Der Abend
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B 72 49. Jahrgang
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Ernste Mahnung an Groener
Gefährliche Verhältnisse in Braunschweig - Wird das Reich für Ruhe und Ordnung sorgen?
Braunschweig , 26. März.( Eigenbericht.) Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Junte hat heute eine zweite Beschwerde. beim Reichsinueuminister Groener eingereicht, die mit zahlreichen protokollierten Zeugenaussagen und mit einer Reihe tontretem Beweismaterial versehen ist. In dem Schreiben heißt es u. a. wörtlich:
,, Die Entwicklung der politischen Verhältnisse im Lande Braun schweig birgt die Gefahr in sich, daß es in furzer Zeit zu ernsten Auseinandersetzungen zwischen Republikanern und Nazis kommen muß. Die Republikaner sind im heutigen Braunschweig vogelfrei. Täglich häufen sich die Ueberfälle auf Republikaner.
Zu mir kommen die Leute mit verbundenen Köpfen und suchen Hilfe gegen jene rohen Elemente, die infolge der Berhekung durch ihre Führer Leben und Gesundheit ihrer Mitmenschen nicht mehr achten. Als besonderes Beispiel führe ich Kreienjen an. Dort werden über hundert junge Leute zu gemeinsamen Surfen für mehrere Wochen zusammengezogen. Die Ausbildung zielt auf gewalt fame Betätigung hin. Zornentbrannt haben mir alte, gediente Soldaten, die ihren Mann im Felde gestanden haben, erklärt, daß sie, wenn wir nicht endlich für Abhilfe sorgten, felbft handeln würden. In Gruppen lauern die Angehörigen der SA- Schulen und die vielfach kriminellen Elemente der SA.- Kasernen vor allem in den Abend- und Nachtstunden nicht nur den friedlichen und unbewaffneten Republikanern, sondern überhaupt Andersdenkenden auf, um sie zu belästigen und mit gefährlichen Gegenständen zu mißhandeln.
In Braunschweig - Stadt haben sich die Nationalsozialisten zwei ,, leberfallwagen" angeschafft. Die Polizei versagt gegenüber diesen bandenmäßigen Ueberfällen, wie die beigefügten Zeugenausfagen bestätigen mögen.
Ich möchte Sie, Herr Minister, fragen, ist das noch ein polizeilicher Schuh, wenn der Kreisdirektor als Vertreter der obersten Polizeibehörde seines Kreises in einer Gemeinderatsjitung erklärt, gegen solche Ueberfälle, wie sie in Kreiensen auf den Konsumverein vorgekommen find, sollten sich die Ueberfallenen dadurch schützen, daß sie sich Holzläden vor ihren Fensteru anbringen lassen, und, wenn auch diese nicht helfen sollten, möchten sie sich in die hinteren dunklen Zimmer zurückziehen?
Müssen die Staatsbürger, die in Ruhe und Frieden leben wollen, ruhig zusehen, wie sie und ihre Familienangehörigen beschimpft, beläftigt und tätlich) angegriffen werden, ohne daß fie vom Staat, zu dem fie fich bekennen, den nötigen Schutz erhalten? Wie weit müssen sich die Verhältnisse noch verschlimmern, wenn heute schon ein Krcis= direktor die Frage aufwirft,
ob man in einer Gemeinde nicht eine Ortswehr bilden wolle, um sich gegen bandenmäßige Ueberfälle zu schützen?
Als Minister des Innern hat Herr Klagges, dem alle diese Vorfälle befannt sein müssen, sein Teil dazu beigetragen, daß die Unruhen im Lande Braunschweig nicht verschwinden. Die Noiverordnungen. erhalten durch ihn eine Auslegung, wie sie nicht den Absichten entsprechen, unter denen sie vom Herrn Reichspräsidenten erlaffen sind. Flugblätter, die im ganzen Reich genehmigt sind, werden hier verboten. Ebenfalls find Umzüge, die vom Reichsbanner zur Reichspräsidentenmaht angemeldet waren, verboten, während ungefehrt Umzüge der Nazis erlaubt wurden."
Zum Schluh bittet der Reichstagsabgeordnete Junke den Minister, das beigefügte Anklagematerial zu prüfen und für die Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung im Lande Braunschweig sorgen zv wollen.
Ein Tag der Familientragödien
Oberlandesgerichtsrat erschießt seine Familie, seine Geliebte und sich selbst
Jena , 26. März.( Eigenbericht.)
In der Nacht zum Karfreitag hat der Oberlandes: gerichtsrat Dr. Kurt Wilhelm Meurer seine von ihm geschiedene Frau, seine beiden Kinder, Knaben int Alter von 5 und 7 Jahren, seine Eltern, die befreundete Frau Dr. Rittweger, die er zu heiraten beabsichtigte, und sich selbst erschossen. Alle sieben Personen sind tot. Als Grund zur Tat werden unglück. liche Familienverhältnisse angegeben.
Am Gründonnerstag weilten die Opfer der Tragödie in Meurers Wohnung, wo man fich anscheinend zu einer letzten 3ufammenkunft vor der in Aussicht stehenden Trennung zufammen gefunden hatte. Um Mitternach wurden die Hausbewohner durch fieben hintereinanderfallende Schüffe alarmiert. Einige Nachbarn drangen sofort in die Wohnung Meurers ein, wo sich ihnen ein geradezu grauenhafter Anblick bot. In allen Zimmern lagen Tote mit Kopfverlegungen. Die Hausbewohner alarmierten sofort die Polizei, die schnellstens am Tatort erschien und feststellte, daß Meurer zunächst die drei Frauen im Wohnzimmer erschossen hat, dann feinen gelähmten Bater, feine Kinder und schließlich sich selbst. Der jüngere der beiden Knaben wurde in seinem Bett noch lebend, immerhin aber so schwer verletzt angetroffen, daß sein Zustand als hoffnungslos gelten mußte. Einige Stunden nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus wurde das Kind von seinen furchtbaren Qualen durch den Tod erlöst. Vermutlich hat Meurer, der von seiner früheren Frau und seinen beiden Kindern endgültig Abschied nehmen sollte, im legten Augenblick die Nerven verloren und in einem Anfall von Verzweiflung die Tat begangen.
Fahne", deren Erscheinen ursprünglich bis zum 30. März verboten Die Mordvilla in Jena , in der das furchtmar, ist um drei Tage verfürzt worden, so daß die Zeitung bereits micber am 27. März, also am ersten Osterfeiertag, erscheinen darf.
bare Verbrechen geschah
Meurer war 37 Jahre alt. Er war bis 1929 in Rudolstadt in Thüringen und wurde von hier an das gemeinschaftliche thüringische Oberlandesgericht in Jena berufen. Mit Frau Rittweger unterhielt Meurer engere Beziehungen, die im Februar zu seiner Scheidung und zu der Scheidung der Frau Rittweger führten.
Die ermordete Frau Dr. Rittweger stand in feinerlei ver= wandtschaftlichen Beziehungen zu dem früheren sozialdemokratischen Juftizminister in Thüringen Dr. Rittweger.
Die Borgeschichte der Tat.
Die Justiz pressestelle des Thüringer Oberlandesgerichts teilt zu der furchtbaren Starfreitagstragödie folgendes mit: ,, Die Fa milien der Oberlandesgerichtsräte Meurer und Rittmeger standen in freundschaftlichem Verkehr miteinander. Im Laufe der 3eit entwidelten sich daraus nahe Beziehungen zwischen Meurer und Frau Rittweger, die den Bestand beider Ehen gefährdeten. Beide Ehepaare beschlossen, in Frieden auseinanderzugehen und die Ehen zu lösen. Das Landgericht in Weimar schied im Februar dieses Jahres beide Ehen. Meurer wurde an das Amtsgericht in Altenburg versetzt, wo er am 1. April seinen Dienst antreten sollte. Er beabsichtigte, in nächster Zeit Frau Rittweger zu heiraten. Seine geschiedene Frau wollte Anfang April beim Umzug den Eltern ihres Mannes helfen, die mit ihm in einem Haufe wohnten. Dann wollte sie mit ihren beiden Jungen nach Rudolstadt ziehen. Die verschiedenen Umzüge waren bereits in die Wege geleitet. Die Unterhaltsfragen waren geregelt. Was Meurer unter diesen Umständen zu seiner unseligen Tat getrieben
hat, ist unerflärlich."
Zum Berlauf der Tat ist ergänzend zu melden: Im Wohnzimmer waren gegen Mitternacht mit Meurer die drei Frauen auwesend, die er zuerst tötete, ehe er dann in den anderen Räumen sein blutiges Werk vollendete und dann gegen sich selbst den Revolver richtete. Die beiden Kinder lagen bereits in ihren Betten, als der Vater die Waffe gegen fie richtete.
Bei allen Personen ist der Tod durch Kopfschüsse eingetreten. Die beiden jüngeren Frauen ffanden in den dreißiger Jahren. Die Eltern stammen, wie wir erfahren, aus Gotha , wohin fie nach Auflösung des Haushalts ihres Sohnes zurüdfehren wollten.
Wahnsinnstat einer Mutter.
Schwangere Mutter und drei Kinder erhängt aufgefunden! In der Bergstraße 9, unweit des Stettiner Bahnhofs, spielte sich in der Nacht zum Karfreitag eine furchtbare Tragödie cb. Die 33 Jahre alte unverheiratete Klara Engwicht erdroffelte ihre drei unehelichen Kinder im Alter von bis 7 Jahren und hängte die kleinen Leichen dann auf. Nach der graufigen Tat legte die Kindesmörderin selbst Hand an sich. Die Frau war erneut, und zwar im achten Monat schwanger, und da fie der Vater des zu erwartenden Kindes hatte sißen lassen, darf man annehmen, daß fie die unselige Tat aus fieffter Berzweiflung begangen hat.
Klara Engwicht bewohnte mit ihren drei Kindern im Hause Bergstraße 9 eine aus Stube und Küche bestehende Mansardenwohnung Bis vor turzer Zeit stand sie in Beziehungen zu einem Manne, der ihr auch die Ehe versprochen hatte. Als sich aber Folgen des Verhältnisses zeigten, perschwand der Liebhaber plöplich. Aus Verzweiflung über die abermalige Enttäuschung scheint in der Unglücklichen der Entschluß gereift zu sein, aus dem Leben zu scheiden und die Kinder mit in den Tod zu nehmen. Die Tat wurde am Karfreitag gegen 11 Uhr entdeckt. Hausbewohner wun derten sich, daß sich in der Mansardenwohnung nichts regte. Do Klara E. schon einmal Selbstmordabsichten geäußert hatte, stieg ein Mieter auf das Dach und sah in die Wohnung hinein. Hier entdeckte er die furchtbare Tragödie. Da es zuerst den Anschein hatte, daß ein Verbrechen vorlag, wurde die Mordkommission alormiert. Die Untersuchung ergab jedoch, daß die unglückliche Frau zuerst die Kinder erdrosselt und dann Selbstmord verübt hatte.
Die 33jährige junge Mutter war ehemals Reinemachefrau bei einer Möbelfirma und mußte ihres Zustandes wegen die Stellung