Morgenausgabe
Nr. 21
A 11
49.Jahrgang
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Der Vorwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlit und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Juustrierte Gonntagsbeilage Bolt und Zeit".
Donnerstag
14. Januar 1932
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Rückfehr Lavals.
Das Brester Schandurteil
Vom Präsidenten Doumer mit der Kabinettsbildung betraut. pro Sosef Pilsudski einer der eifrigſten polnischen
Paris , 13. Januar. ( Eigenbericht.) Der Präsident der Republik haf am Mittwochvormittag feine Besprechungen mit politischen Persönlichkeiten 3 weds Lösung der Kabinettstrise begonnen. Er empfing die Präsidenten und Alterspräsidenten des Senats und der Kammer, ferner verschiedene Fraktions- und Kommissionsvorsitzende der beiden Häuser, darunter den Radikalen Herriot , den Sozialisten Léon Blum und den Nationalisten Marin.
Die meisten der vom Präsidenten befragten Politiker weigerten
fich, nähere Mitteilungen über ihre Unterredungen zu machen. Léon Blum erklärte beim Verlassen des Elysées, er glaube, daß das Kabinett Laval mit den durch den Tod Maginots und das Ausscheiden Briands notwendig werdenden Aenderungen wieder auf erstehen und die Krise schnell gelöst sein werde. Marin
bemerkt, es sei flar, daß ein neues Kabinett Laval dem
bisherigen Kabinett Laval folgen werde. Die Frage sei so einfach, daß er mit dem Präsidenten der Republik
Ministerkrise den früher gefaßten Beschluß zu wiederholen, nach dem fein Mitglied der beiden Fraktionen ein Portefeuille ohne die Genehmigung der Partei annehmen dürfte. Unter den übrigen Bersönlichkeiten, die Doumer noch im Laufe des Abends empfing, find vor allem Senator Barthou und die Borsitzenden der Auswärtigen Ausschüsse des Senais und der Kammer, Bérenger und de Caftellane, zu nennen. Bérenger gab gegenüber der Presse folgende Erflärung ab:„ Der Präsident hai mir mehrere Fragen über die auswärtige Lage vorgelegt, die übrigens nicht ohne Rückwirkung auf die Innenpolitik ist. Ich glaube, daß die neue Regierung Gelegenheit haben wird, in Genf , Lausanne und sogar anderswo( Washington? Red.) Widerstand zu zeigen. Ich bin davon überzeugt, daß dieser Widerstand den Gefchiden unseres Landes nüßlich sein wird, und ich hoffe, daß Frank reich in der gegenwärtigen Weltkrise weiterhin für die Verteidigung feiner Interessen durch eine gute Regierung vertreten sein wird. Kurz vor 8 Uhr ließ Präfident Doumer Laval zu sich biffen und bot ihm die Bildung des neuen Kabineffs an. Laval danfte Doumer
Wie lange noch erträgt Polen diese Diktatur? Bor bald dreißig Jahren begann der Wilnaer Abelssproß Revolutionäre zu werden. Bald redigierte er in Geheimdruckereien erscheinende Arbeiterblätter, bald organisierte er Attentate auf zarische Beamte und russische Geldtransporte, immer in Gemeinschaft mit der Kampfabteilung der polnischen Sozialistischen Partei. Die Wiederherstellung Polens als frei demokratische Republik mit stark einsetzenden und rasch weiterwachsenden sozialistischen Einrichtungen war das 3iel aller, der Sturz des Zarismus seine Borbedingung. Als nach der Revolution von 1905 die schärfsten Verfolgungen einsetzten, wanderten viele Kämpfer nach Altösterreich aus, so auch Pilsudski . Längere Zeit lebte er bei dem kürzlich verstorbenen Hermann Diamand in Lemberg .
Dieser scharfblidende Mann gewann bald den Eindruck, daß es Pilsudski nur auf den Sieg des nationalen Gedankens anfam, daß sein ganzes Interesse dem Kampf mit den Waffen galt, daß er ein eingefleischter Militarist war, und daß er die sozialistische Bewegung als Mittel zu seinem Zweck
fqum darüber gesprochen habe. Andere Politiker sprachen sich nach für seinen neuen Vertrauensbeweis und versprach, ihm seine end. benutzte. Aber allzu lange blieb Diamand mit dieser Mei
ihren Unterredungen mit Doumer im gleichen Sinne aus, da zur Zeit die Bildung einer Konzentrationsregierung, so wünschenswert fie auch sein möge, unmöglich sei.
Am Nachmittag setzte der Präsident seine Besprechungen fort. Er hatte u. a. Unterredungen mit dem sozialistischen Senator Reboul und den Abgeordneten Franklin- Bouillon , Reibel und Guernut. Reboul erklärte, der Präsident der Republik habe ihm gejagt, daß seine Ansicht mit der Herriots übereinstimme, monach man im Augenblick nicht an eine Konzentrationsregierung denken fönne.
Die Mitglieder der radikalen Kammer und Senatsfraktion traten am Mittwochvormittag zu einer gemeinsamen Sizung zu sammen, in der Herriot über seine Unterredung am Dienstag mit Laval berichtete. Die Radikalen beschlossen, für die gegenwärtige
gültige Antwort in turzer Frist zu überbringen. Beim Verlassen des Elysee erklärte Laval den Pressevertretern: Ich werde mich bemühen, schnell zu arbeiten, damit Sie früh schlafen gehen tönnen."
Boncour lehnt das Außenministerium ab. Paris , 13. Januar.
Senator Paul Boncour hat das Angebot Lavals, als Nachfolger Briands das Außenminifterium zu übernehmen, ab gelehnt Wie. Havas zu wiffen glaubt, dürfte nunmehr Laval felbst außer der Ministerpräsidentschaft und dem Innenministerium, das er in seinem früheren kabinett innehatte, auch noch das Außenminifterium übernehmen.
Brüning entlaffen oder selber gehen.
wie das Nachrichtenbüro des BD3. hört, zum Ausdruck, daß die Parteien feinen Schritt in dieser Richtung unternehmen fönnten, weil dadurch der Erfolg nur gefährdet werden könnte. Man würde es natürlich begrüßen, wenn andere Kreise, die parteimäßig nicht es natürlich begrüßen, wenn andere Kreise, die parteimäßig nicht gebunden sind, die Aufstellung der gemeinsamen Kandidatur Hinden burgs übernähmen.
Die Rede, die Herr Frid am Dienstagabend in der| auch im Hinblick auf die Außenpolitit, sei. Gleichzeitig fam jedoch, Allgäuer Tierzuchthalle in Kempten hielt, unterscheidet sich von den Kazbudeleien Hitlers in Berlin beträchtlich. Der Borsitzende der nationalsozialistischen Reichstagsfraktion erHärte, daß seine Partei nur dann bereit sei, für Hinden burg zu stimmen, wenn zuvor Brüning verschwunden jei. Man bleibe", so rief er aus ,,, uns mit nationalen Kandidaturen vom Leibe, mit denen wir schon so große Enttäuschungen erlebt haben! Für Leute, die nur mit
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danken wir uns!"
Herr Frick schlug vor, lieber einen Mann aus unseren Reihen zu wählen, auf den wir uns verlassen können." Aber, fegte er hinzu, wenn Brüning zuvor verschwinde und die nationale Opposition die Regierung übernehme, dann könne man ,, sehr wohl anders verfahren".
Herr Frid, der doch in der NSDAP . nicht der erste Beste ist, machte die Zustimmung feiner Partei zu einer Wiederaufstellung Hindenburgs davon abhängig, daß Hinden burg ihre Wünsche erfüllt. Selbstverständlich weiß auch Frid, daß ein Kandidat, der den Wünschen der Nationalsozialisti schen Partei entgegenkommt, er heiße, mie er wolle, für alle anderen Parteien, vielleicht die Deutschnationalen ausgenommen, un annehmbar ist.
Ein Schildbürgerstreich.
Der Jungdeutsche Orden, der schon soviele Albernheiten begangen hat, schlägt jetzt ein ,, Boltsbegehren" vor, um Hindenburgs Amtsperiode zu verlängern. Hindenburg fann auf dem normalen Weg mit relativer Mehrheit wiedergewählt werden, nach dem Jungdo- Borschlag braucht er die absolute Mehrheit aller Wahlberechtigten, d. h. etwa 10 Millionen mehr. Davon abgesehen würde wenn die Wahl der Volksentscheid erst zum Zuge kommen längst vorbei ist!
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Die Vorbereitung der Präsidentenwahl. Im Reichstag fand am Mittwochabend die bereits angekündigte Besprechung von Mitgliedern ber Mittelparteien über die Bolkswahl des Reichspräsidenten von Hinden burg statt. Es handelte sich, ebenso wie schon am Dienstag, um rein private Besprechungen interessierter Politiker, also nicht etwa um Verhandlungen der Parteien. Dabei ergab sich Einigkeit darüber, daß die Aufstellung und Wahl Hindenburgs als gemeinsamer Kandidat des ganzen Boltes ein erstrebenswertes Siel,
Neue Nazifußtritte gegen die Bürgerlichen.
Braunschweig , 13. Januar. ( Eigenbericht.)
Die Nationalsozialisten und ihr Präsident Börner haben auf die Erklärung der Rechtsparteien, daß 3örner als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses ungeeignet wäre, mit offenem Sohn und Spott geantwortet. Sie erklären ausdrücklich, daß sie nicht daran dächten, von der Praxis, unbewiesene Dinge in der Deffentlichkeit zu verhandeln, abzugehen. Der Landtagspräsident Zörner bezichtigt die Bolkspartei zugleich, daß sie sich wieder einmal einer Begünstigung schuldig gemacht habe. Die Boltspartei fuche die Verfehlungen des Staatsbanfpräsidenten Dr. Stuebben zu vertuschen, weil einen der volksparteilichen Führer, den früheren Minister Marquordt, ein freundschaftliches Verhältnis mit dem Angefchuldigten verbinde. Die Nazis würden die Verhältnisse in der Staatsbant einer möglichst grellen Scheinwerferbeleuchtung ausfeßen.
Obwohl die bürgerlichen Rechtsparteien am Dienstag gedroht halten, sich nicht mehr mit den Nazis an einen Tisch zu sehen, wenn diese ihre Angriffe fortsetzen, ist die Untersuchung am Mittwoch im Hauptausschuß weitergegangen als sei nichts geschehen.
Vorgehen gegen Nazis. Schließung der GA- Heime in Gleiwit und Hindenburg . Gleiwih, 13. Januar.
Der Polizeipräsident hat die S.- Heime in Gleiwig und Hindenburg auf Grund des§ 7 des 7. Tells der 3. Notverordnung des Reichspräsidenten geschlossen. Außerdem hat der Polizei. präsident auf Grund der gleichen Notverordnung der Besigerin des Bahnhofshotels in Gleiwit die Erlaubnis zum Betriebe ihrer Gaft und Schantwirtschaft auf die Dauer eines Monats mit fofortiger Birtung entzogen.
nung allein.
Der Weltkrieg brachte Pilsudski an die Spitze der pol nischen Legionen. Als sich die Legionen der Angliederung Bolens an die österreichische oder deutsche Monarchie widersetzten, wurden sie aufgelöst. Pilsudski wurde verhaftet und in Magdeburg interniert.
Jetzt war er der Märtyrer des nationalen Gedankens und zugleich des Kampfes gegen die reaktionären Monarchien überhaupt. Als die deutsche Revolution ihm dann die Freiheit wiedergab, kehrte er im Triumph nach Polen zurück, das ihn zum Marschall seiner Armee machte. Er führte es in den Krieg gegen Sowjetrußland, der beinahe schlimmm geendet hätte, doch die Legende machte ihn zum Retter des Vaterlandes. Aber Bolen wollte ein Freistaat bleiben. Es fügte sich den schon manchmal frausen Einfällen und Ansprüchen des Marschalls nicht. Grollend zog er sich zurück. An einem Maitag des Jahres 1926 hrad) er schließlich von seinem Ruhesizz mit einigen Regimenter der Armee gegen Warschau auf. Mit Hilfe der sozialistischen Arbeiter besiegte er die Regierungstruppen. Die Eisenbahner verhinderten durch Streit den Antransport von Verstärkungen. Die Regierung Witos wurde gestürzt, der Staatspräsident flüchtete, Pilsudski ergriff die Herrschaft. Alle Minister, auch der Staatspräsident, sind seine Untergebenen und Beauftragten.
Bald kam es zum offenen Konflikt mit dem Parlament. Der Finanzminister Czechowicz wurde vor den Staatsgerichtshof gestellt, weil der vom Sejm bewilligte Etat um hunderte Millionen, hauptsächlich für Rüstungszwecke, aber auch für Wahlbeeinflussung, überschritten worden war. An
fläger im Namen des Volkes war der Sozialist Dr. Hermann
Liebermann. Als Pilsudski im Kriege vor dem österreichisch- ungarischen Militärgericht in Marmaros- Siegt des Hochverrats angeklagt war, wandte Liebermann als Legions= offizier und Rechtsanwalt die drohende Verurteilung ab. Vor dem Staatsgerichtshof beschimpfte der Marschall den Anfläger in jener unbeschreiblichen Weise, die die Welt aus feinen Interviews und Artikeln kennengelernt und woraus sie auf einen frankhaften Geist geschloffen hat. Ein Urteilsspruch des Staatsgerichtshofes gegen Czechowicz liegt bisher nicht vor.
Später spalteten pilsudskitreue Nationalisten die Sozialistische Partei und führten faschistische Ueberfälle auf Sozialisten aus. Als dann nach einiger Zeit das Parlament neu gewählt werden sollte, verhaftete man rechtswidrig eine ganze Anzahl der bekanntesten Oppositionsführer, Sozialisten, Bauernparteiler und christliche Demokraten. Es folgt BrestLitowst, das die Welt empörte, und nun ist der Prozeß zu Ende, der Pilsudskis Rachegelüften gegen alle diente, die an feiner Gottähnlichkeit zu zweifeln und die verfassungsmäßigen Volksrechte zu vertreten gewagt haben. Die Begründung des Schandurteils soll erst in einiger Zeit bekanntgegeben werden. Die absehbaren und darum nicht mehr unabhängig urteilenden Richter werden Mühe genug haben, den Angeklagten, die den größten Anteil an der Wiederaufrichtung des polnischen Staates haben, Hoch- und Landesverrat nachzuweisen. Aber Strafparagraphen laffen sich, wenn man will, dehnen wie Gummi. und der Möglichkeiten zur Begründung wird es genug geben. Von Verschwörertum fann jedoch bei den Angeklagten, diesen führenden Politikern legaler verfassungstreuer Parteien natürlich nicht die Rede fein.
Wo aber ist der Gerichtshof, der den geheimnisvollen