Nr. 150 49. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Seltsame Nachnahmesendungen und das Dunkel um die Aprilmiele.
2m kommenden Monfag wird der zweite Gang im Kampf un den Relchspräsidenten felnen Anfang nehmen. Es gilt, Hitler eine noch empfindlichere Miederlage beizubringen als am 13. März. In zehn Tagen wird die Eiferne Front abermals Trumpf spielen. Dabei würde der zweite Gang einen erheblich geringeren Kraftauf. wand erfordern, wenn nicht Hemmuiffe zu beseitigen wären, die bei einigem Fingerspihengefühl für die Stimmung der Maffen gar nicht zu existieren brauchten. Wer aufmerksam durch die Straßen Berlins geht, wird unschwer folgendes heraushören:
Durch die vierte Rotverordnung ist der Borauszahlungsfermin für die Einkommensteuer vom 10. April auf ben 10. März porberlegt worden. Die Steuerzahlungen find also diesmal einen Monat früher zu entrichten. Nun besteht darüber kein Zweifel, daß bei dem ohnedies verringerten Steuerauf Tommen bas Reich dringend der veranlagten Gelber bedarf. Und die
| Finanzämter fid) bis nor turzem solchen Bitten gegenüber faft nic verschlossen haben. Heute bekommt der Bittsteller nur ein vorgebrudtes Formular als Antwort, in dem es heißt, daß dem Stun dungsantrage nicht antiprochen werden tann. Dann wird weiter gesagt: 3d uurß Sie vielmehr ersuchen, zur Bermei dung der zwangsweisen Beitreibung die am 10. März 1932 fällig gewordenen Beträge nunmehr umgehend an die Finanzkaffe au zahlen." Das haben ja die Steuerzahler auch schon vorher gewußt. Es ist verständlich, wenn dabei selbst dem Sanfmütigsten die Galle
überläuft.
Es nupt nicht viel, wenn die Finanzämter bei ihrem scharfen Borgehen darauf hinweisen, daß sie wir Anordnungen höherer Stellen befolgen. Dieses Alibi ist schwach. Es ist bekannt, daß in der entscheidenden Gesamtvorstandssigung des Deutschen BeamtentBundes neben den Lehrern es gerade die Steuer- und Zollbeamten
Donnerstag, 31. März 1932
Zentner schwerer filberner Tafelaufsatz aus dem Schloß in Dresden geblieben ist, meiß Berbel nicht Ein Aufsatz aus Bronze mit Sepres Borzellan, der 18 000 m. loftete, murde für 500 Mt. losgeschlagen. Der Gerichtsvollzieher war außer sich. Nicht aber Herr Berbel. Er ersteigerte ja die Gegenstände und viele davon gingen in den Besitz Der Herren Bankdirektoren über.
Zwei neue Altersheime.
3n Steglih und Spandau.- Berlin forgt trotz Finanznot. im Bezirk Steglitz , Rüdertstraße 103, fertiggestellt worden, dessen Errichtung die Stadtverordnetenverfamnilung am 27. November 1980 befchloffen hatte. Die Bewirtschaftung und Belegung bes Heims, das inzwischen auch bezogen morben ist, ist Aufgabe des Bezirksamts Steglitz . In dem Heim finden hauptsächlich kleinund Sozialrentner Aufnahme, und zwar in erster Linie solche, die eine Altwohnung zur Verfügung stellen. Da das Heim bereits in Betrieb genommen worden ist, hat sich der Magistrat ausnahmsweise mit einem für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März einverstanden erklärt, der in Ein
3m Januar ist der Neubau des Rentnerwohnheims
pintilichsten Steuerzahler find noch immer die Massen der Lohn waren, die fich mit aller Straft dagegen wandten, daß der Deutschenahme und Ausgabe mit 5300 M. abschließt. lleber ihn geht jetzt
Aber
und Gehaltsempfänger, die ihren Steuerobulus erst gar nicht in die Hände betonunen; der wird ihnen vielmehr gleich bei der Sohn. und Gehaltszahlung in Abzug gebracht. Es soll audy tein Steuer drüdeberger mur entfernt in Schutz genommen werden. es tönnen bei der heutigen Not der Zeit genug Falle eintreten, in benen auch ber Steuermillige nun einmal am Fälligkeitstermin feine Rate nicht auf den Tisch des Finanzamts oder der Steuerfajse Legen fann. Diese Fälle gibt es zu Tausenden.
Run berührt es eigenartig, mit melcher Härte gerade in diefen Tagen bie Steuern eingetrieben merden. So lassen bie Finanz ämter Nachnahmen hinausgehen, die innerhalb fieben(!) Stunden einzulösen sind. Jede Nachnahme trägt den Bermert: ohne Lagerfrist. Sonst haben Nachnahmen eine Woche Bagerfrist, der Schuldner hat sieben Tage Muße, fich bas nötige Gelb zu beschaffen, noch in legter Stunde fann er die Nachnahme einlösen. Auf den Benachrichtungen über die Steuernachnahmen aber steht als zweiter Vermert: einzulösen bis nachmittags 5 Uhr. Und vormittags um 10 Uhr erft hatte der Bostbote die Nachnahme präsentiert. o sollen denn proletarisierte Mittelständler innerhalb fieben Stunden beispielsweise 100 m. auftreiben? Die Nachnahme geht also uneingelöst zurück.
Die Folge ist, daß sich der Steuerzahler an sein Finanzamt mit der Bitte um Shunbung mendet. Es ist anzuerkennen, daß Sie
Die Raiffeisen- Direttoren. Beginn der Beweisaufnahme im Uralzeff- Prozeß. Uralzett hat gebroht: Ich werde auspaden. Er hat erklärt: Nicht ich, fonbern bie Raiffeisen- Direttoren gehören auf Die Anlagebant. Und schon ber erste Tag der Beweisaufnahme fcheint seinem Anflagenpathos redyt zu geben. Die deutschnastoa naien Raiffeisen Bantbirettoren tommen erst in den nächsten Tagen vor den Zeugentisch. Die Aussage des Angestellten der Raiffeisenbanf, 3erbel, über die Pragis dieser Bank in der Uralzeff Affäre, war aber schon gestern für feine Chefs geradezu nieberschmetternb. Unglaublich, mie sie mit den Sicherheiten umgingen, die fie für die an Uralgeff hingegebenen Millionen erhalten hatten, Herr Berbel hatte 11. a. am 1. September 1924 die Sicher heiten geprüft, bie in Form von Chemikalien im Werte von einer halben Million bei dem Hamburger Spediteur Rodh lagerten. 632 Riften follten es laut übergebenen 2agerscheinen fein. 106 maren zur Stelle. Was tann ich dafür, jagt Ural 3eff. Es war Gache der Raiffeisenbank dafür Sorge zu tragen, daß die Sicherheiten unversehrt da maren. Es wurde eben bei dem Spediteur Roch gestohlen. Tatsächlich ist so ein Beamter wegen Diebstahls entlaffen worden.
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von
ROMAN S.Rosenfeld
bruch
Aus dem Russischen übertragen von Werner Bergengruen . Am nächsten Morgen erflärte beim Berbanomechsel der Doftor ausführlich und geheimnisvoll mit allerlei medizinischen Fachausbrüden dem Sanitätsunteroffizier, auf welche Weise Rezidine solcher phlegmonartigen Entzündungen entstehen
tönnen.
In der Barade nebenan lag ein Kranker mit Blinddarm entzündung. Sein Bech bestand außerdem darin, daß der Sein Bech bestand außerdem darin, daß der Arzt ihn vom Augenblid seiner Einlieferung an nicht ausstehen fonnte. Stöhnend und jammernd bat der Patient immer wieder, man möchte ihn doch ein Urlaubsgesuch ein: eine Klinik gab. Aber der Doktor, der gerade vor seinem Bett stand, schrie ihn an:
Mein, Bruder, damit hast du kein Glück. Entweder operieren wir dich hier oder du verrecst hier! Natürlich, der Kleine will zu seiner Mutti! Ich will dir die Mutti schon aus treiben. Hör auf zu wimmern, bist doch kein altes Beib!"
Dieser Arzt, der zeitweise den Regimentsarzt vertrat, war ein brutaler, grober und fast immer betrunkener Mensch, der fogar in Gegenwart der Sanitätsunteroffiziere damit renommierte, daß an ihm Hopfen und Malz verloren sei und er niemals hinter die eigentlichen Geheimnisse der Medizin tommen werde. Er entließ völlig ungeheilte Krante zu ihren Truppen teilen, Krante mit hohen Temperaturen, verwechselte Dia gnosen und Arzneien und schimpfte wie ein Feldwebel. Gegen Ende meines Lazarettaufenthalts tam der Regimentsarzt Wischnewsti vom Urlaub zurüd, ein tenntnisreicher, gewiffen hafter und menschlich dentender Arzt. Streng im Gespräch mit den Patienten, war er in Wirklichkeit voller Teilnahme für jeden einzelnen und ließ sich nie etwas zuschulden kommen. Den geschilderten Doktor Lewigti ließ er energisch abblizen
ausgibt. Und man tann fich oftmals des Einbruds nicht erwehren, als ob ber Steuerbrud bestimmten Beamten cliquen nicht scharf genug fein tann. Im Hintergrund steht Hitler und wartet auf das Reifen der Saat. Vielleicht unbemußt find die Finanzämter die probatesten Berbebüros für den Faschismus.
Hehnliche Ungejchidlichkeiten werden bei der Hauszins steuer gemacht. Hunderttausende von armen Berlinern genießen eine verbilligte Miete, da ihnen erfreulicherweise die Zahlung der Hauszinssteuer erlassen ist. In ben nächsten Tagen beginnt ber Abbau der Hauszinssteuer. Und Hunderttausende armer Berliner Familien zittern barum, baß ihnen mur ja nicht am 1. April bie Miete erhöht wird. Denn sie haben einfach die 5 M. nicht, die sie dem Hauswirt mehr aufs Brett zahlen müßten.
Die Kuhnießer dieser Dinge sind die Feinde der Republif. Noch immter furftert das Märchen, bag 117 000 Gerichtsvollzieher bei der Arbeit sind, den Leuten das letzte Semb vom Leibe wegzu pfänden. In Wirklichkeit hat Preußen 2141 planmäßige und 290 außerplanmäßige Gerichtsvollzieher. Aber es besteht die Gefahr, daß man tauben Ohren predigt. Denn soviel steht fest: vierzehn Tage vor der Wahl eine Art Steuertrieg zu entfeffeln, das war nicht nötig.
Am 1. Februar ist auch in Spandau eine neues Altersder Stadtverordnetenversammlung eine Borlage zu. worden, das ebenfalls mit Klein- und Sozialrentnern belegt wird.. wohnheim in der Melanchthon Ede Adamstraße eröffnet Dieses Heim, dessen Errichtung die Stadtverordnetenversammlung in ber gleichen Sigung beschloffen hatte, wird durch das Bezirksamt Spandau belegt und bewirtschaftet. Es bildet einen Anbau an das Friedrich- Wilhelm- Bittoria- Bürger- Hospital, das schon seit Jahren als Altersheim benutzt wird. Auch für dieses neue Heim hat der magiftrat für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1932 einen Saushaltsplan aufstellen müssen, der mit einer Einnahme von 1830 Mart und mit einer Ausgabe von 3400 M. schließt und über ben jetzt ebenfalls der Stadtverordnetenversammlung eine Vorlage zugeht.
Gefängnis für Roheitsaft.
Dreizehnjährigen überfahren und hilflos ausgefeht.
Die unglaublich rohe Handlung des Händlers Lippich, der am 27. November v. 3. den dreizehnjährigen Heinz Brei mit seinem Auto überfahren und den schwerverletzten Jungen in hilflosem Zuftande kurzerhand ausgeseigt hatte, stand gestern vor dem Schöffen gericht Berlin- Mitte zur Berhandlung. Kaum glaublich, daß ein Mensch, der im Kriege selbst verwundet morden ist und der missen mußte, was Berlegungen für Folgen haben können, wenn nicht sofort eingegriffen wird, so handeln fonnte.
Der Händler Lippich fuhr am 27. November, wie üblich, mit seinem mit Gemüse beladenen Magen non Berlin nach Nowawes . Etwa anderthalb Kilometer vor Bannsee erfaßte der Wagen den Stnaben Heinz Brei und schleuderte ihn zu Boden. Der Händler fchilbert nun ben Borfall wie folgt: Er stieg aus, fegte den im Gesicht blufenden Jungen neben sich auf den Fibrerfis, war aber faum 500 Meter gefahren, als der Berlegte, der bisher ganz apathisch bagefeffen hatte, plöglich verlangte, das Auto zu verlassent. Er rebete thm gut zu, der Junge ließ sich aber nicht beruhigen, und so half er ihm vom Auto herunter und fuhr weiter. In Nowawes meldete er den Unfall nicht bei der Polizei, sondern trant sich tlichtig einen an und wurde erst später am selben Abend noch von der Bolizei verhaftet. Den Jungen fand man einige Stunden später hilflos auf der Straße liegen. Man brachte ihn mit schweren Berlegungen ins Hubertusfrankenhaus. Die verspätete ärztliche Hilfeleistung erschwerte die Heilung. Es lag die Gefahr einer Beinamputation nahe.
Die Raiffeisenbant hat meine Sicherheiten verschleudert, die Direttoren haben die Werte für sich zu einem Spottpreis erworben, fagte Uralzeff und hat damit recht. Der 3euge 3erbel bestätigt: In Hamburg lagerte Tabat im Werte von 300 000 m. Bei der Bersteigerung der Sicherheiten wurde der Tabat einfach übersehen; die Bant hat feinen Pfennig Gegenmert erhalten. In Rotterdam lagerten. Anilinfarben, alfo ein Börsenartikel im Werte von 800 000 Mart. Uralgeff nannte eten Borteilhaften Stäufer. Der Sohn des Raiffeisenbant- Direttors Dr. Biglow betam aber 5 Broz. von dem Berkaufspreis. Natürlich erhielt fein Räufer den Borzug. Die Anilinfarben wurben für 77 000 2. verschleudert. Uralzeffs Billeneinrichtung war von der Raiffeisenbant selbst auf Million geschäßt; es gab da u. a. 110 echte Berfer teppiche , äußerst wertvolle Delgemälde, darunter ein großer Ban Dyd und ein Berrugin, zwei merinolle Münzensammlungen usw. Die ganze Wohnungseinrichtung, im Werte non 1% Million wurde im Pfandhaus Schönhauser Straße vom Gerichtsvollzieher für, fage und schreibe, 50 000 m. persteigert. 15 000 m. davon erhielt das Finanzamt, 35 000 m. die Raiffeisenbank. Herr Zerbel sollte die Sachen für die Raiffeisenbant ersteigern. An einen wertvollen Van Der kleine Heinz tonnte über den Vorfall nichts aussagen; es Dnd erinnerte er sich nicht. Die Teppiche wurden je nachdem für fehlte ihm jede Erinnerung. Er behauptete mit der nötigen Vor125-2500 0. vertauft, darunter auch ein sehr großer Berferteppich), fidyt über die Straße gegangen zu sein. Der Händler Lippich für den 20 000 Dollar gezahlt worden waren. Wo ein mehrere i blieb dabei, daß der Knabe ganz plößlich aufgetaucht sei. Er habe
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und nahm den Mann mit der Blinddarmentzündung unter feinen persönlichen Schuß.
Meine Ankunft beim Regiment hatte sich herumgesprochen, und so tamen Landsleute aus verschiedenen Stompagnien zu mir zu Besuch. Einer von ihnen rasierte mich. Bon ihnen erfuhr ich, daß der Dienst sehr schwer mar und daß man bei den Offizieren und Feldwebeln nichts zu lachen hatte. Nur in der sechzehnten Rompagnie gäbe es einen anständigen und mohlwollenden Kompagniechef namens Tschaika, aber es werde mir taum glücken, dorthin zu kommen.
Als ich mich nach der Entlassung aus dem Lazarett in der Regimentskanzlei meldete, erkannte der Adjutant mich nicht wieder:
,, Aber der hatte doch damals so einen schauberhaften Bart, und jetzt sieht er aus wie ein junger Bengel!"
Ich fragte ihn, ob ich nicht zur sechzehnten Kompagnie fommen dürfte, ich hätte dort so viele Landsleute. Ohne weiteres erfüllte er meine Bitte.
Im sehr großen Hof des vierten Bataillons standen schnurgerade hintereinander vier hölzerne einstöckige Gebäude, die das Rasernement der vier Rompagnien bilbeten. Die Kaserne der sechzehnten Kompagnie war die äußerste und stieß an einen Pleinen Garten, der bereits an die Straße grenzte. Im Innern waren die Räumlichkeiten nicht gegeneinander abgegrenzt, und die vier Züge waren zu je vier Korporalschaften auf die zweistödigen Britschengestelle verteilt. Die ganze Kompagnie hatte gerade Dienst. Ich saß am Fenster auf einer Bank und las die Inschriften auf den Kasernenwänden, in denen von früheren Siegen des Regiments berichtet murde. Wenn auch nur ein Teil davon stimmte, so mußte das Regiment sich in der Tat unerhörte triegerische Berdienste erworben haben. Als die Kompagnie einrückte, wurde ich zum Feldwebel in die Schreibstube befohlen. Er saß auf einem Schemel und hatte die Müze ins Genid geschoben. Ein blonder, rosiger Mensch mit buschigem Schnurrbart und grauen Augen, ein typischer Feldmebel oder Wacht meister, ein geradezu flassischer Sechzehnender", wie beim Militär die Kapitulanten genannt wurden.
"
Wo fommst du her? Wo warst du? Warum haft du dich zu spät gestellt? Halte den Mund, wenn ich mit dir spreche!"
Er überschüttete mich mit einem Haufen von Fragen. Wollte ich aber antworten, so schrie er sofort:
..Schnauze halten! Was soll das Gequatsche?" Als er mich nach meinem Heimatsgouvernement, nach
| meinem Familiennamen und Zivilberuf frage, wagte ich nicht zu antworten. Augenblics wurde ich daraufhin angeschnauzt, weil ich den Mund gehalten hatte. Eine sonderbare Situation: offenbar verstanden mir einander nicht. Die Situation hätte einer Erklärung bedurft, aber wenn ich auch nur ein Wort zu sagen versuchte, so entfesselte ich damit einen Sturm der Entrüftung und verstummte abermals. Wie sollte man da miteinander ins flare fommen?
Dieses erste Zusammentreffen mit dem Feldwebel war recht unangenehm, sogar für mich, der doch an allerhand gemöhnt und auf allerhand vorbereitet war. Indessen tröstete ich mich damit, daß ich ja nicht der einzige war, und daß der Umgangston des Feldwebels gegenüber den anderen wohl jo ziemlich der gleiche sein würde. Als ich erst gehört hatte, wie der Feldwebel mit den Zugführern umging, die doch ebenso. wie er selbst Bortepeeunteroffiziere waren, da begriff ich, daß man sich hier vor allem auf das hinunterschlucken verstehen mußte, daß es offenbar nicht anders ging, und daß die Art, in melcher der Höherstehende sich über den Untergebenen luftig macht, sich leicht aus der Tradition erklären ließ, und diese Tradition wiederum war erwachsen auf dem Boden der Rechtlosigkeit des gemeinen Mannes und der Unmöglichkeit, | den Beschwerdeweg zu beschreiten, obwohl es gesetzliche Beſtimmungen über das Recht der Beschwerde gegen Vorgefetzte gab.
Geweckt wurde um drei bis vier Uhr morgens. Die schläfrigen, noch nicht zu vollem Tagesbewußtsein erwachten Leute, die noch kaum die Augen offenhalten konnten, wurden über den ganzen Rojernenhof geheßt, hin und zurück, damit ihnen endgültig der letzte Schlaf auf den Knochen gejagt wurde. Darauf begann der Dienst, Schießen, Gewehrgriffe, Turnen und dergleichen. Dazwischen gab es allerhand Ahfommandierungen zum Arbeitsdienst: zur Küche, zum Fegen des Hofes, zur Latrinenreinigung und dergleichen.
Im Laufe des Tages wurde sehr oft gebetet. Morgens, vor dem Mittagessen, nach dem Mittagessen, vor dem Abendeffen, nach dem Abendessen und vor dem Schlafengehen mußte laut im Chor gebetet werden. Gemeinsam wurde das ,, Gott , sei des Zaren Schutz!" gesungen. Um neun Uhr, nach dem Appell, hätte man eigentlich schlafen gehen sollen, aber der Feldwebel zwang die Kompagnie von sich aus, noch allerhand Lieder zu singen. Er versammelte uns freisförmig um fich, mitten in der Kaserne, und gab den Rhythmus durch Kopfbewegungen an.
( Fortsetzung folgt.)