Der Abend
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Nr. 574
B 287 48. Jahrgang
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Hitlers Blutwahn von 1923
Erschießen oder Hängen binnen drei Stunden zu vollstrecken
Staatsanwalt Dr. Wilhelm Högner , München , M. d. R., schreibt über den Blutgeist der Hitlerschen Reichsleitung:
Vor der neuen Notverordnung
Beratung der Sozialdemokratischen Reichstagsfraktion am 14. Dezember
Bor einigen Jahren habe ich als Mitberichterstatter des Ausschusses des Bayerischen Landtags zur Untersuchung der Vorgänge des Jahres 1923 den nationalsozialistischen Ver= fassungsentwurf vom 9. November 1923 aus den Gerichtsaften ans Tageslicht gebracht. Die darin vorgesehenen Maßnahmen entsprechen in vieler Hinsicht den Anordnungen, die im hessischen Dokument für den Ernstfall in Aussicht genommen sind. Beide Staatsdokumente des Dritten Reichs sind von einem Geist, Der Vorstand der sozialdemokratischen oder besser gesagt, von einem Ungeist des blutigen Terrors und Reichstagsfraktion tritt am Donnerstagnachmit:
der nackten Gemalt.
Im Verfassungsentwurf vom 9. November 1923 find die Grundlagen der Demokratie, mie Volkssouveränität, Rechtsstaat, Menschenrecht, restlos beseitigt. Die Verfassung von Weimar und die nach dem 9. November 1918 erlassenen Verfassungen der Länder werden aufgehoben. Die Staatsgewalt, die Gesetzgebung, der Bollzug der Gesetze, die gesamte Verwaltung und die militärische Befehlsgemalt im Reich und in den Ländern werden auf Bermefer" übertragen. Alle Boltsvertretungen in Reich, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden sind für aufgelöst erklärt. Die Teilnahme und die Aufforderung zur Teilnahme an solchen Körperschaften wird
mit dem Tode bestraft.
Reichs- oder Landesverweser fönnen alle Afte der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung, bie ſeit 1918 ergangen fino, nach:
prüfen und ändern. Sie sind durch die Rechtstraft von Entscheidungen nicht gebunden. Alle Handlungen und linternehmungen, die geeignet sind, den Bestand der Staatsordnung zu erschüttern oder zu gefährden(!), oder die Durchführung der Grundsäge des Verfassungsentwurfs zu erschweren(!), werden ebenso, wie bewußte Schädigung der Sicherheit(!) oder Wohlfahrt des Reiches und der Länder mit dem Tode bestraft. Zur Aburteilung derjenigen Verbrechen, die den Bestand des Volkes und des Staates zu gefährden geeignet sind, wird ein Nationaltribunal als oberster Gerichtshof eingefekt.
Er kann nur auf Freisprechung oder Todesstrafe erkennen. Rechtsmittel sind nicht zulässig, Urteile werden binnen drei Stunden seit ihrer Berkündung vollstreckt.
Die Einsetzung eines solchen Blutgerichts war von dem früheren Münchener Polizeipräsidenten Böhner und seinem Gehilfen Dr. Frid beraten und beschlossen worden.
Außerdem war noch die Einrichtung von Standgerichten vorgesehen. Vorsitzender und Staatsanwalt mußten Offiziere oder zum Richteramt befähigte Personen sein. Der Staatsanwalt tonnte Haftbefehle erlassen. Urteilsgründe brauchten nicht schriftlich niedergelegt zu werden. Rechtsmittel fanden nicht statt.
Die Todesstrafe sollte durch Erschießen oder Henken vollzogen werden.
Mißliebige Staatsbürger fonnten vom Reichsverweser oder Landesvermefer in die Acht erflärt werden. Die Nationalregierung ( Ludendorff- Hitler) selbst erklärte Ebert, Scheidemann usw. und ihre Gehilfen und Helfershelfer für vogelfrei und ver= pflichtete jeden Deutschen , sie tot oder lebendig in die Hände der völkischen Nationalregierung zu liefern.
Der in die Acht Erklärte sollte im Deutschen Reich keinen Rechtsschutz genießen. Wer einem in die Acht Erklärten Hilfe leistet, wird mit dem Tode bestraft.(!)
Alle Militärpersonen und polizeilichen Vollzugsbeamten sind verpflichtet, jedem Widerstand gegenüber von der Waffe den schärfsten Gebrauch zu machen. Beamte, die es an der erforderlichen Entschlossenheit fehlen lassen, werden sofort abgesetzt. Entlassen werden auch alle nach freiem Ermessen des Reichs- oder Landesverwesers ,, unzuverlässigen und unfähigen Beamten". Für sie wird jeder Rechtsanspruch aufgehoben. Entlassene Beamte dürfen bei Todesstrafe Amtshandlungen nicht mehr vornehmen. Dieselbe Strafe trifft jeden Staatsbürger, der bewußt Anordnungen entlaffener Beamter ausführt oder befolgt.(!)
Ueber das gesamte Reichsgebiet wird der Belagerungszustand verhängt. Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Vereins- und Bersammlungsrechts, des Rechts der freien Meinungsäußerung, Eingriffe in das Brief, Post-, Telegraphen- und Fernfprechgeheimnis, Haussuchungen und Beschlagnahmen sowie Beschränkungen des Eigentums sind unbegrenzt zulässig. Waffenbesiz ohne Waffenschein wird mit dem Tode bestraft.
( Fortjegung auf der 2. Seite.)
Die neue Notverordnung wird am Mittwochmorgen durch die Tagespresse der Oeffentlichkeit bekanntgegeben werden.
tag zu einer Sizung zusammen, um zu dem Inhalt der Notverordnung Stellung zu nehmen.
Die Gesamtfraktion der Sozialdemokratischen Partei tritt am Montag, dem 14. Dezember, nachmittags 2 Uhr, im Reichstag zusammen.
Deutschnationale Betrüger.
Das Reich um Riefensummen betrogen.
Vor der Großen Straffammer in Stettin stehen neben anderen Angestellten der Pommerschen Hauptgenossenschaft die Direktoren Bruno aß und Frig, agemann.. Sie find beſchuldigt,
durch Schiebungen mit Einfuhrscheinen das Reich um Riesensummen betrogen zu haben.
Die Pommersche Hauptgenossenschaft setzt sich aus den Führern der„ nationalen Opposition" zusammen, die Preußen und das Reich von der ,, margistischen Korruption" befreien wollen.
Zum Aufsichtsrat der Bommerschen Hauptgenossenschaft gehört Herr von Rohr, der Führer des Pommerschen Landbunds. Neben ihm stehen die Herrschaften von Hakenkreuz und Stahlhelm. ,, Aus Not, aus Korruption, aus Ehrlosigkeit suchen die erwachenden Preußen Beteiligung bei uns" jo sprach Herr von Rohr beim
க
" Halts Maul, du gefchaßter Offizier!"- ,, Was, du willst dich rühmen, du Inflationsschieber!"- ,, Was heißt hier Inflationsschieber, wo hier einer mit einem Strafverfahren wegen Sittlichkeitsvergehen fitt!"- Das fagst du, wo hier Leute sind, die 30 000 Mart unterschlagen haben!"
Hitler : Ruhe, meine Herren! Hier ist kein Mädchenpensionat, wir sind eben rauhe Kämpfer!"
Eine Rede zur neuen Notverordnung. Reichskanzler Dr. Brüning spricht heute abend von 9 bis 9.25 Uhr im Rundfunk über die kommende Notverordnung.
Um 20 Uhr empfängt der Reichskanzler die deutsche Presse, wobei er die Notverordnung der Presse übergeben wird. Es ist übrigens das erstemal, daß Dr. Brüning die deutsche Presse zu fich gebeten hat.
Volksentscheid. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen dafür gesorgt, daß man sieht, mo Korruption und Ehrlosigkeit ſigen! Nach dem Fall Raiffeisen der Fall Pommersche Hauptgenossenschaft! Es stinkt im Lager Hugenbergs!
SA. als Versammlungssprenger. Ueberfall auf eine sozialdemokratische Versammlung. Görlitz , 8. Dezember. ( Eigenbericht.) Die Sozialdemokratische Partei hatte für Montagabend eine Bersammlung nach Königshain - Oberlausitz einberufen, in der Reichstagsabgeordneter Genosse Buchwih aus Görlitz referierte. zu dieser Versammlung waren die SA. - Leute der ganzen Umgebung mobil gemacht worden. Sie versuchten systematisch die Bersammlung zu stören, so daß schließlich die Versammlung geschlossen werden mußte. Nach Schluß der Versammlung fielen die nationalsozialistischen Banden über die Versammlungsteilnehmer her. Das Reichsbanner, das den Saalschutz hatte, stellte sich den Nationalsozialisten entgegen und drängte sie zum Saal hinaus. Die SA. - Leute feuerten in dem Tumult mehrere Schüsse ab. Es gab eine größere Anzahl von Berlehten. Fünf Reichsbannerkameraden wurden schwer verletzt. Es handelt sich um einen systematischen, gewaltsamen Ueberfall nationalsozialistischer Banden, die zu diesem Zwecke zufammengezogen worden find, auf eine sozialdemokratische Berfammlung.
Busammenlegung der Bezirke?
Besprechungen der Bezirksbürgermeister über Verwaltungsvereinfachung.
Morgen freten die Berliner Bezirksbürgermeister zu einer gemeinsamen Sitzung mit den Mitgliedern des Magistrats unter Borsitz des Oberbürgermeisters zusammen. Der Besprechung tommt eine besondere Bedeutung zu, weil neben anderen Verwalfungsangelegenheiten besonders über die Möglichkeit einer Vereinfachung der Berwaltung durch eine eventuelle 3 usammenlegung der Bezirke und Einschränkung der Bezirksamtsverwaltungen gesprochen werden soll. Heute find im Rathaus die Bürgermeister der 20 Berliner Bezirke beifammen, um ihre Meinungen über das Für und wider einer Verringerung der Bezirke auszutauschen. Die Ansichten, ob durch eine Zusammenlegung der Bezirke tatsächtlich die von allen Seiten angeftrebte Berwaltungsvereinfachung erreicht wird, gehen noch sehr auseinander.
Vorläufig steht das neue Berlin - Gesetz den Bestrebungen, die eine Berringerung der Bezirke erreichen wollen, noch hindernd im Wege. Der§ 14 des Gesetzes, in dem die Kompetenzen der Bedem Gesetz erſt zirksversammlungen geregelt find, müßte aus herausgenommen werden. Das wäre nur möglich durch einen Beschluß des Preußischen Landtages oder durch Erlaß einer preußifchen Notverordnung. Solange der Paragraph noch besteht. würde eine Zusammenlegung der Bezirke gegen das Berlin - Gesetz verstoßen.