G
BERLIN Montag 30. November
1931
Der Abend
Erfcheint t& alich außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Borwärts" Bezugspreis für beide Ausgaben 85 f. pro Woche, 3,60 m. pro Monat ( davon 93 Vf. monatlich für Zustellung ins Haus) im voraus zablbar. Voit bezug 4,32 m. einschließlich 60 Vf. Voitzeitungs und 72 Bf. Bostbestellgebühren.
Spätausgabe des„ Vorwärts
10 Pf.
Лr. 560
B 280 48. Jahrgang
Anzeigenvrets: Die einfvaltige Nonvareillezelle 80 D Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Bostiched tonto: Borwärts- Berlag G. m. b. H., Berlin Nr. 37 536. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor' Redaktion und Erpedition. Berlin SW 68, Lindenstr. 3 fernfprecher Dönhoff( A 7) 292-297
Eine affewelle, von Often fommend, hat überraschend Deutschland überflutet und dringt weiter nach Westen vor. Das Thermometer sank in der Umgegend von Berlin in der Nacht zum Montag bis auf-9 Grad Celsius. Der Wetterbericht prophezeit für Berlin weiterhin frodenen Froft und etwas Bewölkungszunahme bei schwacher Luftbewegung, für Norddeutschland etwas Schnee, für das übrige Reich beftändiges Frostwetter.
Der meteorologische Winter ist in diesem Jahre dem astronomischen um drei Wochen zuvor gekommen. Das Thermometer zeigt Temperaturen, wie sie sonst nur im Januar einzutreten pflegen. Für Millionen und aber Millionen arbeitsloser und unferernährter Menschen bedeutet dieser Temperatursturz einen neuen schweren Gidsalsschlag
Während die rechts- und linfsraditalen Gruppen sich darauf beschränken, ihre Anhänger durch Redensarten zu erwärmen, hat die sozialdemokratische Reichstagsfrattion seit Monaten unablässig daran gearbeitet, den notleidenden Massen das Notmendigste zu beschaffen, das ihnen über die harte Winterzeit hinweghilft. Schon am 8. September erklärte sie:
Angesichts der wachsenden Zahl langfristiger Erwerbsloser und des steigenden Elends breiter Boltsmassen ist eine Winterhilfe unerläßlich. Es geht nicht an, daß die Massen hungern und frieren, während Nahrungsmittel in Deutschland verfaulen und Kohlen auf den Halden sich türmen. Neben der bisherigen Geldunterstügung muß deshalb eine zusätzliche Natural leistung von Kartoffeln und Rohlen verlangt werden.
Echon am 9. September hat der Borwärts" ausführlich dargelegt, wie diefes sozialdemokratische Hilfsprogramm ohne erhebliche Belastung der Reichsfinanzen durchgeführt werden kann. Am 16. Ottober nahm der Reichstag einen sozialdemokratischen Antrag an, die Regierung zu ersuchen, zum Schuße der notleidenden Bevölkerung gegen Hunger und Kälte eine zufähliche Winterhilfe mit Kohlen und Kartoffeln durchzuführen.
Da daraufhin noch immer nichts geschah, brachten die SozialDemokraten am 19. November im Haushaltsausschuß des Reichstags einen Antrag durch, in dem es hieß:
Mehrfach ist von der Reichsregierung erflärt worden, froh der großen Erwerbslosigkeit brauche in diesem Winter bei den großen Vorräten an Kartoffeln und Kohlen niemand zu hungern oder zu frieren. Bis jetzt ist jedoch nichts geschehen, um den BeSchluß des Reichstags auf zufäßliche Winterhilfe auszuführen.
Der Haushaltsausschuß ersucht deshalb seinen Vorsitzenden, nach Rücksprache mit der Reichsregierung die Frage der Versorgung der minderbemittelten Bevölkerung durch eine zusäßliche Winterhilfe anfangs der nächsten Woche auf die Tagesordmung zu sehen.
In der Woche darauf tam es auch zu den gewünschten Berhand hungen. Aber schon zuvor waren die Sozialdemokraten beim Reichs. tanzler und verlangten Ausführung des Reichstagsbeschlusses. In einigen Gegenden Deutschlands waren inzwischen Vereinbarungen zur Verbilligung von Brot, Kartoffeln und Kohlen für die Erwerbslosen geschlossen worden. Die Sozialdemokraten erflärten das für ungenügend und forderten eine obligatorische und
einheitliche Regelung für das ganze Reich. Die Regierung
stellte eine solche Regelung in Aussicht.
Das war am 23. November. Seitdem ist wieder eine Woche vergangen, und die Temperaturen sind gesunken.
Wir nehmen an, daß auch die zuständigen Minister an ihren Fenstern Thermometer haben. Jeder Blick auf sie muß sie an ihre Bflicht und gegebene Zusage erinnern.
Zechenverband hats sehr eilig. Der Lohntarif für den Ruhrbergbau gekündigt. Schiedsfpruch am 26. November, Berbindlichkeitserklärung am 28. November, Kündigung am 30. November. Der Cohntarif läuft alfo am 31. Dezember ab, weshalb vorher erneut verhandelt werden muß.
3rgendeine Beränderung der Situation, die diese Kündigung 3meds Lohukürzung rechtfertigt, ist in dieser Zeit nicht eingetreten.
Das Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold beranstaltete am Sonntag zwölf glänzend be fuchte Kundgebungen gegen den Faschismus. Es setzt den Feldzug mit einer großen Sportpalast kundgebung fort, die unter der Parole 3upacken" am Mittwoch, dem 2. Dezember, abends 8 Uhr, stattfindet. Es sprechen: Neichetagsabgeordneter Tarnow, Major a. D. Sauff ( Staatspartei), Schulrat Kellermann( Zentrum) und der Gauführer des Reichsbanners Neidhardt.
tates gen
9
STAAT
GREIF
ZU!
Maffenkundgebungen
gegen Terror und Faschis
mus
greif 344
Unser Bild gibt einen Blid in die Massenversammlung im Saalbau Friedrichshain( links) und den wirkungsvollen Säulenanschlag( rechts). Ueber den Verlauf der gestrigen Kundgebungen berichten wir in der Beilage.
Die Mordbanditen am Werf
Ein Amtsvorsteher von SA.- Leuten niedergestochen.
schließlich und ordnete die Ueberführung der Schwerverletzten ins Schönebecker Krankenhaus an.
Voruntersuchung gegen Best.
Magdeburg , 30. November.( Eigenbericht.) Nazis, ließ sich zunächst verleugnen, kam aber In Eickendorf , einem Dorfe zwischen Schönebeck und Staßfurt , verübten die Nazis in der Nacht zum Sonntag eine schwere Bluttat. Sie setzten das ganze Dorf unter Terror und stachen und schlugen& Männer und eine Frau nieder, darunter den Amtsvorsteher Klingenstein, der Sozialdemokrat ist. Klingenit ein und der Lagerhalter des Konsumvereins Seiler mußten schwerverlet ins Schönebeder Krankenhaus geschafft werden. Seiler hat fünf Dolchstiche erhalten.
Der Naziaktion ist die Planmäßigkeit anzusehen. Filmabend Im Westen nichts Neues" veranstaltet. Zu Reichsbanner, Partei und Frauengruppe hatten einen gleicher Zeit hatten die Nazis in einem anderen Lokal einen Unterhaltungsabend. Dazu waren SA.- Leute der umliegenden Ortsgruppen herangezogen worden. Nachdem die Reichsbannerleute ihren Referenten nach 12 Uhr zur Bahn begleitet hatten, begann der Ueberfall.
Nazikolonnen in Stärke von 40 bis 80 Mann fielen über einzeln gehende Republikaner her, ohne im geringsten provoziert worden zu sein. Vom Nazi lokal her ertönte der Ruf: ,, SA. raus, Frauen wieder rein!" Der Amtsvorsteher und Setler, die sich schon zur Ruhe begeben hatten, wurden von den Ueber fallenen um Schuh angerufen. Als sie aus ihrer Woh nung famen, fielen die Nazis ohne jeden Wortwechsel über sie her und richteten fie furchtbar zu. Der aus Biere herbeigerufne Arzt, der Standartenführer der
Endlich wird das Verfahren eingeleitet. Leipzig , 30. November.( Eigenbericht.) In dem Strafverfahren wegen der putschistischen Vorgänge in Hessen hat der Oberreichsanwalt die Eröffnung der gerichtlichen Voruntersuchung wegen Vorbereitung zum Hochberrat beantragt. denten der Reichsgerichtsrat 3oellner bestellt worden. Zum Untersuchungsrichter ist vom Reichsgerichtspräs
Ein Nazimann als Bürgermeister mißbraucht sein Amt. Eufin, 30. november.( Eigenbericht.) Der stellvertretende Bürgermeister von Eufin, ein Nazimann, hat am Sonnabendabend das Berkehrslotal der Partei und des Reichsbanners für drei Monate schließen lassen. Der Bürgermeister erklärt, daß nach dem amtlichen Polizeibericht alle Ausschreitungen von dem Parteilokal ihren Ausgang genommen hätten. Außerdem habe der Wirt vor dem 9. November Fensterläden anbringen laffen und das beweise, daß er gewußt habe, daß das Reichsbanner gewalttätige Maßnahmen vorbereite!
3n Wirklichkeit fagt tein amtlicher Polizeibericht etwas ähnliches wie der Nazibürgermeister behauptet. Die Feufterläden find angebracht worden, nachdem die Einwohner der um