r. 33. 49. Jahrgang 1. Beilage des Vorwärts
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Eine amtliche Erklärung des Polizeipräsidenten stellt jetzt endgültig als Ergebnis der polizeilichen Untersuchungen fest, daß der Ueberfall auf die Kolonie Felfened von den Nationalsozialisten planmäßig vorbereitet und ausgeführt worden ist. In der Berlautbarung des Polizeipräsidenten heißt es:„ Die Ermittlungen der Polizei über die Vorgänge in der Kolonie Felsened" in Berlin- Reinickendorf , die zwei Todesopfer forderten, haben ergeben, daß die politische Schuld auf feiten der Nationalsozialijien liegt. Im Restaurant Bergschloß" in Waidmannslust fand am Montagabend eine Mitgliederversammlung von fünf SA. Stürmen unter Leitung des Sturmführers Schulz statt, die als geschlossene Versammlung der Anmeldung nicht bedurfte und auch der Ueberwachung nicht unterlag. Anwesend waren über 200 Mann. Nach Schluß der Versammlung haben sich über 150 Sturmfrupp mitgeder, die in Waidmannslust , Hermsdorf , Frohnau , Tegel , Reinickendorf und Wittenau wohnen, nicht auf dem Fürzesten Wege nach Hause begeben, sie sind vielmehr in losen Gruppen die Graf- Roedern- Allee und die Flottenstraße entlang gegangen und haben von dort einen Feldweg benut, auf dem sie nach Remidendorf- Schönholz gelangten. Dann zogen sie den Schönholzer Weg entlang durch die Kolonie Felsened". Ganz offenbar hat das prosozierende und bedrohende Auftreten der Nafionalsozialisten zu dem Zusammenstoß, zur Schießerei und zur Schlägerei in der Straße geführt. Wen die friminelle Schuld an dem Totschlag des S- Mannes Schwarz und des Kommunisten Klemle trifft, wird die gerichtliche Voruntersuchung zu klären haben, für die bereits ein Untersuchungsrichter bestellt worden ist. Da die Nationalsozialisten sich nicht auf dem fürzesten Wege in ihre Wohnungen begeben haben, müssen andere Absichten für ihren
nächtlichen Marsch nach der Kolonie„ Felsened" maßgeblich gewesen sein. Bon den in der Blutnacht festgenommenen SA.- Leuten wohnen 5 in Wittenau , 10 in Tegel , 5 in Hermsdorf , 6 in Waidmannsluft, 4 in Frohnau , 4 in Heiligensee , 3 in Lübars , 1 in Rosenthal , 1 in Borsigwalde , 7 in Reinidendorf- West und nur 3 in Reinickendorf Ost, an dem Ort, in dem sich der Ueberfall abspielte."
So weit die Erklärung des Polizeipräsidenten. Es sei hier nochmals betont, daß nur ein verschwindend fleiner Teil der Siedler von Felsened" der Kommunistischen Partei angehört, meist handelt es fich um Sozialdemokraten, Gewerkschaftler, Polizeibeamte, Reichsbannerleute und Unpolitische.
In einer Erwerbslosenversammlung, die in den geftrigen späten Nachmittagsstunden in der Lindenstraße 11 im Lofal von Weser stattfand, tam es zu einer schweren Schlägerei zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten. Ein Beteiligter wurde durch einen Messerstich verletzt. Bolizeibeamte machten der Schlägerei ein Ende und stellten mehrere Rädelsführer feft.
Bewaffneter Zeitungshändler.
Vor dem Schnellrichter hatte sich der jährige S.- Mann Hans Balzereit zu verantworten. B. handelt in der Leip. ziger Straße mit dem„ Völkischen Beobachter". Nach Schluß der Veranstaltung des Reichsausschusses für sozialistische Bildungsarbeit am Sonnabend, dem 16. Januar 1932, be: schimpfte und bedrohte B. verschiedene Partei genossen, die aus dem Herrenhaus kamen. Unter anderem fagte B. zu einem Genossen: Wenn du nicht weitergehst, bekommst du
Das Postamt im U- Bahnhof
Die U- Bahn ist neben der S- Bahn das modernste Verkehrsmittel Ber lins . Im Westen führt sie in die nächste Nähe des Grunewaldes. Hier sind in den letzten Jahren neue Siedlungen entstanden. Es war naheliegend, daß die Reichspost den Bedürfnissen der Bewohner nach postalischer Versorgung Rechnung tragen mußte. Dicht am U- Bahnhof Onkel- Toms Hütte errichtete sie ein von hohen Kiefern umgebenes Postamt, das ganz nach der in Wild- West üblichen Art in einem hölzernen Gebäude unterge.... bracht wurde und dann genau so gut wie jedes andere Berliner Postamt seinen Dienst tat. Immerhin war für Berlin diese Post im Walde eine kleine Sensation. Nach der Fertigstellung der beiden modernen, völlig abgedeckten, vor Wind und Wetter geschützten Ladenstraßen des U- Bahnhofs Onkel- Toms- Hütte ist die Post nunmehr in den U- Bahnhof gezogen..
AREN
POSTANT
Die Ladenstraße ,, Onkel- Toms- Hütte" mit dem Postamt Genau in der Mitte der nörd- geschickten Anlage der beiden Ladenstraßen machen diesen lichen Ladenstraße hat sie großzügig und vornehm Bahnhof zu einem der bemerkenswertesten Anlagen im Bereich ihr Quartier gewählt. Diese Tatsache in Verbindung mit der der U- Bahn.
Kenner
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Adria
über der
Nach einem Tagebuchroman von Karl Hans Schober
erzählt von Erich Knauf Melde, daß es meine Kameraden sind, die sich von mir verabschieden wollen, da ich in Urlaub fahre."
Böse und dumm gloßt er mich an: Stimmt das?" Jamohl!"
Er wendet sich an die Soldaten: Euer Kamerad?" Endlich dämmert es in den Köpfen der Landratten: ,, Melde gehorsamst, unser Landsmann. Soll unfern Frauen und Kindern Grüße bringen."
Der Spürhund guckt von einem zum andern, fingert an seinen Dienstabzeichen herum und grinst. Dann gibt er feinem Säbel einen Tritt zur Seite und haut ab: Bande!" Der Bahnsteig wimmelt von blauen Jungens. Es wird Nacht, und der Eilzug fährt endlich. Biele Abteilfenster sind mit Brettern verschlagen. Nach einigen Stunden blizen Lampen vorbei. Eine Stadt mit Lichtern. Wir sind also aus Dem Kriegsgebiet heraus.
Wie es hell wird, sigen um mich herum lauter Unteroffiziere. Ich verstehe. Die Matrojen haben sich befördert. Das geht im Abteil rascher als im Hauptfriegshafen. Man Enöpft den sternenlosen Kragen ab und heftet an jede Kragen eckte zwei Sterne und knöpft ihn wieder um. Auf die Kappe steckt man das Enblem mit der Krone, um das Bajonett legt man ein Portepee. Ein Matrose ist gar nichts, und der Mensch fängt erst beim Portopeeträger an. Und wer fennt auf dem Lande die Chargen der Kriegsmarine! Die Welt will befleckert sein.
und Käse. Einer Frau fährt der Rucsac auf und Kartoffeln rollen unter die Bänke. Wenn das die Wagenpatrouille sieht", jammert die Alte und friecht nach ihren gehamsterten Erdäpfeln unter den Bänken herum. Die Soldaten helfen ihr dabei und verstecken das Hamsterpaket hinter ihrem Rüden.
Eine Patrouille von vier Landratten und einem Führer schreitet die Wagen ab. Der Sergeant öffnet die Pafete der Zivilisten und der Soldaten mit seinen dreckigen Fingern und wirft alles durcheinander. Die drei Mann stehen dabei, das Bajonett stolz aufgepflanzt. Ich wende mich dem Fenster zu und denke mir: Lieb Baterland, fannst ruhig sein! Da steht er auch schon vor mir und schnauzt: Den Urlaubsschein!"
Ich sehe mir den Kerl von unten herauf an: Der Charge nach find wir gleichgestellt. Ich, die Nase hoch:„ Sie! In was für einem Ton sprechen Sie zu mir?"
Ueberrascht hadt er zusammen. Der Esel fennt die Chargen der Marine nicht. Aber dann dreht er sich um und greift nach dem Rudsad der Frau. Ich fahre dazwischen: ,, Das ist mein Urlaubsgepäd!" Auch die anderen Matrosen mischen sich drein: Proviant und Ertrauniform!" Der Unteroffizier weiß nicht, was er machen foll. Schließlich grunzt er etwas und verschwindet aus dem Abteil.
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Kaum ist das Efel draußen, steigt ein Herr mit Flinte und Hund ein. Er nimmt neben mir Blaz, entfaltet eine Zeitung und schimpft drauflos, weil die Italiener am Isonzo die Unfrigen in Schach halten.
Ich fann nichts dafür", lache ich ihm ins Gesicht ,,, tun Sie sich bloß feinen Schaden."
Er friegt eine rote Birne: Bin Berwalter auf einem Gut. Was erlauben Sie sich denn?"
,, lind weshalb find Sie nicht Soldat?"
,, Was geht Sie das an? Halten Sie den Mund!" ,, Das werde ich nicht tun, sondern Ihnen sagen, weshalb unser Vormarsch am Isonzo so langsam geht. Weil Sie Ihre Kräfte dem Vaterland noch nicht zur Verfügung gestellt haben."
Jetzt weiß er sich nicht mehr zu helfen, er tritt ans Fenster und findet eine andere Beschäftigung. Denn drüben, auf dem Nebengleis, hält ein Lazarettzug; der Wind weht die Gardinen hoch, und da steht eine Schwester vom Roten Kreuz nackt am Baschtisch. Ich weiß nicht, da padt es mich, In Klagenfurt steigen Leute zu. Es riecht nach Quart| den Kerl dränge ich vom Fenster meg und rufe der Schwester
Donnerstag, 21. Januar 1932
eins vor die Frejse." 3wei Polizeibeamte forderten B. auf, die Abzeichen von der Müße zu entfernen. Er tat es nicht und setzte seine Beschimpfungen fort. Darauf wurde er zwangsgestellt. Unterwegs erging fidh Balzereit in tollen Beschimpfungen wie: Bonze, Laufejunge, Strolch, Bonzen staat, Sausta at usw. Dritten Reich wird es anders." Auf der Polizeiwache wurde bei ihm ein Gummifnüppel gefunden. Vor Gericht erflärte B., daß er sich jederzeit eine neue Waffe besorgen würde.
Er brauche sie, da er öfters bedroht werde. Der Staatsanwalt beantragte wegen Beschimpfung der bestehenden Staatsform, wegen Waffenbesih und wegen persönlicher Beleidigung eine Gesamtstrafe 4 Monaten Gefängnis. Bewährungsfrist wurde nicht zugebilligt. von 5 Monaten Gefängnis. Das Urteil ergab die Strafe von
Wer so seige lügt..
Gin Nazi- leberfall auf Jungbannerlente vor Gericht.
Im Oktober vergangenen Jahres wurden drei Kameraden des Jungbanners von einer Horde Nazis überfallen. Angeblich sollten die Mißhandelten nationalsozialistische Flugblätter gestohlen haben. Die jetzt stattgefundene Schöffengerichtsfügung erbrachte den Beweis, daß die Nazis ohne jeden Grund bestiafisch über die Jungbannerleute hergefallen waren.
Der Staatsanwalt, der in seinem Plädoyer auf das freche Lügen der nationalsozialistischen Angeklagten hinwies, bat das Gericht, über die Mindeststrafen wegen Landfriedensbruch mit Körperperlegung hinauszugehen, um den Ange? lagten ein für allemal die Luft zu ähnlichen Ueberfällen zu nehmen. Er sagte unter anderem, wenn diese Jugend, die hier im Gerichtssaal so feige lügt, Deutschlands Zukunft sein soll, dann bedanke er sich dafür". Das Gericht verkündete folgendes Urteil: Der Rädelsführer Linde erhält wegen Landfriedensbruch und Körperverlegung 6 Monate 3 Monate Gefängnis, der Angeklagte König erhält wegen seiner Gefängnis, die Angeklagten Frizz und Walter Bergemann 3 Monate Gefängnis, der Angeklagte König erhält wegen seiner Jugend 1 Monat Gefängnis mit Bewährungsfrist. Der Vorsitzende begründete das Urteil unter anderem mit den Worten: Drei mit dem Flugblattraub überhaupt nicht in Verbindung zu bringende junge Menschen find überfallen worden. Hätten einzelne der Angeflagten nur noch einen Schießprügel gehabt, so hätten Leichen auf der Straße gelegen. Es gehe nicht an, daß ein Trupp sich zusammenrotte und die Befugnisse des Staates ausübe.
Staatsanwalt gegen Evangelische Zentralbank
Ermittlungsverfahren gegen Direffor Runt.
Gegen den Leiter der jetzt zusammengebrochenen Evangelischen Sentralbant, Direktor Paul Runt, ist von der Staatsanwaltschaft I noch im Laufe des gestrigen Mittwochs ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Schon am Nachmittag mußte Runt in Moabit beim Staatsanwalt zur Bernehmung erscheinen, die fich bis in die Abendstunden hinzog. Es soll sich dabei insbefondere um den Berdacht handeln, daß die Evangelische Zentralbant einen Teil der Gelder, die sie vom Zentralausschuß der Juneren Mission aus dem diejem vom Reich gewährten AchtMillionen- Kredit erhalten hatte, nicht bestimmungsgemäß weiter. geleitet, vielmehr für eigene 3wede, Abdeckung von Bantfchulden ufw. bennht hat.
Kriegsbeschädigte Siedler bevorzugt.
Der Reichstommissar für die vorstädtische Kleinsiedlung hat auf eine Eingabe folgendes mitgeteilt: Soweit friegsbeschädigte Arbeitstoje trotz ihres Dienstbeschädigtenleidens noch die nach meinen Richtlinien vom 10. November 1931 erforderliche förperliche Eignung befizen, habe ich keine Bedenken, daß solche Kriegsbeschädigte, wenn im übrigen die nach meinen Richtlinien verlangten Voraussetzungen gegeben sind, bei der Auswahl der Siedler bevorzugt werden. In einem Rundschreiben an die Länder werde ich meine oben dargelegte Auffassung zwecks Unterrichtung der Siedlungsträger mitteilen."
zu: Schließen Sie den Vorhang! Hier geht ein Herr auf bie Jagd!" Der ganze Wagen wiehert in tollem Gelächter, und der Verwalter schlägt jeinen Hund und verläßt das Abteil.
Der Zug ist schon wieder in Bewegung, da rennt ein Reservist mit ihm um die Wette: ,, Kameraden, nehmt mich mit!" Er fährt auf Urlaub, will heim zu Frau und Kind und hat es eilig. Die Matrosen greifen nach seinem Rucksack und öffnen ihm die Waggontür. Ein halbes Duzend Arme ist bereit, aber er rutscht aus, und dann ist von ihm nur noch ein wahnsinniger Schrei übrig. Kreischend hält der Zug, Kameraden drängen herbei, Sanitäter schleifen den Berstümmelten unter den Rädern hervor, ein Arzt kommt, fonstatiert den Tod und ruft den Sanitätern zu:„ Schafft ihn meg!- Schrecklich! Das ist heute schon der Dritte!"
Auf der nächsten Station sehen wir, wie ein Marschbataillon ins Feld verladen wird. Wir sind im vierten Die Kriegsjahr, und von Begeisterung ist feine Spur. Beiber wischen sich die nassen Augen mit den Schürzen, und die Kinder remmen eine Weile verzweifelt neben dem Zug her.
Unser Wagen hat wieder Besuch. Drei Zivilisten, vollgefressene Gesellen, dice Zigarren zwischen den Lippen, machen es fich bequem. Man sieht ihnen die Heereslieferanten an.
Der Kamerad neben mir borgt sich einen Bleistift und frizelt auf ein Stüd Karton folgenden Vers:
Wir machen Mehl und Wurst aus Dreck
Und aus Kadavern Schweinespec.
Der Krieg zahlt gut und gleich.
Wir halten durch, wir halten fest Und liegen dabei warm im Nest Mit Gott für Kaiser und Reich!
Der Matrose schleicht sich an die Drei heran und stedt dem Didften den Karton an den Rockschoß. Und nun bücken sich alle und hocken nieder und lesen unter Gelächter. Nach fünf Minuten ist der Krawall fertig. Der Zug fährt gerade in die letzte Station vor der Hauptstadt ein. Frauen zurück!" heißt es, Play da!" Die Seeratten greifen herzhaft zu und rollen die Heereslieferanten wie volle Fässer durch den Wagen. Immer an der Wand lang, immer an der Wand lang!" Ein Soldat steht an der Tür Posten, ein stämmiger Kerl, mit einer hübschen Schuhnummer. Und der befördert die drei an die Luft. ( Fortjegung folgt.)
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