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Beilage

Freitag, 19. Februar 1932

Am

stamis- tied Der Abend

voiholl Hadban

Spalausgabe des Vorwärts

Staatsminister Goethe und wir

Ein Beitrag zum Goethe- Jahr

Interessentenhaufen!

Von

Von Oyam de Oivlys

Johann Wolfgang von Goethe  , der gerade in| bestehen ja nicht aus wahren Volksvertretern, sondern aus einem diesen Wochen als größter deutscher Dichter Bielgefeierte, war be­tanntlich im Nebenberufe Staatsminister bon Weimar. Wie wars, wenn ers heute wäre? Ein Barlamentsbericht mag Aufschluß geben.

Der Präsident: Das Wort hat der Herr Staatsminister von Goethe!"

Goethe erhebt sich.

Nazis: Intelligenz- Bestie!!!" Kommunisten: Fürstenknecht! Kapitalistischer Blutsauger!" Deutsche Volkspartei  : ,, Wir wollen Männer der Wirt­schaft als Führer!!"

Und die Wirtschaftspartei" stützt den soge= genannten Staatsminister" nur deshalb, weil er für die in ihrem Parteichen zusammengeschlossenen Gastwirte durch die Szene in Auerbachs Keller  " eine( wahrscheinlich sehr gut honorierte) Reklame gemacht hat!"

macht

"

Bauernbündler: Eine schöne Reklame! Er hat sich durch seinen landesverräterischen Satz ,, Doch seine Weine trintt er gern!" zum Propagandisten des französischen   Weinhandels ge­Nazis: Wie hoch war sein Judaslohn?" Kommunisten: Eine schöne Reklame?! Er sollte mal zu Bauernbündler:-- und unseren schwer kämpfenden heimischen Weinbau gefchädigt!" Nazis: Aber wir haben sie nicht, solange Sie eine deutsche Kennst du das Land, wo die Zitronen blüh'n?" die deutsche Land­Deutschnationale: und durch seine banale Frage: Regierung vertreten!"

Sie beffer hin!"

Nazis: Gehen Sie lieber ins Romanische Café. Da passen Piscator in die Lehre gehen!!" Der Präsident schwingt die Glode. Goethe: Ich habe die Ehre, dem

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Der Präsident schwingt die Glocke.

Nazis: Sie haben der blonden arischen Jungfrau Gretchen, die zum Symbole eines ganzen germanischen Frauentyps auf natio­naler Basis geworden. ist, zu einem unehelichen Kinder verhoffen!! Als deutscher Mensch hätten Sie wenigstens die Pflicht gehabt, statt eines verwaschenen Mephisto die flare, deutliche, mit allen Charakter­schwächen behaftete Figur eines Juden 3ẞig zu schaffen! Dazu maren Sie aus Angst vor den jüdischen Rotationssynagogen zu feige!!"

Der Präsident schwingt die Glode.

Nazis: Sehen Sie lieber zu, daß Sie in der Dichter­afademie" unterkriechen können! Ihr semitischer Kollege Döblin  erwartet Sie dort schon!"

hohen

Der Präsident schwingt die Glocke. Goethe( mit erhobener Stimme): Ich habe die Ehre, dem Kommunisten: Führen Sie weiter mit Ihrem Staats­oberhaupte ein Schlemmerleben! Millionen Proletarier müssen da­für hungern!!"

"

Ein Zentrumsabgeordneter: Was medern Sie denn, meine Herren von der äußersten Linken? Der Herr Minister hat zwar ein unfittliches Gedicht Die Brautnacht" verfaßt, aber daß er auch ein Herz für das niedrige, arbeitende Volt hat, sehen Sie an feiner rührend innigen Neigung zu Christiane Bulpiust

"

Kommunisten: Er soll sich mit ihr auf seinen West- öst­lichen Diman" legen!"

Nazis: Er ist in der Judenstadt Frankfurt geboren!( im Sprechcor): Juda verrecke! Deutschland   erwache! Hepp! Hepp! Hepp!"

Der Präsident schwingt die Glocke und erteilt die ersten Ord­nungsrufe.

Razis: Man muß seine Raffenreinheit untersuchen! Hat er fich jemals in feinen Schriften über seine Stellung zum National fozialismus geäußert?"

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Kommunisten: Er hat doch dafür Italien  , das Land des Naziabgottes Mussolini   wahrscheinlich im geheimen Auftrage eines faschistischen Fremdenverkehrsbüros!! besucht! Aber, wann waren Sie, Herr Goethe  , in Sowjetrußland? Bann haben Sie sich, wie Ihr großer Kollege Shaw, dort auf einer Kanone sigend photo­graphieren lassen? Sie veralteter Bourgeois! Sie Individualist! Sie antifollettivistischer Dichterling! Sie vermanschte Gerhart Hauptmann  - Ropie!!"

Nazis: Feste, feste, Moskowiter, schmeißt ihn mit faulen Aepfeln aus der Schublade seines Freundes Schiller  !!" Kommunisten: Laßt ihn doch von eurem Gendarm aus

Hildburghausen   abführen!"

Nazis: Das werden wir im Dritten Reich" mit euch allen machen! Die Hanffeilindustrie wird dann eine starke Belebung erfahren!" Zentrum Auf Ihrem so oft beschworenen ,, legalen Wege"?" Staatspartei: Wie in Borheim!" Nazis( im Sprechchor): Deutschland   erwache! Juba ver. rece! Heil Hitler!"

Kommunisten( im Sprechchor): Heil Moskau  !

Derrecke!"

Hitler  

Die Kommunisten fingen die Internationale. Die Nazis stimmen das Horst- Weffel- Lied" an. Der Präsident schwingt die Glode. Die Kommunisten und Nazis beginnen fich zu prügeln. Der Brä­fident weist ein Duzend Kommunisten und Nazis aus dem Saale  , die sich dann auf dem Korridor weiter schlagen. Riesentrach. Der Präsident( die Glode schwingend): Meine Geduld ist mun zu Ende! Ich unterbreche die Sigung auf eine halbe Stunde!"

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Eine halbe Stunde später.

Der Präsident: Das Wort hat der Herr Staatsminister von Goethe!" Goethe( erhebt sich): Ich habe die Ehre, dem hohen Hause­

Kommunisten: Bleiben Sie doch lieber zu Hause!!" Nazis: Dann hätte er ja nicht mit Friederite in Sefenheim poussieren und das arme Ariermädchen unglücklich machen können!! Aber es handelt sich hier nur um die Tochter eines evangelischen Pfarrers, und das interessiert die Herren vom Zentrum nicht! Und dann das dunkle Kapitel mit der Frau von Stein!!!"

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Kommunisten: Oder er ineipt in Auerbachs Keller  !" Nazis: Auerbach  " wieder ein jüdischer Name! Sicher ein Loscheres Restaurant!"( im Sprechchor): Deutschland   ermache! Juda verrecke! Sepp! Hepp! Hepp!" Der Präsident( dic Glocke schwingend): Ich bitte Sie, diese persönlichen Berunglimpfungen und Verdächtigungen des Herrn Staatsministers zu unterlassen! Außerdem habe ich Herrn von Goethe und nicht Ihnen das Wort erteilt!"

Nazis: Traurig genug, daß ein moralisch so anrüchiger Mann auf nationalem Boden sprechen darf! Aber die Parlamente

wirtschaft!"

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Kommunisten( ironisch):" Deutsche  , eßt deutsche Zitronen und Apfelsinen!"

Deutsche   Volfspartei: Was versteht ein weltfremder Literat von den Belangen der Wirtschaft?! Wir brauchen Wirt­schaftsführer am Staatsruder!"

Völkischer: Ich finde es unerträglich, daß ein Mann vom Ministersessel aus spricht, der ein kultur- bolschewistisches Schandstück wie ,, Nathan der Weise  " geschrieben hat!"

Nazis( im Sprechchor): Juda verrede! Deutschland   erwache! Heil Hitler!"

Staatsparteiler: ,, Das angeführte Werk ist von Lessing  !" Völkischer: ,, Halt ein anderer Logenbruder! Gleiche Brüder - gleiche Rappen!"

der

Kommunisten( im Sprechchor): Rotfront! Heil Mostaul Der Präsident( die Glocke schwingend): Das Wort hat Herr Staatsminister von Goethe!" Goethe( mit erhobener Stimme): Ich habe die Ehre Nazis:

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dem armen Ariermädchen Friederike Brion  in Sesenheim   genommen!!! Aber die Ehre, uns vom Regierungs­tische anmeckern zu dürfen, werden Sie bald gehabt haben! Sie tun recht, daß Sie sich beizeiten von dem Judenreichskunstwart Redslob einen Gedentfilm" drehen lassen! Guten Reibbach!" ( Im Sprechchor): Juda verrecke! Deutschland   erwache! Hepp! Hepp! Hepp!"

Kommunisten: Gehen Sie lieber zum nationalsozialisti­fchen Harzburger- Front- Bundesgenoffen und Kulturpächter huge n berg! Die Ufa hat ja schon einmal Ihr kapitalistisches Machwerk " Faust" verfilmt!"

Nazis: Wir werden euch die Faust unserer rauhen SA.­Männer zu spüren geben!"

Kommunisten: Ihr werdet unsere Faust kennen lernen!" ( im Sprechchor): Rotfront marschiert! Heil Mostau!"

Nazis( im Sprechchor): Deutschland   erwache! Heil Hitler!" Die Nazis stimmen das Horst- Wessel- Lied" an. Die Kommu­nisten versuchen es durch den Gesang der Internationale" zu übertönen! Der Präsident schwingt die Glocke. Goethe  schnappt nach Luft und versucht vergebens, weiterzusprechen. Es entsteht eine fürchterliche Schlägerei unter den Abgeordneten. Ein Teil von ihnen wird in schwerverlegtem Zustande von Sani tätern aus dem Saale geschleppt, der Rest vom Präsidenten strafmeise von der Sizung ausgeschlossen.

Goethe faltet langsam sein Manuskript zusammen und steht tief in Gedanken versunken da. In diesem Augenblick hat sich in seinem Geiste der Ausspruch geformt, den er später in einem Bühnen Nazis: Nieder mit dem Freimaurertum!( Im Sprechchor): ftüde verwendete, und der als das berühmte Zitat aus dem Götz von Deutschland   erwache! Heil Hitler!" Berlichingen zu so ungeheurer Popularität gelangte-

Ein Wunder der Technik

Zur Eröffnung des Sukkur   Dammes Von Wilhelm Tietgens

Borderindien der größte Staudamm der Welt, der Suttur In diesen Tagen ging durch die Presse die Meldung, daß in Damm über den Indus  , eröffnet sei. Einige Zahlen über die Ausmaße des Bauwerks, über die Kosten und die Baudauer schlossen sich an und das Interesse war erschöpft. Und doch zeigt diese kurze Meldung, welch gewaltige Wunder der Wirtschaft unsere Technik vollbringen kann.

fchaftlich auszunuzen. Frage gelöst war, begannen die Engländer, das Land auch wirt­

Anlaß zu einer großzügigen Bewässerung waren einmal die großen Hungersnöte im nordwestlichen Indien  , die klimatisch durch Ausbleiben der Ueberschwemmungen bedingt waren, mehr aber noch die Bestrebungen des englischen Textiltapitals, durch eigene leistungsfähige Baumwollfelder die usamerikanische Tertilkonkurrenz bekämpfen zu fönnen. Nun ging man daran, den ausgedehnten Steppen am unteren Indus   den Wüstencharakter zu nehmen und ihnen das zu geben, was sie zu höchster Fruchtbarkeit führen wird: regelmäßige, ausreichende Feuchtigkeit.

Der Indu durchfließt im westlichen Borderindien ein fahles, regenarmes Bergland und eine vegetationslose, wüsten artige Steppe, den Sindh  . Die sommerlichen Monsunwinde von Südosten haben ihre Regen schon an den Gebirgen Defans Man griff also die Wirtschaftsweise der alten orientalischen abgegeben und bringen nach dem Sindh   nur die Trockenheit der Wüste Tharr. Die winterlichen Gegenwinde, die aus Nordwesten durch sie neue Anbauflächen. Aber man schuf sie mit aller Groß Völker, die Bewässerungswirtschaft, wieder auf und schu zu erwarten wären, kommen wegen der Hochgebirge nicht zustande. zügigkeit und Großartigkeit modernster Technik. Der riesige Stau­So gleicht der Sindh   nahezu der Wüste Tharr: er ist unfrucht- damm bei Sulfur   wird die Hochwassermassen des 3200 Kilometer bar. Nur leine, oasenähnliche Flächen in diesem riesigen Steppen­gebiet waren bisher wirtschaftlich nutzbar. Es waren im wefent: Laufes auffangen und das ganze Jahr hindurch zur Bewässerungs­wesent- langen Indus mit seinen Nebenflüssen im letzten Drittel seines lichen die niederen Flußinseln und das Ueberschwemmungsgebiet zu fultur zur Verfügung stellen. beiden Seiten des Indus  , also Landstriche, die jährlich vom Hoch- denen jeder einzelne breiter ist als der Suezkanal, führen das Sieben Haupttanäle, von wasser überflutet werden und dadurch die nötige Feuchtigkeit er­halten. Weizen, Reis und Hirse sind seit jeher die Produkte der halten. Weizen, Reis und Hirse sind seit jeher die Produkte der Wasser weit in die Trodensteppen hinein. Der längste Hauptkanal ift über 300 Rilometer lang. das ist die Enfernung Ham den Steppen geringe Viehzucht trieb zu diesen Nugungsgebieten und fleinsten Kanälen weitergeleitet und berieselt ein Gebiet von spärlichen Aderbaubevölkerung gewesen, die zum Teil auch noch in burg  - Berlin  . Bon den Hauptkanälen wird das Wasser in kleinen trat noch das große Mündungsdelta des Indus  , in dem schon die der Größe Badens und Württembergs. Damit ist eine noch weit Inder eine Bewässerungskultur angelegt hatten und eine verhält größere Berieselungskultur geschaffen als durch den Staudamm am nismäßig ergiebige Landwirtschaft trieben.

Wichtiger war und ist die nordwestliche Ede des Sindh als Verbindungsland zwischen dem reichen Indien   und dem Inneren Asiens  . Seit Jahrtausenden gehen die Völkerbewegungen über die Bässe Belutschistans   und Afghanistans   in die Ebenen des Indus  und des Ganges  . Wegen dieser verkehrsgeographischen und poli­tischen Bedeutung haben die Engländer auch 1843 das müste Gebiet zu beiden Seiten des Indus   ihrer Herrschaft einverleibt. Sie be­herrschen mit dem Durchgangsgebiet zugleich den durchgehenden Berkehr.

oberen Nil bei Assuan  , der auch von den Engländern gebaut ist.

Die berieselten Steppen werden sich nunmehr in ertragreiche Weizen- und Baumwollfelder verwandeln. Man erwartet von den bewäfferten Gebieten eine Jahresernte von über 2 Mil­lionen Tonnen an Weizen und Baumwolle. Zum Ver­gleich sei angeführt, daß Aegypten   und der Sudan   zusammen nur 14 Millionen Tonnen Weizen und ein Drittel Millionen Tonnen Baumwolle ernten. Das große Wirtschaftsgebiet der Vereinigten Staaten   liefert etwa 3 Millionen Tonnen Baumwolle im Jahr. Die Ertragfähigkeit der neun Kulturen wird also die Leistungsfähigkeit der englischen Tertilwirtschaft wesentlich steigern. Die Erschließung der wüsten Steppen bedeutet für sie die Vermehrung ihrer Roh­stoffe um die Produktion bisher führender Anbauländer. Und ebenso wird die englische Volkswirtschaft, die nahezu völlig auf Getreide­einfuhr angewiesen ist, durch diese englischen Weizenfelder eine weitere Sicherung erhalten.

Die Größe dieses Wirtschaftswunders der Technik tritt aber besonders deutlich hervor, wenn wir uns die Berieselung des Sindh  einmal außerhalb der tapitalistischen Wirtschafts. ordnung vorstellen. Dann bedeutet die Erschließung der Steppen eine ungeheure Bermehrung der Weltproduktion und zehntausende Menschen finden durch diesen Borgang Arbeit und Unterhalt, Mil­lionen Menschen können durch diesen technischen Erfolg, durch diesen Sieg über das Klima mit den wichtigsten Gütern, mit Brot und Kleidung, versorgt werden. Welch eine großartige Perspektive für cine Bedarfsdedungswirtschaft! Welch eine Aussicht für sozialistische

Eine Sperrfette von Forts und Grenzwachen läuft vom Rab   u l- fluß, dem afghanischen Nebenfluß des   Indus, füdwärts bis zum Arabischen   Meer. Freilich lassen sich die hohen Gebirgs­fetten durch englische Militärs nicht hermetisch abschließen, der Grenzschmuggel, vor allem mit Waffen, ist bei den teilweise noch nomadifierenden Bergbewohnern   Afghanistans und   Belutschistans eine große Verdienstquelle und gefährlich für die Engländer. Die große Gangesbahn, die diese reichste Landschaft der Erde über Delhi- Lahore an das Bahnnetz des   Indus anschließt, ist mit englischem Kapital über Beshawar nach   Kabul, der   afghanischen Hauptstadt, verlängert worden. Die Gebirgsbarriere ist im Kabul­tal am Khaibar- Baß durchbrochen. Starte Festungen, Forts und Bachtürme schüßen die Eisenbahn, die jetzt von einer Hoch gebirgsautostraße begleitet wird. Mit diesem verfehrs­politischen und militärischen Vordringen haben die Engländer Afghanistan völlig unter ihre Gewalt bekommen. Damit scheint für  Rußland der Weg ans Arabische Meer für immer verbaut zu sein. Und genau so beherrschen die Engländer die Gebirgsfront am unteren   Indus. Bon Karatschi und Heiderabad gehen zwei Fern- Planwirtschaft! Leider aber ist die großartige Anlage des   Indus bahnen zu beiden Seiten des   Indus bis Suffur, wo jetzt der Sperrbamm gebaut ist. Hier biegt die eine Bahn ab und überquert das Gebirge, wiederum von englischen Forts begleitet. Die eng­lischen Industrieprovinzen waren in erster Linie Grenzprovinzen, Grenzmauern. Erst als diese verkehrsgeographische, geopolitische

A

im Interesse des Kapitals und nicht im Interesse der konsumierenden Massen erbaut. In einer Zeit, in der Riesenernten an Beizen und Kaffee verfeuert werden, weil ihr Absatz in fapitalistischem Sinr nicht lohnt, wird sie faum eine Verbilligung der Waren und ei Erhöhung der Warenversorgung bringen.