Einzelbild herunterladen
 
iUeilage Sonnabendj 26. März 1932
Dm'Abnii) SiiaJaiagaß» Ibwifü
Die Ostersonne scheint rot Zu einem Bilde Alfred Kubins** Von Gorhart Herrmann Mostar
2Im Abend kam ein reicher Mann... und legte Jesum in sein eigen neu Grab, welches er hatte lassen in einen Felsen hauen, und wälzte einen großen Stein vor die Tür des Grabes, und ging davon..." Unter bösen Sternen friert das Grab. Seitab chockt des Gerichteten Mutter. Sie wirft sich nicht stöhnend übe? die Platte aus Stein; Dazu ist ihr's zu fremd. Weil es ein Reicher gab. Mächt's doch ein Hügel aus Sand Mit ein paar dürftigen Kränzen drauf s«n, Wie ihn noch jeder der ihren fand: Er wäre ihr nah, Er wäre säst eine Heimat und beinah ein Trost. Doch sie entreißen ihr noch seinen Sarg. So wie sie immer ihn van sich gerissen sah. Als er noch lebte. Vielleicht hat sie allzu wenig mit ihm gescherzt und gekost, Vielleicht war ihre Liebe zu karg, Daß er dann überströmte von Zärtlichkeit Für alle die andern? Wer immer klebte Der Schweiß der Armut an ihren rissigen Händen; Not hieß wandern: Ctab's je zum Verweilen Zeit. Konnte man Ucberfluß spenden? Nun steht sie aus. Ihr 5)aar weht weiß wie eine zerrüttet« Zahne. �hr Greisenatem pfeift in der kranken Lunge. Der da nun liegt: Für andere ist er Verbrecher gewesen Oder auch Heiliger. Drum haben sie ihn geliebt und gemordet. Für sie war er nichts als ihr Junge. lind ihr Junge ist tot. Nicht in der Wiege gestorben, Nicht an Krantheit verdorben, Wie die Söhne der Schwestern; .Vor dou Richter ge.lstKl,...... Von Nägeln zerielzr.. Gestern erst, gestern... Spll sie weiter sein, .Heute und morgen und immer, in Nächten und Tagen Sein, was sie war: Waschen und nähen und schuften für die, Die ihr Junge geliebt, und die chren Zungen erschlagen Soll sie dienen und nicht ins Gesicht ihnen fpei'n? Lieber mit den Nägeln die Erde aufgraben, Tief, bis zu ihm hin, lind an ihn gepreßt Sterben da drin Aber sie haben Den Stein gelegt, der sie nicht zu ihm läßt... Nun sieht sie ein Kraut auf d.er Erde por sisrem Fifß- Vorgestern hat tie Sonne geschienen: Da wollte es blühn. Es war noch grün, Als die Nacht als diese Nacht begann; Es war wie von drunten ein Gruß... Nun ist Frost gelommen Und das Grün ist verglommen Und das Kraut ist erfroren... Ach, es ist überall Tiefs? Es fließt ein Vach da herab, Auch wohl so tief wie ein Grob Wenn man da schliefe...? Der Tag erglimmt. Sie wird ihn nicht mehr durchleben. Sie hat sich's bestimmt. Es ist ausgerungen. Sic wird sich ergeben. Sie streichest den fremden Stein der Gruft: Schlaf wohl, lieber Junge" Und geht. ' Der Hauch ihres Mundes blüht weiß in die Luft Und verweht...
Und sie sprachen untereinander:Der wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?" Sie geht chren Weg mit den weiten Schritten Derer, die morgqns zzur Arbeit gehn- Eine. legte Arbeit muh noch geschehn: Dann ist ausgelitten. Jeojtruten peitschen ihre Hönde rot. Frostnadein schneide» tief in chr Gesicht. Sie ist's gewohnt. Sie ochfet's nicht. Nah ist das Wasser. Nah der Tod. Sie steht am Bach. Die müden, schweren Füße werden leicht. Wie sie zum Sprung sie hebt. Noch einmal werden ihre Augen wach, Sie blickt... und weicht... Und bebt
Dg ist kein Wasser, das sie nehmen könnte Ein Stück hinab Und sinken lasten damr und streichelnd sterben Da ist kein Grab Da ist der Frost gekommen Und hat das Waster genommen In seine kalten Hände Und hat gerufen den Wind aus Norden, Da ist dos Wasser Eis geworden, Eis ohne Ende, Eis ohne Fließen, Eis, das höhnisch klirrt unter hämmernden Füßen, Eis. das sich verweigert starr und still Und sich nicht auftun will...
Vom Muud der Mutier wimmerndes Schrei'n: Auch hier der Stein, Der Stein übexin Grab, Läßt keinen hinqb... Stein d-e frostharte Erde, Stein der vereiste Bach, Stein selbst das Naß ihre? Augen, Das in den Furchen der Wangen gefriert...
Was sei, was werde: Dem Bache   nachl Vielleicht mag er unten zum Tode taugen, Wo er breiter und mächtiger wird!
Ufsrob gehärmt, gehetzt, gehastet, Steh nicht, zitternder Fuß, Dem Leben kein Gruß, Im Tod erst gerastet! Hasten, hasten, Wohn im Blick Längst ist schon der Bach zum Fluß geworden, Schneller doch lies noch der Wind aus Nordel?, Nahm das Waster und gibt's nicht zurück... Acker und Koppel. Welle und Wald Vom Tod verflucht Eine verschmäht er: Die ihn sucht... Später und später, Abend, stacht, Sterne jtgrrn auf die irre Gestalt, Eine heisere Krähe locht... Versunken die Kreuze auf Golgatha. Immer ferner der Tod. und das Leben nah, Das schmerzende, sinnlose Leben---
Da weht es lau. Da decken Wolken die Sterne zu. Da wird es weich unterm schlurfenden Schuh. Da seufzt der Schnee und wird grau. Da ist im Ms Heulen und Beben
Da schrillt ein Ruf aus der Mutter Mund, Irre, wirre, selig, wund: Tau... Tau... Tau
Sic fanden aber den Stein abgewälzet von dem Grabe..." Zurück den Weg!» Da, wo dies alles begann, Wo die drei Kreuze stehn, Dran sie drei Menschen hat sterben sehn, Und der eine davon war ihr Zunge Wo sie stand, das Tuch vor den Mund gepreßt, Ihr Blick in seinem ausquellendcn Blick, Und gelitten hat, was sich nicht sagen läßt Dorchin zurück! Dort war ein Steg, Den grüßten die Kreuze, leer von Leibern, Weicher... Dorthin n?tt dir, du traurigstes unter den Weibern  . Dort wird der Sprung der letzte Sprung nicht schwer. Der Wind ward Sturm. Das Eis heult astf, wie er es johlend stampft. Der Himmel dampft Von jagenden Wolken. Fahl leuchtet die Frühe. Sie steht und wartet und zittert nicht. In ihrem Gesicht ist steinerne Ruh. Wenn das Eis da unten zerschmilzt, zerbricht: Dann noch die kleine Mühe, Dynn, Mutter, heimzu! Jetzt unter der Brücke Im schmelzenden Eis Eine winzige Lücke. Weite dich, enge Pforte, zum tiefen Grob, Weite dich, . Bereite dich,'. 'Niiitin uttch piob'!'....'v'r. Doch ist da nicht Lehen, Leben im sprudelnden Kreis? Sichschlängeln, Sichheben. Silbernes Schuppengcgleiß, Auftauchen, Aufschnappen von stummen Mündern: Fische...? Fische. Die waren eingefroren. Die hatten schon fast das Leben verlöre??. Nun atmen sie gierig die kostbare Frische. Nur ein paar Fische. Und dort...? Vom Baume Ein Vogel herab Ein Vogel, für den es kein Wasser gab, Weil Frost war. Nun schlagen die Flügel schwer überm engen Rau?!?e In? Eis Nun trinkt der Schnabel wenn sich die Stürme verlören, Könnfe nion's hören. Wie's gluckst ganz leis... Nur ein Vogel. Sonst nichts. Wer die Mutter steht wachen Gesichts. Hie war's mit dem Jungen? Warum verließ er dich einst, Die du nun um ihn weinst? Wem gab er fein Leben? Wird es nicht immer Aieltauscnde geben, Die ersticken müssen im tödlichen Eise Und Luft brauchen zum Atmen? Wird es nicht Dürstende gebe??, millionenweise. Die trinlen Müssen? War sie nicht selbst unter ihnen... kam er nicht selbst daher Und wostte ihnen drum dienen, Und wäre dies Dienen auch schwer...? Die Mutter, die sterben wollte, Nimmt einen Stein, Hämmert aufs Eis. daß die Lücke sich weiten sollte, Aus daß noch mehr Fische atmen können, Auf daß noch mehr Vögel trinken köimcn Und nun zu den Menschen! Sie grüßte den Bach und die Kreuze und gii?sj zur Stadt Eine Arbeiterin, die weiß, daß sie zu schaffen hat. Eine, die ahnt, wie sie sein Werk verfälschen werden, Die Freien und Satten aus Erden. Eine, die da will tragen ihr einsames Leben und seinen traurige.. Tod Für die, die da dürsten in Armut und die ersticken in Not. Ueher entfesselte Wellen tanzt leuchtend ein erster Schein. Vom Grab der gekreuzigten Welt hebt sich der'astende Stein. Die Wolken vergehn. Die Ostersonne scheint rot.