Beilage Donnerstag, 11. Februar 1932
Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
Akademikernöte und Volksschule
I.
Wie kann man die Hochschulüberfüllung ftoppen?
Die Schäden, die durch die Ueberfüllung der Hochschule entstehen, find allgemein bekannt: bereits heute sind 40 000 Atademiker erwerbslos, in wenigen Jahren werden es wahrscheinlich 120 000 sein; weiterhin herrscht in den Hörsälen und Laboratorien ein solcher Andrang, daß die geregelte Ausbildung leidet; der Unterricht wird durch Massenbetrieb mechanisiert, viele Ungeeignete behindern die Entwicklung der Begabten. Endlich entstehen durch den Andrang zu den höheren Schulen und den Hochschulen die oft ge= rügten Auswüchse des Berechtigungswesens; vor einigen Jahren verlangte sogar ein Schuhmacher einen Lehrling mit Abitur. Es ist begreiflich, daß bei dieser Notlage immer weitere Kreise eine durchgreifende hochschulreform verlangen. So hat der Reichsverband der Industrie die Deffentlichkeit auf das Anwachsen des akademischen Proletariats warnend hingewiesen; in einer Konferenz mit den Spitzenverbänden von Handel, Industrie und Technit, die im Januar 1932 im Reichsministerium des Innern stattfand, wurden Maßnahmen gegen die Ueberfüllung der Hochschule erörtert; der AFA- Bund hat fürzlich eine Denkschrift zur Hochfchulreform veröffentlicht.
Alle Besserungsvorschläge, die von den verschiedensten Stellen ausgehen, stimmen in einem Punkte überein: sie verlangen eine gewaltsame Verringerung der Zahl der Stu. denten durch Einschaltung weiterer Prüfungen. Das Abitur soll nur den erfolgreichen Schulbesuch bescheinigen, aber nicht zum Hochschulstudium berechtigen. Diese Berechtigung soll in einer besonderen Prüfung erworben werden, die entweder an der Universität oder an den höheren Schulen abgehalten wird. Diesen Standpunkt hat auch Dr. Otto Benecke an dieser Stelle vertreten. Ja, Benede geht noch einen Schritt weiter: er schlägt vor, daß die Regierungen in jedem Jahr einen Prozentsaz der Abiturienten festlegen, dem in den einzelnen Schulen höchstens die Hoch schulreife zuerkannt werden darf, also Einführung eines sogenannten ,, numerus clausus ". Alle diese Vorschläge werden als„ schärfere Begabtenauslese" bezeichnet.
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II.
Die geschilderten Pläne fönnen nicht scharf genug bekämpft werden; denn sie sind pädagogisch und sozial überaus gefährlich. Es ist ein Irrtum zu meinen, daß durch neue und verschärfte Prüfungen die zum Studium Geeigneten ausgewählt werden können. Alle Schulprüfungen erfassen höchstens den Fleiß und die Gedächtnisleistung, nicht aber die wirklich schöpferische Be gabung. Den Beweis liefert nicht mur die Tatsache, daß viele geniale und produktive Menschen von ihren Lehrern in der Schule als minderbegabt angesehen wurden, sondern vor allem die heutigen
Zustände selbst. Bereits
überhaupt keine oder nur sehr geringe Schulbildung; wenige höhere Schulen und Hochschulen genügten für die Ausbildung der Gelehrten und des relativ geringen Bedarfs an Aerzten und Juristen. Warum drängt alles zur höheren Schule? Die Antwort ist leicht. Sie ist trop aller Reformen der letzten Jahre( Aufbauſchulen) im wesentlichen der einzige Weg, der zu einer weiteren Ausbildung führt. Wer auf die Zukunft seiner Kinder bedacht ist, der wird also alles daran segen, um ihnen den Besuch der höheren Schule zu ermöglichen, selbst wenn das Kind gar nicht für die wissenschaft liche Arbeit, auf die die höheren Schulen eingestellt sind, begabt ist, wenn es einem prattischen Berufe zustrebt. Die Voltsschule gibt nur geringe Anschlußmöglichkeiten an weiterführende Schulen. Sie ist heute eine Sadgasse. Man fann niemand zumuten, sein Kind in dieser Sackgasse zu belassen, die ihm später jede weitere Ausbildung sehr erschwert. Daher rührt die fata strophale Flucht aus der Volksschule: in Einzelfällen wandern bis zu 80 Proz. in die Serta; der Durchschnitt liegt für Berlin bei 50 Broz.! Will man also den Andrang zur höheren Schule und damit zur Hochschule eindämmen, so kann das niemals durch das gewaltsame Mittel des numerus clausus geschehen. Man muß die Boltsschule ausbauen, so daß man über sie in weiter führende Schulen gelangen tann. Heute führt der Weg zu den leitenden Berufen fast ausschließlich über das Abitur. Dem Boltsschüler sind bis auf wenige Ausnahmen selbst die Stellen des gehobenen oder einfachen mittleren Dienstes unerreichbar.( Dazu ist wenigstens Obersekundareife erforderlich.) Wenn es gelingt, diese folierung der Volksschule aufzuheben, wenn sie organisch in das gesamte Bildungswesen eingegliedert wird, dann
hört der Ansturm auf die höhere Schule von selbst auf, weil die Notwendigkeit entfällt, jeden, der weiterkommen will, durch die höhere Schule zu schicken. Sehr viele werden dann den Weg über die Volksschule in die Fach- und Berufsschulen nehmen. Der frühere Berliner Stadtschulrat Wilhelm Paulsen hat bekanntlich ausgezeichnete Pläne für einen organischen Ausbau der Bolksschule ausgearbeitet, die den obigen Gesichtspunkten gerecht werden und die geeignet sind, viele Probleme, die heute das Schul leben belasten, organisch von den Bedürfnissen des einzelnen und der Gesamtheit her zu lösen. Diese Pläne haben nicht nur die Zustimmung hervorragender Pädagogen und führender Männer der Schulverwaltung gefunden, hinter ihnen steht auch der gesamte preußische Lehrerverein. Die Schrift von Paulsen„ Der Neuaufbau unseres Schulwesens", die auch an dieser Stelle sehr aus führlich gewürdigt wurde, ist im Auftrage des geschäftsführenden Ausschusses des preußischen Lehrervereins ausgearbeitet worden. Vor einigen Monaten ging die Nachricht durch die Presse, daß in Berlin bereits im April 1932 zunächst versuchsweise an einigen Volksschulen mit der praktischen Durchführung der Paulsenschen Pläne begonnen werden sollte. Finanzielle Mehrbelastung der öffentlichen Kassen ist damit nicht vers bunden. Leider ist dann die Durchführung dieser außerordentlich wichtigen Versuche doch wieder hinausgeschoben worden. Es wäre dringend zu wünschen, daß man möglichst bald den Ausbau der Volksschule durchführt; denn es ist der einzige Weg, der die Nöte des Schulwesens in gerechter Weise beseitigt. |
Dreimal Schieber
Ein Lebenslauf/ Von Nevermann
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Nur dem Wissenden war es bekannt, daß Emil Kaufmann , werden sollte. Er befand sich in der Lehre, also auf der untersten Stufe einer wie sich später herausstellte ereignisreichen Laufbahn. Wie ich ihn täglich fah, war an ihm und seinem Tun nichts zu entdecken, was auf seinen Beruf hindeutete. Morgens, mittags und nachmittags zog er vergnügt vor meinem Fenster vorüber. Ein fleines Kerlchen, dem die langen Hosen noch schlecht um die Beine passen wollten. Ein findliches Gesicht ohne Ausdruck. Immer verfür ernsthafte Mütter Stoffe abzumeffen, oder eiligen Frauen Kon ferven anzupreisen, oder lustigen Badfischen Pralinen einzupaden. Nicht einmal Waren aufstapeln, Börte abstäuben, Botendienste beforgen gehörte zu Emils Obliegenheiten. Nein, er widmete fich dem Geschäft, in das er als Lehrling eingetreten war, an einer ganz anderen Stelle. Er hatte die hohe und reizvolle Aufgabe, den Garten seines Lehrherrn in einem würdigen und nutzbringenden Zustand zu erhalten.
Bernat
stimmungen soll ja nur den Geeigneten der Uebergang zur höheren Schule ermöglicht werden, die strenge Siebung bei den Bersetzungen und bei der Abschlußprüfung hat doch auch heute bereits den Sinn, die Begabten auszusondern. Dennoch ist durch dieses System feine wirkliche Begabtenauslese möglich; sonst tönnten nicht so viele unbegabte Studenten die Hochschulen füllen. Wer seinem Kinde Privatstunden geben lassen fann, oder wer es sich leisten tann, feinen Sohn zweimal dieselbe Klasse besuchen zu laffen, der erreicht für seine Kinder in den meisten Fällen die Reifeprüfung auch bei mangelnder Begabung und mangelndem Fleiß. Es ist nicht einzusehen, aus welchem Grunde plöglich eine bessere und gerechtere Auslese stattfinden soll, wenn man neue Prüfungen einschaltet. Die Vermehrung der Prüfungen ist aber auch für die pädagogische Arbeit der Schule ein Berhängnis. Um beim Examen recht gute Erfolge zu haben, wird vorher Gedächtnisstoff eingetrichtert, auf Vermehrung des prüfbaren Wissens wird gesteigerter Wert gelegt, so daß der Unterricht immer mehr den Forderungen der modernen Pädagogik zuwiderläuft. Jede neue Prüfung führt zu einer weiteren Bertopfung", zu einer ein feitigen Bevorzugung der Gedächtnisleistung.
Durch erschwerte Prüfungen werden in erster Linie die wirtschaftlich Schwachen ausgeschieben, denen weder Nachhilfe noch Verlust eines Jahres möglich ist. Unter den Studenten aller Hochschulen waren im Sommersemester 1929 mur 2,7 Proz. proletarischer Abstammung, während die Arbeiterschaft etwa zwei Drittel der Gesamtbevölkerung umfaßt. Man kann annehmen, daß die Begabungen etwa gleich auf alle sozialen Klaffen verteilt sind. Es besteht also bereits heute eine ungeheure Benach teiligung des proletarischen Kindes. Man tann unmöglich behaupten, daß alle Kinder sehr reicher Leute hochbegabt wären-, und doch gibt es in den höheren Klassen der Bolts schule so gut wie gar feine Söhne Begüterter; bei genügender wirtschaftlicher Stärke des Baters wird die llebergang des Kindes in die höhere Schule nahezu Vaters wird die Uebergang des Kindes in die höhere Schule nahezu ausnahmslos erreicht. Durch neue Prüfungen werden offenbar die wirtschaftlich Schwachen noch über das bisherige Maß hinaus be nachteiligt, das Bildungsprivileg wird auf diese Weise nicht gebrochen, sondern verstärkt.
Wenn man den Zugang zur Hochschule durch numerus clausus und durch Zusaßprüfungen erschwert, dann erhält die Hochschulreife notwendigerweise einen erhöhten Wert im Kampf ums Dasein. Wer es sich wirtschaftlich leisten tann, wird also mit allen Mitteln versuchen, diese wertvolle Berechtigung zu er reichen. Der Ansturm auf die Berechtigungen und damit die Ause wüchse des Berechtigungsunwesens werden vergrößert.
III.
Die kritisierten Reformvorschläge gehen alle von einer falschen Voraussetzung aus: sie betrachten das bestehende Schul. in stem als eine unveränderliche Einrichtung und bemühen sich nun vergeblich, durch gewaltsame Maßnahmen den Andrang der Schüler so zu beschneiden, daß er in die bestehenden Anstalten paßt. In Wirklichkeit muß man aber das Problem von der entgegen gesezten Seite anpaden: es ist eine Tatsache, daß heute ein viel größeres Bedürfnis und eine größere Notwendigkeit nach geeigneter Borbildung im Bolte besteht als in der Bergangenheit; man muß nun untersuchen, wie das Schulmesen umgebildet werden muß, damit es diese nicht zu leugnenden Bedürfnisse, gerecht für den einzelnen und den Interessen der Gesamtheit entsprechend, befriedigen fann. Die Einrichtungen der höheren Schulen und der Hochschulen stammen im wesentlichen aus einer Zeit, als bie Verhältnisse ganz anders lagen; die Masse des Boltes erhielt
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Dr. S. Weinberg.
versprach, und was gehörte in der Inflation wohl nicht dazu? Vor feinem Geschäft schreckte er zurück. Er hatte eine prächtige Ein reiches Mädchen der Wohnung. Er besaß viele Freunde. Stadt wurde gern seine Frau. Aber als die Summen in die Millionen und in die Billionen stiegen, und er anfing Devisen zu denken und zu handeln, wurde er erhaben und progig, einer der Typen, wie sie jene Zeit so erschreckend hervorgebracht hat, ein Schieber. Das Leben hatte ihn in seine nicht immer reinen
Sände Erziehungsverfuch ihm
Morgens zog Emil mit der Schiebtarre zum Tor des Kleinen Landstädtchens hinaus zu seiner Wirkungsstätte. Er hatte fich fast immer mit seinem Fahrzeug schwer zu plagen, enthielt es doch in der Regel der Landwirtschaft notwendigstes Requisit- ben mist, guten, glänzenden Mist, mal aus dem Ziegen-, mal aus dem Schweinestall. Kehrte er gegen Mittag oder zum Abend zurüd, so nahmen den Platz auf der Karre Körbe mit Salat und Spargel, mit Erdbeeren oder Erbsen, mit Gurten oder Rohlköpfen ein, je nach der Jahreszeit. Morgens troff ihm der Schweiß von der Stirne, abends war die Last leicht, sein Gemüt heiter, das Gesicht ohne Sorgen, das Flöten lustig. Ein Leben voller Abwechselung, wie Stunde und Tag, Wetterlaunen und Laune des Herrn sie bot.
Wenn aber der Herbstwind den letzten Apfel herabgefegt hatte und die legte Gartenece sorgsam für die winterliche Ruhe hergerichtet war, fam die große Verwandlung über Emil. Dann wurde aus dem Gärtnerburschen der Stift. Da verkaufte er Heringe und Töpfe, Reis und Petroleum und was sonst der Allerweltsladen einer Kleinstadt zu bergen pflegt. Dem Emil, anstellig wie er war, fiel die Verwandlung, die sich jedes Jahr zweimal pünktlich vollzog, nicht schwer. Ergeben, liebenswürdig und mit zufriedenem Gesicht handhabte er im Winter Maße und Gewichte, Lüten und Waren mit der gleichen Aufmerksamkeit wie im Sommer Spaten und Hacke. Solch wechselvolle Lehrzeit, solche außer gewöhnliche Erziehung zum Kaufmann riß ihn wohl hin und her; aber er war wendig genug, jeder Situation gewachsen zu sein. Beide Teile, Lehrherr und Lehrling, schienen ob der Regelung zufrieden und sich den Verlauf der vier Jahre gar nicht anders vorstellen zu können. Nur dem Zuschauer tam es ein wenig sonderbar vor, was für eine merkwürdige Kombination von Gärtner und Kaufmann hier herangebildet wurde, und der Krämerlehrling Emil mit der Schiebfarre hat sich meiner Erinnerung tief eingegraben.
Es kam der Krieg, es tam die Inflation, und mich verschlug es an einen anderen Blah. Plößlich tauchte Emil wieder vor meinem Fenster auf. Aber wie verändert!. Groß, Schlant, elegant, in voller Selbstsicherheit. Der Mund stand ihm noch immer nach Flöten; das Leben war ihm eine Lust. Er hatte tüchtige Sprünge voran gemacht, handelte nicht mit Tüten voll Reis oder Rosinen, hatte keinen Garten und keine Ziege. Die Stelle der Schiebtarre hatte das Auto eingenommen, und der Drei. undzwanzigjährige faß mit weltgewandter Sicherheit am Steuer. Er fligte von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, immer eifrig, immer geschäftig. Ein großes Kontor nannte er sein eigen, und immer neues Personal stellte er ein. Seine ganze große Verwandschaft war herbeigeeilt. Vater und Mutter hatten es gut bei ihm, führten ein Rentnerdasein und freuten sich ihres großen Sohnes. Seine Schwestern durchfuhren die Welt in einem seiner brei Autos, und seine Brüder hatten Profura und durften sich Direktor nennen. Daß fie alle ihre Ersparniffe in das glänzende Daß fie alle ihre Ersparniffe in das glänzende Unternehmen gesteckt hatten, versteht sich von selbst, und nur die Unternehmen geſtedt hatten, versteht sich von selbst, und nur die etwas leichtsinnig. ganz vorsichtigen Kritiker fanden es Aber laut fagte es niemand, denn Emil war der reichste Mann der fleinen Stabt. Er taufte und verkaufte, alles was ihm Gewinn
den besinnlichen Zuschauer erschrecken fonnte. Das Bild ,, Emil mit der Schiebfarre" war ausgetilgt.
Und noch einmal sah ich ihn, wieder in einer anderen Stadt, wieder unter anderen Umständen. Mein Weg führte mich aus Anlaß einer Reise an jenen grauen Mauern vorbei, zu denen die Liedzeile gehört: In Celle steht ein hohes Haus." In dem Dreieck zwischen Weg und Mauer und Wasser liegt ein Stück Gartenland, ein großes, das für viele Menschen Nahrung zu geben vermag. Am Eingang stand der Obergärtner", ein sonderbarer in Uniform, das Gewehr über die Schulter gehängt. Und auf dem Acer vor ihm waren seine Gehilfen beschäftigt mit Graben und Haden und Harten. Eine schmale Gestalt kommt schwerfällig den Gartenweg herauf, vor sich eine Schiebtarre, hoch bepackt mit fenem ärgerlichen Unkraut, das man Quede nennt. Emil! Im blaugestreiften Anzug des Zuchthauses, in dieser entstellenden Anstaltskleidung. Und doch, es war fein Zweifel möglich. Mund stand ihm nicht mehr zum Flöten, die Eleganz verschwunden, die Selbstherrlichkeit dahin.
Der
Nachher habe ich's erfahren. Als die Inflation zusammenbrach, war auch Emils Riesenunternehmen zusammengetracht. Die Freunde waren verschwunden, das Geld zerronnen, der Kredit vorbei. Da war ihm schnell auch noch die letzte Umstellung gelungen, die zum Bankrotteur, zum Betrüger und Wechselfälscher. Aber das Glatteis dieser Lage trug ihn nur einen turzen Augenblick, dann barst es, und Emil fand sich unverhofft hinter jenen grauen Mauern, wo das Symbol der Schiebfarre ein tragisches für ihn wurde. An dem Weg, den er auf dem Höhepunkt seines Lebens durchraft hatte, lagen seine Opfer: die stellungslosen Schwestern, die ausgeplünderten Eltern, die bankerotten Brüder und Schwäger, die verzweifelte Frau, die ahnungslosen Kinder.
Das Leben wird ein gewaltiger Erzieher genannt. Niemand fann es bestreiten. Aber man soll diesem Erzieher auf die Finger passen; denn er ist geneigt, den Bögling zum Guten wie zum Bösen zu führen, je nach Laune. Manche nennen das Schicksal. Wer sich nicht bewußt dem Leben gegenüberstellt, sondern sich fritillos von ihm führen läßt, läuft Gefahr, erst im Abgrund seine Lage zu erkennen.
Aerztliche Grammatik der Seele
Die wichtigsten Ergebnisse und Regeln der modernen Seelenlehre und Seelenheilkunde hat der Berliner Arzt Ernst Rothe in einem handlichen Büchlein zusammengestellt, das unter dem Titel ,, Aerztliche Grammatit der Seele" foeben erschienen ist. ( Mar Heffes Verlag, Berlin- Schöneberg, 1932, 111 Seiten.) Die tleine Schrift wird dem Laien recht gute Dienste zur ersten Ein führung leisten können; denn sie beschränkt sich auf das, was heute mit Sicherheit gelehrt werden kann. Die Darstellung ist einfach und flar; durch praktische Beispiele und durch geschichte schematische Zeichnungen wird das Verständnis erleichtert. Mit Recht bemüht sich Rothe, stets eine möglichst einfache Formel zu finden, wenn dadurch bisweilen auch die Gefahr entsteht, daß Vorgänge einfacher erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind. Die Aufgabe einer solchen Schrift tann ja nicht sein, alle Probleme erschöpfend zu behandeln. Es ist ston viel erreicht, wenn der Leser zum Nachdenken über seelisches Geschehen und über vernünftige Lebensführung angeregt wird. Das ist besonders wichtig für die Erziehung. Man sieht allzuoft, daß im Umgang mit Kindern gegen die einfachsten psychologi schen Regeln verstoßen wird. Deshalb fann die kleine Schrift vo Rothe den Eltern besonders empfohlen werden. S. W