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Franziska

Schmeltzer- Ewald:

Umstellen, umstellen...!

Es ist nicht erdichtet, was ich hier von dem Haufierer erzähle, der nachmittags an meiner Tür läutete, und dem ich nicht aufmachte. Schon vom Morgen an waren nur unangenehme Leute da gewesen, die Geld für Gas und Licht und Kohlen haben wollten, und ich besaß doch keinen Pfennig. Aber sie hatten das nicht glauben und begreifen können und drohten mir und fränften mich. So stellte ich mich also als nicht zu Hause" und war fest entschlossen, den Rest des Tages mun für mich zu retten, denn ich wollte in Ruhe fchreiben.

Mit halbem Ohr hörte ich draußen Türen flappen und dam plötzlich einen jähen, dumpfen Krach. Im Nu lief ich hinaus und öffnete. Neben mir, auf der Bodentreppe, saß ein Mann und schluchzte laut. Auf meine Frage, was geschehen sei, gab er keine Antwort und nahm auch nicht die Hände vom Gesicht.

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,, Er hat seinen Kasten heruntergeworfen," sagte die alte Frau von gegenüber, die mittlerweile auch herausgekommen war, und zeigte auf die abwärts führende Treppe neben sich. Noch ehe ich hin­gehen konnte, um den Kasten hinaufzuholen nun wollte ich doch da sein und helfen, fam aus der Wohnung nebenan die junge Frau eines kleinen Beamten mit einer belegten Brotschnitte auf einem Teller auf den Flur. Sie ging zu dem Mann und hielt ihm mit einem schüchternen ,, So nehmen Sie doch" das Brot hin. Da

prang er plötzlich auf, schlug ihr den Teller aus der Hand und schrie: Reiner kauft mir was ab! Keiner! Die Türen schlagen sie zu, die fetten Bürger." Er stampfte mit dem Fuß auf. Ich bin fein Bettler!" Und in großen Säßen sprang er die Treppe hinunter, wobei er die zerstreuten sauberen Tütchen mit Pfefferkörnern, Zimt, Kümmel und dergleichen achtlos zertrat.

Ich weiß, es war ein großer Fehler, daß ich ihm nicht nachlief, aber ich war überrascht und erschreckt und blieb einfach stehen. Die junge Frau suchte die Scherben des Tellers zusammen und behielt die

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beschmußte Brotschnitte nachdenklich in der Hand. ,, Ein undankbarer Mensch!" erklärte die alte Frau und machte thre Tür zu. Ja ich weiß nicht," sagte die junge Frau ,,, er hat doch aber so geweint." Während ich die Tütchen in den Kasten sammelte, beruhigte ich mein schlechtes Gewissen mit der Vorstellung, daß der Inhaber sich nun bei mir melden würde, weil ich sein Eigentum in Verwahrung hatte. Und dann würde ich mit ihm sprechen.

Der übernächste Tag brachte schon am Morgen eine beklemmende Unruhe über mich. Ich las in der Zeitung eine Notiz über den Tod eines Unbekannten. Man hatte ihn in der Frühe des vorigen Tages erfroren auf einer Bank im Part gefunden. Ich fonnte nicht anders, als diesen namenlosen Toten mit dem Hausierer in Verbindung bringen. Wenn ich mir auch vorhielt, daß es außerdem doch noch so viele Menschen gab, denen es elend erging, und daß es eher einer von diesen vielen sein würde und nicht gerade jener Hausierer, so stärkte das die Hoffnung in mir, daß ich einer figen Idee unterlag, und daß es jener Mann nicht sei, von dessen Armut ich nichts hatte wissen wollen.

Um mir endgültig Gewißheit zu verschaffen, ging ich ins Polizei­präsidium. Dort erzählte ich meine Geschichte, und man ließ mich Den Toten sehen. Ratios, unsicher stand ich da. Dieser Mann hier lag in tiefer Ruhe. Jener Mann vor meiner Tür war zuerst den

| Augen ein zusammengeballtes Nichts, und dann ein äußerlich un­auffälliger Mensch in jäher Bewegung mit Stimme und Blick ge­mejen, in der kurzen Zeitspanne jedoch optisch kaum erfaßbar. Dieser hier konnte ebensogut Haufierer sein wie nicht. Der Kopf hatte eine gute Form und verriet Intelligenz, die Hände waren schlank und ausdrucksvoll. Ich mußte sie lange ansehen. Das bemerkte der Beamte, der dabeistand, und sagte: Er hat hormige Stellen an den Fingertuppen wie Leute, die Saiteninstrumente spielen."

Bielleicht glaubte er nicht, daß ein Mann dieser Art hätte Haufierer sein können. Doch wie leicht war es möglich, daß dieser Tote ein begabter Mensch gewesen war, der auf seinen Beruf, seine Berufung Verzicht leisten und sich gleich so vielen, vielen anderen umstellen" mußte, immer weiter abgedrängt vom Quell seiner Leistungsmöglichkeiten. Und nun hatte er die letzte, endgültige Um­stellung hinter sich, von der ihn feiner mehr verdrängen konnte. Sehr bald ging ich wieder. Zwar wußte ich jetzt, daß man durch die Firma, die den Gewürztütchen aufgedruckt war, vielleicht erfahren konnte, wer der Haufierer war. Im übrigen aber wußte ich ebensowenig wie vordem und fühlte mein Gewissen nicht im geringsten erleichtert.

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Bedrückt und unentschlossen ging ich durch die betriebsamen Straßen der Altstadt. Jemand hielt mich im Vorübergehen am Arm fest. Ein alter Bekannter begrüßte mich, jetzt abgemagert und schlecht gekleidet. Ich hatte ihn lange nicht gesehen. Wir stellten uns die üblichen Fragen nach dem Wohlergehen, gaben uns die ebenso zeitgemäßen tristen Antworten und beschlossen, ein Stück zusammen zu gehen und von uns zu erzählen.

Nun wäre die Sache gar nicht schlimm; der Mann würde vielleicht den Zuschlag zahlen müssen. Basta. Aber damit wäre ein Problem nur äußerlich gelöst. Schon der Korb Aepfel   störte, als der Biedere einstieg. Koffer allenfalls... aber Aepfelkörbe ge­hören nicht in D- 3üge. Nein, dreimal nein! Es handelt sich nicht etwa um ein eisenbahnamtliches Gefühl, das hier den langen Gang des D- Zug- Wagens entlang schleicht. Nein, die Stilwidrig­feit des Apfelforbes im D- 3uge störte eben so, daß die Koffer­besitzer sich mit abwehrenden Gefichtern bewaffneten. Bemerkungen fielen.( Sie wurden von dem gutmütigen, anscheinend nach innen gerichteten Lächeln des Mannes aufgefogen.)

Jedenfalls ließ man es dem Zugestiegenen fühlen, daß er sich völlig widerrechtlich in diesem apfelforbfeindlichen Zuge aufhielt. Jeder machte sich bewußt oder unbewußt zum Gegner des neuen Fahrgastes, nur, weil er nicht berechtigt war", weil er gar nicht da sein durfte, weil er eigentlich auf dem Bahnsteig in R. stehen und auf den zuständigen Personenzug warten mußte. Er und sein Apfelforb. Er gehörte eben nicht zu uns.

Irgendwie kam mir die Sache bekannt vor. Ich dachte nach, fonnte mich aber doch nicht so recht an einen verwandten Vorgang

erinnern. Vielleicht. daß einem im großen D- 3ugleben ähn­liche Dinge passieren? Das wird es sein. Nein, das ist es sogar. Wie oft tamen da stilwidrige Leute, die man gar nicht verknusen fann, die die Stille des Gewohnten plöglich stören, Fremdkörper find. Warum? Einfach deshalb, weil sie etwas mitbringen, das wir nicht erwarten, das von uns, bevor wir es überhaupt erst untersuchen, abgelehnt wird. Später gibt es sich. Das Neue" ist nicht mehr neu; es ist angegliedert, vielleicht auch in den gemein­samen Schatz unserer Anschauungen schon längst aufgenommen. Manchmal fällt der Plaz sogar recht würdig aus; manchmal aber bekommt durch die Feindlichkeit der ersten Begegnung die Sache einen Stoß, und so zerbricht oft, was Werte entwickeln fonnte. Oft.

Das Leben ist zumeist gütig. Ich will es an unserem Apfel­Gelände unterhält sich der Mann schon mit den Kofferbefizern.

forbbefizer beweisen: Nach etwa 10 Kilometer Fahrt durch graues Der Korb steht nun gar nicht mehr im Wege. Einen Apfel hält fogar der Junge des Diden in den Händen, der vorhin mit aller ihm zur Verfügung stehenden Mimik protestiert hat. Während ich mich vorhin in tief schürfende Betrachtungen verlief, muß die berechtigung vollwertiges Mitglied der D- Zug- Fahrer- 3. m. b. 5. ge­Der Apfelmann gehört jezt zu uns. Er ist trop Personenzug­worden, und als er an der nächsten Haltestelle aussteigt, bedauert man die Kürze der Bekanntschaft. Netter Ker!", sagte der Dicke, folche Leute müßte es mchr geben!" An Stelle der bekanntlich sehr nüzlichen Betrachtung setze ich einen Punkt. nunmehr zufrieden

Was ich von ihm erfufr, berührte mich in diesem Augenblick feltfam. Als ich ihn zuletzt gesehen hatte, war er kaufmännischer An­gestellter gewesen. Bald darauf wurde er stellungslos und wechselte notgedrungen von einem Beruf zum anderen. Das war ja zu dieser Zeit gar nichts Besonderes, auch nicht, daß er in feinem etwas leistete und nirgendwo bleiben konnte. Auch er hörte immer wieder und von jedem, daß man sich umstellen muß, und daß der, der sich nicht bereitwillig immer wieder dazu hergibt, so ungefähr ein Tage- Wandlung geschehen sein. dieb und Faulenzer ist. Also tat er, was man von ihm verlangte und stellte sich um, immer wieder, und vermochte nirgends Wurzel zu fassen, weil die Muttererde ihm entzogen war und überall der gleiche farge Boden ihn zum Darben zwang. Zulegt hatte er auf den Höfen zur Gitarre gesungen. Ihm waren aber die Hände dabei er­froren, und heiser murde er in der Kälte auch. Da riet ihm der Sohn seiner Wirtin, als Hausierer in die besseren Stadtgegenden zu gehen. Er hatte eben seine Gitarre versetzt, um sich Waren zu kaufen.

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Hier schloß sich bei mir plößlich der Kreis vager Borstellungen. Ingenieurbauten aus Eis

Es war, als fügten sich drei einzelne Bildstreifen zu einem Film zu­fammen, der in erschreckender Klarheit ein furchtbares Massenschicksal zeigte. Wie der Streifen auch läuft, rückwärts, vorwärts, ob er ganz oder nur ſtückweise zu sehen ist, immer und überall erhebt sich die furchtbare Antlage gegen die, die unentwegt die Entwurzelten weiter narren. Doch dahinter steht drohend ein Schatten, und das ist die Frage der Millionen:

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Wann werden sich die anderen umstellen sie sind doch längst an der Reihe?"

Erich Grifar: Magie des Rundfunks

melden sich, mit dünner Stimme.

Am nächsten Tage faufte ich mir ein paar neue Röhren und am Abend darauf bekam ich Krach mit meiner Frau, die mich einen Idioten schalt, weil ich sie mit meiner Fummelei angeblich verrückt mache. Und die Nachbarn hätten auch schon gefragt, ob wir das wären, die immer so scharf rückkoppelten.

der Witterung, werden in ihrem Aussehen und zuletzt auch in ihrer Alle Baustoffe find vergänglich. Sie unterliegen den Einflüssen Form verändert. Der Grad ihrer Beständigkeit entscheidet über ihre Berwendungsfähigkeit. Und nun fommt ein Ingenieur, der allen Ernstes den Vorschlag macht, einen Baustoff zu benutzen, dessen Ver­gänglichkeit wir in jedem Frühling, ja auch bei manchem Witterungs­wechsel beobachten können: das Eis.

In der Arktis   und in der Antarktis   baut man wohl mit Erfolg Schneehäuser, die Natur selbst läßt gewaltige, phantastische Gebilde entstehen, die Eisberge, die sogar Riesenschiffe gefährden. Aber auch diese gewaltigen Gebilde unterliegen den wärmenden Strahlen der Sonne. Sie lösen sich nach und nach auf und merden eins mit dem Meere, auf dessen Rücken sie die Fahrt ins Ungewisse antreten. In unseren Breiten aber oder gar in tropischen Gegenden find an sich teine natürlichen Borbedingungen für die ständige Bermen­Gerke- Waldenburg vor, solche Bauten für bestimmte Zwecke unter Verwendung fünstlicher Kälte auszuführen. Er denkt dabei an die Schaffung von Frostdämmen, die an unseren Küsten als Wellenbrecher dienen könnten, oder an Dammbauten. Man könnte auch in hochwassergefährdeten Gebieten nach seiner Ansicht Kälte­anlagen und Rohrleitungen vorsehen, die bei steigendem Wasserstand in Betrieb gesetzt werden und zur Verstärkung vorhandener Dämme dienen könnten. Auch Schiffahrtsstraßen, die großen Veränderungen durch unbeständige Strömungen ausgesetzt sind, sollen durch Rohr­leitungen und Gefrieranlagen mit einem künstlichen Bett versehen werden.

Der Rundfunk ist kein Wunder. Wie einfach ist die Umwandlung| Glück an diesem Abend. Wohl sechs oder sieben verschiedene Stationen dung von Eis für Ingenieurbauten gegeben. Daher schlägt Dr.- Ing. der Schallwellen in elektrische Wellen und deren Rückwandlung in Schallwellen zu erklären. Daß diese Wellen drahtlos durch den Aether fommen, nun wohl, wir haben andere Dinge erlebt, ohne er­schüttert zu werden. Und doch war ich erschüttert, als ich zum ersten­mal ein Paar Kopfhörer auf den Ohren hatte und Rundfunt hörte. Nicht, daß ich plötzlich die Stimme eines Menschen hörte, den ich nicht fah, nicht, daß ich verstand, was diefer Mensch sagte, war Grund dieser Erschütterung, aber daß ich den Menschen, der da einige Kilo­meter von mir in das Mikrophon hineinsprach, atmen hörte, das war mir zunächst unfaßbar, denn es war mir ein Beweis dafür, daß ich diesem Unbekannten näher auf den Leib gerückt war, als je einem Menschen, der Auge in Auge mit mir gestanden.

Einige Jahre später wanderte ich an einem Sonntagnachmittag durch eine ländliche Gegend. Es war sehr still. Kaum ein Hofhund bellte. Und das Vieh in seinen Ställen schien satt zu sein. Nur die Stimme eines Mädchens war zu hören. Es war eine schöne Stimme, der eine schöne Melodie zu Hilfe kam. Ich hätte das Lied, das sie fang, gern zu Ende gehört. Und andere Lieder dazu. Aber ich mußte weiter. Das Lied wurde schwächer, aber ehe es ganz verklang, schwoll die Melodie wieder an. Ich erstaunte und schob es auf den Wind, der es gut mit mir meinte. Inzwischen kam ich einem anderen Hause näher, und num flang das Lied, als fäme es aus den Fenstern dieses Hauses. Zufall, dachte ich, und ging weiter. Aber das gleiche erlebte ich noch einige Male. Bald stärker, bald schwächer hörte ich immer die gleiche Stimme erklingen. Aus Wirtschaften, an denen ich vorüberfam, gröhlte sie heraus, aus Privathäusern fam sie schüchtern hervor und schließlich sah ich ein paar junge Leute, die abseits des Weges sich niedergelassen und ein Rundfunkgerät in ihrer Mitte aufgebaut hatten. Auch von hier kam die gleiche Stimme zu mir, die mich nun schon einige Kilometer weit begleitete.

Damals ist mir die Magie einer Einrichtung, die den Atemzug eines Menschen über Länder und Meere trägt, die Tausende, ja Millionen örtlich voneinander getrennter Menschen durch ein gemein fames Erlebnis zu vereinigen vermag, die ihr Herz stocken macht und es im gleichen Augenblick schneller und höher schlagen machen kann, zum erstenmal tief bewußt geworden. Aber für jenen Menschentyp, der jede freie Stunde hinter seinem Gerät sißt und seine Freunde bei jedem Pfeifen des Lautsprechers anschreit: Das war Hilversum  , das ist London  , das ist Rom  , das ist Honolulu  , brachte ich noch immer fein Verständnis auf. Noch fühlte ich nicht wie sie die unermeßlich­feit des Raumes, der angefüllt ist mit dem Leben fremder Welten, die uns suchen. Ich hörte nur die Bruchstücke mehr oder weniger schöner Melodien, die zerhackten Reden und abgebrochenen Signale ferner Stationen. Rundfunk war mir noch eine Sache fürs Ohr. Aber nun weiß ich es anders.

Eines Tages ertappte ich meinen Apparat dabei, wie er zu einer Zeit, die im Brogramm als Funfftille bezeichnet war, die Mufit eines fremden Senders aufnahm und dünn zwar, aber deutlich wiedergab. Ich horchte erstaunt auf, denn das hatte ich meinem Apparat gar nicht zugetraut, und erfuhr, daß ich Rom   gehört hatte. Aber statt mich nun an dem schönen Programm, das von da fam, zu freuen und allenfalls ein wenig an der Rückkoppelung zu drehen, um die Sendung stärker hereinzubekommen, tat ich, was ich anderen nie verziehen. Ich probierte so lange an der Stala herum, bis ich eine neue Station befam, und drehte, kaum, daß ich diese Station richtig empfangen, weiter, um nach neuen Stationen zu suchen. Ich hatte

Daß du mir nichts sagst, brummte ich und begann wieder aus­wärtige Stationen zu suchen, denn ich hatte erfahren, was das höchste Glück des Rundfunkhörers ist. Nicht die Melodien, die da durch den Aether zu ihm kommen, nicht die Reden, die gebundenen und die ungebundenen, die zensierten und die unzensierten, find sein Glück, sondern das herrliche Gefühl, die Welle eines bestimmten Senders einzufangen und zu wissen: jekt hast du Rom   im Lautsprecher. Ein einziger Griff und Rom   ich ausgelöscht. Straßburg   hörst du jetzt oder London  . Beromünster  , Berlin  . Du hörst nicht, was diese Stationen senden, es interessiert dich gar nicht, du willst nur mit ihnen spielen wie die Katze mit der Maus. Du läßt sie entgleiten, schon wird ihre Stimme schwächer, da ziehst du die Rückkopplung an und schon hältst du sie wieder gepackt, fester als zuvor. Du hast das Gefühl, daß dir plöglich ein neues Organ zugewachsen ist und du tennst kein größeres Glück, als den Aether zu durchtasten und dir immer wieder zu bestätigen, daß du Herr bist über dieses dein neues Organ, daß es dir gehorcht und dir die Lebensäußerung fremder Welten, die du zwar nie sehen wirst, aber deren Klänge und Worte du hörst, ins Haus bringt, so oft du willst.

So geht es den Kindern mit ihren Beinen. Erst wiffen sie nichts mit ihnen anzufangen. Da stecken sie sie in den Mund, um sie auf­zueffen. Eines Tages merken sie, daß man auf ihnen stehen kann. Nun stehen sie den ganzen Tag auf ihren Beinen, bis alle Tanten schreien: Um Gotts willen, das Kind friegt ja frumme Beine. Ehe die Beine wieder grade oder ganz frumm sind, ist das Kind ein paar Schritte auf ihnen gegangen und das ist eine große Entdeckung, denn nun tapst es den ganzen Tag durch alle Stuben. Aber laufen wird schnell was Altes, und wenn ein Kind erst richtig laufen kann, will es nur noch auf Mamas Arm. Später fährt es mit der Straßen­bahn oder mit dem Auto.

Ich höre mur noch Berfin.

0. 3. Heinrich:

Er gehört nicht zu uns...

Es ist kurz nach den Festtagen. Ein stark besetzter D- 3ug rollt mich von der Verwandtschaft zurück zur Berufsstätte. Man steht im Gange und tritt von einem Bein aufs andere. Das scharfe Auge des Schaffners fieht sogar über Kofferhindernisse hinweg. Der Zug hält auf einer fleinen Umsteigestation. Die Tür wird aufgerissen, und herein klettert ein biederer Mann. Sein Gesicht sieht gefund aus; anscheinend ist er vom Lande. Er zieht einen fleinen Korb Alepfel hinter sich her und stellt ihn in die eine Ecke vor dem Durch­gang zum nächsten Wagen. Der Zug fährt weiter. Fahrkarten der Zugestiegenen, bitte!" Der Mann reicht dem Schaffner die Karte. Ja, Sie dürfen doch den D- Zug gar nicht benutzen! Ihre Karte gilt für den Personenzug, der hinter uns fommt."

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Dr. Gerke denkt dabei an die Tatsache, daß bereits im Jahre 1862 im Bergbau fünstliche Kälte zum Zwecke des Schachtbaues an­gewendet wurde, ein Verfahren, das sich bis heute glänzend bewährt hat. Es handelt sich dabei um die Aufgabe, das Grundwasser zum Gefrieren zu bringen, so daß keine besonderen Schwierigkeiten beim Abteufen eines Schachtes entstehen können. Man verfährt dabei so, daß man um den niederzuführenden Schacht tiefe Bohrlöcher in die Erde senkt. In diese Bohrlöcher bringt man dann unten verschlossene Rohre. In diese Rohre führt man sogenannte dünnere Einfallrohre bis fast auf ihren Boden hinab. Durch diese Einfallrohre wird nun eine Kälteflüffigkeit in die Tiefe geleitet. Meist kommt hier Am­moniat mit Sole zur Verwendung. Diese auf zwanzig Grad ge­fühlte Flüssigkeit bringt in sämtlichen um den Schacht angeordneten Rohren das Grundwasser zum Gefrieren.

Auf dieses Verfahren will Dr. Gerte aufbauen. Er verweist da­bei auf eine Bersuchsanlage, bei der zur Kälteerzeugung füffige Luft verwendet wurde. Mit ihrer Hilfe wurde in einem See ein Damm innerhalb von drei Stunden aus Eis geschaffen. Ohne Zuführung neuer Kälte hielt der Damm etma vier Tage bei einer Wasser­temperatur von 6 bis 8 Grad Celsius.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit glaubt Dr. Gerke darin zu sehen, daß an geeigneten Stellen im Ozean Gefrierinseln, die fest am Boden des Meeres verankert sind, errichtet werden fännen, um Fliegerſtützpunkte zu gewinnen.

Diese Vorschläge, die Eis als einen normalen Werkstoff be­trachten, erscheinen zunächst reichlich optimistisch, wenn man ihnen auch eine gewiffe Logit nicht absprechen fann. Das ganze Verfahren ist zweifellos theoretisch möglich. Dies entscheidet aber nicht, daß eine Sache an sich richtig ist, entscheidend ist vielmehr, mit welchem Kostenaufwand eine praktische Anwendung möglich ist. Man darf nicht vergessen, daß zur Erzeugung von Kälte Wärme gebraucht wird. Wärme aber fostet Geld. Wie hoch werden die Betriebs­foften, um einen dauerhaften Bau aus Eis selbst in der warmen Jahreszeit zu unterhalten? Hier dürften die Erfahrungen, die man bei der Bergung beschädigter Schiffe unter Zuhilfenahme von Eis­wänden gewonnen hat, einigen Aufschluß geben tönnen. Es handelt sich hier um ein Bergungsverfahren, das von dem Rigaer Ingenieur Stimull erdacht wurde. Dieses Verfahren, das verhältnismäßig fleine Eiswände benötigt, erfordert sehr starke Kälteanlagen, deren Be­triebskosten ziemlich groß sind.

Eis hat in der Technit also als Baustoff bereits Verwendung gefunden. Ob es aber in dem Ausmaße in wärmeren Ländern be­nutzt werden kann, wie Dr. Gerfe vorschlägt, das fann erst beurteilt werden, wenn wir mit großem Nuzeffekt billig arbeitende Gefrier­anlagen schaffen tönnen.