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BERLIN  Donnerstag 24. Dezember

1931

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Der Abend

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10 Pt.

Tr. 602

B 301 48. Jahrgang

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Eine Milliarde verdunstet!

Ein Jahresabschluß des industriellen Wirtschaftsverbrechens

Solange als es irgend ging, wurde im Jahre 1931 bisher abge- 1 leugnet, daß das führende deutsche Unternehmertum irgendwelche wirtschaftlichen Fehler begangen habe. Man redete sich darauf hin­aus, daß es sich bei den skandalösen Zusammenbrüchen um die peinlichen Affären einzelner Personen handele. Dagegen gäbe es feinen Schutz. Der Hansabund leistete sich am 21. September sogar die Frechheit, zu schreiben:

In den Fällen Nordwolle und Frankfurter Allgemeine   Ver­ficherungs A.-G. ist der Beweis erbracht worden, daß auch solche Aufsichtsratsmitglieder, die wie die Aufsichtsratsvertreter des Be triebsrates nur diesen einen Posten befleidet haben, in allem ver­fagten."

Also die Betriebsratsaufsichtsräte, denen man jeben wichtigen Geschäftsvorgang verheimlicht, sie wurden jetzt mitverantwortlich ge­

macht, daß fie nichts gesehen hätten!

Aber im letzten Quartal des ablaufenden Jahres gab es mehr Industriestandale als in dem ganzen Dreivierteljahr vorher. Des wegen fühlte fich endlich der neue Borsigende des Reichsverbandes der deutschen   Industrie, Herr Krupp von Bohlen und Halbach, ver. pflichtet, Ende November feierlich für alle deutschen   Unternehmer­organisationen zu erklären:

alle Kräfte an die Selbstreinigung der deutschen   Wirtschaft zu Wir erachten es als unsere besondere Pflicht in dieser Zeit, wenden, gegenüber jedem, der vom Wege des ehrbaren Kauf­manns abweicht, eine scharfe Trennungslinie zu ziehen und in vorkommenden Fällen die weitere Zugehörigkeit der Betroffenen zu den Organen der Spigenverbände von dem Ergebnis der zu

treffenden Feststellungen abhängig zu machen."

Seitdem hat der Staatsanwalt weiter mit Verfahren gegen Generaldirektoren, Direktoren, Industriefapitäne und Finanzleute reichlich zu tun gehabt. Der Reichsverband der deutschen Industrie  und die Organe der Spizenverbände werden bei ihrem Jahres­abschluß mit Abschütteln solcher Leute, die vom Wege des ehrbaren Kaufmannes abgewichen sind, reichlich beschäftigt sein warten wir ab.

Nachfolgend stellen wir zusammen, in welchen größeren Fällen von Industriesfandalen im Jahre 1931 der Staats. anwalt wegen der verschiedensten Gründe gegen Unternehmer­führer eingreifen mußte. Unsere Liste ist nicht vollständig, weil der Deffentlichkeit gegenüber nicht selten gerichtliche Maßnahmen gegen Industrieführer verheimlicht werden. Der Staatsanwalt beschäftigte Generaldirektor Dr. Kroner, Vereinigte Elektrizitätswerke West­ falen  ,

fich mit:

Der Young Plan gesprengt"

Brüning   und Dietrich über den Baseler Bericht

Vor der Preffe erläuterte heute morgen Reichskanzler Brüning  | nicht vorsah und es sind deswegen Maßnahmen notwendig, die den Bafeler Sachverständigenbericht. Er begann mit einem Dank außerhalb der Möglichkeiten des Planes liegen, die mur an die deutschen   Sachverständigen, die durch ihre Klugheit, Besonnen- von den Regierungen ergriffen werden können. heit und Ruhe das Ergebnis erzielt hätten. Es bedeute zwar in der Schärfe der Formulierung einen Rückschrift gegenüber dem Wiggin- Bericht des Sommers, da es ein Instrument des Young­Planes darstelle, aber der Bericht habe für die kommende Regierungs­fonferenz nichts verbaut

Durch seine Feststellungen hat der Bericht den Young- Plan gesprengt.

Die franzöfifche Auffassung ist zwar insofern berücksichtigt worden, als gefagt wird, daß Deutschland   bei Wiederbeginnen der Prosperität durch seine Industrie in eine günstige Lage versetzt werde, aber der Bericht erklärt dann sofort, daß diese günstige Lage werden könne. Der Bericht stelle die erste negative, mit Erfolg nur mit Hilfe der Empfehlungen des Teiles 4 des Berichtes erreicht zurückgelegte Etappe dar. Die Vorsichtigkeit der Formulerung des Berichtes wird in den Ländern, denen das Bewußtsein von den wirkungen der Kriegsschuldenzahlungen aufgegangen ist, vielleicht zu Enttäuschungen führen. Wichtig ist, daß die durch die Parker Gilbert­schen Berichte entstandene Weltmeinung über die deutsche Wirt­schaftsführung nunmehr überwunden sei. Die 3 meite Phase werde mit der Beendigung der Verhandlungen über die Stillhaltung abgeschloffen werden. Die Verhandlungen würden am 28. Dezember wieder beginnen und voraussichtlich zwei Wochen, wenn nicht länger,

dauern.

Bizefanzler Dietrich faßte die amtliche deutsche Auffassung in folgenden Formulierungen zusammen:

1. Der Neue Plan ist überholt. Er ist von Voraussetzungen ausgegangen, die nicht eingetreten sind.

2. Diese Voraussetzungen sind im entscheidenden Punkt von den Staaten, mit denen Deutschland   Handel treibt, zu denen vornehmlich die Bertragschließenden gehören, dadurch beseitigt worden, daß sie

in ihrer Handelspolitik das Gegenteil von dem fun, was sie finngemäß nach dem Plan hätten fun müssen.

Generaldirektor Dr. Fischer, Bereinigte Elektrizitätswerke West- Statt

falen,

Direktor Walter Tag, Schweißer u. Oppler A.-G., Berlin  , Direktor Wohlgemuth, Schweizer   u. Oppler U.-G., Berlin  , Direffor Trippe, Schweißer u. Oppler A.-G., Berlin  , Direktor Walter Lippold, Vereinigte Eisenhandlungen A.-G., Gevelsberg  ,

Generaldirektor Baron   kohorn, Chemniher Teppichfabrik und Maschinenfabrik, Chemnih,

Generaldirektor Lahujen, Nordwolle- Konzern, Generaldirektor Jeppel, Dewaheim- Konzern, Aufsichtsratsvorsitzender Pastor Cremer, Dewaheim- Konzern, Direktor Heymann, Hausleben Bersicherungs- A.- G., Berlin  , Generaldirektor Kahenellenbogen, Schultheiß- Pahenhofer- Konzern, Generaldireffor Sobernheim, Schultheiß- Paßenhofer onzern, Generaldireffor Penzlin, Schultheiß- Pakenhofer- Konzern, Generaldirektor Kuhlman, Schultheiß- Pahenhofer- Konzern, Generaldirektor Funke, Schultheiß- Paßenhofer- Konzern,

In einer ganzen Anzahl von Fällen hat man sich mit dem stillen und fristlosen Abbau von Generaldirek toren und Direttoren begnügt. In anderen Fällen wurde aber auch das Gehalt weitergezahlt oder in sogenannter gütlicher Einigung" der Schuldige faltgestellt. Wir zählen wieder auf: Generaldirektor Schöffler, Hannoversche Waggonfabrik, Generaldirektor Uebelen, Mechanische Weberei, Linden, Generaldirektor Pierburg, Gebrüder Pierburg A.-G., Generaldirektor Heinrich Jahn, Bereinigte Kammgarnspinnerei Harthau,

Generaldirektor Riefe, Nordstern- und Vaterländische Versiche­rungs- A.- G.,

Generaldirektor Schöndorf  , Karstadt- Konzern, Generaldirektor ten Hompel, Wiring- Konzern, Direktor Otto, Maschinenfabrik Kappel.

Auch diese Aufzählung ist nicht vollständig. In ihr fehlen diejenigen Direktoren, die aus der Leitung der Dresdner  Bant ausscheiden mußten oder noch ausscheiden werden. Das gleiche gilt für viele andere standalöse Fälle, von der Danat bant   bis zur Gemertschaft Ewald und von der Nord.

Deutschland   die Zahlungen durch Warenimport, was die einzige Möglichkeit der Zahlung darstellt, zu gestatten, haben sie diese Zahlungen durch Zollerhöhungen, Kontingente und Einfuhr­fperren unmöglich gemacht.

4. Werden solche Maßnahmen, die das Vertrauen wieder her­stellen und die Voraussetzungen eines geordneten weltwirtschaftlichen Verkehrs neu schaffen, nicht getroffen, so sind die Folgen tatastrophal für alle Wirtschaftsvölker Europas  , aber auch der

überseeischen Länder.

Eine Pariser   Kritif.

Paris  , 24. Dezember.( Eigenbericht.)

Der Bericht des Baseler Sachverständigenausschusses wird bis. her nur vom Echo de Paris" fommentiert. Die Nationalistische habe, zahlreiche Lüden enthalte. Er übergehe mit Stillschweigen Beitung erklärt dann, daß der Bericht, von dem man eine Auf­klärung über die deutsche Finanz- und Wirtschaftslage erwartet die Finanzgebarung der Reichsregierung. In bezug auf die Reichsbahn habe es der Ausschuß unterlassen zu sagen, daß fie eine viel geringere Schuldenlast zu tragen habe als andere europäische Eisenbahnen, und daß sie bei normaler Geschäfts­führung daher wohl imftande sei, die ungeschützten Annuitäten aufzubringen. Außerdem beschwert sich das Echo de Paris" dar­über, daß die Sachverständigen nicht den Wert der im Ausland über, daß die Sachverständigen nicht den Wert der im Ausland investierten deutschen   Kapitalien haben feststellen können.

Der Eindruck des Berichts in Amerifa. London  , 24. Dezember. Ueber den Eindruck, den der Baseler Sachverständigenbericht in

amerikanischen   Kreisen gemacht hat, meldet der Reuter- Korrespon dent in Washington  : Eines der Ergebnisse des Berichts wird nach hiesiger Auffassung darin bestehen, daß es nächstens einen zeitweiligen oder endgültigen Verzug der Schuldner der Bereinigten Staaten geben wird. Es wird erwartet, daß zum mindesten einige von ihnen sich auf die Klauseln ihrer Schulden­vereinbarungen berufen werden, welche die Suspendierung gewisser Zahlungen in Höhe von ungefähr 88 Millionen Dollar gestatten. Die amtlichen Stellen lehnen jede Aeußerung ab; aber es fann gesagt werden, daß die Feststellungen des Ausschusses feine besondere Ueberraschung hervorgerufen haben.

3. Es ist ein Fall eingetreten, den der Neue Plan überhaupt Im allgemeinen wird in amtlichen Kreisen der Standpunkt ver­

fee Hochseefischerei A.-G., Bremerhaven  , bis zur A11| ihrer Kaufkraft erlitten haben und deswegen der Warenabsatz gemeinen Deutschen Creditanstalt, Leipzig  . zurüdging.

Im übrigen sind auch so manche Generaldirektoren, obwohl sie die von ihnen geleiteten Konzerne in die Verluste hineingeritten haben, mit einem sogenannten blauen Auge davon gekommen und in Amt und Würden geblieben. Man erinnere sich hier an den Generaldirektor Heilner vom Deutschen   Linoleum= Konzern, an Jakob Goldschmidt   von der Danatban f, an Wried von der Nordsee" A.-G., an den Leiter und Haupt­inhaber der Schröder Bant, Bremen  , sowie an die Chefs des Blumenstein Konzerns.

Man tomme uns nicht mit dem Einwand daß die aufgezählten Industrieführer durch die nicht zu beeinflussende Wirkung der wirt schaftlichen Krise die von ihnen geleiteten Unternehmen in Schwierig teiten gebracht hätten. Das ist in sämtlichen aufgezählten Fällen unwahr.

Spekulationen mit den eigenen Uffien, Konzerngrößenwahn, langfristige Fefllegung furzfristiger Kredite, Ueberschähung des eigenen könnens und privatkapitalistische Selbstherrlichkeit das sind die Gründe,

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weshalb im vergangenen Jahre Dußende großer und größter deut­scher Unternehmungen zusammenbrachen oder in Schwierigkeiten gerieten. Die schlechterwerdende Konjunktur hat nichts anderes be­deutet als das Wegreißen der Schleier. In allen diesen Fällen handelt es sich um Verluste, die vermeidbar waren. Niemand erhebt einen Vorwurf gegen diejenigen, die deswegen in Schwierigkeiten | tommen, weil die breiten Massen des Boltes zu große Verluste

Die Liste der persönlich verschuldeten Berlusie durch falsche Industrieführung muß auf etwa eine Milliarde Mark geschätzt werden.

Dabei ist zu beachten, daß auch die jüngsten industriellen Schwierigkeiten, wie die bei Borsig, Berlin  , bei der Hano­ mag  , Hannover  , und bei Bleichert, Leipzig  , nicht nur aus konjunkturellen Gründen entstanden sind. Man muß in diesen drei Fällen 3. B. auch fragen, imvieweit Lieferungen nach Rußland   auf eigenen Wunsch statt in Mark in englischen Pfunden fakturiert wurden. Die Russen machen an den ihnen von den deutschen   Unter­nehmern aufgezwungenen Wechseln in englischer Währung ein glänzendes Geschäft. Die falsche Investierung von Kapital in ver­größerten Produktionsmitteln statt in verbilligtem Umfaß hat weitere an sich unnötige Verluste erzeugt.

Jetzt geht der schmerzliche Prozeß der Kapital­schrumpfung vor sich. Viele Unternehmer meinen, daß das dadurch vermieden werden könne, daß man die Betriebe, also die Warenpreise, mit den Vermögensverlusten belaste. Um so not­wendiger ist, darauf hinzuweisen, daß das Verschulden deutschen  Unternehmertums an den Verlusten des Jahres 1931 durch die Zu­fammenstreichung des Industriefapitals, also durch die Vermögens­befizer, zu tragen ist. Das wäre eine gerechte Rechnung. Wir fürchten nur, daß man sie zu vermeiden suchen wird. Die Bilanz 1931 würde dann auf Kosten der Arbeitslosen aus geglichen merden! Kurt Heinig  .