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Jllexander ton SacherlUafoch: Diesen Menschen traf ich vor kurzem in einer Gesellschaft. i'üide suhlten wir uns nicht sonderlich heimisch, beide gingen wir scüher fort durch Ausall gemeinsann Die Geschichte, die er mir in einem kleinen Cafe später erzählte, drang nicht in die Oeffentlich» fett, beschäftigte nicht die Bleistifte der Neporter. Dennoch ist. waj ihm Widersuhr, darum nicht weniger wert, von vielen Menschen- herzen erlebt und empfunden zu werden. Wissen Sie. ich mag diese lärmenden Gesellschaften nicht, dt« so wenig in unsere Zeit passen. Als junger Anwalt der sich gerade in seinem ersten nennenswerten Prozeh die Sporen oerdient hat, kann ich mich aber diesen Verpflichtungen leider nicht ganz entziehen. Menschlich« Beziehungen entstehen selt«n aus solchen Zusammen- tünften. Sie werden mir zugeben, dah es nicht genügt, gleich« Interessen zu haben, um Freundschaft oder nur Sympathie für- einander zu empfinden..." Dieser Mensch, ex war Rechtsanwalt, wie er selbst erwähnte, saß mir gegenüber und machte einen sehr guten Eindruck auf mich. Er war ausgezeichnet gekleidet, das heißt, sehr einfach, seinem inneren Gesicht entsprechend. Seine Hände waren schlank, und er bewegte sie ruhig und graziös, wie Frauenhände. Die Haare dunkel, die Augen von einem hellen, klaren Grau und ein wenig von dem Schleier eines kleinen Traumes überdeckt, den manche Menschen zeitlebens nicht abzuschütteln vermögen, auch nicht in ihren wachsten Stunden. Wir sprachen dort" mit einer leidsten Bewegung wollt« er das gastfreie Haus bedeuten, das wir vor kurzem verlassen hatten. von Dingen, die man in der Vergangenheit oersäumt und an die man später oft denken muh, wie an für immer verlorene, un- gehobene Schätze. Da wurde ich auf Sic aufmerksam. Ich glaube, Sie iverden meine Geschichte verstehen. Wollen Sie sie hören?" .La", sagt« ich. Bor ein paar Tagen hatte ich gcschäfllich im städtischen Fund- amt zu tun, und nach Erledigung meiner Arbest zeigte mir der neuberufen«, junge Direktor seine Schätze, die in vielen Sälen auf- gespeichert waren, mit folgenden Worten: Ich bin gerade dabei, Inventur zu machen. Tatsächlich hat vielleicht kein Warenhaus ein so vollständiges Sortiment an Regen- schirmen, Stöcken, Aktenmappen, Handtäschchen und Handschuhen wie wir." Ich muhte ihm recht geben beim Anblick dieser unermeßlichen Vielfalt an verlorenen Gegenständen größeren und geringeren Wertes. Auf unserer Wanderung kamen wir in einen kleineren Raum, der in einem allen Flügel des Gebäudes lag. Der Raum war gewölbt, ein großes, vergittertes, aber schon ziemlich erblin- detes Fenster erhellte ihn nur dürftig. Das sind meine Antiquitäten", sagte der junge Direktor lachend zu mir.Sie finden hier Gegenstände, die seit zehn und zwanzig Iahren unabgeholt da lagern und die. weil sie zum großen Teil nicht den geringsten Verkaufswert vorstellen, vielleicht auch einer seltsamen Pietät meines Vorgängers zufolge, als Raritäten hier versaminelt sind. Man könnte eine Ausstellung daraus machen: Verlorenes aus drei Jahrzehnten." Ich sah nicht genau, was da alles angehäuft war, wie gesagt. «» war dämmerig im Raum und man konnte nur deutlich erkennen, was in nächster Nähe lag. Alle Notizblöcke, Hundemarken, Schlüssel, Schlllhzste. einzelne Handschuhe. Bilder, rostige Taschenmesser, zer- bogen« Scheren." Der junge Anwalt schwieg einen Augenblick. Dann hob er den Kops send sah mich an, aber es schien mir, als blickte er durch mich hindurch in eine mir unbekannte Ferne. .Laben Sie es schon einmal erlebt, daß Sie nach vielen Jahren angestrengten, von Kämpfen zerrissenen Lebens in das Haus oder w die Stadt Ihrer Kinderjahre heimkehrten? Das muß ein großes Erlebnis sein. Ich, wissen Sie. habe meine Ellern früh verloren und kam bald unter fremde Menschen. Nur wenig band mich an die Bergangenheit. Aber davon will ich erzählen. Wenig hatte ich mit der Vergangenheit gemein, aber als ich dort im Gewölbe vor dem toten Haufen vergessenen Gerümpels stand, beschlich mich ein lange nicht empfundenes Gefühl. Ich schäme wich nicht,«» Ihnen zu sagen: Es war Sehnsucht. Dehnsucht nach einer Erinnerung, die ich nicht haben konnte, weil mir die Kindheit gesehlt hat, die das Leben der meisten kleinen Menschen beginnt. Di» Sehnsucht, Sehnsucht zu empfinden, wenn Sie wollen. Das alle» war kein Zufall. Seit jenem Erlebnis es liegt erst wenige

3)as ArbeHsbuch

Tage zurück glaube ich an Bestimmung. Denn hören Sie, was wetter geschah. Während der neue Direktor von den Merkwürdigkeiten seines Dienstes berichtete, streckte ich meine Hand aus und ergriff wahllos ein kleines, dünnes Büchlein, das zu oberst auf einem Turm von Heften und Papieren lag. Es war einst schwarz gewesen, ein Papp- decke! mit Leinen überzogen, sehr verblichen, mit abgegriffenen Kanten. Als ich es aufschlug, rascheste das vergilbte, auegetrocknete Papier zwischen meinen Fingern. Ein Arbeitsbuch. Das Buch einer Dienstmagd. Ausgestellt im Jahre 18S4. Ich blätterte es von hinten durch. Da war ihre letzte Stelle anscheinend ehe st« das Buch verloren hatte. Landgerichtsdirektor Prokesch, Neustrelitz . Tadellos« Führung, sehr fleißig und anhänglich, diente bei mir fünf Jahre lasse sie ungern fort. Der nächste: Ein Gutsinspektor. Wieder fünf Jahr«. Dann in einer Wäscherei tätig. Und dann, noch früher, auf einem Landgut in Brandenburg . Ich sah starr aus das Buch herab und meine Hand zitterte. Denn hier und da hatte sie selbst Be- merkungen auf den Rand geschrieben, in ungefüger Handschrift. Mein Herz begann heftig zu klopfen. Ick) hatte das erste Blatt des Buches noch nicht umgeschlagen, den Namen der alten, braven Magd noch nicht gesehen. Ich wußte, sie war schon tot. Ich schloß das Hesichen und sagte mit großer Anstrengung, gleichgüllig zu scheinen: Ueberlassen Sie mir das Buch. Herr Direktor", ich lächeste. Als Erinnerung an Ihr« Antiquitätensammlung." Ich empfand große Angst, daß er es nicht tun würde, denn das Buch war für mich«in unermeßlicher Schatz. Doch er sagte freundlich: Aber gern, nehmen Sie nur immer mit, was Ihnen gefällt. Hier wird ohnehin bald groß reine gemacht." Ich dankte. Ich hatte es plötzlich eilig. Ich trat auf die Straße, fuhr heim und schloß mich in meinem Zimmer ein. Ich nahm das Buch zur Hand, das erst« Blast. Hier stand cs: Emilie Merkel. Wissen Sie, wessen Schrift es war? Ich habe genug in Rätseln gesprochen, und vielleicht, ja wahrscheinlich, berührt Sie dies alles nicht so nah, wie«s mich berührte. Es war die Schrift meiner Großmutter. Es bleibt nur noch wenig zu erzählen. Vor allem: Ist das nicht wunderbar? Einmal halle sie das Buch verloren. In dieser Stadt. auf ihren Gängen, die sie für ander« Leute besorgte, sie war nicht mehr jung damals, ihre Hand zitterte vielleicht, das Buch entglitt ihren Fingern und heute finde ich es wieder. Und aus geheimsten Tiefen meines verschlossenen, von fremden Menschen versiegelten Wesens, brach der Strom lebendiger Erinnerung hervor. Ich weiß nicht, ob Sie verstehen, was das bedeutet. Ich bin nicht nur«in Mensch, der seine Angehörigen kaum gekannt hat, der in der Fremde aufwuchs, der nur Erholung in der Arbeit fand. Menschen haben gelebt, die mit dem Seheraug« der Liebe mich schon damals dort sahen, wo ich heute steh«, mich kannten, wie ich heute bin. Meine Mutter war«in uneheliches Kind. Ich entsinne mich ihrer kaum. Die Eltern starben, als ich vier Jahre alt war. Meine Erziehung übernahm der Staat. Von meiner Großmutter wußte ich nur, daß sie irgendwo lebt«, einmal im Monat schrieb sie mir einen Brief. Diese Briefe konnte ich nur schwer entziffern. In großen Zeit- abständen besuchte sie mich. Sie kam stets mit einer kleinen Hand- tafche an, bracht« mir Kuchen, selbstgestrickte Handschul)« und Puls- wärmer mit. Stets trug sie schwarze Carnhandschulze bei ihren Besuchen. Ich weiß heute, daß sie«s vielleicht tat. um wich ihre schwieligen Hände nicht sehen zu lassen. Sie sprach wenig, sah mich lang« an. und ich fühlte mich oft unbehaglich in ihrer Näh«. Damals war sie schon all. ihr« Nase trat scharj aus dem«in- gefallenen Gesicht. Ich wußte nicht, daß sie sür andere Leute arbeitet». Einmal kam die Nachricht von ihrem Tode. Als ich aus der Anstatt kam, teitte man mir mit, daß mir meine Großmutter SOO Mark hinterlassen habe, und mll diesem Gelds begann ich zu studieren.'Wissen Sie jetzt, was für mich dieses Arbeitsbuch be- heutet, dys ich fand? Ich weiß, daß ich geliebt wurde. Und cs ist schwer, nicht mehr wiederlieben zu können. Ein», Tages kommt die Vergangenheit, die man nicht gelebt hat, zu einem, und der Schmerz um Verlorenes wecht uns erst zum Menschen. Glauben Sie mir. ich leb« erst seit wenigen Tagen." Sprach der jung« Mann. Es war spät geworden. Wir verließen das Tas«.

säinridl: JOliaitVI �on dem Srfinder des ZPorsellans

Paul s»

und nicht Künstler: es ist erstaunlich, was er trotzdem krast feines Genies, auf dem Gebiete der Porzellanformung, in Gemeinschaft mit Irminger geleistet hol Seine beiden Erfindungen, die de» roten wie des weißen Pur- zellans. fallen kurz hintereinander in das Jahr 1708. August der Starke besaß Verständnis genug, die Entwicklungsmöglichketten der Bättgerschen Erfindung zu erkennen und sie für sich und sein Land auszudeuten. Am A. Januar 1710 wurde die Äurfürsllich» Manu- fattur in Meißen begründet, deren gekreuzt« Äurzschwerier al» Signet in blauer Farbe selldem einzigartigen Wellruhm gewonnen haben. Bättger wurde der erste Leiter dieses Instituts, dos seinen wahren Aufstieg freilich«rst nach seinem Tode, mll der Berufung Herolds und vor allem des großen Bildhauers Kandier(1731) begann. Selbstverständlich war Bättger seitdem von dem furcht­baren Druck der Golomacherei befreit, wenn er auch, wie noch manche seiner Nachfolger, wegen d«s Geheimnisse» der Porzellan- berettung eifersüchtig bewacht wurde. Die letzten 9 Jahre ver­brachte er in der Still« Meißen », mit seiner Manufaktur und seinen technischen Verfeinerungen beschästigt: bis zu seinem Tode wurde auch das Staatsgeheimnis gehütet, erst 1719 entstand in Wren bis erste Konkurrenz. Er starb am 1?. März 1719 in Dresden .

Das Schicksal der großen Erfinder ist nicht immer erfreulich gewesen: die Well pflegte ihnen ihre geistigen und technischen Eroberungen mtt Undank zu lohnen. Typus des elend behandelten Unterton«, der zum Dienst für seinen Fürsten gepreßt wurde, ist immer derGoldmacher" gewesen, der. zwischen Hexenmeister, Schar- latan und Erfindergenie gefährlich pendelnd, seine eigentliche Auf- gab», den Stein der Weisen zu entdecken, bis heute nicht hat lösen können, dafür aber, betrogener Betrüger oder romantischer Phantast mtt dem idealistischen Glauben, oft mll einem schrecklichen Ende, Gefängnis und Martertod die unausbleibliche Enttäuschung seines Herrn und Kerkermeisters hat büßen müssen. Johann Friedrich Bättger, der Erfinder des Por- zellans in Europa , Wohltäter des 18. Jahrhunderts, dessen Rokoko- kunst ohne die oerspielte Grazie des Meißener Porzellans nicht gedacht werden kann, ist ursprünglich solch ein Goldmacher gewesen und hat dessen Geschick gründlich ausgekostet. In Schleiz am 4. Februar 1682 geboren, kam er früh nach Berlin in die Lehre eines Apothekers und geriet sehr bald auf den allseitig beliebten Weg der Goldmacherei. Das Unglück wollte, daß ihm vor Zeugen die Herstellung einiger synthetischer Goldproben gelang: mtt dem Augenblick, da diese Tatsache an die Oeffentlichkeit drang, war ihm Leben und Freihett nicht mehr sicher. Denn so widersinnig ging da» Dasein mit dem schöpferischen Menschen um, der neue Werte hervorzubringen versprach, daß er nicht mehr sich sechst gehört«, sondern Objekt, willenloses Werkzeug und furchtbar be- «achter Sklave des jeweiligen Landesherrn wurde, der auf ihn und sein« verlockende Kunst die schwere Hand des Despoten legte, damll nicht etwa der Nachbar die kostbaren Eigenschaften des Manne» mtt dem Stein der Wersen sich aneigne. Bättger befürchtete, in Gewahrsam des Königs von Preußen zu geraten: er floh auf kursächsisches Gebiet, aber hier erreichte ihn fem Schicksal, der Kur- fürst von Sachsen und König von Polen, August der Starke , lieh ihn aufheben und nach Dresden verbringen. Dort mußte er nun, zumeist in den Kasematten der Denusbastei an der heutigen Brühl - schen Terrasse, für den ewig geldbedürftigen großen Verschwender- könig dem Geheimnis jener Umwandlung unedler Stoffe in das allbegehrte Gold in vierzehn Jahren der Gefangenschaft nachgehen.

Er hat auf eine wahrhaft königliche Weise sür seine Sklaverei | gedankt. Gold konnte er selbstverständlich nicht zaubern. Allein, i angeregt von dem berühmten Physiker E. W. von Tschirnhaujen. i beschäftigte er sich mll der Herstellungsweije des Porzellans, das fchon viele Jahrhundert« zuvor von den Chinesen erfunden und damals massenweise nach Europa importiert wurde. Gerade der Dresdener Hof gab große Summen für chinesisches Porzellan j aus; wenn es glückte, dieses im eigenen Lande herzustellen, so war damll in gewissem Sinne auch der Stein der Weisen gefunden, dessen Auewirkung fast so lukrativ werden konnte, wie die des Goldes selbst. Im Jahr« 1708 gelang Böttger in der Tat die Herstellung der makellosen weißen Porzellanmafse, und fast zu gleicher Zell die des roten chinesischen Steingutes, das ebenfalls hohen Ruhm genoß. Settfamerweife kft sein Name mit dieser braunroten Masse enger verbunden worden, so daß man bisweilen darüber sein unpergleich- lich größeres Verdienst um das echte Porzellan beinahe vergessen hat. Vielleicht liegt das daran, daß er technisch wie künstlerisch sich in besonders starkem Ausmaß mit der Gestallung des braunroten Geschirrs abgab, dessen Form nun mll seiner eigensten Tättgkeit enger verknüpft wurde. Er hat ihm durch Schliff, Schneiden, Gla- suren und Zusatz von Emaillefarben«inen hohen Grad keramischer Vielartigkell und Schönhell und damll zugleich einen von der Art des chinesischen Steinguts wesensverschiedene» Charakter gegeben. Auch an der Formung des weißen Porzellans ist der große Eifinder nicht unbeteiligt geblieben, obwohl hier in der ersten Periode, solange Böttger lebte, und auch noch später unter Herold in der Gefäßbildung das Muster des barocken Silbergeräts, in der Dekoration der chinesisch« Einfluß maßgebend blieb. Der eigent- liche Modellformer war der Goldschmied Irminger. Die früheren Meitzener Porzellan« zeigen sich zwar in der technischen Ausbildung, in der chemischen Beschaffenheit der Masse, im Brand und in der Dekoration meist schon als vollgültigen Ersatz der chinesischen Vor-' bilden künstlerisch al.«r bedeuten sie nur eine Art Vorstufe, oft mehr vom Kuriosität»- und Sammlerwert, gejehen von der Höhe dessen.. was man unterAtt-Meißen", im Geiste des Rokoko, oersteht. Schließlich war Böttger von Haus aus Apotheker und Alchymist>

me: 9£eimat im Sande Well abseits von Untergrundbahn und Autobus, am äußersten Rande der Weltstadt, geht das steinerne Meer der Hochhäuser und Mietkasernen in ärmlich« klein« Hütten über. Ost sind sie durch einen breiten Gürtel von Felden:, durch einen letzten Rest von kümmerlichem Föhrenwald oder durch Heide- und Sandjlächen ge- trennt von den gepflasterten Straßen, den hochragenden Häusern und der betriebsamen Geschäftigkeit der Läden und Warenhäuser. Manch- mal ist der Uebergang aber auch unvermittett, und dann treten die Gegensätze zwischen der Laubenkolonie und den modernen Groß- stadthäusern, zwischen der Welt der Armut, des Mangel», des Ringens um ein kleine» Stück Eicherhell, um einen menschen- würdigen Unterschlupf, der mll eigener Hand gezimmert wird und den von Fachleuten gebauten, neuzeitlichen Eiedelungen mll ihren Linien der neuen Sachlichkell, ihren gepflegten Grünflächen«r- barinungslo« und scharf hervor. Oft sind es jämmerliche Bretterbuden, die von den Bewohnern mll HÜfe von Dachpapp« und billigem Altmaterial notdürftig zu­sammengenagelt wurden. Oft sind es windschiefe, schlecht berechnete. schlecht gebaute Unterstände, durch deren Luken und Ritzen der Schnee dringt, durch die der Sturm pfeift und der Regen tröpfelt. Hier wohnen Zugezogene aus allen Teilen Deutschlands . Im Häusermeer sanden sie keinen Unterschlupf, der ihren kümmerlichen Mitteln entsprochen hätte. Andere wichen dem erdrückenden Ansturm der Wettstadt aus und suchten in dem kleinen Grundstück einen Ersatz für die verlorene Scholle, für den weiten Raum der fernen Heimat. Arbeitelos, aller Berus «, fest Wochen, seit Monaten hinausgestoßen in Leere und SInnlosigkell«Ines unausgefüllten Lebens, wagen hier den großen Versuch, aus eigener Kraft, nur im Vertrauen aus sich selbst und ihr« harten, arbellgewohnten Hände, ihrem Dasein wieder «inen Sinn zu geben. Und endlich wohnen da und dort solche, die noch das Glück haben, in Lohn und Brot zu stehen, junge Arbeller. deren Berufs« statten weitab siegen, am anderen End« der Großstadt oder m einem wetten Fabrikgelände der Eben», des Hinterlande», wo noch vor wenigen Jahren das Korn wogte. Schlastaumelnd treten die Männer vor Tag aus den kleinen Lauben hinaus in das lastende Dunkel der Winterfrüh« und machen sich eilig auf den wellen Weg, der sie zu Fuß oder mll dem Rad zum nächsten Bahnhos oder zu einer Haltestelle städtischer Verkehrsmittel bringt. Tagsüber sind Hände und Gehirns eingespannt in den unerbllllichen Rhythmus der Fabrik. Gesten nur bleibt Zell und Raum für die Gedanken, hinauszu- wandern und sich an das klein» Stück Scholle, draußen vor den Toren der Wellstadt, zu klammern. Es ist ein armseliges Fleckchen Sandboden, das höchstens einige Zentner Kartoffeln und etwas Gemüse abwirst, ein« dürr», un- fruchtbar« Heidefläch«. Aber für den Mann an der Maschine, dessen Schläfen pochen von der Hitze und dem Dunst der Werkstatt, vom Hämmern und Dröhnen der Maschinen, ist dieser Sandboden die Heimat. Während sein« Hände den stählernen, ratternden Unge- heuern um chn her Nahrung geben, während der Schweiß tiefe Furchen zieht in das von Staub und Schmutz und Ruß bedeckte Gesicht, steigt sie vor ihm auf wie«in ferner, unwirklicher Traum. Noch ist sie kalt und tot, öde und ungepslegt, feine Heimat. 3n den Ackerfurchen liegen Eis und Schnee, und die beiden Apfelbäume sind trostlose, nichtssagend« Ruten, die kahl und gespenstig in da» trübe Dunkel der Wintertag» starren. Der rostbedeckt« Zaun ist mit Draht geflickt, die Gartentür desteht au» wenigen, ungehobesten. farblosen Latten. Und die Laude selbst ist nur ein, winzig, Hütte mit einem niederen Zimmer und einer kleinen, verräucherten Küche. Da» Grün der Fensterläden, da« Weiß der Latten, die in reg«!- mäßigen Abständen die Ritzen der Dachpapp«, aus denen die Außen- wände bestehen, überdecken, da» hell« Gelb der selbstgezimmerten Bank vor der Hütte sind längst verwaschen von Regen und Schnee. Aber für den Mann an der Maschin» beginnt hier draußen lein Eigendasein. Hier kann«r schalten und wallen nach eigenem Willen und Geschmack, nach bestem Können und nach Maßgabe seiner Kräfte. Hier ist er niemand Untertan als sich selbst. Im Frühling werden Flieder und Hollunder um die Laube blühen, weiße und rote Heckenrosen werden da» ärmlich« Tor um- ranken. Und der Mann an der Maschine wird dann draußen auf der Bank sitzen und Pläne spinnen, wie es werden soll irgend- wann einmal, in einer fernen Zukunft, wenn die Kinder erwachsen sind und die Sorge um das Heute, das Notwendigste, nicht mehr wie eine schwere Last auf den Schullern ruht. Dann wird er hier ein kleine» Haus aus Stein bauen. In lichten Farben, auf festem, soliden Fundament und mit einem Ziegeldach, dem Wind und Wetter nicht, anhaben können. Auf dem schmalen Ackerriemen wird Platz sein für Nelken und Astern, für rot« duftende Rosen und hoch- ragend«, fremdartige Staudengewächs» von geheimnisvoller Sckön« hell. Ein« bessere, schönere Zeit so spiegett sie ihm dieser zart«, heimlich« Traum vor, der vielleicht für immer ein Wunschtraum bleiben wird. Jetzt aber ruht Schnee weiß und kühl auf der kleinen Hütte. Mangel und Sorge, notdürftig befestigt« Fensterläden, schlecht sitzende Türen, geflickt- Rohre, verwaschene Farben alle, das ist geheimnisvoll verschönt. Der ärmlich«, selbstgezlmmerte Bau aus ungehobelten Brettern, aus Latten, Dachpappe und Wellblech hat siel) in«in anheimelnde», kleine» Haus oerwandelt, da» sich sanft und zart mit bläulichweißen Färbungen den Ackerfurchen anschmiegt. Am Abend fällt der Schein einer Lampe durch da» Fenster und läßt die Kristall« aufleuchten, die Reif und Kälte den dunklen Kronen der Bäume, den grauen Ackerschollen und dem holprigen. ungepflasterten Gartenweg aufgeprägt haben. Heber diesem Stück Erde , der von Traum und Sehnsucht umwobenen Heimat eines Menden des 20. Jahrhunderts, wölbt sich, wie vor Iabrtausenden, da» Weltall der Himmel mit wehenden, stürmischen Wolken und kreisenden Gestirnen.