Jamiar stattfindenden Bürgerschaftsmitglied Henning nachts im Autobus über­i holten und niedergeschossen haben. Zu diesen Repräsentanten