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BERLIN Freitag 22. Januar 1932

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Der Abend

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Spätausgabe des Vorwärts"

49. Jahrgang

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Tribute für die Fürsten

Arbeits- und ruhelose Einkommen der gewesenen Landesväter"

Am Donnerstag began im Rechtsausfchuß des Reichs tags die Beratung des sozialdemokratischen Gefeßentwurfes über die Neuregelung der Fürstenabfindung. Zunächst ent­spann sich ein Kampf um den von dem Fürstenanwalt Dr. Everling eingeleiteten Versuch, durch geschäftsordnungsmäßige Verschleppung um eine Beratung des den Rechtsparteien unangenehmen Antrages

Keine Brotverteuerung.

Erklärung des Reichskommissars.

Der Reichskommissar für Preisüberwachung gibt neben einer Reihe weiterer Ermäßigungen städtischer Tarife im Reiche bekannt, daß eine Brotvertene rung nicht zugelassen werden würde. Die Mehl­versorgung bis zur neuen Ernte sei vollkommen gesichert.

herumzulommen. Die fozialdemokratischen Abgeordneten Wagner und Seger Dessau traten diesen Versuchen sehr scharf entgegen und setzten mit den Stimmen der Kommunisten und des Zentrums den sofortigen Beginn der Generaldebatte durch.

Die Begründung gab Abg. Wagner( Soz.) mit dem Hinweis darauf, daß der sozialdemokratische Gesezentwurf ja nicht eine materielle Neuregelung der Fürstenabfindungen von Reichs wegen erstrebe, sondern lediglich die Länder zur vorläufigen Ein­stellung der Zahlungen und zur Neuregelung der Auseinandersehungen ermächtige. Diese Ermächtigung aber müsse der Reichstag aussprechen angesichts der Tatsache, daß durch die Notverordnungen fast alle Kreise der Bevölkerung mit wirtschaftlichen Opfern belastet worden seien,

es gehe nicht an, die ehemaligen Fürften und Standesherren von der Teilnahme an den Notwendigkeiten der Zeit auszuschließen.

Der deutschnationale Abgeordnete Dr. Everling griff den Gefeßzentwurf natürlich scharf an, bezeichnete ihn als eine dreifache Verlegung der Verfassung und wagte die groteste Behauptung, daß es sich um einen unitarischen Uebergriff in die Rechte der Länder handele. Aus Dankbarkeit, Anhänglichkeit und Treue gegenüber den ehemaligen Herrscherhäusern lehne er den Gesetzentwurf ab, der einen Appell an den Neid und Haß darstelle. Gegen den Gesetzentwurf sprach sich ebenfalls für die Bayerische Volkspartei der Abg. Emminger aus.

Bei Schluß der Sitzung, in der die Generalbebatte noch nicht zu Ende geführt wurde, entspann sich ein neuer Geschäftsordnungs

Hallenser Studenten

Wenn Profeffor Dehn nicht verschwindet, ffreift die ganze Studentenschaft."

Geschieht diesem Staate ganz recht, wenn wir dumm bleiben!"

dem Gesichtspunkt der gegenwärtigen Notlage anerkenne. Auch er sei schon wiederholt in öffentlichen Bersammlungen nach dem Stande der Dinge gefragt worden.

Verträge für die Katz-,

wenn ein Fürft" fie abgeschloffen hat.

Weimar , 22. Januar.

Nach neuen Verhandlungen erklärte fich Schulze- Naumburg bereit. daß sein Vertrag in einzelnen Bestimmungen zugunsten des Landes Thüringen geändert werde, doch lehnte der Landtag eine Beratung des neuen Vertrages ab, so daß ein vertragsloser Zustand eintrat. Die Regierung, die inzwischen von Frick befreit war, sprach dann die Kündigung aus. Mit seiner Klage gegen das Land will Schulze- Naumburg jetzt feststellen lassen, daß der erste von Dr. Frick abgeschlossene Vertrag trotz der Ablehnung durch den Landtag doch- Rechtskraft habe und die Kündigung somit zu Unrecht erfolgt sei.

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Neuer Universitätsfrach.

Raziffudenten provozieren weiter.

Auch heute vormittag tam es in der Vorhalle der Univer fität wieder zu Standalszenen, hervorgerufen durch Nazistudenten.

Der Nationalsozialistische Studentenbund hatte seine gesamten Leute zusammengezogen, die nach der 11- Uhr- Pause unter Rufen wie Juden raus Deutschland erwache" auf die an­wesenden jüdischen Studenten einzuschlagen begannen. Die republitanischen und sozialistischen Studenten versuchten, ihre Kommilitonen zu schützen. Die Nazis schlugen mun­mehr wahllos auf die Andersdenkenden mit Koppelschlössern und ähnlichen Kampfwaffen des Dritten Reiches ein. Die in der Minder­heit befindlichen republikanischen und sozialistischen Studenten ver­teidigten sich. Die eintreffende Polizei ging zunächst gegen die sozialistischen Studenten vor. Die Angegriffenen waren beim Ein­treffen der Polizei bereit, das Vestibül freiwillig zu räumen, fonnten das aber bei den schlechten Ausgangsverhältnissen nur sehr langsam tun. Statt diese Räumung abzuwarten, schlug die Polizei wahllos, auf Kommando eines Oberleutnants, auf die republi­fanischen und sozialistischen Studenten ein. Erst dann wandte sich die Polizei gegen die Nationalsozialisten.

Genau wie bei den Vorfällen der letzten Tage ist heute vor mittag dieser Krawall ganz bewußt vom Nazi- Studenten. bund vorbereitet und planmäßig durchgeführt worden. Bei dieser Sachlage muß die Forderung an die Polizei erhoben werden, in künftigen Fällen viel früher und viel nachträg licher gegen die Ruhestörer zu Felde zu ziehen. Die Polizei duldete z. B., daß, nachdem die republikanischen und sozialistischen Studenten in Ruhe abgezogen waren, die Nazia studenten im Bestibül Ansammlungen vornahmen, sangen und johlten.

tampf, in dem Abg. Everling behauptete, die Antragsteller hätten licht das thüringiſche Finanzminiſterium folgende Ertlärung: Terror gegen Belastungszeugen

nicht nur ungenügendes Material, sondern könnten nicht einmal be­weisen, welche Länder an einem solchen Beschluß des Reichstags intereffiert seien. In Preußen z. B. würden ja überhaupt feine Renten mehr gezahlt. Demgegenüber machte Abg. Seger( S03.) darauf aufmerksam, daß der Preußische Landtag die Behandlung staatsparteilicher und kommunistischer Anträge in der gleichen Sache ausbrüdlich abgelehnt habe mit dem Hinweis auf die Berhandlungen im Rechtsausschuß des Reichs tags. Außerdem bezeichnete Genosse Seger die Bedeutung des fozialdemokratischen Gesehentwurfes als

die politische Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens in Sachen Fürstenabfindung.

Bei der heutigen Fortsetzung der Generaldebatte führte Abg. Seger Dessau aus, man wäre nach der Darstellung Everlings über die Notlage der Fürsten versucht, diese Armen in die Winterhilfe einzubeziehen. Seger wies auf die Verhandlung im Hauptausschuß des Preußischen Landtags in der gleichen Sache hin. Der dort behandelte staatsparteiliche Antrag führe aus, daß die Abfindung der Hohenzollern vom Jahre 1926, ebenso übrigens wie das Beamtenbesoldungsgesetz vom Jahre 1927, unter ganz anderen finanziellen Voraussetzungen be schlossen worden sei, als sie heute bestünden. Daher sei es durchaus angezeigt, über eine Revision dieser Abfindungsgesetze zu beraten. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion schließe sich dieser Be­gründung durchaus an. Die nationalsozialistische Reichstagsfraktion müffe doch eigentlich den sozialdemokratischen Antrag unterſtüßen. Das Programm der Hitler - Partei fordere in Bunft 11 die Ab. schaffung des arbeits. und mühelosen Ein fommens, und ein müheloseres Einkommen als die Renten der Fürsten und Standesherren sei mohl nicht gut denkbar.

Für das Zentrum erflärte der Abg. Schetter, daß auch er das Bedürfnis einer gründlichen Erörterung dieser Frage unter

im

Zu dem Abschluß des Altenburger Herzogsprozesses veröffent­,, Das thüringische Finanzministerium und seine juristischen Sach­berater haben den Altenburger Herzogsprozeß angefi seiner vielen höchst zweifelhaften Rechtsfragen dauernd mit großer Be forgnis verfolgt und find fortgesetzt bemüht gewesen, ihn auf gut­lichem Wege beizulegen. Leider war ini Landtag nie eine Mehrheit für den Bergleich zu erlangen. Aus letzterem Grund konnte auch der Bergleich, den Herr Staatsminister Baum noch im Frühjahr 1931 auf Anregung des Oberlandesgericht Jena und in richtiger Erkenntnis der Tatsache, daß der Streit überhaupt nur auf güt­lichem Wege beigelegt werden könne, mit dem Altenburger Herzogs­haus vorbehaltlich der Zustimmung des Landtages abgeschlossen hatte, nidyt zustandegekommen. Der Landtagsbeschluß vom 27. Ma: 1931, der die Regierung verpflichtete, jede weitere Verhandlung mit dem ehemaligen Altenburger Herzog und eine nochmalige Ab findung abzulehnen", zwang dann zum vollkommenen Abbruch der Bergleichsverhandlungen. Es blieb nun nichts weiter übrig, als die gerichtliche Entscheidung abzuwarten. Sie ist leider zu ungunsten des Landes ausgefallen.

Fricks Erbe.

Der Nazi- Schulhe flagt gegen Thüringen .

Weimar , 22. Januar. Der gewesene ,, Leiter der staatlichen Hochschulen für Baukunst, bildende Künste und Handwerk" in Weimar , Prof. Dr. Schulze. Naumburg , hat am Freitag lage gegen das Land Thüringen megen vorzeitiger Lösung seines Bertrages ein­gereicht.

Bei der letzten Etatsberatung im Mai vorigen Jahres hatte das Landtagsplenum den von Dr. Frid mit Schulze Naumburg abgeschlossenen Vertrag abgelehnt. Der Vertrag hatte ausdrücklich die Zustimmung des Parlaments vorausgesetzt.

Stahlhelmer wollen zum Meineid preffen.

Der Helldorf- Prozeß durfte heute morgen unbehindert seinen Berlauf nehmen. Der Angeklagte Gewehr, der es vorgestern nur wenige Stunden im Gerichtssaal aushalten konnte, ist bereits hergestellt.

Ganz unerwartet erschien vor dem Zeugentisch auf Veranlassung des Staatsanwaltschaftsrats Dr. Stenig der bereits vorgestern ver­nommene Zeuge Kohr. Es ist der Zeitungshändler, der an der Ede Fasanenstraße und Kurfürstendamm beobachtet hat, wie aus Brandts Auto Instruktionen erteilt wurden.

Der Zeuge hat in dieser Verhandlung seine Aussage mit der­felben Sicherheit gemacht wie in den beiden ersten Verhandlungen. Staatsanwaltschaftsrat Dr. Stenig richtet heute an ihn die Frage, ob er von irgendeinem Angeklagten wegen seiner Aussage zur Rede gestellt worden sei.

Der Zeuge schildert folgende drei Vorfälle: Eines Tages, nach der zweiten Berhandlung, ist der

Stahlhelmangeklagte Brandt in Begleitung einer Anzahl Stahl­helmer an seinen Zeitungsstand herangekommen und hat unfer Hinweis auf ihn gesagt: Das ist er!" Dann sind alle weiter­gegangen, Brandis Begleiter fehrten aber zum Zeitungsstand zurüd, und einer von ihnen sagte zum Zeugen: Du bist also der Cump, der unfern Führer verraten hat."

Ein andermal tamen ein Stahlhelmer und ein Na­tionalsozialist an ihn heran, einer von den beiden spie ihn an. Er ließ die Rowdys festnehmen. Ein drittes Mal wurde er auf dem Nachhausewege in einer Weise belästigt, daß er um polizeilichen Schutz bitten mußte. An seiner Wohnung hat er wieder­holt Hafenkreuzzettel angeklebt vorgefunden.

Staatsanwaltschaftsrat Dr. Stenig fragt den Zeugen, ob er