1931
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Spätausgabe des„ Vorwärts"
48. Jahrgang
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Auflösung des Reichstags?
Vollmacht für Brüning/ Reichstags- und Landtagswahl im Januar?
Die deutschnationale Reichstagsfraktion hat an den Reichstagspräsidenten einen Antrag auf Einberufung des Reichstags gerichtet und zugleich dem Reichstag cinen Antrag auf Aufhebung der vierten Notverordnung des Reichspräsidenten zugehen lassen. Die Kommunisten fordern das gleiche. Die Nationalsozialisten dürften sich dem bald anschließen.
Die Regierung hegt noch immer die Hoffnung, daß sich im Aeltestenrat des Reichstags eine Mehrheit für dessen Cinberufung nicht findet. Im anderen Falle hat sich der Reichspräsident bereit erklärt, dem Reichskanzler, ähnlich wie im Oktober, die Genehmigung zur Auflösung des Reichstags zu geben. Der Reichskanzler will, so wird versichert, von diesem Angebot Gebrauch machen, falls der Reichstag eine Entscheidung gegen die vierte Kotverordnung des Reichspräsidenten fällt. In diesem Falle würden mit den Reichstagswahlen zugleich die preußischen Landtagswahlen vor sich gehen.
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In Regierungsfreisen begründet man den Entschluß, den Reichstag im Falle eines Konfliktes aufzulösen, ungefähr in folgender Weise: Eine Mehrheit, die die Aufhebung der neuen Notverordnung verlangt, würde nur im Nega tiven wirksam sein, vor jedem Versuch zu positiver Arbeit aber wieder auseinanderfallen. Eine solche Mehrheit wäre weder imstande, eine Regierung zu bilden, die mit dem Ausland über Reparationen und private Schuldenregelung verhandeln kann, noch würde sie an die Stelle der beseitigten Notverordnung andere Bestimmungen setzen können, deren Erlaß von den drängenden Wirtschaftsfragen ganz zu schweigen schon wegen der notwendigen Herstellung einer gewissen Ordnung in den öffentlichen Finanzen durchaus unvermeidlich sei. Ein Beschluß des Reichstags gegen die Regierung und gegen die Notverordnung würde also Deutsch land sozusagen vor ein Nichts stellen und eine Auflösung aller Gewalten zur Folge haben, in der dann der augenblicklich Stärkste die Macht ergreifen würde. Um eine solche Entwicklung aufzuhalten, könne die Reichsregierung im Rahmen der Reichsverfassung nichts anderes tun, als gegen einen nur noch zur Zerstörung aber nicht zum Aufbau brauchbaren Reichstag an das Volk zu appellieren.
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Vorrecht des Stahlhelms?
Er darf troh, Weihnachtsfriedens' Hehversammlungen halten
Aus Essen( Ruhr) wird berichtet, daß dort am Mittwochabend, also na ch Veröffentlichung der Notverordnung noch eine öffentliche Stahlhelmkundgebung abgehalten werden konnte, in der der bekannte Berliner Hezredner Dr. Stadler die Notverordnung in allen Tonarten beschimpfte. Er bezeichnete fie als den politischen Schwanengesang eines zusammenbrechenden absterbenden Systems". Ein Sturm der Entrüstung werde sich als Antwort auf die letzte Notverordnung in allen Volksschichten erheben.
Nach der Notverordnung und nach der Dienstagrede Brünings im Rundfunk war aller Welt bekannt, daß von Mittwoch ab feine öffentliche politische Versammlung mehr stattfinden dürfe. Reichsbanner und sozialdemokratische Versammlungen mußten des halb abgesetzt werden. Die Essener Polizeiverwaltung erlaubte aber dem Stahlhelm, seine Versammlung abzuhalten, weil ihr angeblich die Notverordnung noch nicht amtlich bekannt war! Die gleiche Notverordnung, die der Redner in der Versammlung zur Hetze gegen das„ absterbende System" mißbrauchte.
Darf man an die Regierung die Frage richten, nach welchen Gesichtspunkten sie die aerkwürdige Unkenntnis des Bolizeipräsidenten pon Es n beurteilt? Will sie meiter dulden, daß der Stahlhelm eine Vorzugsbehandlung genießt? Oder wird sie dem Polizeipräsidenten von Essen mitteilen, daß auch die ,, verordneten" Gesetze von ihm anzuwenden sind ohne Ansehen Der Person?
Best im Staatsgerichtshof
Nicht als Angeklagter, sondern als Richter
Darmstadt , 10. Dezember.( Eigenbericht.)
Der Hessische Landtag hat den Verfasser der Boxheimer Dokumente Dr. Be it auf Vorschlag des Aeltestenrats in den Gesetzgebungsausschuß und in den hesji schen Staatsgerichtshof gewählt. Die Wahl des Putschisten Best in den Staatsgerichtshof erfolgte auf Wunsch der Nationalsozialistischen Partei, die damit aufs neue bewiesen hat, daß sie sich mit den putschistischen und blutrünstigen Plänen der Mord- Bestie identifiziert.
Der Untersuchungsrichter beim Reichsgericht hat Herrn Best perhört. Ueber das Ergebnis der Untersuchung herrscht tiefstes Schweigen. Herr Best ist ebensowenig verhaftet worden wie seine
Die Unschuldsengel
க
" Haut Brüning ! Er hat die Legalität unseres Osaf bezweifelt! Schlagt ihn tot, damit er an unsere Legalität glauben lernt!"
Spießgesellen. Man hat sorgfältig gewartet mit einschneidenden Maßnahmen, und nun ist die Immunität für Best und Ge
nossen in Kraft getreten.
Herr Best, der Putschist und Hochverräter, der Verfasser der bestialischen Morddokumente, Mitglied des Hessischen Staatsgerichtshofs! Welche Autorität will dieser Staatsgerichtshof für sich be: anspruchen? Mit zorniger Empörung müssen alle Freunde des Rechts und der Verfassung zusehen, wie das Eindringen putschistischer Elemente in verfassungsmäßige Institutionen von der Reichs= regierung in unbegreiflicher Passivität geduldet wird!
Diese Wahl Bests aber enthüllt endgültig, daß Best nur der Spießgeselle Hitlers ist, und daß Hitler ebenso schuldig ist wie Best. Die Pressestelle der NSDAP. hatte seinerzeit mitgeteilt:
,, Der Untersuchungsausschuß und Schlichtungsausschuß der Reichsleitung der NSDAP . hat angeordnet, daß die Parteigenossen Dr. Best, von Davidson, Stavinoga und Wassung bis zum Abschluß der Untersuchung durch den Oberreichsanwalt von jeder parteiamtlichen Tätigkeit zu entbinden sind. Seine weitere Stellungnahme in dieser Angelegenheit behält sich der Untersuchungs- und Schlichtungsausschuß der Reichsleitung bis nach der Entscheidung des Oberreichsanwaltes vor."
Die Entbindung Bests von jeder parteiamtlichen Tätigkeit ist also aufgehoben. Still und leise ist dies geschehen. Wir fragen: Welche Mitteilungen, die der Oeffentlichkeit vorenthalten bleiben, hat die Reichsleitung der NSDAP . aus Leipzig erhalten?
Hitler ist voll verantwortlich für die Borheimer Blutdokumente. Seine Legalitätsbeteuerungen sind Lüge. Das ist die Ueberzeugung
des Reichskanzlers. Welche Schlußfolgerungen wird der Reichskanzler daraus ziehen?
Die Blutdokumente parteioffiziell. Ermittlungen der Dessauer Kriminalpolizei haben ergeben, daß ähnliche blutrünstige Pläne wie von führenden hessischen Nationalsozialisten in Boxheim auch von maßgebenden Nationalsozialisten in Anhalt ausgearbeitet worden sind. Aus diesem Grunde wurden kürzlich in Dessau mehrere Haussuchun gen vorgenommen. Ueberhaupt häufen sich die Anhaltspunkte dafür, daß das Bogheimer Dokument keinen Einzelfall darstellt, sondern unter geistiger Anleitung des Nationalsozialistischen Juristenbundes von allen maßgebenden Landesinstanzen der Nazis ähnliche Dokumente ausgearbeitet sind und zwar im stillschweigenden Einverständnis mit der Leitung der NaziZentrale in München .
Protest des Reichsbanners.
Gegen das uniforme Uniformverbot.
Die Bundespressestelle des Reichsbanners SchwarzRot- Gold teilt mit:
Der Bundesvorstand des Reichsbanners SchwarzRot- Gold ist für Montag, den 14. Dezember 1931, einberufen, um angesichts der durch die neue Notverordnung geschaffenen Lage den weiteren Kurs des Bundes zu bestimmen.
Der Bundesleitung ist unverständlich, daß die Regierung durch das unterschiedslose Versam m= lungsverbot die Möglichkeit ausgeschaltet hat, außerhalb der Preise für die von ihr selbst als lebensnotwendig bezeichnete Einheitsfront in außenpolitischen Fragen zu werben und beizutragen, die Hitler - Psychose zu brechen.
In dem unterschiedslosen Verbot des Tragens von einheitlicher Kleidung und Abzeichen sieht die Bundesleitung einen erneuten Ausdruck jener verhängnisvollen Schwäche des Staatswillens, die dem Radikalismus wesentlichen Auftrieb gibt. Es ist schlimm um einen Staat bestellt, der Bürgern verbietet, das in den Farben des Staates gehaltene Reichsbannerabzeichen zu tragen. In der Schwäche des Staatswillens, nicht im Tragen von Abzeichen, liegt es begründet, daß Nachrichten über blutige Zuſammenſtöße die Spalten der Zeitungen füllen. Ueber ein Kurzes, dann wird auch diese Regierung einsehen müssen, daß gerade in Zeiten, da ein Volk innen- und außenpolitisch um sein Dasein tämpft, das offene und freudige Bekenntnis der verfassungstreuen Bürger zu den Symbolen ihres Staates ein unentbehrlicher Ausdruck der inneren Gefolgschaft und Berbundenheit ist.
Der Preisdiktator.
Er amtiert im Hause Schieles.
Der Reichskommissar für Preisüberwachung, Dr. Gördeler, wird seinen Amtssiz im Reichsernährungsministe= rium haben, um den Apparat dieses und des Reichswirtschaftsministeriums rasch benutzen zu können. Ein größeres eigenes Büro wird nicht errichtet werden.
Die Ausführungsbestimmungen zur Notverordnung, besonders auch die Bestimmung der Befugnisse dieses Reichskommissars, sind im ,, Reichsgesehblatt" erschienen.