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BERLIN  Dienstag 26. Januar 1932

Der Abend

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Nr. 42

B21 49. Jahrgang

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Mörder der Wirtschaft

Wird Lahusen   freigelassen?- Wann kommt der Nordwolle   Prozeß?

Der Haftprüfungstermin über die Saftbeschwerde des Carl Lahusen  , des Schuldigen für den Nordwolle. zusammenbruch, ist noch nicht zu Ende gegangen. Auch heute noch berät das Bremer   Gericht, ob Carl Lahusen  in Freiheit gesetzt werden soll.

Daß eine Verdunkelungsgefahr noch besteht, ist nach der Veröffentlichung des dritten Berichts des Konkurs­verwalters der Nordwolle ganz außer Frage. Nichts destoweniger sind die Anwälte Lahusens in stundenlangen Ausführungen für die Freilassung ihres Mandanten ein. getreten. Sie haben Sicherheitsleistung in Ge­stalt von Bürgschaften angeboten. Wir fragen uns: mer will für 2ahusen, dem 200 Millionen­Bankrotteur, Bürgschaft leisten, und was können solche Bürgschaften wert sein?

Es wäre im übrigen eine Bankrotterklärung der Justiz, wenn dieser Lahusen in Freiheit gefekt werden würde! Welches Verbrechen an der deutschen  Wirtschaft dieser Mann zu verantworten hat, geht aus dem folgenden Briefe des Londoner Bankhanjes Fred. Huth u. Co. vom 10. Juli 1931 hervor. Es war die Folge der faltschnänzigen Art, mit der die Nord­wolle ihren Gläubigern ihre Zahlungsunfähigkeit durch borgedruckte Formulare mitgeteilt hatte. Dieser Brief Iautet:

,, Sie geben uns gewisse Informationen betreffend die augen­blickliche Situation Ihrer Gesellschaft und zeigen uns an, daß man uns bitten wird, auf einen Teil unserer Forderungen zu verzichten, um die Sanierung zu erleichtern, von welcher Sie gesprochen haben.

In Anbetracht der überraschenden Art Ihrer Nachricht wurde beschloffen, eine 3ufammentunft von all Ihren 2on doner Bankgläubigern einzuberufen, um die Lage zu be

fprechen.

Diese Zusammenfunst fand heute bei uns statt, und es waren alle, die Sie in der Liste, melche Sie uns in Ihrem ersten Tele­gramm vom 8. d. M. aufgegeben hatten vertreten. Die Ansichten der Gläubiger maren so gleichlautend, daß beschlossen wurde, daß wir Ihren Brief im Namen der ganzen Gläubiger. gruppe zu beantworten haben.

Die Londoner. Gläubiger sind der Meinung, daß, wenn die

Informationen, welche Sie uns zur Lage Ihrer Gesellschaft geben,

wahr sind,

sie schwer irregeführt worden sind durch Verichte, die sie in der Vergangenheit empfingen; nicht nur von der Direktion Ihrer Gesellschaft, sondern auch in einigen Fällen von einer oder der anderen der deutschen   Banken,

mit denen Sie in enger Verbindung standen, und welche fogar, da sie in Ihrem Aufsichtsrat vertreten waren, die wahre Lage der Ge­schäfte hätten übersehen müssen. Soweit wir selbst in Frage kommen, fo brauchen wir uns nur auf die Mitteilung von Herrn Carl Lahusen   während seines Besuches, den er uns am 4. Fe= bruar abstattete, zu beziehen, auf welchen sein Brief vom 21. April folgte, in welchem er uns versicherte, daß Verluste nicht da wären, welche Ihr Rapital in Mitleidenschaft ziehen würden. Es ist schwer, heute zu glauben, daß solche Mitteilungen in treuem Glauben gemacht wurden,

und es ist auch schwer, zu verstehen, wie die Lage Ihrer Gesellschaft, wie sie Ihren Gläubigern durch Ihre Bilanz vom 31. Dezember 1929 vor Augen geführt wurde, in wenigen Monaten sich in eine Lage verwandeln konnte, wie Sie sie uns heute darstellen.

Nordwolle- Prozeß?

Unsere Gäste im Sportpalast.

Pietro Nenni  

Paul Faure  

Am Mittwoch, dem 27. Januar, 20 Uhr, findet im Sportpalast eine Massenkund­gebung der Sozialdemokratischen Partei statt. Die Kundgebung gilt dem Kampfe gegen den Faschismus, ihre Parole lautet:

Gegen Faschismus! Für Sozialismus!

Es werden sprechen: Paul Faure  , Generalsekretär der französischen   sozialistischen  Partei, Marie Juchacz  , M. d. R, Pietro Nenni  , ehemaliger Redakteur des, Avanti" in Mailand   und Reichstagspräsident Paul Löbe  .

Genosse Faure   ist am Montag in Bremerhaven   eingetroffen. Er hat dort drei gewaltige Kundgebungen abgehalten. Er wird heute Abend vor der Dresdener   Arbeiter­schaft sprechen.

weiterhin zu gewähren, beabsichtigen sie, ihre Forderungen unter Anwendung aller Rechtsmittel, die ihnen zur Verfügung sind, zu be= treiben.

Die Bankgläubiger fühlen sich so stark in dieser Angelegenheit, daß die meisten der Anwesenden ihre Absicht dahin ausdrückten, sogleich alle nach Deutschland   gegebenen Kredite rückgängig zu

machen."

Sier tritt klar zutage, wodurch der deutsche Kredit im Ausland auf das schwerste getroffen worden ist! Die Schuld der Lahusens und die Schuld der Danatbank steht fest.

Die Wirtschaftsverbrecher Lahusen aber scheinen dank ihrer bisherigen Erfahrung mit der deutschen   Straf­justiz der Ansicht zu sein, daß man dem deutschen   Volte alles bieten kann! Sie veröffentlichen jetzt eine 120 Seiten starke Broschüre unter dem Titel: ,, Die Nordwolle   unter unserer Zeitung" mit dem Streifband: Die Lahusens. sagen die Wahrheit über die Nordwolle  ". Ausgerechnet!

Betr. der Mitteilung in Ihrem Schreiben, welche Notiz in der deutschen   Presse erschien, daß die Londoner   Bantgläubiger gebeten worden sind, freiwillig auf einen Teil ihrer Forderungen zu ver­zichten, tönnen wir nur sagen, daß die heutige Versammlung fich vollkommen einig war, daß man auf einen solchen Vorschlag niemals eingehen wird, wie auch immer Sie die Lage Ihrer Gesellschaft dar­ftellen werden. Angesichts des Umstandes, daß die Londoner   Bant­gläubiger durch absichtlich falsche Darstellungen über redet worden find, die Kredit- Facilitäten Ihrer Gesellschaft auch oben zitierten Brief zum Ausdruck kommt!

Herr Professor Alsberg aber, der sich stundenlang für die Haftentlassung von Lahujen eingeseht hat, hat in Bemen versichert, daß der Prozeß erst in vielen Monaten verhandelt werden könne.

Wir stellen uns vor, wie diese Prophezeiung und das bisherige Tempo der Bremer   Justiz auf die englischen Kreise wirken wird, deren gerechte Empörung in dem

Goebbels   muß blechen.

500 Mart Ordnungsstrafe und Gerichtskosten. Wie zu erwarten war, nahm die Staatsanwaltschaft im Helldorf­Prozeß heute morgen fofort nach Eröffnung der Verhandlung Stellung zu den blamablen Vorgängen in der Gerichtsverhandlung vom Sonnabend, als Dr. Goebbels   ohne gesetzlichen Grund sich weigerte, feiner 3eugenpflicht nachzukommen. Es handelte sich um einen Vorfall, der in der Geschichte der deutschen  Rechtspflege einzig dasteht. Noch nie hat ein Reichstagsabgeordneter in dieser Weise den Forderungen des Gesetzes ins Gesicht geschlagen. Die Staatsanwaltschaft mußte Zeit haben, um sich den rechtlichen Folgen dieser Aussageverweigerung durch einen Reichstagsabge­ordneten zu orientieren. Das Ergebnis dieser Ueberlegungen war der Antrag, der heute morgen zu Beginn der Verhandlung vom Staatsanwaltschaftsrat Dr. Stehnig gestellt wurde:

den Zeugen Goebbels   zur Tragung der durch seine Zeugnis­verweigerung verursachten Kosten und zu einer Ordnungsstrafe von 800 Mark zu verurteilen.

Zur Begründung dieses Antrages führte der Staatsanwalt­schaftsrat Dr. Stehnig wie folgt aus: Der Zeuge Dr. Goebbels   hat in der Sigung vom 23. Januar d. J. auf die Frage, ob er von den Demonstrationen am Kurfürstendamm   am 12. September 1931 vor­her Kenntnis gehabt habe, fein 3eugnis verweigert. Er hat diese Weigerung nicht gemäß Artikel 38 der Reichsverfassung darauf geftüßt, daß es sich um Tatsachen handele, die ihm in Aus­übung seines Abgeordnetenberufs anvertraut worden seien, und auch