Eine Theaterdiskussion.
Gegen die Aufführung der„Heiligen aus USA ." im Theater am Kurfürstendamm ist«ine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet worden, weil sie Gotteslästerungen«nt> halte. Der§ 166 des Bürgerlichen Strafgesetzbuches bestraft mit Gefängnis bis zu drei Jahren, wer öffentlich Gott lästert und damit Aergernis gibt oder öffentlich eine der christlichen Kirchen oder mit Korporationsrechten versehenen Religionsgesellschaften oder ihre Einrichtungen oder Gebräuche öffentlich beschimpft. Es ist klar, daß man Gott nicht lästern kann, zumal nicht seststeht, ob es einen gibt. Das Bürgerliche Strafgesetzbuch will auch nicht Gott schützen, sondern die Interessen der Kirchen. Nun gehört zwar die„christ- liche Wissenschaft", deren Gründerin in der dramatisierten Repor- tage in all ihrer Menschlichkeit gezeigt wird, nicht zu den geschützten Religionegesellschasten. Aber ein« Anklag« erscheint trotzdem nicht ausgeschlossen. Das Kurfürstendamm> Theater ist der Verhandlung zuvorge- kommen und hat gestern nach einer hervorragenden Aufführung des Stücke», in der wieder Agnes Straub aus der Heiligen ein« ebenso interessante wie bedeutende Persönlichkeit schuf, die Frag« der Gotteslästerung zur Debatte gestellt. Di« Autorin Ilse Lang- n e r, der Regisseur Ludwig B e r g e r— beide sollen, wie auch Agnes Straub , mitangeklagt sein—, Heinrich Mann als Vertreter des Schrifttums, Pfarrer Koch als Repräsentant einer christlichen Kirche, der bekannte Geheimrat Finkelburg und Justizrat Rosenberg er nahmen da« Wort und stellten einmütig fest, daß nach ihrem Empfinden weder in dem Drama noch in der Auffüh- rung von einer Gotteslästerung die Red« sein könnte. Heinrich Mann formuliert« sehr glücklich: Nicht die Verfasserin hat Gott g«° lästert, sondern die Baker, die die Religwn mißbraucht hat für chr« herrschsüchtigen und geldgierigen Zwecke. Was die Verfasserin des Dramas selbst ausführte, gab einen Einblick in die Motive. Sie hat diese Spekulantin der Seele, die hall» aus einem Heldenepos und halb aus einer Moritat stammt, diese religiös« Usurpatorin. diese Prophetin, die die Religion zu kapitalistischen Zwecken miß- brauchte, in ihrer Größe und Niedrigkeit zeichnen wollen. Berger wie« auf die Folgen hin, die dieser Prozeß haben könnte: alle Dar- steller von Verbrechen liefen in Zukunft Gefahr, angeklagt zu worden, weil man sie mit dem gleichen Recht al« Verherrlicher von Verbrechen belangen könnte. Der Jurist Rosenberger erzählte aus seiner Praxis, welche Bedeutung der ominöse§ 166 für die Dichter und Darsteller hat und beleuchtete besonders den Prozeh um da« Ehristusdrama von Einstein und um Schnitzlers„Reigen".
Es ist grotesk, daß wir noch einen Gotteslästerungsparagraphsn haben, und daß im letzten Berichtsjahr noch 206 Bestrafungen auf Grund dieses Paragraphen erfolgt sind. Es ist nicht abzusehen, welche Folgen die Anwendung des Paragraphen auf Werke der Literatur und Kunst haben müßte. Es sei nur an den Fall G r o s z erinnert. Deswegen war es gerechtfertigt, daß das Theater diesen Prozeß im Theater organisierte. Er hat mit einem vollen Freispruch geendet. Variet6- und Theaiertanz. Ob und wie weit Tancanschwüng« für den modernen Au». druckstanz verwendbar sind, soll nicht untersucht werden. Allgemein und grundsätzlich läßt sich die Frage nicht beantworten. Es kommt, wie bei der Beurteilung aller gymnastischen Elemente, auf die in- dividuell« Anwendung an. Die Eancanschwünge der F l o r e n c e Forman im Wintergarten lassen sich d em Organismus neutänzerischsr Kunsttänze unbedingt eingliedern. Sie sind nicht nur technische Bravourleistungen, sondern auch künstlerische Aue- drucksmlttel von unerhörter Kraft und vielseitigster Anwendung«» Möglichkeit. Vollkommen überzeugend wirken auch die Vorführungen der kleinen Tanzkünftler L u c I« n n« und Ashour Hockney. Vor allem ihre„Apachen", eine rhythmische Pantomime, die mit großem Raffinement nur au« akrobatischen Elementen komponiert ist. Die Akrobatik steht hier durchaus im Dienst de» dramatischen und tänzerischen Kunstwerks und fügt diesem unaufdringlich ihre befonderen Reize hinzu.■ Die Art, wie das Ganze aufgebaut ist und die Einzelheiten ausgestaltet sind, kann als vorbildlich gelten. Was die Tanzgruppe Hans Weidt in einer Matinee im Deutschen Künstlertheater lot, entzieht sich ernsthafter Kritik. Es war ein totale« Versagen des durch manche bei'eren Leistungen bekannten Tänzers, Tanzkomponisten und Tanzregiiseur». Dies«„Passion eines Menschen" war textlich, choreo- graphisch und szenisch von einer entwaffnend dilettantischen Naivität und Hilflosigkeit. Unfreiwillig komisch die Versprosa, van einem Sprechchor gebracht, dem die Anfangsgründe seiner Kunst Mangel- ten. Einschläfernd monoton die Gruppenbewegungen mit ihren dürstigen, immer wiederkehrenden Motiven. Zum Schluß streckten sich aufgeregte.Rot-Front"-Fäust« von der Bühne ins Publikum. Das Ganze' sollte nämlich eine Propaganda-Aktion für den Kommunismus fein. 8.
Moritz handelt... Sowohl nach rechts als nach links! Vor dem Amtsgericht Berlin-Mitte hatte Gottfried Moritz-Zarnow, Verfasser der berüchtigten Schmähschrift von der„Gefesselten Justiz", gegen den verantwortlichen Redakteur des „Vorwärts", Genossen Victor Schiff , wegen Beleidigung Klage eingereicht, die jetzt verhandelt wurde. Schiff hatte Widerklage erhoben. Der Artikel in Nr. 297 des„Vorwärts", durch den Moritz sich beleidigt fühlte, trägt die Ueberfchrift„Der g« f e s s e l l t e Moritz. Weshalb Gottfried sich nicht traute, seinen Namen zu bekennen." Der Artikel, der Gegen- stand der Widerklag« bildet, war im„Völkischen Beobachter" ver- öfsentlicht, wo Moritz sich unter der Ueberschrift„Pro.zeßlügen de« .Vorwärts'" austobte. Schiff erklärte auf Befragen des Vorsitzenden, weitere Aeuße- rungen zum Artikel nicht machen zu wollen. Rechtsanwalt Otto Landsberg richtete an den Kläger Morih folgende Fragen: Ist es richtig, daß Sie Mitglied der Sozialdemo- kratischen Partei gewesen sind, daß Sie auf einem sozialdemokratischen Bezirkstag gesprochen und in der„Münchener Post" einen die Osfiziere beschimpfenden Artikel veröffentlicht baben? Ist es richtig, daß Sie, während Sie ZNikglled der Sozial- demokratischen Partei waren, volksparleilich gestimmt haben? Moritz muß sämtliche au ihn gerichtete Fragen bejahen. Nur sei der Artikel nicht in der„Münchener Post", sondern in der Mannheimer „Volkestimme" veröffentlicht. Sozialdemokrat sei er nur geworden, um die Akögsichkeik zu erhallen, dem damaligen Rsichcschahmeisker Lauer sein Material über Sorrnplion zu unter- breiten. Aus demselben Grunde habe er auf dem Magdeburger Delegiertentag das Wort ergriffen. Vierzehn Tage nach dem Delegiertentag sei er aus der Sozial- demokratischen Partei ausgetreten. Die Zugehörigkeit zu ihr sei für ihn nur Mittel zum Zweck, es sei ein artistisches Kunststück gewesen» daß er zwei Monate der Sozialdemokratischen Partei angehört habe. Im„Deutschen Spiegel" Hab« er selbst darüber geschrieben, daß zwei Monatsbeiträge für ihn nicht zuviel gewesen seien, um an Dauer heranzukommen. Daß er während seiner Zu- gc Hörigkeit zur Sozialdemokratischen Partei votksparteilich gewählt habe, gibt er gleichfalls zui Zum Artikel de,„Vorwärts" gibt Moritz folgende Er- klärung ab: Er habe auf der Iournalistentribüne des Landtags verschiedenen Journalisten erzählt, daß der Ministerpräsident Otto Braun gegen ihn wegen eines Artikel» in der„Ostpreußischen Zeitung"„Brauns unsterblicher Rehbock" Klage erhoben habe. Unter anderem habe er auch mit dem Berichterstatter von Ullstein, PhUippcborß, darüber gesprochen und ihm gesagt, daß ihm eine persönliche Beleidigung des Ministerpräsidenten Braun ferngelegen habe. Philippsborn habe sich angeboten, mit dem Ministerialrat Goslar zu sprechen. ob die Angelegenheit nicht durch ein« Entschuldigung aus der Welt geschafft werden könnte. Auf Vermittlung Phllippsborns habe er dann auch mit Goslar gesprochen. Da dieser aber«in« Ver- ösfentlichung der Ehrenerklärung im Amtlichen Preußischen Pressedienst oerlangt habe, sei aus dem Ganzen nichts geworden. Er könne allerdings im Augenblick nicht sagen, ob bei einer Unterhaltung mit Philippsborn die Aeußerung gefallen sei, er habe auf die Forderung Gaslars nicht eingehen können, da ihm sonst kein deutschnationales Blatt mehr einen Artikel abnehmen würde. Auf Bsfragen des Vorsitzenden stellt Rechtsanwalt Landsberg fest, daß rm Artikel d:s„Vorwärts" von Bsstechlichkeit überhauptksine Rede sei. E» hieße da nur, Alorltz-Zaruow 'zi aus Furcht, für feine Artikel in der deutschaalioualen presse k'lne Aluehmer mehr zu sladeu, auf Gortar, Forderung uicht ein- acgangea. Der Vorsitzende stellt seinerseits fest, daß der Vorwurf der Gesinnungslosigkeit, den Moritz-Zarnow in der Slentzerung des„Vorwärts" erblicken will, er Hab« sich an einen linksgerichteten Journollsten herangedrängt, nicht besondere s ch w e r w i« g« n d sei, da er es ja seinerzeit für möglich befunden habe, eck, Sozialdemokrat vvltsparleUich zu st'mmeu. Der Zeuge Journalist Philippsborn sagt aus: Moritz er- zählte mir. daß der Chefredakteur der„Ostdeutschen Zeiwng" ihn habe aufsitzen lassen, indem er seinen Namen nannte. Es sei ihm nicht eingefallen, durch eine derart dumm« Sache den Ministerpräsidenten Braun, den er schätze und für einen tüchtigen Staatsmann halte, zu beleidigen. Ich fragte Herrn Moritz, ob Braun seine Stellung zu ihm kenne und ob er nicht irgendwelche Beziehungen zu Braun habe. Moritz beant- wartete beide Fragen mit nein und weinte: Wenn Braun es doch erfahren könntel Er sprach auch davon, daß er sich in mate- rieller Bedrängnis befinde und daß er die Spesen, die ihm aus dem Prozeß erwacksen würden, nur schwer tragen könne. Ich habe mich darauf mit Goslar in Verbindung gesetzt Später er- fuhr ich. daß aus der Angelegenheit nichts geworden und daß Moritz-Zarnow zu 800 Mark verurteilt worden sei. Moritz- Zarnow sagte mir. daß er der gewünschten verösfenilichung einer Erklärung im Amtlichen Preußischen Presssdienst nicht habe zu- stimme» können, da so sonst keio rechtsstehende» Blatt von ihm la Zukunft einen Artikel abgenommen hätte. Der Kläger Moritz versucht, den Zeugen als unglaubwürdig hinzustellen, indem er ihn wegen angeblicher Hetze der Ullstein- Presse gegen ihn verantwortlich mache. In seiner Erwiderung teilt der Zeug« mit. daß Morih durch ihu versucht habe, seine Produkte beim„Tempo" anzubringen. Moritz gibt zu. daß er tatsachlich rm ..Tempo"«ine witzige Sache habe unterbringen wollen. Unter dem Eindruck dieser Beweisaufnahme erklärt sich Moritz bereit, sein« Klage zurückzunehmen. Genosse Schiff gibt im Anschluß daran die Erklärung ab, der„Vorwärts" habe den Vorwurf der Bestechlichkeit nicht erheben wollen und nicht erhoben._
Vitamin D gefunden. Dem Göttinger Proiessor Adolf Windaus ist es nach vierjähriger Arbeit gelungen, das Vitamin V. das Antl- Rachiticum, in remem kristallisierten Zustande herzustellen. Die Witwe von Georg Brandes , Frau Gerda Brandes, ist im Aster von 81 Jahren in Kopenhagen gestorben. Die Gerbart-Hauptmano- Stiftung hat ihren diesjährigen Preis Annett« Kolb zuerkannt. Di« Ausstellung.„Schöll« Yandschrift-u", im Schaufaal der Staats- blblrothek, ist in den Stunven von 11 vis 15 Uhr, auch Sonntags, geöffnet. Der Deutsch « Lhi«um-El»b veranstaltet zur Zeit w seinen Räumen. Lutzowplatz IL,«ine Kunstausstellung„Aug große» Städten. We- öffnet von 11 bis 18 Uhr. RuseumSsühriwgeu. Sonntag: 10 Uhr Dr. Hennann: d i e D« n k- m a I« r d er Pvramidenzeitim Neuen Museum. 10 Uhr Proseslor Frt-dlandcr: d a s deutsche Bildnis im IS. Jahrhundert im Deutschen Museum. Ii Uhr Dr. Brau, im bäuerliche K°ram,k t« Museum für dcutsche Volkstuude cSlosteistiaße).
Englische Schauspieler. Slu Teilung im Museum der Staatstheater. Der Berliner Schauspieler Loui» Schneider sammelte während seiner englischen Reise in den zwanziger und dreißiger Iahren Stiche, die feine berühmten Kollegen jenseits des Kanals in ihren Glanzrollen oder auch in schlichtem Bürgerrock dar- stellten. Diese graphischen Blätter, die die Namen größer englischer Graphiker tragen, hat jetzt das Museum der Staatstheater in der Oberwallstraße dem Publikum zugänglich gemacht. Sie zeigen mit absoluter Eindeutigkeit, welche Vorstellungen das Pu- blikum mit dem Begnss des großen Tragöden oerband und wie da- mal« im 18. und zu Deginn des 19. Jahrhunderts Theater gespielt wurde. Mit David Garrick setzt etwa um 1760 in England die Shake- speare-Renaissance«in. Dieser Schauspieler soll mehr aus dem In- tsllekt als au« dem großen schöpferischen Temperament gestaltet haben. Man rühmt ihm«in selbst im Aslett maßvolles Spiel nach. Davon ist allerdings auf den Stichen weniger zu merken. Man sieht vielmehr die Freude am starten, theatralischen Ausdruck, an der weit schwingenden Gest «, am rauschenden dekorativen Falten- wurf der Gewänder. Diese Uebersteigerung der Leidenschaft findet man selbst in seinem Richardporträt, das nach einem Gemälde von Hogarth gestochen wurde. Liegt diese theatralische, Bedeutung suchende Pose nur an dem Schauspieler? Sieht man heute die Reihe der Porträts eines Rey- nolds, Lawrence oder Romney durch, so stößt man immer wieder auf eine Haltung, die die dargestellte Person, ihren Beruf und ihre Bedeutung zu höher« Sphären steigern möchte. Ein kleiner Land- edelmann oder ein Spezereihändler geben sich das Aussehen eines wichtigen Diplomaten oder Manne» der großen Welt. Wieviel mehr wird der Schauspieler, Interpret starker Leidenschaften, diese Steigerung erfahren! In den Stichen nach Keans Macbeth, Hamlet oder Richard aus den zwanziger Iahren erscheint schon die dekla- motorische Pose des Heldentenors, die man auch noch auf Photo- graphien eines Mattowsky, Kainz oder Christians finden kann. Erst der Naturalismus brachte hierin eine Wandlung.— t.
Wesensschau und Erfahrung. Wesensschau und Phänomenologie— das ist ein« von den großen Schlagwörtern unserer Zeit, die heute so oft gebraucht und so selten richtig verstanden werden. Es ist daher der„Gesell- schaft für Psychologie und Charakterologie" al» Verdienst anzurechnen, daß sie in ihrer Freitagsitzung Rektor Paul R u t h« zu einem Vortrag über„Arbeitsfeld und Methode der Phänomenologie" eingeladen hat, in dem der Referent in vorbildlich klarer und verständlicher Weis« das schwierige, heute allgemein interessierende Thema behandelt hat. Wenn die Naturwissenschaftler und Empiriker, so führte er aus, das Goeche-Wort:„Erfahrung bleibt des Lebens Meisterin" für sich in Anspruch nehmen, so könnte man mit demselben Recht einen andexen Ausspruch Goethes als Motto der„Wesensschau" voran- stellen:„Erfahrungswissen ist nur Schaum und Dunst und mit dem Geist nicht ebenbürtig." Geist allein aber, reine Gedankenwelt, interessiert den Phäno- mcnologen— für die Außenwelt dagegen, die Welt der realen Ge- schehniss«, hat er keinen Sinn, die klammert er ein: von ihr ficht er ab, weil er nichts anderes in Anspruch nehmen will als das, was er im Bewußtsein hat. Der Rest, der dann bleibt, ist die Erscheinung, das Phänomen, das dieser Richtung den Namen gab. Es gibt nur eine ungetrübte Quelle, sagt Husserl , der Alt- meister und Begründer der Wcsensschau— das ist die Bewußtseins- welt. Stellen wir uns z. B. eine Uhr plastisch vor und wollen nun chr Wesen erfassen, so müssen wir von allem Zufälligen ab- sehen, von Verzierungen, Farbe, Material, nicht absehen können wir mdessen von Zeiger, Ziffernblatt und den sich abhebenden Ziffern. Sie gehören zum Wesen der Erscheinung, zu ihrem Zweck... Dies« scholastisch-mystisch anmutende Denkweise hat in er-
schreckendem Ausmaße in die verschiedensten Gebiete exakter For- schung Eingang gefunden. Wie gefährlich und abwegig indes diese Experiment und Er- fahrung mißachtende, allem von Idee und Geist beherrschte Denkungsart in der Praxis werden kann, das betonte in der Dis- kussion für lein Gebiet der Bodenreformer von Holten. Auch das drakonische Recht habe sich von einer Idee leiten lassen, dem Ver- geltungsgedanken nämlich, ohne diesen an der Erfahrung jemals nachzuprüfen und zu revidieren. Die Erfahrung aber hätte uns schon längst zeigen können, daß man durch Vergeltungsmaßnahmen das Verbrechen nicht eindämmen kann, sondern nur durch Erziehung und Resozialisierung entgleister Individuen. Immer habe man im Namen der Idee, des Geistes und un- geprüfter Thesen die Massen tn» Unglück gehetzt— aller Fortschritt dagegen m unserer menschlichen Gesellschaft sei noch stet» nur da- durch erzielt worden, daß wir unser« Handlungen nach der Er- f a h r u n g gerichtet haben. vr. L. H. „Gasparone." Theater am Nollendorfplah. Nun ist auch Mlllöcksrs„Gasparone ", eine der erfolgreichsten Operetten von vor bald 50 Jahren, der zwangsläufigen Annäherung an unsere Zeit der Bearbeitung nicht entgangen. Im Dialogischen war sie sicher notwendig; und was dis Musik anlangt, ging es, wie es in diesen Fällen immer zu gehen pflegt: durch Veränderung der Handlung, Weglassen von Allem und Einschieben von Neuem w-rd die bei Millöcker immer deutliche, formale, opernnahe Struktur des Werts preisgegeben, wird es in eine unverbindlich«, reoueart'ge Folge von Bildern ausgelöst, die im einzelnen, das sei den Be> ardeitern Ernst Steffan und Paul Knepler gerne zugegeben, viel Reizvolle» enthalten. Die mit ersten Kräften besetzte, von Ernst Hauke dirigierte Aufführung war hervorragend. Trog der ausgezeichneten Leistungen der Margret Pfahl, der Emmi Sturm, des nun wohl endgüllig zum OpereUenliebllna gewordenen Michael Bohnen war der eigentlich« Star des Abends Leo Slezat, der den' dummschlauen Bürgermeister mll überwältigender Komik minte, nur leider viel zu wenig, wenn auch das wenig« herrlich, sang. Saltenburgs Regie, Arents Bühnenbilder, die Kostüme, die Tänze, für die Heinz Singen verantwortlich war(erfolgreiche Tanzsolistin war Marianne W i n k e 1 st e r n), alles ergänzte sich aufs beste und war geschmackvoll aufeinander abgestimmt. A. W,
„Oer Herr Bürovorsteher." Titania-palast . Um die Vressart-Konsunktur. auszunutzen, versilmte man das Theaterstück„Konto X". So bekommt B r« s s a r t als Büro- Vorsteher eine Bombenrolle. Dummdreist ordnet er bei seinem Brot- geber, einem Rechtsanwall, jede Sache. Als er znm Schluß einen Schwindler entlarvt, kann der Rechtsanwall die Tochter eines pensionierten Admirals heimführen. Natürlich lacht'man stets, wenn Bressart auftaucht; aber der Tonfilm schablonisiert Bressart. Er muß durch die Stimme wirken und immer sprechen wie ein großer, durch Stockschnupfen ver- hinderter Redner, er muß auf seine unnachahmliche Art niesen und mit leicht jüdelnden Bewegungen(die stärkere Betonung der ge- wissen Geste reserviert die Filmindustrie«in für allemal für Arno), durch die Szenen fuchteln. Man sollte mal endlich Bressart eine Roll« ausspielen lassen. Der Regisseur Hans Behrendt entwickelt die Handlung nicht. Cr reiht bloß Episoden aneinander. Kein Wunder, daß Hermann T h t m i g, Maria M e t h s n e r, Margot Walter und Alfred � A b e l matt bleiben. Rur Eugen Rex und Henry Bender können in tleinen Rollen vollsaftig al« Spieher sein. Die Photographie ist oft recht schlecht. Charlie Rölltnghofss Witze am laufenden Band sind mehr albern als witzig, st« retten das Stück nicht, sondern vergröbern die Langeweile. Erwähnenswert ist der Schongcr-Film vom Spreewald, der im Beiprogramm läuft.«. b.