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BERLIN  Dienstag 8. Dezember 1931

Der Abend

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Nr. 574

B 287 48. Jahrgang

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Hitlers Blutwahn von 1923

Erschießen oder Hängen binnen drei Stunden zu vollstrecken

Staatsanwalt Dr. Wilhelm Högner  , München  , M. d. R., schreibt über den Blutgeist der Hitlerschen Reichs­leitung:

Vor der neuen Notverordnung

Beratung der Sozialdemokratischen Reichstagsfraktion am 14. Dezember

Bor einigen Jahren habe ich als Mitberichterstatter des Aus­schusses des Bayerischen Landtags   zur Untersuchung der Vorgänge des Jahres 1923 den nationalsozialistischen Ver= fassungsentwurf vom 9. November 1923 aus den Ge­richtsaften ans Tageslicht gebracht. Die darin vorgesehenen Maß­nahmen entsprechen in vieler Hinsicht den Anordnungen, die im hessischen Dokument für den Ernstfall in Aussicht genommen sind. Beide Staatsdokumente des Dritten Reichs sind von einem Geist, Der Vorstand der sozialdemokratischen oder besser gesagt, von einem Ungeist des blutigen Terrors und Reichstagsfraktion tritt am Donnerstagnachmit:

der nackten Gemalt.

Im Verfassungsentwurf vom 9. November 1923 find die Grundlagen der Demokratie, mie Volkssouveränität, Rechtsstaat, Menschenrecht, restlos beseitigt. Die Verfassung von Weimar und die nach dem 9. November 1918 erlassenen Ver­fassungen der Länder werden aufgehoben. Die Staatsgewalt, die Gesetzgebung, der Bollzug der Gesetze, die gesamte Verwaltung und die militärische Befehlsgemalt im Reich und in den Ländern werden auf Bermefer" übertragen. Alle Boltsvertretungen in Reich, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden sind für aufgelöst erklärt. Die Teilnahme und die Aufforderung zur Teil­nahme an solchen Körperschaften wird

mit dem Tode bestraft.

Reichs- oder Landesverweser fönnen alle Afte der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung, bie ſeit 1918 ergangen fino, nach:

prüfen und ändern. Sie sind durch die Rechtstraft von Entscheidungen nicht gebunden. Alle Handlungen und linternehmungen, die geeignet sind, den Bestand der Staatsordnung zu erschüttern oder zu gefährden(!), oder die Durchführung der Grundsäge des Verfassungsentwurfs zu erschweren(!), werden ebenso, wie bewußte Schädigung der Sicherheit(!) oder Wohlfahrt des Reiches und der Länder mit dem Tode bestraft. Zur Ab­urteilung derjenigen Verbrechen, die den Bestand des Volkes und des Staates zu gefährden geeignet sind, wird ein Nationaltribunal als oberster Gerichtshof eingefekt.

Er kann nur auf Freisprechung oder Todesstrafe erkennen. Rechtsmittel sind nicht zulässig, Urteile werden binnen drei Stunden seit ihrer Berkündung vollstreckt.

Die Einsetzung eines solchen Blutgerichts war von dem früheren Münchener   Polizeipräsidenten Böhner und seinem Gehilfen Dr. Frid beraten und beschlossen worden.

Außerdem war noch die Einrichtung von Standgerichten vorgesehen. Vorsitzender und Staatsanwalt mußten Offiziere oder zum Richteramt befähigte Personen sein. Der Staatsanwalt tonnte Haftbefehle erlassen. Urteilsgründe brauchten nicht schriftlich niedergelegt zu werden. Rechtsmittel fanden nicht statt.

Die Todesstrafe sollte durch Erschießen oder Henken vollzogen werden.

Mißliebige Staatsbürger fonnten vom Reichsverweser oder Landesvermefer in die Acht erflärt werden. Die Nationalregierung ( Ludendorff- Hitler) selbst erklärte Ebert, Scheidemann   usw. und ihre Gehilfen und Helfershelfer für vogelfrei und ver= pflichtete jeden Deutschen  , sie tot oder lebendig in die Hände der völkischen Nationalregierung zu liefern.

Der in die Acht Erklärte sollte im Deutschen Reich keinen Rechts­schutz genießen. Wer einem in die Acht Erklärten Hilfe leistet, wird mit dem Tode bestraft.(!)

Alle Militärpersonen und polizeilichen Vollzugsbeamten sind verpflichtet, jedem Widerstand gegenüber von der Waffe den schärfsten Gebrauch zu machen. Beamte, die es an der erforderlichen Ent­schlossenheit fehlen lassen, werden sofort abgesetzt. Entlassen werden auch alle nach freiem Ermessen des Reichs- oder Landesverwesers ,, unzuverlässigen und unfähigen Beamten". Für sie wird jeder Rechtsanspruch aufgehoben. Entlassene Beamte dürfen bei Todesstrafe Amtshandlungen nicht mehr vornehmen. Dieselbe Strafe trifft jeden Staatsbürger, der bewußt Anordnungen entlaffener Beamter ausführt oder befolgt.(!)

Ueber das gesamte Reichsgebiet wird der Belagerungs­zustand verhängt. Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Vereins- und Bersammlungsrechts, des Rechts der freien Meinungs­äußerung, Eingriffe in das Brief, Post-, Telegraphen- und Fern­fprechgeheimnis, Haussuchungen und Beschlagnahmen sowie Be­schränkungen des Eigentums sind unbegrenzt zulässig. Waffenbesiz ohne Waffenschein wird mit dem Tode bestraft.

( Fortjegung auf der 2. Seite.)

Die neue Notverordnung wird am Mittwochmorgen durch die Tagespresse der Oeffentlichkeit bekanntgegeben werden.

tag zu einer Sizung zusammen, um zu dem Inhalt der Notverordnung Stellung zu nehmen.

Die Gesamtfraktion der Sozialdemokratischen Partei tritt am Montag, dem 14. Dezember, nachmittags 2 Uhr, im Reichstag   zusammen.

Deutschnationale Betrüger.

Das Reich um Riefensummen betrogen.

Vor der Großen Straffammer in Stettin   stehen neben anderen Angestellten der Pommerschen Hauptgenossenschaft die Direktoren Bruno und Frig, agemann.. Sie find beſchuldigt,

durch Schiebungen mit Einfuhrscheinen das Reich um Riesensummen betrogen zu haben.

Die Pommersche Hauptgenossenschaft setzt sich aus den Führern der nationalen Opposition" zusammen, die Preußen und das Reich von der ,, margistischen Korruption" befreien wollen.

Zum Aufsichtsrat der Bommerschen Hauptgenossenschaft gehört Herr von Rohr, der Führer des Pommerschen Landbunds. Neben ihm stehen die Herrschaften von Hakenkreuz und Stahlhelm. ,, Aus Not, aus Korruption, aus Ehrlosigkeit suchen die erwachenden Preußen Beteiligung bei uns" jo sprach Herr von Rohr beim

In Hitlers   großem Hauptquartier 0190

" Halts Maul, du gefchaßter Offizier!"- ,, Was, du willst dich rühmen, du Inflationsschieber!"- ,, Was heißt hier Inflationsschieber, wo hier einer mit einem Straf­verfahren wegen Sittlichkeitsvergehen fitt!"- Das fagst du, wo hier Leute sind, die 30 000 Mart unter­schlagen haben!"

Hitler  : Ruhe, meine Herren! Hier ist kein Mädchenpensionat, wir sind eben rauhe Kämpfer!"

Brüning   im Rundfunk.

Eine Rede zur neuen Notverordnung. Reichskanzler Dr. Brüning spricht heute abend von 9 bis 9.25 Uhr im Rundfunk über die kommende Notverordnung.

Um 20 Uhr empfängt der Reichskanzler die deutsche Presse, wobei er die Notverordnung der Presse übergeben wird. Es ist übrigens das erstemal, daß Dr. Brüning die deutsche Presse zu fich gebeten hat.

Volksentscheid. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen dafür gesorgt, daß man sieht, mo Korruption und Ehrlosigkeit ſigen! Nach dem Fall Raiffeisen der Fall Pommersche Haupt­genossenschaft! Es stinkt im Lager Hugenbergs!

SA.   als Versammlungssprenger. Ueberfall auf eine sozialdemokratische Versammlung. Görlitz  , 8. Dezember.  ( Eigenbericht.) Die Sozialdemokratische Partei   hatte für Montagabend eine Bersammlung nach Königshain  - Oberlausitz   einberufen, in der Reichstagsabgeordneter Genosse Buchwih aus Görlitz   referierte. zu dieser Versammlung waren die SA.  - Leute der ganzen Umgebung mobil gemacht worden. Sie versuchten systematisch die Bersammlung zu stören, so daß schließlich die Versammlung geschlossen werden mußte. Nach Schluß der Versammlung fielen die nationalsozialistischen Banden über die Versammlungsteilnehmer her. Das Reichsbanner, das den Saalschutz hatte, stellte sich den Nationalsozialisten entgegen und drängte sie zum Saal hinaus. Die SA.  - Leute feuerten in dem Tumult mehrere Schüsse ab. Es gab eine größere Anzahl von Berlehten. Fünf Reichsbannerkameraden wurden schwer verletzt. Es handelt sich um einen systematischen, gewaltsamen Ueberfall nationalsozialistischer Banden, die zu diesem Zwecke zufammengezogen worden find, auf eine sozialdemokratische Ber­fammlung.

Busammenlegung der Bezirke?

Besprechungen der Bezirksbürgermeister über Verwaltungs­vereinfachung.

Morgen freten die Berliner   Bezirksbürgermeister zu einer gemeinsamen Sitzung mit den Mitgliedern des Magistrats unter Borsitz des Oberbürgermeisters zusammen. Der Besprechung tommt eine besondere Bedeutung zu, weil neben anderen Verwal­fungsangelegenheiten besonders über die Möglichkeit einer Ver­einfachung der Berwaltung durch eine eventuelle 3 usammen­legung der Bezirke und Einschränkung der Be­zirksamtsverwaltungen gesprochen werden soll. Heute find im Rathaus die Bürgermeister der 20 Berliner   Bezirke bei­fammen, um ihre Meinungen über das Für und wider einer Ver­ringerung der Bezirke auszutauschen. Die Ansichten, ob durch eine Zusammenlegung der Bezirke tatsächtlich die von allen Seiten ange­ftrebte Berwaltungsvereinfachung erreicht wird, gehen noch sehr auseinander.

Vorläufig steht das neue Berlin  - Gesetz den Bestrebungen, die eine Berringerung der Bezirke erreichen wollen, noch hindernd im Wege. Der§ 14 des Gesetzes, in dem die Kompetenzen der Be­dem Gesetz erſt zirksversammlungen geregelt find, müßte aus herausgenommen werden. Das wäre nur möglich durch einen Be­schluß des Preußischen Landtages oder durch Erlaß einer preußi­fchen Notverordnung. Solange der Paragraph noch besteht. würde eine Zusammenlegung der Bezirke gegen das Berlin  - Gesetz ver­stoßen.