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Morgenausgabe

Nr. 604

A 304

48. Jahrgang

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Der Vorwärts erscheint wochentäg lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin  und im Handel mit dem Titel ,, Der Abend", Jllustrierte Gonntagsbeilage Bolt und Zeit"

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Sonntag 27. Dezember 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etnipalt. Nonpareillezeile 80 1. Reklamezeile 5,- Rin. Kleine An­zeigen das fettgedruckte Wort 25 Pf. ( zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf. jebes weitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pf. Familien. anzeigen Beile 40 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vorl

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Raubmord zu Weihnachten Sammelbeden des Böſen

Geschäftsführer von Loeser& Wolff   erschossen.

In den Vormittagsstunden des ersten Weihnachts­feiertages wurde in der Innenstadt ein furchtbares Verbrechen entdeckt. Das Opfer ist der 66 Jahre alte Filialleiter Gustav Huth aus der Donaustraße 119, Neukölln, der in dem Zweiggeschäft der Zigarren firma Loeser u. Wolff in der Mohrenstr. 63/64, Ecke Mauer­straße, erschossen aufgefunden wurde. Es liegt Raub­mord vor.

Huth war ein bewährter Angestellter, der viele Jahre bei der Firma Loeser u. Wolff tätig war, er sollte zum Jahresende pen­fioniert werden. Nach den bisherigen Ermittelungen und Zeugen­aussagen ist der Filialleiter wahrscheinlich schon am Heilig­abend furz nach Geschäftsschluß, vermutlich in dem Augenblid, als er mit der Kassenabrechnung beschäftigt war, überfallen und niedergeschossen worden. Am Donnerstagabend, als die Familie des Ermordeten bereits unter dem Tannenbaum ver­sammelt war, wartete man vergeblich auf die Heimkehr des Mannes. Alls Stunde um Stunde verrann und Huth noch immer nicht in feiner Wohnung erschien, fuchten seine Angehörigen nach ihm. Man glaubte zunächst, daß ihm ein Unfall zugestoßen sei; die Nach forschungen nach dieser Richtung verliefen jedoch ergebnislos. Schließlich fuchten die Angehörigen am Vormittag des ersten Feier. tages das Geschäft in der Mohrenstraße auf. Die Tür war nur ein­gelingt, die Jalousie heruntergelassen. Jezt schöpfte man einen Ber­dacht und rief die Polizei.

Die Beamten fanden den. Bermißten in einem fleinen Raum hinter dem Laden tot quf. Durch zwei Brustschüsse war Hut nieder­geftredt worden. Der Tod ist offenbar auf der Stelle eingetreten. Die Mordkommssion des Polizeipräsidiums nahm sofort die Er­mittelungen auf. Es ist versucht worden, den Hergang der Tat zu rekonstruieren. Zwei Möglichkeiten ergeben sich für den gewaltsamen Tod des Filialleiters. Entweder handelt es sich um einen Ueberfall durch jüngere Burschen, die mit vorgehaltener Pistole von Huth die Herausgabe der Kasse verlangten, dabei aber auf den Widerstand des Mannes stießen und ihn dann niederknallten. Den leblojen Körper schleppten sie dann in den hinteren Raum, plünderten die Kaffe und flüchteten. Die andere Version läßt die wahrscheinliche Bermutung zu, daß Huth nach Geschäftsschluß noch einen ihm viel leicht bekannten Kunden hereingelassen hat, der den Ahnungslosen vielleicht im Verlaufe eines Gesprächs hinterrüds erschoß. Etwa 300 M. sind dem oder den Tätern in die Hände gefallen.

Flugblätter der Kriminalpolizei.

Bereits am ersten Feiertag wurde die Nachricht von dem Raub­mord durch Rundfunk bekanntgegeben Da die Kriminalpolizei auf die Mitarbeit der Zeitungen an den Feiertagen nicht rechnen fonnte, wurden in aller Eile Flugblätter gebrudt mit der Auf­schrift: Raub mord! 2000,- RM. Belohnung! In

Bug entgleift. Gechs Berletzte bei einem Bugunfall. Lokomotive umgestürzt

Weimar  , 26. Dezember.

Am 2. Weihnachtsfeiertag, früh 6.40 Uhr, hat sich auf der Schmal­spurstrecke Unterneubrunn- Eichsfeld ein Zugunfall ereignet. Von dem Personenzug 742 entgleisten die Lokomotive und zwei Personen­wagen. Die Cokomotive stürzte die Böschung hinunter, vier Per­fonenwagen wurden schwer beschädigt. Die Ursache des Unfalls ist noch nicht geklärt. Vier Fahrgäste, sowie der Lokomotivführer und der Hilfsheizer erlitten größtenteils leichtere Verlegungen und wurden dem Krankenhause in Eichsfeld   zugeführt. Die Verlegten find Alfred Dressel aus Schwarzbach, deffen Ehefrau, Frau Schmidt aus Poppenwind, Heinz Schmidt, Oberlokomotiv führer Rothenberger und Hilfsheizer Schmidt. Der Ver­fehr wird durch Poftautos aufrechterhalten. Schweres Einsturzunglück am Tage vor Weihnachten

Port Elizabeth  ( newjersey), 26. Dezember. Die Wände eines Gebäudes, das allmählich abgetragen wird, ftürzten gestern plöhlich ein und fielen in einen Geschäftsraum. Etwa zwölf Personen scheinen dabei ums Leben gekommen zu sein.

Wieder Revolver gegen Tarichauffeur.

Den Wagen geraubt.

Am Freitagabend wurde der Tarichauffeur der Kraftag, der 26 Jahre alte Rino Sanders aus der Karlsruher Straße von zwei unbekannten Männern zu einer Fahrt angenommen. Sie ließen sich nach der Lasterstraße, in der Nähe der Hohenlohestraße, fahren. Hier zwangen ihn die Fahrgäste mit vorgehaltenem Re­polver, auszusteigen. Einer der Räuber setzte sich selbst ans Steuer und fuhr mit dem Wagen davon. Der Chauffeur benach

diesen Flugblättern wurde kurz die Tatsache von dem Verbrechen mitgeteilt und das Bublifum zur Mitarbeit unter Hinweis auf die Belohnung zur Aufklärung der Tat aufgefordert. Die Polizei ging hierbei zweifelsohne von dem sehr begrüßenswerten Standpunkt aus, feine Zeit zu verlieren, zumal feit der Tat ohnehin schon 16 Stunden verstrichen waren. 1000,- Mt. Belohnung sind vom Berliner   Polizeipräsidenten, die weiteren 1000 mt von der Loeser u. Wolff ausgesetzt worden.

Die faschistische Schlammflut.

Von Staatsanwalt Dr. Wilhelm Hoegner  .

Mitteilungen, die auf Wunsch streng vertraulich behandelt werdischen Selbstaufopferung in einem Kreuzzug, wie zum ab den, erbittet die Mordkommission, Kriminalkommissare Fähnrich Lehmann, im Polizeipräsidium, Zimmer 30, 2nruf E 1, Berolina 0023, Hausanschluß 433 oder 385

Der letzte Kunde der Mörder.

Jede politische Partei lebt von der Möglichkeit, ihre Aufe fassungen, Bestrebungen und Ziele an die Wähler heranzus bringen und sie dadurch als Anhänger und Mitkämpfer zu gewinnen. Sie muß sich zu diesem Zweck nicht nur an den Berstand, sondern auch an die Gefühle und Stimmun gen der Staatsbürger wenden. Nun sind aber die Empfin= dungen der meisten unflar, man kann die Menschen häufig ebenso zum Guten wie zum Bösen begeistern, je nach der Seite, die man bei ihnen berührt. In Zeiten des Massen­wahns sind auch vernünftige Leute gleichermaßen zur hel scheulichen Verbrechen einer Bartholomäusnacht bereit. Die Gefühle und Leidenschaften, die zu politischen Zwecken ers regt werden, sind unter sich unendlich verschieden. Aber in der Art und Weise, wie sie die einzelne Partei aufgreift und In dem Laden stehen auf dem Tisch zwei Kisten mit Zigarren, sich nußbar macht, spiegelt sich ihr ganzes Wesen selbst. die das Stück 20 Pfennig fosten. Aus einer Kiste fehlen 12 Stüd. Dem Nationalsozialismus ist es gelungen, die Der letzte Bon an der Kaffe zeigt 12 Zigarren à 20 Bf.= 2,40 m. verschiedenartigsten Boltsgruppen mit ganz entgegengesetzten Dieser Kunde ist also von Huth noch abgefertigt worden. Ob er der Klasseninteressen zusammenzuschweißen im gemein Mörder war, ob er nur ausfundschaften wollte, ob der alte Mann sa men Haß gegen das heutige Staatssystem, vor allem allein sei, oder ob er wirklich nur ein harmloser Käufer war, müssen gegen die Sozialdemokratie. Während sie sich anfangs noch erst die Ermittelungen der Polizei ergeben. Wenn er wirklich nur auf berechtigte Gefühle der Empörung über die ständigen ein harmloser Käufer war, so fann er der Polizei vielleicht wichtige nationalen Demütigungen, der Auflehnung gegen die Prole­Fingerzeige geben. Der Geschäftsführer ist hinter dem Laden­tisch stehend in der Nähe der Kasse von den tödlichen Kugeln getarisierung des Mittelstandes zu stüzen schien, hat sie sich troffen worden. Der Mörder nahm ihm dann die Brieftasche ab, in zunehmendem Maße die in einer Rotzeit überall auf­schleifte sein Opfer in den kleinen Raum und plünderte dann die wallenden Empfindungen der Rachsucht und des Registriertaffe. Huth hatte die Gewohnheit, das Geld, das im Laufe affes, der Herrschsucht und Machtgier zunuze des Tages einfam, zwischen den Stiften zu versteden und nicht in gemacht. der Kaffe zu lassen. Seinen Kollegen hatte er von dieser Vorsichts. maßregel   oft gesprochen. Dabei erwähnte er, daß an seiner Straßen freuzung in den Abendstunden der Betrieb auf der Straße sehr nach lasse. Er befürchtete, daß man ihn überfallen würde, und die Räuber sollten dann nicht mehr, das ganze Geld in der Kasse vor­finden. Dieses verstedte Geld ist auch tatsächlich noch gefunden worden. Zwischen dem Mörder und seinem Opfer hat wahrscheinlich fein Kampf stattgefunden. Der Ueberfall erfolgte so plöglich, daß Huth gar teine Zeit fand, Widerstand zu leisten. Der Mörder be­mußte zur Tat eine 6,35- Pistole. Das Geschäft hat er dann nach der Mauerstraße zu verlassen. Die Ladentür warf er nur ins Schloß.

Bis in alle Einzelheiten vorbereitet. Die weiteren Ermittelungen der Mordkommission laffen jegt ziemlich flar erkennen, daß der Raubmord bis in alle Einzelheiten genau vorbereitet worden ist. Der Täter muß mit den Ge­pflogenheiten des Geschäftsführers genau vertraut gewesen sein. Offenbar hat er am Abend der Tat das Geschäft stundenlang beobachtet, und erst als Huth den Lehrling gegen 18 Uhr nach Hause geschiedt hatte, schritt er zur Ausführung der Bluttat. Leider fehlt bisher von dem Mörder jede Spur.

richtigte das nächste Polizeirevier. Der geraubte Wagen wurde am Sonnabendvormittag am Petersburger Plaz wieder aufgefunden. Es ist dies der zweite Fall. Am vergangenen Sonntag hatten zwei Räuber einen Chauffeur gezwungen, nach der Schneeglöckchenstraße zu fahren. Hier hatten sie ihm auf die gleiche Art den Wagen ge­raubt. Wahrscheinlich kommen für beide lleberfälle die gleichen Täter in Frage. Ob sie den Wagen zu Einbrüchen gebraucht haben, hat sich noch nicht feststellen lassen.

1932!

Tas neue Jahr, das in wenigen Tagen beginnt, wird politische Entscheidungskämpfe von größter Tragweite bringen. Da gilt es für jeden Sozialdemokraten und jeden Gewerkschafter, die Reihen fester zu schließen, um jeden Ansturm siegreich abwehren zu können. Vor allem ist es nötig, die sozialdemokratische Presse in immer weiteren Kreisen zu verbreiten. Der Vor wärts" hat, wie schon mitgeteilt, seinen Bezugspreis wesentlich ermäßigt. Er kostet im neuen Jahre monatlich nur 3,25 M., wöchentlich nur 75 Pf.

bei zweimal täglichem Erscheinen. Wir bitten alle unsere Genossen, nicht nur selbst dem ,, Vorwärts" treue Leser zu bleiben, sondern auch, jeder in seinem Kreise, neue Leser und damit neue Mitkämpfer zu gewinnen. Vorwärts mit dem ,, Borwärts" zu Kampf und

Sieg im neuen Jahr!

Wie Hitler   felbft sich im Jahre 1923 gegenüber Reichswehroffizieren mit Gambetta  , Mussolini   und Napoleon  verglich, so bestärkte er seine auserwählte Führerschar in dem Wahne, sie seien zu lebermenschen geboren. Seine Führer sollten rücksichtslos die Masse beherrschen, die nach Hitler  ( Mein Kampf  ") träg und feig, nicht denk­fähig und nicht tüchtig, auf keinen Fall aber ,, begnadet" ist. Angeblich bessere Rasse" berechtigt nach ihm zur Führer­schaft. So fachte er durch verbissene Judenheze den im deut­ schen   Volke selten gewordenen Rassenhaß zu lodernden Flam­men an. Die Nichtangehörigen der Herrenrasse" werden von ihm als ,, Mißgeburten zwischen Mensch und Affe" be­schimpft. Der völkische Staat soll feinem höheren Zwecke dienen, als Raffenmenschen rein zu halten, heranzuzüchten, 3u bevorzugen, denn ,,, was nicht Rasse ist auf dieser Welt, ist Spreu". Man kann sich unschwer vorstellen, wie sich in einer allzujugendlichen Führerschicht durch solche Lehren Ueberheblichkeit, Uebermut und Größen= wahn einfressen muß.

Zum zweiten rechnet der Nationalsozialismus   mit der Furcht der meisten Menschen vor tommenden Dine gen. Er übertreibt seine Fortschritte und stellt seinen End­sieg als unausbleiblich hin. Den eigenen Anhängern werden Vorteile nach der Machtergreifung, denen, die den Anschluß versäumen, schlimmste Nachteile, Verlust von Stellung und Einkommen im Dritten Reich angekündigt. Be­amten, die ihre Pflicht gegenüber nationalsozialistischen Aus­schreitungen erfüllen, werden Nachteile angedroht.

"

Das eigentliche Lebenselement der Nationalsozialisten ist aber der Haß. In seinem Buche Mein Kampf  " fordert Hitler   zu einer aktiven Auseinandersehung, zu einem letzten Entscheidungskampf mit deutscherseits größten Schlußzielen, zur Vernichtung Frankreichs   auf. Seitdem sich aber der Nationalsozialismus auf außenpolitischem Gebiet aus durchsichtigen Gründen eine gewisse Zurückhaltung auf­erlegt, hat er die ganze Woge seines Haffes auf seine inner­politischen Widersacher abgelenkt. Diesen Haß zu erwecken und ständig zu schüren, schreckt er vor feinem noch so verwerf­lichen Mittel zurück. Trotz aller Widerlegungen werden die Sozialdemokraten immer wieder als geborene Baterlands­verräter, als verlumpte Söldlinge Frankreichs   hingestellt. ,, So wenig eine Hyäne vom Aase läßt, so wenig ein Marrist vom Landesverrat," schreibt Hitler   in seinem Buche ,, Mein Rampf". Nicht nieder mit den Franzosen  , sondern mit den Novemberverbrechern!" war sein Losungswort beim Ein­marsch der Franzosen   ins Ruhrgebiet  .

Die Bernichtung der Marristen wird von ihm ,, auf allen Wegen und mit allen Mitteln" betrieben. Sogar den Ruhr­abwehrkampf sozialistischer Arbeiter hat Hitler   als ,, marristi­schen Schwindel", als bezahlten Patriotismus" verächtlich gemacht. Nach seinem Ausspruch ist die ,, Rettung des Bater­landes begründet erst in der Stunde, da der letzte Marrist entweder befehrt oder vernichtet ist". Die verschiedenen Mög­