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Morgenausgabe

Nr. 33

A 17

49.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend". Jllustrierte Sonntagsbeilags Bolt und Zeit.

Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

su

Donnerstag

21. Januar 1932

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einspalt. Millimeterzelle 30 Bl. Reflamezele 2.- M. Kleine An zeigen" das fettgebrudte Wort 20 Bf. ( aufäffig zwei fettgebrudte Morte jedes weitere Wort 10 Bf. Rabatt It. Zarif. Worte über 15 Buchstaben zählen flir zwei Morte. Arbeitsmarkt Mtuimeter. zetle 25 Pf. Familienanzeigen Midi­meterzeile 16 Pf. Anzeigenannahme im Sauptgeschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr. Der Verlag behält sich das Recht der Ab lehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Vorwärts: Verlag G. m. b. H.

Fernspr.. Dönhoff( A 7) 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin

Brüning gegen Moratorium.

Einjähriger Verlängerungsvorschlag Englands abgelehnt.

Postscheckkonto: Berlin   37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3. Dt B. u. Di& c.- Gej.. Depofitent., Jerufalemer Str. 65/66.

Her mit den Erstattungen!

Der Steuerraub an den Lohnsteuerzahlern. as Die Aufhebung der Lohnsteuererstattungen, die die So­zialdemokratie von Anfang an aufs schärffte befämpft hat,

Auf Veranlassung der englischen   Regierung stattete| will. So ist aber die Ablehnung diesmal offenbar nicht stellt sich immer mehr als ein ungeheuerliches Un­der englische Botschafter in Berlin   dem Reichs. gemeint, und die allgemein anerkannte deutsche Zahlungsrecht an den Lohnsteuerzahlern heraus. Die kanzler am Dienstagabend einen Besuch ab, der einer unfähigkeit fchüßt uns vor folchen peinlichen Mißverständ- Lohnsteuererstattungen sind ja teine Sondervergün­Sondierung der Frage galt, ob die Reichsregierung mit niffen. Immerhin wird auch wenn mit der Tatsache des stigung für die Lohn- und Gehaltsempfänger, sondern sie einer Verlängerung des Hoover Morato. derzeitigen französischen   Nichtverzichts gerechnet werden ermöglichen nur die Rückzahlung zuviel gezahlter riums um ein Jahr, also bis zum 1. Juli 1933, eine wirtschaft etwas zur Entwirrung der sich immer mehr ver- Recht, Steuern, die er zu viel gezahlt hat, zurückzuverlangen. riums um ein Jahr, also bis zum 1. Juli 1933, ein schon im Interesse der schwer geschundenen Welt- Steuern. Jeder Steuerzahler hat dieses selbstverständliche wirrenden Dinge geschehen müssen. Und zwar nicht das, was die Nationalisten diesseits und jenseits wollen, denen es nur den Lohn- und Gehaltsempfängern hat man es ge­nie fraus und funterbunt genug zugehen kann!

verstanden sein würde.

Der Reichskanzler hat die Frage unter Hinweis auf das Baseler Sachverständigengutachten und unter Bezugnahme auf sein Reparations- Interview, in dem der Standpunkt Deutschlands   zum Reparationsproblem niedergelegt ist, abgelehnt.

muß

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Lavals sichere Mehrheit.

Paris  , 20. Januar.  ( Eigenbericht.) Die Wahrscheinlichkeit, daß die Reparations. Ar den Ausgang der Kammer Debatte über die Re konferenz in Lausanne   nicht stattfinden gierungserklärung Lavals ist nicht mehr zu zweifeln. Die Regierung wird, verstärkt sich immer mehr. wird ihre Mehrhett bekommen, selbst wenn die Sozialisten und die Rabitalen aus inmenpolitischen Gründen gegen sie stimmen. Außen­politisch besteht eine Einheitsfront von der Rechten bis zu den Sozialisten, wenn auch nicht für die Politit der Re­gierung, so doch für die Berteidigung ber 3ntereffen Frankreichs   gegenüber Deutschland   und Amerika  .

London  , 20. Januar.

25. Januar als Termin aufgegeben. Das Auswärtige Amt veröffentlicht ein Kommuniqué, in dem es heißt: Die Verhandlungen zwischen den an der Causanner Kon­ferenz hauptsächlich intereffierten Regierungen find noch nicht beendet. Es liegt auf der Hand, daß die Konferenz nicht igon am 25. Januar, dem provisorisch festgesetzten Datum, eröffnet werden fann. Weitere Berhandlungen finden gegenwärtig flatt. Die britische Regierung hofft, daß binnen wenigen Tagen eine befriedigende Vereinbarung über das einzuschlagende Verfahren

zustande kommt.

Außenminister Sit John Simon reist am Sonnabend zur Raistagung nach Genf   ab.

Brüning, der Prügelknabe.

Er soll wegen Lavals Erflärung zurücktreten. Logik und nationalistische Politit haben nur insofern etwas miteinander zu tun, als sie fich gegenseitig ausschließen. Das weiß man aus ungezählten Erfahrungen. Trotzdem passiert es immer wieder, daß man vor den Emanationen nationa­listischer Geistigkeit erstaunt stehen bleibt. So zum Beispiel jetzt, wo die Rechtspresse auf die Rede Lavals mit dem Schrei nach dem Rüdtritt Brünings antwortet. Man fann Brüning für Berschiedenes verantwortlich machen, und auch wir haben eine lange Rechnung mit ihm. Aber die Erklärung Lavals hat er bestimmt weder verfaßt noch inspiriert. Vielleicht könnte man sagen, er hätte sie provoziert. Aber diesen Vorwurf wird die Rechte am allerwenigsten erheben fönnen, denn ihr war das deutsche Nein" Brünings, dem das französische   Nein" Lavals folgte, immer noch nicht unbedingt und unerbittlich genug. Eine schärfere deutsche Erklärung hätte nur eine noch schärfere Gegenerklärung zur Folge gehabt. An der Tatsache aber, daß Frankreich   auf seine Ansprüche nicht ohne weiteres verzichtet, hätte keine deutsche Regierung, wie immer sie aussehen möchte, etwas ändern fönnen.

Inzwischen hat Brüning einen englischen Vorschlag eines neuen einjährigen Zahlungsaufschubs abgelehnt. Wir wissen nicht, ob es stimmt, wenn behauptet wird, die Ableh­nung sei weniger wegen des Moratoriums selber erfolgt als wegen gewisser Nebenumstände, mit denen es ver­bunden sein sollte. Sicher ist, daß sie einen anderen Sinn hat als sonst die Ablehnung eines Bahlungsaufschubs. Denn wenn im bürgerlichen Leben ein Schuldner einen Zahlungs aufschub ablehnt, so hat das den Sinn, daß er zahlen

nommen.

Obgleich die Aufhebung der Lohnsteuererstattungen be­reits durch die Notverordnung vom 5. Juni 1931 erfolgt ist, tommt diese Maßnahme den Lohnsteuerzahlern erst jest in ihrer ganzen Brutalität zum Bewußtsein. Wenn es die Erstattungen noch gäbe, könnten jetzt die An­träge gestellt werden und viele Hunderttausende von Er werbslosen haben schon seit Monaten darauf gerechnet, daß fie in dieser Zeit die 30 oder 40 M. zurückerhalten, die sie zu viel gezahlt haben. Hunderttausende haben mit diesen Erstattungen gerechnet, haben ge­hofft, mit diesem Betrag endlich einmal eine fleine An­fchaffung machen zu können, die bisher immer wieder zurüd gestellt werden mußte, endlich einmal einen fleinen Zuschuß der färglichen Unterstügung zu bekommen. Jetzt müssen sie mutigen Artikel veröffentlicht hat, in dem er für die Streichung fahren, daß es feine Erstattungen mehr gibt, daß das zu Der radikale Abg. Pierre Cot  , der heute im Soir" einen zu ihrer maßlosen Enttäuschung auf den Finanzamtern er­der Schulden und Reparationen und die internationale Zusammenspiel gezahlte Geld für immer verloren ist, daß alle Hoff­crbeit eintritt, mird, ebenso wie andere gemeldete Redner, auf das Wort verzichten. Dafür wird der Abgeordnete Forgeot, der nur selten spricht, aber anfangs 1930 durch eine furze, energische Intervention das Kabinett Tardieu stürzte, ähnliche Gedankengänge wie Cot verteidigen,' mas eine leberraschung für die Regierungs­mehrheit barstellen wird. Trotzdem dürfte an dem Ausgang der Debatte nicht mehr zu zweifeln fein.

In einer besonders unangenehmen Lage befinden sich die So­zialisten, die die Zahlungsunfähigkeit Deutschlands   anerkennen, fich aber der Tatsache gegenüber befinden, daß Amerika   die Zahlung der Schulden verlangt.

Adieu, Paul Boncour  !"

bud Paris  , 20. Januar.  ( Eigenbericht.) Ministerpräsident Laval hatte am Mitwoch eine Unterredung mit Senator Paul Boncour  , dem Vizepräsidenten der fran zösischen Delegation für die Abrüftungskonferenz. Beim Berlaffen bes Innenministeriums erflärte Boncour, daß er bereits in den nächsten Tagen nach Genf   abreisen werde. Aus dieser Grflärung schließt man, daß Paul Boncour die französische   Re gierung auch in der am 25. Januar beginnenden Tagung des Bölterbundsrates vertreten und an Stelle Lavals jogar den Vorsiz führen wird.

Das Gewerkschaftsorgane Peuple" schreibt über die An­nahme des Mandats durch Paul Boncour: Die Bereitwilligkeit Bant Boncours, in die Abrüstungsdelegation einzutreten, ist eine Baul Boncours, in die Abrüstungsdelegation einzutreten, ist eine Ueberraschung. Man fonnte annehmen, daß der frühere sozialistische Abgeordnete sich das zweimal überlegen würde, oder ist der Wunsch, auf die politische Bühne zu steigen so groß, daß die Bolitiker ihrer Kaltblütigkeit beraubt werden? Man weiß zwar, daß Paul Boncour nicht viel Kaltblütigkeit besigt, und daß er die Rettame liebt. Aber man tonnte es sich nicht vorstellen, daß er es für möglich hielt, unter den gegenwärtigen Bedingungen hinter Tardieu und vor Dumesnil und vielen anderen die Rolle anzus nehmen, die er in der Vorbereitenden Abrüstungskommission gespielt hat. Er wird in Genf   nicht mehr dieselbe Atmosphäre vorfinden, als er sie gewohnt war. Er hat vergessen, daß er nicht mehr durch Briand gedeckt ist, und daß er der Gefangene einer Politie fein wird, die der des früheren Außenminifters enigegen gefegt ist. Adieu, Paul Boncour."

Pilsudski  - Schande ohne Ende.

Amnestie" Gefeß mit politischer Unschädlichmachung.

S

Warschau, 20. Januar.  ( Eigenbericht.) und Gewaltmethoden des Pilsudski Lagers begrünbete, wurde er Jn Warschauer politischen Kreifen verlaulet, daß die Regierung von dem Pilfubfti Lager immer wieder stürmisch unterbrochen. demnächst ein Amnestiegefeß zu erlaffen beabsichtigt, das Aber er fegte in feiner Abrechnung fort. Er spreche, so auch die im Brest  - Litowster Prozeß verurteilten Oppofitions- führte Bulawffi unter anderem aus, nicht für die Sendlinge Bil führer erfaffen soll. Durch die Amnestie foll den Berurteilten jedoch fubftis im Parlament, sondern für die vom Volt gewählten Ab­uur die Strafe erlaffen werden, während der mit der Strafe ver- geordneten. Die Opposition wolle der Welt zeigen, daß nicht alle bundene Berlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf- Bolen die heutigen Zustände in Bolen billigen. Obwohl die Oppo­rechterhalten werden soll. Auf diese Weise will die Regierung den fition unter ständigem Terror stehe, bilde sie doch die Das Urteil im Brest  - Litowster Prozeß Oppofitionsführern die Möglichkeit nehmen, in Zukunft am polififchen Mehrheit des Bolkes. habe er bereits 3 mei Tage vor der Bertündung von einem Ceben Polens   teilzunehmen. Regierungsabgeordneten erfahren.

Sozialistische Anklagerede im Geim. Im Sejm   fam es am Mittwoch bei der Debatte über den Mißtrauensantrag der Opposition gegen die Regierung zu äußerst stürmischen Szenen. Als der fozialistische Abgeordnete Bulawiti den Antrag mit scharfen Worten gegen die Zerror.

Nach Zulawski sprachen Bertreter der anderen Oppofitionspar­teien. Der Oppositionsantrag wurde schließlich von der Regierungs­mehrheit. abgelehnt. Das war von vornherein zu erwarten. Wenn der Antrag trogbem behandelt murbe, bann aus propagandistischen Grünben.

nungen und Wünschen umsonst gewesen sind.

Bis zu welchen mahnwigigen ungerechtig= Leiten die Aufhebungen der Lohnsteuererstattungen führt, dafür nur ein Beispiel:

In Berfin gibt es einige hundert Bäder und Kon­ditoren, die seit Jahr und Tag arbeitslos sind und nur noch als Aushilfsarbeiter gelegentlich beschäftigt werden. Die großen Bädereien können den besonders großen Bedarf an Backware für Sonnabend und Sonntag nicht mit dem normalen Personal decken und müssen daher in jeder Woche für ein oder zwei Tage Aushilfsarbeiter einstellen. Diese aushilfsweise beschäftigten Bäder müssen nun für jeden Tag der Beschäftigung Lohnsteuer entrichten, während ihnen auf der anderen Seite der verdiente Lohn voll auf die Unter­stützung angerechnet wird. Und wenn der Steuerabzug täg­lich auch nur 50 bis 60 Pf. ausmacht, in den 50 Wochen des ganzen Jahres kommen doch 25 bis 30 M. zusammen, die an Steuer entrichtet werden müssen, obgleich der Arbeiter nur 500 bis 700 m. im Jahre verdient.

Früher wurden wurden diesen diesen Aushilfsarbeitern ihre ganzen gezahlten Lohnsteuern erstattet. Jetzt werden auch fie rücksichtslos abgewiesen. Die Bermeige­rung der Erstattungen ist in diesen Fällen eine um so größere Härte, als ja nach wie vor im Einkommensteuergesetz steht, daß der Ledige bis zu 1200 m. Jahreseinkommen, der Berheiratete mit zwei Kindern bis 1680 m. jährlich von jeder Lohn- und Einkommensteuer befreit sein soll. Trotzdem werden hier 20 bis 30 m. oder noch mehr Lohnsteuer nicht zurüdgezahlt, obgleich die Lohnsteuerzahler mit ihrem Jahres­verdienst weit unter diesen Summen geblieben sind. Früher hatte das Reichsfinanzministerium in diesen Fällen die Er­stattung zuerkannt, gleichgültig, ob die Voraussetzungen der allgemeinen Erstattung gegeben waren oder nicht. Jetzt hat man auch diese Billigfeitsmaßnahme be­feitigt.

Damit nicht genug! Man hat diesen Aermsten der Armen nicht nur die Erstattungen genommen, sondern man hat ihnen neue Steuern aufgezwungen, die das Steuerunrecht immer weiter verschärfen. Zu der Krisen= steuer, die auch von den allerkleinsten Einkommen gezahlt werden muß, tommt die Bürgersteuer mit ihren hohen Buschlägen. Wenn einer dieser Aushilfsarbeiter das Bech hat, gerade am 10. oder 24. eines Monats Aushilfsarbeit zu das sind die Fälligkeitstage der Bürger­bekommen fteuer, dann muß er den vollen Betrag der Bürger­fteuer bezahlen, auch wenn er sonst von der Bürgersteuer ganz zu befreien wäre.

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Kein Wunder, daß die Erbitterung der Be­troffenen von Tag zu Tag wächst. Man hat ihre Unterstützungen gefürzt, man hat ihre Steuerlasten erhöht und man verweigert ihnen gleichzeitig die Rückzahlung zuviel gezahlter Steuern, die den Besigenden nach wie vor zuge­billigt wird. Hier muß mit größter Beschleunigung Abhilfe geschafft werden. Die Sozialdemotratte tämpft