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Morgenausgabe

Nr. 551

A 277

48.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Mittwoch 25. November 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einipalt. Nonpareillezeile 80 B1. Reflamezeile 5,- RM. Kleine An­geigen das fettgebrudte Bort 25 Pf. ( zulässig zwei fettgedruckte Morte), jedes weitere Wort 12 Bi. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erfte Wort 15 Bi. jebes weitere Wort 10 Bf. Morte über 15 Buchstaben zählen für gibei Morte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Bf. Familien­anzeigen Zeile 40 Bf. Anzeigenannahme in Hauptgeschäft Lindenstraße 3, mochen­täglich von 8 bis 17 Uhr. Dex Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vorl

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Landesverrat!?

Zum neuesten Urteil des Reichsgerichts.

Von Walther Binder.

Am 23. November 1931 hat das Reichsgericht, wie hier bereits gemeldet, den Herausgeber der Weltbühne v. Ossiehty und den Schriftsteller Walter Kreiser  megen ,, Verbrechens gegen§ 1, Absatz 2, des Gesetzes über Berrat militärischer Geheimnisse" zu je einem Jahr sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Was ist der Anlaß zu dieser unerhört harten Bestrafung?

bühne ein Artikel, Windiges aus der deutschen   Luftfahrt" Bor   nunmehr schon 24 Jahren(!) ist in der Welt­erschienen, in dem Walter Kreiser  , damals als stellver­tretender Leiter der Luftfahrtabteilung des Deutschen Ver­fehrsbundes tätig, in scharfer Form allerlei Mißstände aus der deutschen   Luftfahrt geißelte und hierbei auch auf gewisse Dinge einging, die etatrechtlich anfechtbar erschienen.

Es ist noch in aller Erinnerung, zu welcher lebhaften Kritik gerade die Finanzgebarung des Reichsverkehrs ministeriums damals den Rednern fast aller Parteien im Reichstag   Anlaß gab. Auch die Berichte des Reichsfinanzhofs enthielten an Hand einer Fülle von Einzelheiten so schwerwiegendes Material über die Mißwirt­schaft in der Luftfahrtabteilung des Reichsverkehrsministe riums, daß man sich heute noch wundern muß, daß keiner der hierfür verantwortlichen Herren die Konsequenzen aus diesem Bersagen hat ziehen müssen. Der Hauptanlaß zur Kritik war die unkontrollierbare Verteilung und Berausgabung der be­willigten Mittel, die zur Folge hatte, daß für allerlei Mäßchen Mittel reichlich zur Verfügung standen, während auf der an­Deren Seite an wichtigem Orte für die wirkliche Förderung der Luftfahrt nichts übrig blieb.

Auf diese Zusammenhänge wies der inkriminierte Ar­titel Kreijers hin, ohne dabei irgend etwas zu enthalten, mas nicht längst die Spazen von den Dächern pfiffen.

Es steht hier nicht zur Debatte, ob Form oder Details des Artikels, der niemals ein Dementi erfahren hat, geschickt und richtig waren. Weder Fragen des Geschmacks, noch der parteipolitischen Haltung sind hier zu erörtern. Auch mer sich als scharfer politischer Gegner der Weltbühne" im all­gemeinen und des Artifelinhalts im besonderen bekennt und die Publikation an sich verurteilt, der muß sich heute voll Empörung mit allen denen vereinen, die auf das schärfste Protest erheben gegen eine Justiz, die auf eine unverhüllte Knebelung der freien Meinungsäußerung hinausläuft.

Kreiser hatte als Vertreter der in der Luftfahrt tätigen Arbeitnehmerschaft ein Interesse daran, mit allem Nachdruck durch Darlegung sehr stichhaltiger Einzelheiten den Nachweis zu führen, daß vieles faul in der deutschen   Luftfahrt stand, und daß bei rechter Verteilung genügend Mittel vorhanden waren, um eine angemessene Bezahlung des verantwortlichen Fachpersonals durchzusetzen. Wenn der Verfasser dabei in Form und Inhalt über das Ziel hinausgeschossen ist, so mag man das bedauern oder mit Gegenargumenten scharf be­fämpfen. Aber einen etattritischen Artifel zum Anlaß eines Landesverratsprozesses zu machen und daraus unter voller Ausschaltung der Deffentlichkeit ein Urteil hinter verschlosse nen Türen zu fällen, das zwei angesehene und unbescholtene Journalisten auf ein paar Jahre ins Gefängnis schickt und sie mit dem Mafel ehrloser Gesinnung behaften will, das muß jedem freiheitliebenden Menschen das Blut ins Geficht treiben.

Das Grundrecht des Reichstags als höchste Instanz ist das Budgetrecht. Die publizistische Auswertung der im Reichstag geübten Etatkritik kann nicht durch Strafurteile unterbunden werden, ohne gegen den Geist der freiheit lichen Verfassung von Weimar zu fündigen. Statt die Berantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, wirst man die­jenigen ins Gefängnis, die den Mut haben, die deutsche Deffentlichkeit auf unkontrollierte Vergeudung von Steuer­mitteln aufmerksam zu machen. Leider macht der völlige Ausschluß der Deffentlichkeit es unmöglich, sich näher mit dem Prozeßverlauf zu befassen. Sonst wäre es gewiß noch viel leichter, die juristische Unhaltbarkeit des Urteils aufzuzeigen. Bei alledem stellt uns dieser so ängstlich geheim geführte Prozeß vor dem Ausland in eine Beleuchtung, die uns aufs höchste zu kompromittieren geeignet ist. Muß nach dieser Be­handlung des allen zugänglichen Kreiserschen Artikels nicht jedermann im Auslande annehmen, daß ungeheuer gefähr fiche Geheimnisse hinter dieser mindigen Luftfahrt" ftecken? Statt daß man sich offen zu dem bekennt, was ist

Verstärkte Warnung.

Der Fraktionsvorstand an die Reichsregierung.

Der Borstand der sozialdemokratischen hatte Verständigung unmöglich!" Jetzt schreibt Reichstagsfraktion nahm am Dienstag den Bericht das Blatt der christlichen Gewerkschaften, Der Deutsche": feiner Unterhändler über die Verhandlungen mit dem Reichskanzler Dr. Brüning entgegen.

In der Aussprache wurden in erster Linie die durch die rechts und den Lohnabbau sich ergebenden Gefahren für die Thesen der Reichsregierung über die Gestaltung des Tarif­Lebenshaltung der Maffen des Volkes erörtert. Einmfifig ge­billigt wurde die entschiedene Warnung des Vorsitzenden der der die letzte Besprechung mit der Reichsregierung eingeleitet fozialdemokratischen Reichstagsfraktion Dr. Breitscheid, mit wurde. Eine Aushöhlung des Tarifrechts und eine weitere Senkung des Reallohnes verschärfe die innerpolitischen Span­nungen, führe zu weiterer wirtschaftlicher Drosselung und Ar­beitslosigkeit und rufe größte politische Gefahren hervor. Entsprechend dem Beschluß des Reichstags vom 16. Ot­tober seien alle Pläne auf Aushöhlung des Tarifrechts abzu­lehnen und die Angriffe auf die Unabdingbarkeit des Tarif­vertrages abzuwehren.

Der Borwärts" ist von der Unternehmerpresse heftig angegriffen worden, weil er den Bericht über den Schluß des Wirtschaftsbeirats mit der Ueberschrift versehen

"

,, Wir haben aus Kenntnis der Sachlage vom ersten Augenblick an auch gar keine Zweifel darüber aufkommen lassen, daß eine Ver­färdigung über ein wirtschaftlich wirksames und sozial gerechtes betrachteten die Sache optimistischer als wir; sie hofften, die Wirtschaftsprogramm" in dem Gremium nicht zu erwarten war." Wir hatten ferner bemerkt, die christlichen Gewerkschaften Regierung werde weitere Lohnsenkungen ohne entsprechende Gentung der Lebenskosten nicht zulassen. Dazu schreibt Der Deutsche  ":

"

Bum Optimismus haben auch die chriftlichen Gewerkschaften nicht den geringsten Anlaß. Sie sind erft recht nicht so optimistisch, zu glauben, daß gegenwärtig erst die Preise und dann erst die Ein­kommen der Arbeitnehmer gesenkt werden, so wünschenswert dieses

auch wäre. Die chriftlichen Gewerkschaften glauben nicht, sie er­

marten, wenn schon weitere Einkommenssenkungen vorgenommen werden, daß dann wenigstens gleichzeitig auch die Senfung der Preise durchgeführt wird. Der Vorwärts" hat doch von den gemeinsamen Erklärungen der Gewerkschaften im Beirat Notiz

genommen. Daran sollte er sich halten."

Wir freuen uns, dieser Darstellung entnehmen zu können, daß auch ,, Der Deutsche" die im Beirat abgegebenen Er­ffärungen der Gewerkschaften als gemeinsame" be­trachtet.

Deutschnationale Korruptionisten.

Bon Raiffeisen bis Ladendorff.- Abrechnung im Landtag.

Bizepräsident von Kries eröffnet die Diensiagfizung des Breu-| judung des Scherl  - Konzerns entgegenzutreten. Mit der ausbrück­Bifchen Landtages mit einem Nachruf auf den Präsiden preußischen Boltsvertretung in ihr unvergessen bleiben würden. ten Bartels, dessen Mühe und Sorgen für die Interessen der Als Nachfolger des Genossen Bartels ist der Werkzeug macher Paul Amhoff in den Landtag eingetreten. Es folgen die Berichte von Untersuchungsausschüssen.

Abg. Kuttner( Soz.):

der

lichen Begründung, daß dieser große Verlag nicht in die Hände staatsfeindlicher Kreise kommen dürfe, wurde dem Verlagsverein durch besondere ministerielle Genehmigung die Rechtsfähigkeit ver­liehen. Als dann der Krieg ausorach, belam Salomon Oppenheim  u. Co. Angst um das Geld, und so wurde ihnen von der Preußen­fasse ein Kredit von 2% Millionen Mart zugefagt gegen Hinter­legung von Aftien des damals vollkommen überschuldeten Scherl­Berlages. Das Geschäft hat der damalige preußische Land­mirtschaftsminister von Schorlemer vermittelt, wäh haben. Jedenfalls ist dieser Kredit der Preußentasse dem Bank­haus Oppenheim lediglich aus politischen Gründen gegeben worden, als Gegenleistung für ihre Hilfsdienste für die damals regierenden Konservativen. Aber die damals aufgebrachten Gelder haben den Scherl  - Konzern nicht fanieren können.

berichtet über den Untersuchungsausschuß betreffend öffentliche rend der Finanzminister Lenze bestritten hat, darum gewußt zu Kredite an den Deutschen Verlagsverein in Düsseldorf  : Die Hauptbeteiligten, der Ministerialdirektor im preußischen Landwirtschaftsministerium von Hammerstein­Lorten und Präsident der Preußenfaffe, vernichtet. Ebenso find die Akten der Preußenkasse nicht mehr vor Heiligenstädt, sind verstorben und haben ihre Privataften handen. Auch die Erinnerung der Zeugen an diese Vorgänge zu Kriegsbeginn ist sehr unsicher gemefen. Wenn aber fürzlich ein Redner in diefem Hause die Republik   als stinkenden Sumpf coller Standale allerübelster Art bezeichnet hat es war der Abgeordnete Ladendorff( Stürmische Heiterkeit und Hört, hört! bei den Soz.), dann dürfen mir doch sagen, daß dieser dann dürfen mir doch sagen, daß dieser Untersuchungsausschuß vom Borkriegspreußen ein recht übles Bild ergeben hat.

-

an

Kurz vor dem Kriege waren infolge einer argen Mißwirtschaft die Unternehmungen des Beitungstonigs August Scherl   notleidend geworden. Scherl   drohte damit, feinen ge­famten Befiz für eine hohe Millionensumme an Mosse   zu verkaufen. Die weitere Entwidlung hat der persönliche Freund Hugenbergs, Professor Ludwig Bernhard, dahin geschildert, daß man höchster und allerhöchster Stelle das Gespenst einer jü­dischen Beherrschung der Berliner   Bresse   vor Augen fab und die Erregung sehr hoch stieg. Gegen diese jüdische Gefahr mobilisierte Oppenheim jr. u. Co. in Köln  , und den Kölner Finanzmann Louis man den Baron Simon Alfred von Oppenheim, i. Fa. Salomon Hagen, früher Lewy geheißen.( Schallende Heiterfeit.) Sie grün­dcien den Düsseldorfer  , Berlagsverein, um der Gefahr der Ber­

und was auch nach Meinung des Artikelschreibers durchaus im Rahmen aller Verträge und Gesetze zu verantworten wäre, erwedt man den Eindruck eines Halbdunfels, das uns wohl noch bei verschiedenstem Anlaß vorgehalten werden wird. Der deutschen   Außenpolitik fonnte zur Stüßung ihrer Forderungen bei der Abrüstungskonferenz fein schlimmerer Bärendienst erwiesen werden als durch diese Neuaufrollung und Unterstreichung einer Angelegenheit, an die ohne diesen Prozeß fein Mensch mehr gedacht hätte.

Im Namen der deutschen   Bressefreiheit, im Namen aller deutschen   Republikaner  , denen freie Meinungsäußerung feine leere Phrase, sondern Lebensgrundlage jeder Demokratie ist,

Eine durchgreifende Sanierung hat erst während des Krieges Geheimrat Hugenberg im wesentlichen mit Geldern der Schwer­industrie durchgeführt..

Die Frage, ob ihm dabei Regierungsgelber zur Verfügung gestellt worden sind, hat ein Zeuge im Ausschuß mit der Erwide­rung verneint: Was waren denn schon im Kriege für die Schwer­industrie 6,5 Millionen Mart!"( Stürmisches Hört, hört! links.) Gleichwohl ist sehr möglich, daß ein nicht aufgeklärter Posten von 1 Million Mart bei dieser Sanierung des Scherl  - Konzerns durch Sugenberg aus öffentlichen Geldern besteht. Aber wenn das Herrn Hugenberg besser paßt, mag er mit dem Ehrenzeugnis in die Well­geschichte gehen,

daß er den Hugenberg- Konzern mit den Kriegsge­winnen der Schwerindustrie aufgebaut hat, mit den finanziellen Gewinnen, die jene kleinen Kreise ge­macht haben, während die Millionen draußen bluteten und die Millionen drinnen hungerten.

Jedenfalls hat die Untersuchung ein ungefähres Bild davon ergeben, mie man im alten preußischen Staat zu politischem Einfluß und politischer Macht gekommen ist.( Bewegung und Zustimmung.)

erheben wir Brotest gegen eine Reichsgerichtspraxis, die dem deutschen   Bolfsempfinden und jedem gesunden Rechtsgefühl Hohn spricht.

Jorns.

Zum Kapitel Reichsgericht.

Das Urteil des Reichsgerichts gegen Offiegly und Kreiser wegen Landesperrats findet eine besondere Beleuchtung durch die Bearbeitung der Anflage. Diese Anflage ist im Referat tes Reichsanmalts Jorns bearbeitet worden.

Herr Jorns ist wieder aktiv. Wic zeigt dies Verfahren.