1931
Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts"
Brünings Echo
10 Pf.
Nr. 576
B 288 48. Jahrgang
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Die neue Notverordnung und die Rede des Reichsfanzlers geben mehr Stoff zur Kritif, als die Presse mit einem Male verantworten fann. Zufrieden ist natürlich) feiner. Die demokratische Presse stellt das Politische in den Bordergrund und begrüßt es lebhaft, daß Brüning endlich den Kampf gegen Hitler aufgenommen hat. So schreibt die Bossische Zeitung":
Die Regierung hat die Macht, und wird von ihr Gebrauch zu machen wissen, wenn von den Predigern des Dritten Reiches dazu herausgefordert werden sollte. Auf lange Zeit hinaus hat auch das Ausland mit Brüning und nicht mit Hitler zu rechnen.
Und das ,, Berliner Tageblatt":
Man wird wohl mit Recht annehmen dürfen, daß diesen klaren Worten sehr bald die entsprechenden Handlungen folgen werden, auf dem einen wie auf dem anderen Gebiet. Denn es gibt keinen 3weifel: auf dem Gebiete der Stellung der Reichsinstanzen zum Nationalsozialismus bedeutet die gestrige Kanzlerrede einen entfcheidenden Wendepunkt.
Auf der anderen Seite schreibt die den Hakenkreuzlern nahestehende ,, Deutsche Zeitung":
Brüning hat dem Drud der sogenannten ,, eisernen Front der Republikaner " auf der ganzen Linie nachgegeben und mit bewußter und betonter Schärfe der nationalen Mehrheit des deutschen Bolles den Kampf angesagt!
Alles, was die gesamte Linkspresse vom Vorwärts" bis zu den demokratischen Boulevard- Blättern seit Tagen in überheblichster Weise als unerläßlichen Bestandteil der Rundfunkrede des Zentrumsfanzlers bezeichnete, hat Brüning tatsächlich gesagt. Er hat auch im Tonfall mit einer Schärfe, zu der ihn seine Erfolge taum berechtigen Maßnahmen, unerbittlicher Strenge" gegen die nationale.Opposition angekündigt und dabei sogar die Verhängung des Ausnahmezustandes in Aussicht gestellt.
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Gemäßigter äußert sich die eigentliche Hugenberg- Presse. Der Tag" schreibt:
Der Reichskanzler hat in seiner Rundfunkrede sich scharf gegen
die Nationalsozialisten gewandt und in gewissem Umfange die Bedingungen erfüllt, die von der Sozialdemokratie vorher gestellt waren. Er hat die Stimmung für die Verhandlungen mit den Reichstagsparteien so vorzubereiten versucht, daß er mit der Sozialdemokratie ein Kompromiß abschließen kann, und daß die Parteien der. Mitte zum mindesten Stimmenthaltung üben. Die Lendenz des Kabinetts geht trotz der sozialpolitischen, zum Teil gerade wegen der innerpolitischen Bestimmungen und auf Grund der Rundfunkrede des Reichskanzlers wieder nach links. Mehr mit der wirtschaftlichen Seite der Betordnung beschäftigt sich die ,, Germania ":
Nikolaus 1932
NOTVERORDNUNG
N4
So ein fleiner Stiefel und so eine große Ueberraschung--"
Der Weihnachtsfriede.
FORAM
im öffentlichen Leben stehenden Personen, einerlei, welcher politischen Partei fie angehören, werden die Strafrahmen der allgemeinen Beleidigungsparagraphen des Strafgesetzbuches ver schärft, indem bei leichtfertiger Behauptung solcher nicht erweisbarer Tatsachen, die geeignet sind, diese Personen des Bertrauens unwürdig erscheinen zu lassen, dessen sie für ihr öffentliches Wirken bedürfen, das Mindeststrafmaß auf drei Monate Gefängnis und bei verleumderischer Beleidigung auf sechs Monate festgesetzt wird. In diesen Fällen soll ferner das Gericht neben der Strafe und neben der bei materiellem Schaden schon heute zulässigen, dem Verletzten zufließenden Buße auf eine weitere an die Staatskasse zu entrichtende Buße bis zu 100 000 m. erkennen können. Um weiter den in der Deffentlichkeit immer wieder erhobenen Klagen darüber, daß die Beleidigungsprozesse zu lange dauerten und durch userlose Beweiserhebungen auch über sogenannte Illustrationstatsachen häufig sich für den Verletzten, der den gerichtlichen Ehrenschutz in Anspruch nehme, zu einem wahren Martyrium gestalteten, abzuhelfen, ist für alle Strafverfahren wegen Beleidigung der Umfang der Beweisaufnahme in das Ermeffen des Gerichts gestellt, das hierbei nicht durch Anträge, Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden sein soll und für alle im Wege der öffentlichen Klagen durchgeführten Beleidigungsprozesse das sogenannte Schnellgerichtsverfahren unbeschränkt zugelassen.
Treu der Partei!
Nürnberg , 9. Dezember.( Eigenbericht.) Das Bezirksamt Teuschnitz im Elendsgebiet des Frankenwaldes wurde durch die Staatsvereinfachung dem Bezirksamt Kronach angeschloffen. Dadurch machte sich eine Ergänzungswahl für den Bezirkstag im Bereiche des früheren Bezirksamtes Teuschnig notwendig, die am Sonntag durchgeführt wurde. In den Orten Ludwigstadt , Tettau , Pressig , Reichenbach, Tschirn , Lauenftein, Rothenkirchen wurden zusammen folgende
Alle Versammlungen und Flugblätter von heute ab verboten. Stimmen abgegeben: Die Vorschriften der Notverordnung über die Sicherung des Weihnachtsfriedens" haben folgenden Wortlaut:
§ 1. Für die Zeit bis zum 3. Januar 1932 einschließlich sind öffentliche politische Versammlungen sowie alle politischen Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel ver= boten. Als politisch im Sinne dieser Vorschrift gelten alle Verfammlungen und Aufzüge, die zu politischen Zwecken oder von politischen Verbindungen oder Vereinigungen veranstaltet werden.
Für die gleiche Zeit ist es verboten, Platate, Flugblätter Die Lasten, die dabei der Arbeitnehmerschaft der öffent- und Flugschriften politischen Inhalts an oder auf öffentlichen lichen und privaten Betriebe erneut zugemutet werden, sind außer- Wegen, Straßen oder Plätzen anzuschlagen, auszustellen, zu verordentlich und nur zu tragen, wenn, wie die Regierung es ebenfalls breiten oder sonst der Deffentlichkeit zugänglich zu machen. § 2. Wer dem Verbote des§ 1 zuwider eine Versammlung vorsteht, die Senkung der Lebenshaltungskosten in fühlbarem Ausmaße verwirklicht wird. Die Sicherungen, die die oder einen Aufzug veranstaltet, leitet oder dabei als Redner auf Notverordnung zu diesem Zwecke vorsieht, sind unvergleichlich größer tritt, wird, soweit nicht die Tat nach anderen Vorschriften mit einer als in früheren Fällen. Wenn dabei auf allen Gebieten die Un- höheren Strafe bedroht ist, mit Gefängnis nicht unter verletzlichkeit der Verträge und des Rechtes nicht mehr aufrecht- drei Monaten, neben dem auf Geldstrafe erkannt werden erhalten werden konnte, so dürfte dies wohl eine der schwersten kann, bestraft. Wer dem Verbote des§ 1 zuwider an einer Folgen dieses Geſchgebungsmerkes ſein, die man einzig und allein Bersammlung teilnimmt oder den Raum dafür zur unter Berücksichtigung der äußersten Not wird verstehen können. Verfügung stellt, wird mit Gefängnis und mit Geldstrafe Eine auch nur teilweise Wiederholung der drakonischen und schmerz- oder mit einer dieser Strafen bestraft, das gleiche gilt für die Teil haften Eingriffe, die uns die neueste Notverordnung bringt, istnahme an einem nach§ 1 verbotenen Aufzug. schlechterdings unmöglich.
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die
Eine originelle Entdeckung hat die Rote Fahne " ge= macht. Sie hat auf Plakaten, die sie der Sozialdemokratie zuschreibt eigentlich waren sie vom Reichsbanner Worte gelesen: Staat, pad zu!" Und davon kommt nun eben das ganze Malheur! Die Sozialdemokratie", schreibt sie ,,, hat Brüning zugerufen: 3upaden!" und Brüning padt zugegen den Arbeitslohn und die Gehälter der unteren Beamten." Und nun feste druff:
Die Sozialdemokratische Partei muß politisch geschlagen werden. Die Agenten der kapitalistischen Dittatur müssen aus den Reihen der Arbeiterklaffe entfernt werden. Die Stüße des Faschismus, die SPD. , muß im Lebensinteresse der Arbeiter zerbrochen werden. Gegen die sozialdemokratische Preußenregierung muß der Kampf auf der ganzen Linie verschärft werden.
Kann man in den Köpfen von Menschen, die das schreiben oder es gläubig lesen, überhaupt noch etwas wie ein Hirn vermuten?
Wer dem Berbote des§ 1 zuwider Plakate, Flugblätter oder Flugschriften an oder auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plägen anschlägt, ausstellt, verbreitet oder sonst der Deffent lichkeit zugänglich macht, wird mit Gefängnis bis zu drei
Monaten oder mit Geldstrafe bestraft.
Der Polizeipräsident meist darauf hin, daß die Verbote bereits heute in Kraft treten und daß geneh= danach auch alle angemeldeten und migten öffentlichen politischen Versammlungen heute schon nicht mehr stattfinden dürfen.
Der Ehrenschutz.
Die Vorschriften zur Verstärkung des Ehrenschutzes wollen der zunehmenden Bergiftung des öffentlichen Lebens durch Ver= unglimpfungen anderer und insbesondere der im politischen Kampf in erschreckendem Maße um sich greifenden Unfitte entgegenwirken, den politischen Gegner nicht sachlich zu bekämpfen, sondern durch verleumderische oder leichtfertige Ehrabschnei dungen niederzuringen. Zur Verstärkung des Ehrenschutzes der
Bayerische Bolkspartei.
6. Dez. 1931
1548
14. Sept. 1930 ( 1674)
447
( 460)
1051
( 1146)
446
( 667)
Seit der Reichstagswahl vom 14. September 1930 ist hier also feine Verschiebung eingetreten. Dort oben im Frankenwald leben die Aermsten der Armen. Seit Monaten und Jahren arbeitslos, wissen die Leute vor Not und Elend nicht ein noch aus. Hilfe muniffen und Bölkischen umworben, hatten sie jetzt wieder Gelegen
wurde ihnen so gut wie feine vom Staate zuteil. Von den kom
heit, ihre Stimme abzugeben. Trotz aller Verhetzung der Radikalen von rechts und links, trotz aller Beschimpfung gegen die SPD . haben die Männer und Frauen vom Frankenwald ihr Urteil gegen Sowjet und Hakenkreuz gesprochen. Sie sind der Partei treu. Hut ab vor diesen Proletariern.
Ehepaar und Kind durch Gas vergiftet.
Eine Familientragödie am Halleschen Tor.
Im Hause Belle- Alliance- Straße 70 wurde heute mittag eine furchtbare Familientragödie entdeckt. In ihrer Wohnung wurden dort der 51jährige Kaufmann Friedrich Bohl, feine 33 Jahre alte Frau Cina und ihr dreijähriges Söhnchen durch Gas vergiftet aufgefunden. Die Wiederbelebungsversuche der Feuerwehr waren ohne Erfolg. Nahrungsforgen scheinen das Motiv zu der Verzweiflungstat zu sein.
Gelbstmord eines Bankdirektors.
Mainz , 9. Dezember. Der: 64jährige Direktor der Dresdner Bank, Filiale Mainz , Albert. Benley, hat sich durch Gas vergiftet. Die Ursache des Selbstmordes ist noch nicht bekannt.
Stöhr vom Schlag getroffen. Wie der„ Bölkische Beobachter" aus Naumburg a. d. Saale meldet, hat der Reichstagsabgeordnete Stöhr während einer Versammlung einen leichten SchlagEs trat vorübergehende Sprachstörung anfall erlitten. und rechtsseitige Armlähmung ein. Lebensgefahr besteht nicht.