1932
Der Abend
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Nr. 68
B 34 49. Jahrgang
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3 wickau, 10. Februar.
Die Polizeidirektion teilt mit: Gestern nacht hat ein Unbekannter auf den früheren nationalsozialistischen Abgeordneten Dr. Schäfer einen Mordanschlag be gangen. Dr. Schäfer hatte in Werdau gesprochen und war dann nach Zwickau gefahren. Gegen 22 Uhr befand er sich auf dem Wege nach seinem Hotel. Am Rathausplatz fiel plötzlich ein Schuh, der ihn am rechten Oberarm verlekte. Dr. Schäfer konnte nicht angeben, wer den Schuß abgegeben hat. Als der Schuß fiel, fuhr ein Kraftwagen, der nicht erkannt worden ist, an ihm vorbei. Kurz darauf haben auch einige Personen einen
jungen Mann die Wilhelmstraße entlangrennen sehen. Es ist anzunehmen, daß dieser der Täter gewesen ist. Die Verlegung Dr. Schäfers ist so schwer, daß er in das hiesige Krankenstift übergeführt werden mußte.
Schäfer, der die Borheimer Dokumente enthüllt hat, wird von seinen früheren Parteigenoffen mit fanatischem Haß verfolgt. Diefem Haß entsprang zweifellos auch das heimtückische Attentat zu nächtlicher Stunde.
An Einzelheiten über den Mordanschlag wird uns noch folgendes bekannt: Dr. Schäfer, der in den ersten Abendstunden auf dem Bahnhof in Werdau eingetroffen war, wurde dort schon von Nationalfozialisten belästigt und bedroht, so daß er unter polizeilichem Schuh das Versammlungslokal aufsuchen mußte. Nachdem die Drohungen der Nazis an den Wirt des Versammlungslotals, den ganzen Saal zu demoliren, nichts gefruchtet hatten, wurde versucht, durch Provokationen aller Art die Bersammlung unmöglich zu machen. So hat man auch den Filialleiter des ,, Sächsischen Boltsblatt" in den Nachmittagsffunden, als er die Zeitungen von der Bahn abholte, überfallen und blutig geschlagen. Troh dieses Terrors wurde die Bersammlung abgehalten. Nach der Berjammlung, in der Dr. Schäfer, wie in sieben Versammlungen an anderen Orten vorher, die Werdauer Einwohnerschaft über die wahren Ziele der Nazis aufgeklärt hatte, fuhr Dr. Schäfer nach 3widau, wo er für die Zeit seines Aufenthalts im Bezirk Quartier in einem Hotel bezogen hatte. Aber auch in 3 widau ist von den Nazis versucht worden, die Schäfer- Berfammlung unmöglich zu machen. Man hat auch hier dem Wirt der „ Neuen Welt" gedroht, ihn zu boŋkoffieren, wenn er Dr. Schäfer in seinem Saal sprechen ließe. Aus all den Vorkommnissen ergibt sich, daß es fich
bei dem Mordanschlag um einen wohlvorbereiteten Plan handelt,
Entscheidung in dieser Woche
In den nächsten Tagen wird die Entscheidung in der Zentrums rechnet, ist und bleibt eine Fehlspekulation. Was Reichspräsidentenfrage fallen. In der Presse wird wir fürzlich Dr. Schlenker gegenüber betonten, wiederholen wir vielfach angenommen, daß Hindenburg entschlossen sei, zu kandidieren, doch liegt Authentisches darüber noch nicht vor. Als sicher darf gelten, daß die Nationalsozialisten auf
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Der Aufschrei
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" Leute herhören! Wir üben: alles furz und begeistert auffchreien. Achtung schreit auf:-ha!!!"
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einen eigenen Kandidaten nicht verzichten werden. Alles in allem fann man jetzt mit der Wahrscheinlichkeit rechnen, daß Hindenburg gegen einen Kandidaten der extremen Rechten durch den Dr. Schäfer unbedingt noch vor der Zwickauer Verfamm- im Kampf stehen wird. Ihm gegenüber würde er als ein lung beseitigt werden sollte. Als Dr. Schäfer in Zwidau noch vor Kandidat der Mitte erscheinen- und diesen Charakter dem Schlafengehen eine furze Zeit ipazieren ging, wurde er plök- würde er auch dann nicht verlieren, wenn sich der Stahl lich am Rathenauplah, in der Nähe des SA.- Heimes, von helm, dessen Führer heute mittag bei Hindenburg er einem Auto überholt, aus dem auf ihn geschossen wurde. Die schienen, wirklich für ihn und damit gegen die Nazi Nummer des Autos, das fofort nach vollbrachter Tat sehr schnell erklären sollte. Damit wäre die berühmte, ar 3 burger weiterfuhr, konnte leider nicht festgestellt werden. Es sind aber Front" zerbrochen und Hitler ganz auf die eigene Zeugen vorhanden, die gesehen haben, wie der vermutliche MordZeugen vorhanden, die gesehen haben, wie der vermutliche Mord- Front" schühe das Auto verlassen hat und die Wilhelmstraße entlang geflüchtet ist. Wie wir noch erfahren, hat der Schuß den rechten Oberarm von Dr. Schäfer durchschlagen. Der Berletzte befindet sich verhältnismäßig wohl und will unter allen Umständen in der für heute einberufenen Zwidaner Versammlung sprechen.
Kraft gestellt. Daß er oder sein Plazhalter im Kampf gegen Hindenburg siegen könnte, wird allgemein als so gut wie unmöglich betrachtet. Im nationalsozialistischen Lager frei lich ist man noch immer überzeugt, daß man sich in einem unaufhaltsamen Siegeslauf befinde. Ein Rückschlag, ein plögliches Erkennen, daß man das Spiel um die politische Macht verspielt hat, würde das Gefüge der Partei aufs
Ende des Borsig- Werks in Schlesien. schwerste erschüttern.
Die gestrigen Stillegungsverhandlungen für den Hütten betrieb des Borsig- Werkes hatten nur eine formale Bedeutung, da die Verwaltung sich an die vierwöchige Sperrfrist hält. Die Hütte wird spätestens vom 29. Februar ab, beginnend vom Stahlwerf aus, abteilungsweise stillgelegt, so daß etma Mitte März das ganze Hüttenwert zum Erliegen gefommen sein wird.
Durch die Stillegung werden noch 1200 Arbeiter und 180 Angestellte betroffen. Die Belegschaft hatte in letter Zeit bereits durch die zahlreichen Feierschichten große finanBielle Einbußen erlitten.
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Eine Zeitlang schwebte der intrigante Plan, Herrn von Hindenburg gegen den Kanzler auszuspielen und ihn als Kandidaten der Rechten gewissermaßen neu zu erwerben. Im Borwärts" ist der Brief Hugenbergs veröffentlicht worden, der eine Umbildung der Reichsregierung nach rechts zur Bedingung dafür macht, daß Hinden burg als Kandidat der Deutschnationalen anerkannt wird. Die Regierungsumbildung läßt sich aber nur mit Hilfe des 3entrums bewerkstelligen, dessen Absage in schärfster Form vorliegt. So las man gestern in der Kölnischen Volkszeitung":
Jebe Kombination, die im Sinne Hugenbergs, Gilfas und Schlenters mit einer Mehrheitsbildung unter Teilnahme des
heute Herrn von Gilfa gegenüber. Die Mehrheit für seine Pläne möge er sich suchen, wo immer er sie finde. Nur beim ein gilt für heute wie für morgen. Es ist unabdingbar.
3entrum braucht er nicht anzuflopfen. Dessen
Wer immer noch darin der politischen Weisheit höchsten Schluß fieht, daß Brüning gestürzt werde, muß wissen, daß er dann ohne uns allein mit den Nationalsozialisten zu arbeiten haben wird. Es gibt unter Teilnahme des Zentrums fein Zwischenkabinett oder wie immer es heißt, das, von Hugenberg beeinflußt, die Nationalfozialisten im 3aume zu halten hätte. Nein, dann verlangen wir flares Spiel, Mare Verantwortlichkeit ohne Zentrumsprellbock oder Zentrumsfeigenblatt. Dann mögen Hugenberg und Hitler , Thyssen und Goebbels , Gilsa und Feder, Eulenburg und Frid zeigen, wie sich nationaler Sozialismus und soziale Reaktion, wie sich Großgrundbefizerpolitik und Bodenreform, wie sich die Ziele der Köpfe" mit den Wünschen der Massen vereinbaren lassen. Das Zentrum wird grausam genug sein, dieses Spiel bei offenem Vorhang über die Bühne gehen zu lassen, wenn die Notwendigkeit dafür einträte. Aber da dieser Wille des Zentrums bekannt ist, wird das Spiel niemals stattfinden."
Die Harzburger befinden sich nach alledem in einer wenig beneidenswerten Lage. Für die Sozialdemokratie besteht kein Anlaß, diese Lage zu erleichtern und früher als notwendig aus ihrer Zurückhaltung herauszutreten.
Heute früh hatten wir 14 Grad Kälte.
In der vergangenen Nacht waren in Berlin die bisher niedrigsten Temperaturen in diesem Winter in Berlin zu verzeichnen. In der Innenstadt sank das Thermometer bis auf 13 Grad Kälte und in den Außenbezirken wurden 14 Grad minus und stellenweise noch tieferliegende Temperaturen gemessen.
stände, denn der normale Durchschnitt, der auf jahrelange Das sind für diese Jahreszeit ganz abnorme TemperaturtiefBeobachtungen basiert, beträgt 0,5 Grab Wärme. Borerst sieht es so aus, als ob die Kälte andauern und vielleicht noch eine fleine verschärfung erfahren wird. Im Norden liegt über Skandinavien noch immer hoher Druck und die nordöstlichen Winde führen uns weiterhin sehr falte Luftströme zu.
Sehr talt ist es in Schlesien und Sachsen . Dresden hatte heute früh beispielsweise den Tiefenrekord von annähernd minus 20 Grad zu verzeichnen. Aus Grünberg in Schlesien werden 18 Grad Kälte und vom Fichtelberg im Erzgebirge 23 Grad Kälte gemeldet. Der Kälteeinbruch macht sich im ganzen Reich empfindlich bemerkbar und raturen herrschen, zeigt das Thermometer 10 Grad Kälte an. sogar im äußersten Westen, wo sonst verhältnismäßig milde TempeNur in einem Teil der Ostseeküste, in der Umgebung von Warnemünde , ist es etwas milder. Warnemünde meldet mur 4 Grad Kälte. Stettin dagegen hatte heute früh 12 Grad Kälte.
Landsknechte und Straßenräuber. Student fehlt natürlich nicht.- Nazifneipe als Unterschlupf.
Am legten Sonntag wurden vormittags 10.20 Uhr die beiden jungen Reichsbannerkameraden Balusch nick und Guderian , als sie von einer Flugblattverbreitung famen, in der' Michaelkirchstraße von sieben Nazis überfallen und mißhandelt. Nach der Mihhandlung zogen sich die Nazis nach ihrem Trupplokal„ Zum gemütlichen Ostpreußen ", Michaelkirchstraße 28, zurück. Als die Bolizei erschien und in das Lokal eindrang, wurden drei der Täter von den mißhandelten Kameraden festgestellt.
Vom Schnellrichter würden die drei Nazis Meyena burg. Dresdener Straße 106, Strzupala, Dresdener Straße 106, und Höhne, Sebastianstr. 42, gestern zu je 5 Monaten