Nr. 85 49. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts bend, 20. Berner 19:
16WI1.
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75 Jahre Ozeanfahrt.
Lloyd zunächst an einige ausländische Schiffahrtsgesellschaften an. Gleichzeitig nahm er den Wiederaufbau einer neuen eigenen Flotte in Angriff.
Am 20. Februar vor 75 Jahren wurde der Norddeutsche seeischen Ausland wieder anzuknüpfen, lehnte sich der Lloyd in Bremen durch den Konsul H. H. Meier und Eduard Crüsemann gegründet, um eine leistungsfähige Dampferverbindung zwischen Bremen und New York zu schaffen. Der erste Dampfer nach New York , die ,, Bremen "( drei Masten mit Segeleinrichtung, man vertraute damals der Kraft des Dampfes noch nicht bedingungs
Der erste Lloyddampfer
vom Jahre 1857
( etwa 2600 Brutto- Registertonnen)
los), verließ Bremerhaven im Juni 1858, zu einer Zeit, als die Ver-, einigten Staaten von Amerika unter dem Einfluß einer schweren Wirtschaftskrise standen, die auch die europäischen Länder erheblich in Mitleidenschaft zog. Neben der New- Yorker Linie wurden gezen Ende der sechziger Jahre bzw. nach dem deutsch - französischen Kriege Dienste nach Baltimore und New Orleans sowie nach Brasilien und Argentinien eingerichtet. Nach dem Jahre 1881 vollzog sich gleich zeitig mit dem weiteren Ausbau der Schiffahrtslinien die allmähliche Umgestaltung der Dampfertypen.
Im Herbst 1920 fonnte ein bescheidener Frachtverkehr nach Brafilien wieder eingerichtet werden, dem 1921 die Wiedereröffnung
Die neuen Riesen- Schnelldampfer ,, Bremen " und ,, Europa " mit je etwa 50 000 Brutto- Registertonnen Fassungsvermögen
des Passagierverkehrs nach Brafilien und Argentinien folgte. Im Februar 1922 sandte der Norddeutsche Lloyd seinen ersten eigenen Dampfer wieder von Bremen nach New York .
Durch die Uebernahme der Roland- Linie, der Hamburg- Bremer Afrika- Linie, der Horn- Linie und später mehrerer fleinerer Reede reien und ihrer Betriebsmittel erhielt die Flotte des Norddeutschen Lloyd einen nicht unerheblichen Zuwachs. Am 1. Jamuar 1932 betrug die Tonnage insgesamt 959 317 Bruttoregistertonnen. Sie hat Damit die Borfriegstonnage mit rund 982 000 Bruttoregistertonnen Schwere Verluste hatte der Lloyd durch den Krieg und seine bis auf rund 23 000 Bruttoregistertonnen wieder erreicht. Von der Auswirkungen zu verzeichnen. Von rund 982 000 Bruttoregister- Gesamttonnage entfallen etwa 9,5 Prog. auf die beiden Schnell tonnen verblieben der ieederei nach Abschluß des Friedensvertrages i dampfer ,, Bremen " und„ Europa ", beren Indienststellung 1929 57.000 Bruttoregistertonnen. Um die Fäden mit dem über- und 1930 erfolgte.
Sonnabend, Februar 1932
Schwindelanfall erlitten und beim Hinfallen muß er den Gasschlauch abgerissen haben. Die in großen Mengen ausströmenden Gase führten den baldigen Tod des Ohnmächtigen herbei. Der Unfall wurde erst in den späten Abendstunden entdeckt.
Guido Hackebeil verhaftet.
Verdacht der Aktienverschiebung und Konkursverbrechens. Im Auftrage der Staatsanwaltschaft I wurde am Freifagnachmittag Generaldirektor Guido Hadebeil von Kriminalbeamten festgenommen und der Staatsanwaltschaft in Moabit vorgeführt. Hier wurde Hackebeil von Staatsanwaltschaftsaffeffor v. Haacke einem eingehenden Verhör unterzogen, das bis in die späten Abendsfunden dauerte. Der Berdacht, daß Hackebeil sich strafbar gemacht hat, hat sich im Laufe der Vernehmung so verstärkt, daß er nicht entlassen, sondern ins Untersuchungsgefängnis eingeliefert wurde. 3m Laufe des Sonnabend wird der Beschuldigte dem Untersuchungsrichter vorgeführt, der Haftbefehl gegen ihn erlassen wird.
Die Hackebeil A.-G. ist im Jahre 1929 bereits in Konturs gegangen. Dem Generaldirektor, der im Aufsichtsrat saß, wird min vorgeworfen, daß er über die Danat- Bank und die Verkehrs- Bank durch seine Aktiengesellschaft Aktienmanipulationen vorgenommen hat, die er später in seiner Eigenschaft als Aufsichtsrat betrügerisch ausnutzte. Es wird ihm vorgeworfen, daß er auf diesem Wege Aktien für mehr als eine Million Mart perschoben haben soll. Außerdem ist er noch des Konkursverbrechens angeklagt.
***
Nach dieser Verhaftung darf man hoffen, daß endlich Licht in eine der dunkelsten Wirtschaftsaffären fommt, was am so nötiger ist, als die Geschichte schon jahrelang in Berlin disfutiert wird. Dieses Unternehmen, das bekanntlich eine große Zahl an Zeitschriften verlegte, galt lange als glänzend, bis im Jahre 1929 eine Sanierung vorgenommen werden mußte. Außerordentlich merkwürdig war aber, als ein Jahr später festgestellt wurde, daß noch Verluste aus der Zeit vor der Sanierung in Höhe von 1,8 Millionen Mart aufgetaucht waren, ein Zeichen, daß hier nicht nur etwas, sondern alles faul war. Es wurde dann der Konkurs eröffnet. Schon im April vorigen Jahres erklärte der Ronfursverwalter auf einer Gläubigerversammlung, daß die Gefellſchaft tatsächlich schon im Jahre 1927 tontursreif gewesen sei. Die Kreditbedürfnisse seien durch wiederholte Kapitalerhöhungen gedeckt worden. Aber nur zum Schein, denn tatjächlich haben diese Kapitalerhöhungen der Gesellschaft keine neuen Mittel gebracht, weil die neuen Aktien auf undurchsichtige Weise Leuten um Guido Hackebeil zugeschoben wurden. Diese Aktiengeschäfte werden wohl jetzt endlich aufgeklärt werden.
Vier Tote, 26 Berlehte.- 120 Familien obdachlos. Madrid , 19. Februar. Ju einer Drogerie in Bilbao entstand bei der
Herstellung eines Wachspräparats eine Explosion,
Keine Verfehlungen von Beamten. Jaum Leit anonym erfolgt sind. Als Ergebnis der bisherigen Er. mittlungen fann auch jetzt wieder festgestellt werden, daß in feinem die zu einer furchtbaren Feuersbrunst führte. InDer Polizeipräsident zum Buchmacherskandal. Falle Beamte des Polizeipräsidiums Berlin irgendwelche Hand- folge der leicht brennbaren Materialien stand mit unlungen vorgenommen haben, die mit ihren dienstlichen Pflichten in heimlicher Geschwindigkeit alsbald das ganze zehnDer Polizeipräsident teilt mit: widerspruch stehen. Bei dieser Gelegenheit sollte in der Deffentlich stökige Haus in Flammen. Anläßlich der von mir eingeleiteten Untersuchung über das zu feit erneut bedacht werden, ob es richtig ist, wahllosen Beschuldi- häuser wurden von dem Brande erfaßt; alle drei brannten stöckige Haus in Flammen. Auch zivei Nebenstandekommen zahlreicher Buchmacherkonzessionen sind in der Deffent- gungen gegen schutzlose Beamte auch nur andeutungsweise Beachtung lichkeit Behauptungen aufgetaucht, nach welchen Beamte der verschiedensten Dienstgrade des Polizeipräsidiums Berlin sich irgend verſchaffen, ohne sich über den Charakter der Urheber und die welche Unforrektheiten hätten zuschulden fommmen lassen. Solche Genauigkeit der Beschuldigung genügend informiert zu haben." Behauptungen sind als Gerüchte auch früher schon verbreitet worden und waren bereits Gegenstand einer Untersuchung, die ergebnis. los verlief. In einem Falle ist auch eine gerichtliche Nachprüfung erfolgt. Es ist auch jetzt wieder allen diesen Andeutungen und Be hauptungen nachgegangen worden, obwohl niemals den Beschuldigungen irgendwelche Unterlagen beigefügt waren und fie
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Anita
und
thr
NOVELLE
VON ERNA BUSING
Cowboy
TEHNERY
=
,, Aber Anita", sagt John und zwingt sich zu einem Lächeln. Das Fieber tut gut. Durch das Fieber verbrennen die schlechten Säfte im Körper. Fieber ist die beste Selbsthilfe des Körpers bei jeder Krankheit."
Eine Filmgesellschaft hat eine kleine Uebersetzung geschickt. Anita übersetzt für John. Sie fragt nach einem Ausdruck. Da sagt John: Ach, nimm das Buch dort links, ich weiß, nach welchen Gesichtspunkten alle Diktionäre zusammengestellt sind, in dem Buch findest du es gewiß." Anita findet
das Wort.
John legt sich auf die rechte Seite. ,, Links drücke ich mein Herz", meint er ,,, es ist heute so wild. Anita, wirklich, es benimmt sich, wie ein bodkendes Pferd."
John schläft ein. Doch wacht er nicht wieder auf. Sein Herz hat plötzlich den Dienst versagt. Vielleicht war es schon seit längerer Zeit schwach gewesen? Wer wußte das?
Anita ist starr. Ist das Leben denn wirklich so fitschig! John hatte doch einen Anspruch aufs Leben. Er hatte doch alle die Kräfte, die in ihm waren, noch gar nicht ausgelebt. Die Wirtin erzählte Wunderdinge von Kampfersprigen und Massagen bei Herzschwäche und macht Anita Vorwürfe, daß sie nicht eher zu einem Arzt geschickt habe. Nun müsse ja doch ein Arzt her, um den Totenschein auszustellen.
Anita antwortet auf nichts. Anita meint auch nicht, fie bleibt starr. Sie borgt sich von der Wirtin Geld und schickt zwei Telegramme, eins nach Bremen und eins an Billy.
Tim und Billy kommen mit dem gleichen Zug. Anita steht auf dem Bahnhof. Billy gibt ihr die Hand, Tim reicht ihr die Fingerspizen. Vor dem Lehrter Bahnhof überwacht ein Schupo den Verkehr. Durch ihn winkt Lim einer Tare. Wortlos fahren Tim, Billy und Anita in die Wohnung.
Tim gudt Anita vorwurfsvoll an, seine Blide sagen zu bcs So weit ist mein Bruder durch dich gejunten,"
Tod durch ausströmende Gaje.
Auf tragische Weise ist gestern der 61jährige Schneider Wilhelm Lippert aus der Lychener Str. 24 ums Leben gekommen. 2. war in den Mittagsstunden mit Bügelarbeiten beschäftigt, wozu er ein Gasplätteisen benutzte. Offenbar hat der betagte Mann einen
Billy denkt, der arme John, er hat gar keine Sonne gehabt. Tim befiehlt die Ueberführung der Leiche nach Bremen . Anita willigt wortlos ein. Tim macht alle die lastenden, nötigen Wege.
Billy verspricht einem reichen Artistenfreund echte indianische Perlstickereien und bekommt für sie eine ansehnliche Anzahlung. Dann kauft er Anita Trauerkleider.
In Bremen wird John feierlich beerdigt. Billy und Anita halten sich abseits von der Familie. Anita macht sich Vorwürfe, daß sie der Beerdigung in Bremen zugestimmt hat. Nun liegt John im Familiengrab, wo er nicht hingehört. Er wollte nicht in den Schoß der Familie zurüd.
Der Vater versucht verschiedentlich mit Anita eine Verbindung anzuknüpfen. Selbst auf dem Friedhof gibt er den Versuch nicht auf. Er macht diese Annäherungsversuche heimlich.
Anita beachtet sie nicht. Sie will nicht, daß er ihretwegen mit der Familie Unannehmlichkeiten hat. Er ist der Chef der Familie, doch' beherrscht die Familie ihn. Da ist die Mutter, die nie wohlwollend, sondern nur wohltuend ist. Anita dankt für die Wohltaten. Da ist der Bruder Tim, der Anita Johns Abstieg nicht verzeiht. Da ist die Schwägerin, die tiefbetrübt ist, weil ihr Schwarz nicht steht und sie verschiedene Gesellschaften absagen muß.
Nein, Anita will nichts mit ihnen zu tun haben. Sie wird die Möbel verkaufen und dann wieder mit Billy auf Tour gehen.
Nach der Beerdigung trinken Billy und Anita in dem vornehmen Haus in Bremen Kaffee. Sie trinken ihn ziemlich eilig, weil der Hamburger D- 3ug bald abfährt.
In der Familie ist man entsetzt und zugleich erfreut über diese Lösung. Nur der Bater nicht, er möchte von Anita noch zu gern etwas über Johns lezte Tage erfahren. Der Chef der Familie ist in ein paar Stunden alt geworden. Es schmerzt ihn, daß der Sohn nicht den Weg zu ihm fand.
Er hätte ihn nicht gedemütigt, ganz bestimmt nicht, er nicht. Er ist nicht schuld an diesem Ende. Doch die Mutter und Tim und Helene. Oh, er versteht es, warum John nicht zurückkam.
Aber er, wie gerne wäre er noch zu seinem Sohn gegangen, er hätte nur ,, John" gesagt und ihm über Stirn und Haare gestrichen. John hätte ihn verstanden. Ach, warum hatte er John nicht noch einmal gesehen.
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bis auf die Grundmauern nieder. Der Einwohner bemächtigte sich eine wilde Panik. Sie waren zum Teil durch das Feuer abgeschnitten und sprangen in ihrer Angst von den Balkons auf die Straße. Trok des sofortigen Eingreifens der gesamten Feuerwehr sind vier Tote, sechs Schwer und 20 Leichtverlekte zu beklagen. 120 Familien sind durch den Brand obdachlos geworden.
Uebernächtigt, fröstelnd fahren Billy und Anita in die Nacht hinaus. Sie denken an die nächste Zukunft, die wird noch Plagen mancher Art bringen, aber in Polen winkt ein gutes Engagement. Sie werden über die nächsten Monate
fommen.
Sie sprechen von John und Anita legt ihren Kopf an Billys Schulter und weint. Billy sagt: Anita, wir wollen John nicht vergessen, wir wollen viel an ihn denken und wir beide wollen immer gut sein."
Schon am anderen Morgen sucht Billy seine besten perlgestickten Gürtel und eine mit Perlen bestickte Weste heraus, um sie nach Berlin an den Artiſtenfreund zu schicken. Billy ist sehr gebefreudig. Er sendet, als Belohnung der schnellen Hilfe, ein Paar Cowboymanschetten als Sonderzugabe. Es wäre doch zu peinlich gewesen, wenn er das Geld nicht sofort bekommen hätte. Dann hätte Anita Johns Familie in Anspruch nehmen müssen und das wäre nicht nur Anita, das wäre auch Billy äußerst unangenehm gewesen. Sie wollten sich nichts schenten lassen.
Billy denkt immer wieder an die Schwägerin Helene. Wie die mit ihrer großen kostbaren Handtasche auffällig pruntend paradierte. Billy stand es auf den Lippen zu sagen:„ Madame, es iſt feine Kunst, 1000 Mart auszugeben, aber es ist ein Kunststück, 10 Mark zu verdienen."
Er ärgert sich sehr, daß er es nicht gesagt hat. Auf wen hat er eigentlich Rüdsicht genommen? Auf den toten John? ein, auf den nicht. Diese Bemerkung wäre doch voll und ganz in Johns Sinn gewesen. Er hatte also auf die Schwägerin Helene Rücksicht genommen. Die Sache wurde immer ärgerlicher, je mehr er darüber nachdachte.
Als Anita sich beruhigt hatte, reiste sie nach Berlin und verkaufte die Sachen. Billy fragte gar nicht, wie viel sie be tommen habe. Er wußte es ja ohnedies, es war herzlich wenig.
Beide rüsten für Polen . Neue Nummern werden eingeübt. Diesmal gilt es nicht, in dem intimen Raum der Bühne oder dem Rund der Manege, sondern auf große Entfernungen zu wirken.
Billy läßt seine neuen Trids von einem Tscherkessenreiter begutachten. Der fommt erst aus Bolen und weiß, was dort gefällt ortsezung folgt.)