Geldbriefträgermord vor Gericht Ernst Rems unter Mordanklage/ Schwester und Mutter unter Hehlereiverdacht
Vor dicht besshtem Zuhörerraum und unter großer Beteiligung der presse begann heule morgen vor dem L a n d g e r i ch t II die Verhandlung gegen den Maurer E r n st R e i n s. Die Anklage lautet auf Mord. Seine Mutter, die SSjährige Zda Reius, und seine S ch w e st e r, die 3Zjährige Vorführdame Sophie Reins, sind wegen Hehlerei angeklagt. Den Vorsitz führt Landgerichtsdirektor Schneider, die Anklage wird vom Staalsanwaltschaftsrat höfer ver- treten. Die Verteidigung von Ernst Reius liegt in den Händen des A.-A. Dr. Herbert Fuchs , während der Mutter und Schwester Rems die Rechtsanwälte Dr. Walter Zasfe und Dr. Arthur Brandt zur Seite stehen. Als psychiatrischer Sacher st ändiger ist Medizinal- rat Dr. V y r e n f u r t anwesend. Die Beurteilung der sozialpsycho- logischen Seite der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten obliegt als Sachverständigen dem Studiendirektor Dr. K a w e r a u und dem Leiter der Städtischen Mosse-Stistung, Sehnte. Das Verbrechen. Am 29. April mietete ein j u n g e r M e n s ch, der«ine Visiten- karte unter dem Namen Wicht überreichte, bei der Frau Möbius, G o s s o w st r a ß e 1 l>, für iO M. ein Zimmer. 10 M. gab er als Anzahlung. Er erkundigte sich, wann der andere Mieter gewöhnlich des Morgens aus dem Hause gehe und um wieviel Uhr der Geld- briefträger bei Frau Möbius seine Bestellungen mache. Gegen Uhr am 1. Mai erschien der neue Mieter, hielt sich wenige Minuten in seinem Zimmer aus und schickte Frau Möbius mit seiner zerbrochenen Brille zum Optiker und mit einen Rohrpostbrief zum Postamt. Als sie zurückkam, sah sie ihren Mieter in seinem Zimmer sich Blut vom Kopf abwaschen. Er sagte, er hätte sich gestoßen und bat sie, ihm doch schnell von der Drogerie Watte zu holen. Nach ihrer Ruckkehr war der Mieter verschwunden. In ihrem Wohnzimmer stieß sie zu ihrem Schrecken mif den ermordeten Geldbrief- träger Schwan. Unter seinem Kopf befand sich eine Blutlache. Die Unordnung im Zimmer sprach von vorangegangenen Kampf. Auf dem Fußboden neben dem Toten lagen Briefe verstreut. Aus der Geldbriestasche fehlten 6.350 M. Ein Wertbrief mit 30 000 M. Inhalt war vom Täter übersehen worden. Man fand einen zerrissenen Kragen mit einem verwischten Dreieck als Wäschezeichen: ein B l e i r o h r, das als Tatwerkzeug gedient haben mußte, man sah sich serner im ferner im Besitz der B r i l l e und der V i s i t e n k a r t e auf den Namen Wichl. Wichl entpuppte sich als Eintänzer, der zur Zeit in Wien lebte: seine Bisitenkarte hatte er verschiedenen Leuten überreicht. Das Wäschezeichen wurde auf chemischem Wege kenntlicher gemacht, es meldeten sich Wäschereibesitzer, die Kragen mit ähnlichem Zeichen zum Waschen gehabt hatten, der ursprüngliche Kragenbesitzer wurde ausfindig gemacht: er hatte vor einiger Zeit einige seiner Kragen dem Bruder seiner Freundin Johanna Reins geschenkt. Schließlich wurde ermittelt, daß Ernst Rems und seine beiden Schwestern am 2. Mai mit unbekanntem Ziele Berlin verlassen hatten. Die Mutter, Frau Ida Reins, wurde festgenommen, man fand in einem Ver st eck 1950 Mark. Am 5. Mai wurden im Warenhaus, in dem Reins' Braut, Fräulein Scholz, beschäftigt war, aus Genua ein Fernge- s p räch angemeldet. Auf eine Chiffreadresse traf für Frau Reins ein Brief ein: „Liebe Mutter! Es geht uns gut. Adresse bekommst Du, wenn wir angekommen sind. Alles Gute wünscht und sendet Dir Deine große Tochter. Bis jetzt alles ohne, chpch. hoch Amerika ! Die Blase ist ganz gemütlich, erzählt im Hause absolut nichts. Auf Befragen: „die Mädels: Paris . Ich arbeite, aber mit unbestimmtem Aufenthalt. Vielleicht Rußland . Wenn Du unsere Adresse bekommt, so gilt nur für einen Brief. Briefe vernichten, sofort!!! Alles sauwohl. Liebe Mami! Unerhört lustige italienische Reisegesellschaft. Geflachst bis auf den Bauchnabel! Ernst war gut abgelenkt, die schöne Gegend hat ihn be- rauscht. Deine Appelschnut. Appesschnut, das war die 17iährige Johanne, Jenny genannt. deine große Tochter— Sophie, genannt Inge. Auf Veran- lassung der Berliner Kriminalpolizei wurden die drei Geschwister in Genua verhaslel. man fand bei Ernst Reins 1700, bei Sophie Reins ISOO AI. Ernst Reins leugnete anfangs, brach aber dann in Gegenwart des deutschen Generalkonsuls zusammen, die Schwestern behaupteten, von nichts zu wissen.' Die Aussagen des Täters in Genua vor den herbeigeeilten Berliner Kriminalkommissaren und in der Voruntcr- suchung nach erfolgter Auslieferung, gingen dahin, daß er den Gcldbriefträger Schwan nicht habe töten wollen und seine Tat aus Not und Verzweiflung begangen habe. Beginn der Verhandlung. Die Mutter Ida Reins sitzt ansang- ganz allein auf der An- klagebank vor dem Verteidigertisch. Es ist eine kleine, schmächtige Frau, ganz in Schwarz gekleidet. Sie befindet sich auf freiem Fuße Als der Sohn Ernst Reins den Gerichtssaal betritt, schreit sie laut schluchzend auf:„Mein lieber Junge." Ernst Reins hat intelligente Gesichtszüge, er trägt eine Brille und macht einen sehr gedrückten Eindruck. Unmittelbar nach ihm wird seine Schwester Sophie Rems aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Sie sieht gut aus. hat ein regelmäßig geschnittenes hübsches Gesicht. volles blondes Haar. E r n st R e i n s macht seine Angaben mit sehr leiser Stimme, Sophie Reins. seine Schwester. Anworten sind dagegen bestimmt und gut vernehmbar. Die Verlesung ihrer Vor- strafen ist ihr sichtlich unangenehm. Schon als 17jähriges Mädchen hat sie ihre erste Strafe von zwei Wochen Gefängnis und zwei Wochen Haft wegen D i e b st a h l s und Verstoßes gegen die Vor- schritten der Sittenpolizei erhalten, im Jahre 1919 wegen Diebstahls in einem Falle und Unterschlagung in zwei Fällen ein Jahr Gefängnis, im Jahre 1927 wegen eines weiteren Diebstahls vier Monate Gefängnis mit Bewährungsfrist. Frau Ida Reins ist nicht vorbestraft, ebenso ihr Sohn. Der Eröffnungsbeschluß gegen Ernst Reins lautet auf Word in Taleinheil mik Raub mii Todeserfolg. Das Verfahren wegen Beihilfe gegen Mutter und Schwester ist ein- gestellt worden. Sie haben sich bloß wegen Hehlerei zu verant- warten. � rL„ Landgerichtsdirektor Schneider gibt eine kurze Darstellung des AnNagetatbestandes gegen Ernst Reins und hebt zum Schluß hervor, daß der Angeklagte zwar voll und ganz geständig sei. die Tat begangen zu haben, jedoch bestreitet, die Absicht der Tötung ge- habt zu haben Er sei durch den Widerstand, den der Geldbrief- träger Schwan dem Raube entgegengesetzt habe, dazu hingerissen worden, ihn zu würgen. Vors.: Angeklagter, wollen Sie sich zur Tat erNären. Reins: Ja, ich will mich erklären. Vors.: Erkennen Sie sich schuldig?
Reins: Des Vorwurfs der beabsichtigten Tötung, nein. Vors.: Wir wollen jetzt auf Ihr Leben eingehen. Ein belastendes Leven. Ernst Reins schildert mit großer Ausführlichkeit seine Kind- heit und seine Entwicklung. Der Vater, Gustav Reins, war Maurer . Der ältere Bruder Arnold ist im Kriege gefallen. Auch zwei andere Brüder sind früh gestorben. Am Leben sind nur die Schwestern Sophie und Johanna. Als er geboren wurde, besaß der Vater ein eigenes Baugeschäft und ein Haus in Steglitz . Er war 5 Jahre alt, als das Geschäft des Vaters zusammenbrach, die Familie zog nach Berlin N. Er erinnert sich, daß der Vater oft- mals betrunken nach Hause kam, und daß Mutter und Kinder auch einmal vor dem Tobenden flüchten mußten. Der Vater arbeitete nun als Polier, war sehr tüchtig und sorgte für die Familie. Um den Jungen kümmerte er sich nicht. Als die Johanna
geboren wurde, wurde Ernst Hüter rnib Beschützer seiner kleinen Schwestern. Der Bruder Amold hatte sehr viel unter der Roheit des Vaters, bei dem er das Maurerhandwerk lernte, zu leiden, er verließ das Elternhaus und nahm eine Stellung als Kellner an. Später lernte er eine reiche Frau kennen und auch einen Herrn, mit dem er als Reisebegleiter nach Italien fuhr. Die wirtschaftlichen Verhältnisse im Hause wurden immer schlechter, die Mutter nahm eine Portierstelle in der Roscherstraße in Charlottenburg an, später eine in der Gervinusstraße. Ernst besuchte die Gemeindeschule in der Sybelstraße. War der Lehrer gut zu ihm, so lernte er fleißig, Freunde besaß er nicht. Schon damals machten ihm seine Augen beim Zeichnen Schwierigkeiten. Nach Beendigung der Schule im Jahre 1921 erlernte er auf Wunsch des Vaters das Maurer - Handwerk, arbeitete unter ihm auf einem Bau und hatte sehr unter feine Ungerechtigkeiten zu leiden. Er wußte nicht, daß sich schon damals die ersten Zeichen der beginnenden Paralyse bemerk- bar machten. Im Jahre 1925 erfolgte der physische Zu- sammenbruch des Vaters, er wurde in die Irrenanstalt gebracht, Ernst Reins wurde der Ernährer der Familie. Zwei Jahre lang lebte er getrennt von der Mutter, weil die Schwester Sophie zum Haushalt nicht regelmäßig beisteuern wollte. Auch hatte er oft Streit mit der Mutter, weil diese der Schwester Johanna, die das Lyzeum besuchte, zu viel Frecheit gab. Im Jahre 1926 beginnt sein Verhältnis mit der späteren Braut Fräulein Scholz.
Ein Ulm gegen den Krieg. „Niemandsland" im Mozart-Saal. Fünf Soldaten verschiedener Nationalität finden sich in einem zerschossenen Unterstand des Niemandslandes zwischen den Fronten und sie entdecken in ihrem Leiden, daß sie nur durch die Sprachen getrennt sind, durch die Uniformen, daß sie sonst dieselben Gedanken, dieselben Gefühle haben. Warum stehen sie sich feindlich gegenüber? Sie sind Arbeiter, Handwerker, Angestellte. Der Krieg hat sie eistzweit, wahnsinnig gemacht. Also Krieg dem Kriege! Am Schluß marschieren sie wie ein Symbol für den Kampf um den Frieden vereinigt dem gemeinsamen Feinde Krieg entgegen. Dies ist die Grundidee des Film-, den Leonhard F ra n ck und Viktor T r i v a s entworfen haben. Ein Kriegsfilm, der das Thema aus neuer Perspektive siSht. Entscheidend bleibt hier nicht die Hand- lung, sondern die Uebertragung der Idee ins Bildhaste, ein Vor- gang, der dem Regisseur Trivas restlos glückte. Der Film setzt vor Kriegsausbruch ein. In kurzen Szenen, die vollkommen das Charakteristische herausarbeiten, wird das Milieu der späteren Soldaten skizziert. Die Fabrik, die Werkstatt, die Wohnung. Hier ist absolute Wirklichkeit erreicht. Aus dieser Grundlage baut sich das Kriegsgeschehen auf. Das Tempo wird jagend, je näher man dem Wahnsinn rückt. Und jetzt erreicht Trivas seinen künstlerischen Höhe- punkt. Der Krieg bricht aus. Ueberall dieselben Proklamationen, überall die gleiche Massenhypnose. Gleichheit des Geschehens, und diese Gleichheit beweist den ungeheuren Wahnsinn des Krieges und den Stumpfsinn der Menschen, die sich protesllos zur Schlachtbank führen ließen. Allein aus dem Bild klingt dies« traurige Melodie. Die Uniform ist ausschlaggebend, die Menschen ähneln sich wie ein Ei dem anderen. Warum also Krieg? Die Technik der schnellen Ueberblendung und Montage, die der stumme russische Film meisterte, ist hier auf den Tonfilm übertragen worden. Trivas legt den Hauptakzent auf das Bild. Wort, Ge- räusch und Musik dienen nur der Untermalung und Ausdeutung. Der Film ist in erster Linie Film und nicht photographiertes Theater. Allerdings erreicht Trivas noch nicht letzte künstlerische Ge- schlossenheit, da er am Schluß breit naturalistisch wird und im Tempo nachläßt. Hervorragend die Schauspieler mit Busch und Sokolosf an der Spitze. „Niemandsland" und„Kameradschast" demonstrieren, daß der Film auch zum Träger von Ideen werden und daß der deutsche Film weit über das Niveau billiger Unterhaltungsware und läppischer Militärspielerei hinauszuwachsen vermag. Der impulsive Beifall zeigt den Willen des Publikums zum gehaltvollen Werk. _ F. Sch. Bildnisausstellung. Ein Dokument von Weltanschauungen. Nationalgalerie und vor allem Kronprinzenpalais haben unter Juftis Leitung längst begriffen, daß ein Museum sich beständig wandeln und 5iunstgut in Gestalt von Ausstellungen in seinem Rahmen, auch von außerhalb, aufnehmen muß, um lebendig und volkstümlich zu bleiben. Ihre Erfolge, in Gestalt eines immer regen Besuches, haben auch die Museen der alten Kunst aus ihrer Ruhe gebracht. Nach den Ostasiatischcn Museen hat nun auch das Kaiser- Friedrich-Museum seine„Auflockerung" praktisch in einer Bildnis- ausstellung fortgesetzt. Es beschränkt sich WNächst auf sein« eigenen und die Bestände des alten Museums. Diese ausgezeichnet gewählte und durch großartig« kunst« historische Perspektiven spannende Spezialschau bedeutender Porträts findet sich im Saal 64, wo unterhalb der berühmten Raffaelfchen Teppichs aus grauem Rupfen ein vorzüglicher Hintergrund gespannt ist— das sinzige Stück Wand übrigens, das in dem Ihneschen Bau moderne Ausstellungsprinzipien ahnen läßt. Die Schau ist ein höchst erregendes Beffpiel dafür, wie unser- gleichlich verschieden das Problem des menschlichen Porträts gelöst werden kann und wie fünf Jahrtausende hoher Kunstblüte sich mit dem sogenannten Achnlichkeitsprinzip abgefunden haben. Es sst offenbar ein gröblicher Irrtum, daß die laienhaft« Forderung nach photvgraphiemäßiger Naturtreue in der Wiedergabe des mensch- lichen Objekts, eine unerläßliche Grundbedingung des Bildnisses fei. An dieser Stelle scheiden sich die ausgestellten 30 Kunstwerke, sämtlich von unbezweiselbarem und ungefähr gleich hohem Rang, in zwei einander widersprechende Teile. Ihre Mehrzahl befolgt das naturalistische Prinzip, übrigens nicht ohne erhebliche Schwankungen in der Intensität der Treue. Das heißt: von römischen Marmortöpfen angefangen, über die außerordentliche Wahrhaftigkeit der Altniederländer, Dürers und Holbeins, von der scharfen Präzision Mantegnas und Penezianos bis zu den Hollän- dern Frans Hals und Rembrandt , dem Franzosen Chardin und dem Spanier Goya am Ende des 18. Jahrhunderts geht eine ununter- brochene Linie der Entwicklung äußerer Naturwahrheit, verbunden mit dem Bestreben charakterologischer Seelendeutung. Werke, wie der Kardinal Mantegnas, wie die Zeichnung der allen Muller Dürers, Giorgiones edler Jüngling und Hendrikje von Rembrandt sind ohne Zweifel Dokumente tiefster und erschütternder Menschen- tenntnis, erreicht durch treueste Abschrist individueller Naturformen, erhöht vom Geiste reinster Menschlichkeit und Menschenkenntnis. Aber dieser Weg ist nicht der einzige di« Weltordmmg in sinnlicher Gestaltung zu offenbaren. Auch innerhalb des begrenzten Bersuchs, ein Abbild ven Persönlichkeiten zu geben, sst offenbar das gegenteilige Prinzip möglich, ja es führt zu vielleicht noch bedeutenderen Lösungen. Wenn man die herrliche Dvppelstatue eines Ehepaares aus dem Alten Reich Aegyptens(etwa 2500 v. Ehr.), da« wunderbar zart« Grabrelief der Mynno(Griechssch, 5. Jahrh.
v. Chr.), und die edle und fromme Holzfigur eines betenden zwei- jährigen Kindes aus Japan (13. Jahr. n. Chr.) betrachtet, wird man in diesen zeitlich und räumlich und ebenso stilistisch unendlich aus- einanderliegenden Werken hoher Sakralkunst das Gemeinsame suchen in Gestall eines Idealismus, der mit der Vergänglichkeit zufälliger Naturgestalt nichts zu tun hat, der vielleicht den tieferen, den ewigen Sinn des Menschenabbildes im Typischen ficht. Hier sst in sehr unterschiedlicher Fonvung, aber im Geistigen durch- aus verwandt, der sterbliche Mensch durch die Kraft religiöser Ge- sinnung zum Ideal erhoben, zu einem nur leicht individuell getönten Abbild des Schöpfers selber. Den Weg von hier zur heutigen Kunst zu finden, die Aehnlichkeit an Darstellung des Usbeissinnlichen er- strebt, lag nicht in der Absicht dieser Veranstaltung: er ist aber klar und nicht zu verfehlen._ Paul F. Schrnidl. Kinder unserer Zeii. Ein musikalisches Rundfunkspiel für Kinder und Erwachsene Robert Adolf Stemm le schrieb den Text zu einer Art Kinderoper, die von Allan Grey vertont wurde. Unter dem Titel „Achtung, Achtung! Hier Welle ABC!" brachte die Berliner Funkstunde das Werk zur Aufführung. Stemmte, der Verfasser von„Kampf um Kitsch" versucht auch in diesem „musikalischen Spiel", einen Einblick in die Welt der Kinder unserer Zeit zu geben. Er will zeigen, wie die Not der Zell das Solidaritätsgefühl der Kinder stärkt und sie bewußt nicht nur mit einander und für einander eintreten läßt, sondern sie auch voll tatkräftigen Hilfswillens an die Seite der Erwachsenen stellt. Die „Welle ABC" ist ein Kindersender, den die Kinder einer großen Stadt planen, und den sie mit Unterstützung der Kinder des ganzen Landes errichten, um mit seiner Hilfe miteinander in Verbindung zu treten, aber auch, um durch seine Sendungen den Erwachsenen zu zeigen, wie die Kinder wirklich denken, wie sie die Welt erleben, was sie wollen. Die Idee, die der Autor seinem Werk zugrunde gelegt hat, ist gut. Leider wurde sie wenig fruchtbar entwickelt. Stemmte will mit diesem Spiel vor allen Dingen unterhalten: wer nicht durch den Stoff und seine sachlich wesentliche Behandlung gefesselt wird, den will«r durch kleine nebensächliche Schnörkel zum Lachen bringen, den will er mindestens aber auf keinen Fall verärgern. An diesem Zuviel des Wollens zersplittert das Spiel. Die Kinder. die Stemmle auftreten läßt, sind gar keine Kinder unserer Notzeit, keine Kinder, die den Hörer zwingen, eine Welt von Armut, Sorgen und Entbehrungen zu begreisen. Es sind Kinder, die geradeswegs aus der Unterhaltungsliteratur der Nachkriegsjahre herausfpaziert sind. Sie denken sachlich und vernünftig, können Geld markweise verdienen und markweise für ihren Sender her- geben, weil sie, um es mit Stemmles Worten auszudrücken, ver- stehen,„höflich zu sein und sich nützlich zu machen". Der Solidaritätsgedanke dieser Kinder kann imponieren, aber nicht zwingend eine Schicksalsgemeinschaft bemessen. Es ist schade, daß die große Linie, für die das Wert angelegt zu fein scheint, nicht sichtbar wird. Manches in der Aufführung ist recht nett, gerade durch kindliche Einfachheit des Tons auch den erwachsenen Hörer packend. Das Spiel wurde von Kindern der Karl-Marx -Schule aufgeführt. Das Beste der Wirkung ging von diesen kindlichen Spielern aus, die nicht nur etwas von der Freude an ihren Ge- stalten auf die Hörer übertrugen. Diese proletarischen Kinder wissen von Not und Sorge, von Hunger nach Brot und Hunger nach Freude, wenn nicht aus eigenster Erfahrung, so doch aus ihrer unmittelbaren Umwelt. In diesen Kindern ist echtes Gemeinschafts- gefühl lebendig und das Wissen um die Notwendigkeit, dieses Ge- meinschastsgefühl immer weiter zu tragen, immer fruchtbarer werden zu lassen. So klang in chrem Spiel der Unterton starken Erlebens mit. Die Musik Allan Greys steht künstlerisch auf keiner hohen Ebene. Doch die flotten Schlagerrhythmen sind den Kindern unserer Zeit vertraut: sie wurden offenbar gern und leicht nach- gesungen. Ein« Abhörst und« im Parteihaus Lindenstraße vereinte Kinder und Erwachsene bei Empfang der Sendung. Gleichzettig hörten die Schüler der Karl-Marx -Schule zu Hause oder in der Schnlaula das Werk ab, über das in der Schule eine gemeinsame Aussprache stattfinden soll, lieber beides wird noch ausführlicher zu berichten sein. Tos.
Sechs ehemalige Tänzer der Slaatsoper. die sich bekannllich zu einem eigenen Ballettensemble zusammengeschlossen haben, hatten mit chrem ersten Auftreten im Ausland, im Londoner Palladium, einen großen Erfolg zu verzeichnen. Das englische Publikum sparte selbst bei typisch deutschen Nummern nicht mit seinem Beifall und folgte den modernen Motiven in dem fein durchgearbeiteten„Mensch und Maschine" mit verständnisvollem Interesse. Die ftanzSflschc Bevölkerungsziffer. Nach der diesjährigen Volkszählung beziffert sich die Bevölkerung Frankreichs auf 41 834 935 Personen: davon sind 38 944 012 Franzosen und 2 890923 Ausländer. Im Jahre 1926 bestand die Bevölkerung Frankreichs aus 38 248 255 Franzosen und 2 495 642 Ausländern. Die Silvesterfeier der Bolksbühue. Wie alljährlich veranstaltet die Volksbühne auch diesmal am 31. Dezember, abends II Uhr, eine «ilvesterfeier im Theater am Bülowplcch, bei der Beethovens K. Sinfonie zur Aufführung gelangen wird. Leitung: Fritz Stiedrv. Es wirken mii der Berliner Bolkschor und das verstärkte Philharmonische Orchester. Karl Kraus (Wien ) liest am 15. Dezember im Schumann-Saal„Aus eigenen Schriften".