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Ivan Heilbut: Abenteuer in Berlin

( Schluß.)

Emil folgte ihm in die Küche, wo Frau Pfaff mit ihrem Toch terchen das Mittagsgeschirr abwusch. Das Kind strahlte Emil mit goltnem Haar und Berliner Blauaugen an. Frau Pfaff rief aber lachend: Nun, wer von Sie beiden ist nun der Dichter?"

Ich", sagte Henry. Würden Sie uns eine besonders große Kanne Kaffee tochen, Frau Pfaff?"

Schön", sagte Frau Pfaff.

,, Emil hat nämlich besonderen Durst, und außerdem wollen mir feiern: Emil hat Stellung! Er zieht eine Uniform an und wird Portier in einem Lichtspieltheater am Kurfürstendamm . Das ist ein Posten, den sich mancher wünscht!"

Das glaub ich," sagte Frau Pfaff, die Uniform wird Sie mohl gut zu Gesicht stehen."

Die Uniform," sagte Henrn, ist Nebensache. Hauptsache, Frau Pfaff: Run tönnen wir alle umsonst in's Kino gehen, Frau Pfaff. Gie müssen mir fagen, an welchem Abend der Woche Sie wollen." Am Sonntag, fagte Frau Pfaff fofort. Auch die Kleine meldete sich aufgeregt zu Wort.

her etwas, wo man das Mädchen mitnehmen fann", bat Frau Pfaff.

Da sucht Emil schon das Richtige aus. Was, Emil tust du doch für Frau Pfaff?"

Ja," sagte Emil, gern."

Die Kleine zog ihre Mutter am Rock.

Stud wollen Sie nehmen?" fragte Henry fast. Sprechen Sie nicht so laut." bat Herr Pfaff. menn ich mir etwas geftatte, muß ich meiner Frau auch etwas gestatten, und wenn ich mir nichts verbiete, tann ich ihr auch nichts verbieten. Wieviel haben Sie denn abzugeben?" ,, Das kommt auf Sie an", meinte Henry. Bu zmanzig bis dreißig Stück würde ich mich entschließen", sagte der fleine Friseur. Das ist natürlich zu minimal," sagte Henry, ,, mit falch lächerlich fleinen Quantitäten fann ich meinem Mann unmöglich kommen."

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,, Was meinen Sie denn, wieviel er mindestens abgeben wird?" Unter fünfzig Stück geht es unmöglich," entschied Henry ,,, mit weniger als einer Kiste lohnt es sich nicht."

Der Friseur fragte sich auf dem Kopf. Das wären also pier Mart und fünfzig."

Das ist aber weiß Gott teine Summe für fünfzig dicke Brafil", fand Henry. Nein, das nicht," sagte der Friseur, aber ich muß das Geld aus einem Kuvert nehmen, das an einem Ort erstedt ist, wo niemand es finden tann. Meine Frau natürlich fennt das Bersted, und wenn sie etwas merkt, dann muß ich ihr wieder etwas erlauben."

Da weiß ich etwas einfaches", sagte Henry. Ich bezahle das Ihnen jetzt vier Mart und fünfzig von der Miete, das ist wie durch Zufall genau die Hälfte. Und die fünfzig dicken Brasil, die ich Ihnen liefern werde, machen die zweite Hälfte aus."

,, Wir kommen jeden Sonntag in's Kino," freute sich Frau Pfajf. auf den Kurfürstendamm ."

Emil zur Kleinen: ,, Was möchtest du denn im Kino sehen?" Henry zu Frau Pfaff: Aber bis Emil im Engagement ist, wo er abendlich dicke Gelder, Trinkgelder, bezieht, müssen wir leben, Frau Pfaff. Sie müssen uns einen Zehner leihen."

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Ilm Gottes Wiffen, letje!" flüsterte Frau Pfaff, und schielte über den Flur zur Tür, die zum Laden führte. Das fenn ich nicht," sagte sie ,,, nein, das geht nicht." ,, Aber eine Hand wäscht doch die andere", meinte Henry. Wenn es nur fünf Mart wären mir richteten uns dann eben beim Essen ein." Ich würde Shnen ja gern täglich zu effen geben," flüsterte ste,., aber das geht nicht. Mein Mann.. Wenn der merkt, das Sie knapp sind, hängt er das Echild wieder raus." Ich mußte es ja," sagte Henry erleichtert, Ihnen, Frau Pioff, liegt daran, uns zu be halten." ,, Gott . Junge Leute Da fühlt man doch mit. Aber Sie müssen es mir sofort wiedergeben, wenn Sie erst in der Stellung find. Mit Zinsen. Und Sie fizen Orcheſterfauteuil, Parkett, oder Rang, wie Sie wollen."

Als sie wiederkam, schob sie sich behutsam an Henry heran, ohne die Tür zum Laden aus den Augen zu lassen. Etwas aus ihrer Hand ging in die seine hinüber. Aber sagen Sie mur nichts meinem Mann davon....!" flehte sie flüsternd, und drückte beide aus der Küche hinaus.

Henry und Emil zählten. Sieben Mart.

Ste tut mir leid", sagte Emil Baß uns etwas dafür hm,* jagte Henrn, daß sie dir nicht leib zu tun braucht. Komm mit. Wir wollen nach Geldperdienst fuchen."

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Sie suchten. Aber der Erfolg war der, daß Henry in der Nacht wieder zu dichten anfing. Am nächsten Morgen ersuchte Herr Pfaff um die Wochenmiete, zuzüglich das fällige Lichtgeld. Das maren zusammen neun Mart. Einen Augenblid", entschuldigte sich Henry und verließ die Stube. Frau Pfaff saß in der Küche und schnigelte Mähren Grau Bjaff," sagte Henry, mir möchten bezahlen." Das ist schon von Ihnen fagre rau. Pfaff. ... arum nennen Sie es schön von uns, daß wir möchten? War es nicht schöner, wenn mir aud) fönnten?" 2ch fo, fagte Frau Pfaff gedehnt. Sie werden uns gemis auch aus dieser Ber­Iegenheit helfen", nahm Henry an. Ja, ich möchte", fagte Frau Pfaff. Sie haben ein gutes, echt frauliches Herz." lobte Henry, Frau Pfaff." Ja, aber ich lann nicht", sagte Frau Pfaff. Frau Pfaff." fagte Henry, Sie sind wißig."

Nein, das ist Ernst. Mir ist schlimm genug, daß ich das neulich getan habe. Sum zweiten Male fann ich das nicht. Wenn er es erfährt, dann bin ich verloren. Ich nehme es immer aus einem Rupert, das im Schlafzimmer hinterm Ofen liegt, denn wir schlafen aud) Winters im falten Zimmer." 2ber," sagte Henry, Frau Pfaff! Wie sollte Ihr Mann das erfahren, da doch mir drei allein dapon wiffen. Sprechen Sie leise!" sagte Frau Pfaff. Er ist mieder im Laden", beruhigte Henry. Und wir drei können schmeis gen," fuhr Henry fort, so wie Hagen Tronje."

Da fing Frau Pfaff an zu meinen.

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,, Aber Frau Pfaff," sagte Henrn, Sie wissen doch gut, daß Emil mit einer progigen Uniform in's Kino am Kurfürstendamm tommt und da dide Tinkgelber bezieht." Wenn das auch nur alles tlappt", meinte Frau Pfaff immer weiter. Es tlappt," fagte Henry fest, Garantie!" Aber Frau Pfaff meinte, meinte.

Frau Pfaff," fagte Henry, und mas den falten Ofen betrifft, den Sie Winters nicht heizenda versteh' ich ganz gut, wie Ihr Mann talkuliert: In Ihrer Nähe friert es sich nicht."

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Ach Gott , fei'n Sie still", sagte Frau Pfaff, beinah ärgerlich. Aber mitten im Beinen mußte sie lachen. Sie schlug mit der Hand nach Henry. Dann lief sie so schnell und so leise als es ging, in's falte Schlafzimmer hinüber.-

,, Aber um Himmels millen! Um Himmels willen! Sagen Sie nichts meinem Mann dapon!"

Bon den neun Mart, die Frau Pfaff ihm gegeben hatte, gab er die Hälfte in Emils Hände. Mit dem Rest ging er in den Laden hinüber. Herr Pfaff, allein, las in her morgenzeinung.

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Schade, daß Sie nicht rauchen", bebauerte Henry. 3h? Ich rauche!" fagte Herr Bfaff. Janu?" wunderte fich Henry. ..Das wußte ich nicht. Aber Sie rauchen natürlich nur Sigaretten, und da tann aus dem Geschäft doch nichts werden." ,, Aus welchem Geschäft? erfundigte sich Herr Pfaff, und hängte den Seitungsstod an den Hafen.

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Ich habe einen Bosten Brasil an der Hand." Herr Pfaff wurde eifrig. Ich rauche Brafil, gerade Brafil. Sie? Die dicen Brasil? Nanu? Ich fann Sie mir gar nicht vorstellen, Herr Pfaff, mit einer Brasil."

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Sonntags, nachmittags, und auch zwischendurch. Die fchwarzen." Donnermetter," sagte Henry und pfiff, mer hätte das von Ihnen gebacht!" Er ging flötend in dem Laden herum, feine Hände in den Hosentaschen hielten die Rockenden vorne weg er sah aus wie ein Chef.

Herr Pfaff dagegen stand wie ein Landsturmmann da, die Hände beinah an der Hosennaht.

,, Was ist denn das für ein Geschäft?" fragte er.

Es handelt sich um die biden schwarzen Brasil", sagte Henry und bewegte Mittel- und Beigefinger pom Mund in die Buft und zurüd, als genieße er fchon in Gebanten bie Marte. Die diden fchwarzen Brafil tann ich für neun Pfennig das Stüd verlaufen." Das ist wohl nicht möglich," meinte Herr Baff, die biden Brafil find nicht für neun Breunig zu haben." Wenn ich Ihnen fage... fagte Henry etwas verächtlich. Es ist eben ein un­gewöhnliches Geschäft, über das man eigentlich nicht laut fprechen follSo einer find Sie?" fragte Herr Pfaff leise. Wieviel

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Bann bekomme ich denn die fünfzig Brasil?" Noch in dieser Woche."

,, Wenn aber meine Frau das Kuvert aus dem Versteckt holt und zählt, dann merkt sie, daß ich nicht genügend hineingelegt habe." Mein Gott im Himmel," sagte Henry ungeduldig, wenn Sie solche Angst vor Ihrer Frau haben..

Haben Sie mal eine Frau", sagte der Friseur. Ich schreibe sofort an meinen Mann, und die dicken Brasil tommen Ihnen mit der Post in's Haus."

Aber an Ihre Adresse! Und dies alles gilt nur unter der Be dingung, daß Sie meiner Frau gegenüber nichts laut werden laffen." ,, Kein Sterbenswort, das schwör' ich beim Himmel."

Das Geschäft war gemacht. Aber obgleich der Nußen daran nicht klein war, murden Henry sowohl als Emil in den folgenden Lagen zusehends magerer. Ind am Freitag, afs Herr Pfaff start beschäftigt im Baden hantierte, geschah es zudem, daß sich Frau Pfaff die Anfrage erlaubte, wann Emil nun seinen Bosten im Kino am Kurfürstendamm bekäme? In dieser Woche", ant wortete Henry, und Frau Pfaff, wenn auch den Kopf eigentümlich wiegend, ging ab. Später fam aber auch der Friseur herein und stellte fest: mun wäre die Woche ja ungefähr um. Ja", sagte Henry. Qb er noch kein Baket mit der Post erhalten habe, fragte Herr Pfaff. Mein", sagte Henry. Der Friseur sagte hmhm und haba, und dann sagt er, er wollte body lieber die restliche Miete haben und auf die dicken Brasil verzichten, Das ginge nicht

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mehr, denn das Pafet wäre ja nun bereits unterwegs, sagte Henry. -Herr Pfaff heftete seinen Blick auf die Gurgelmasserflasche, die leergetrunten auf dem Tisch stand, er sagte noch einmal haha, bann ging er mit vorgebeugtem Kopf hinaus. Emil, der auf dem Bett fag, 30g es mun por, sich zu erheben. Ganz bestimmt hatte jetzt Herr Pfaff eine Unterredung mit Frau Pfaff in der Küche, und da fonnten sie ja poneinander Neuigkeiten erfahren

nicht mahr?

Es dauerte feine zehn Minuten, da mar der Friseur wieder da. Die Tür wurde aufgerissen, und der kleine Mann stand auf solche. Beise im Rahmen, daß Henry und Emil sofort ihre Mützen quf die Ohren seizten. Ich werje Sie durch's Fenster," schrie der Griseur, wenn Sie nicht

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Doch," sagte Henry, wir gehen von selber. Leben Sie wohl, Frau Pfaff, wie haben Sie alles perraten können!" Frau Braff rannte wie eine perdammte Secle im Flur und schluchzte, the Töch terchen weinte mit.

Halt!" trähte Herr Pfaff. Hiergeblieben bleibt alles Gepäck!" Auf der Straße stand Emil wie ein zitternder, junger Hund.

Herr Pfaff schloß hinter ihnen die Ladentür ab. Ueber den Abend versuchten sie, in einem Hotel für die Nacht unterzukommen. Aber die Hotelbeamten wünschten die Kleinigkeit, daß die Herren die Rechnung für die erste Nacht gleich im poraus begleichen sollten. Sie wanderten weiter, bis in die Nacht. Sie faßen auf Bänken und begannen wieder zu wandern, bis in den Morgen hinein. Emil mußte sich an einem Hauseingang sehen. Die Straße drehte sich um ihn herum, wie auf einer Trickaufnahme im Kino. Das Verpflegungsproblem trat in ein tritisches Stadium. Aber über die Frage, ob betteln oder stehlen in den Restaurants die Schrippen zum Mittagstisch!- gerieten sie in einen Streit, der fich aus lauter Nervosität zu einem richtigen 3wiespalt auswuchs. Voller Wut schrie Henry: Es ist aus! Adieu! Ich kann dich nicht mehr riechen! Sieh zu, wie du durchkommst!" Und Henry stand auf, ließ den erschöpften Emil auf seiner Bank Unter den Linden figen, und ging durch die Friedrichstraße in's Zeitungsviertel. Er ließ sich die letzten Nummern der Zeitung zeigen. O Wunder! Da stand fein Name in fetter Schrijt: In der Frauenbeilage war sein Gedicht gedruckt, Mein Geid!" rief Henry. Es gelang ihm, den Redakteur persönlich zu sprechen, und da der Redakteur ein menschen­freundlicher Mann war, setzte er es nach einem ordentlichen Kampf beim Kassierer durch, daß dem Autor das Honorar auf der Stelle ausgezahlt wurde. Mehr noch, einen weiteren Beitrag, den Henry aus seiner Brusttasche gezogen hatte, nahm er nachdem er in Henrys mageres Gesicht und in seine von Hoffnung erweiterten lugen turz hineingeblickt hatte gleichfalls an und veranlaßte dazu die Auszahlung auch dieses Geldes. Nun zu Emit! schrie es in Henry. Jeder Groll in ihm war geschwunden. Mit dem Geld in der geballten Hand jagte er die Friedrichstraße hinunter. Er fand ihn auf der Bank Unter den Linden, wie er ihn verlassen hatte. Ich hab' Geld, Emil! Wir können zurück! Wir brauchen nicht zu betteln, nicht zu verhungern!"

Das Geld reichte nicht für die Fahrkarten bis in ihre Heimat. Was tat das. Sie schrieben Postkarten an ihre Eltern:., Wir tommen", und ab Thüringen tippelten sie durch den Frühling nach Haus.

Arnold Waller: Jofeph Haydn

Zu seinem zweihundertften Geburtstag

Langt haben wir ihn eingeordnete, tatalogifiert, rubriziert und fanonisiert; betrachten ihn fozulagen als eine Art zweiter Beige im göttlichen Eris der Wiener Klaffit( Mozart , Hanbn, Beethoven ), fennen feine Verdienste um Sinfonie, Quartett, Oratorium, wiffen, wie er fie aus den Händen seiner Borgänger übernahm, in welch veränderter, gesteigerter, vollendeter Form er fie weiterzugeben vermochte( an Beethoven insbesondere); wir haben ihn mit Ent­widlungslinien übersponnen, die zu ihm hin, die von ihm fort und über ihn hinweg führen, wir haben ihn folge unserer Art geschichtlicher Zusammenschau in funktionaler Abhängigkeit von seiner Zeit begreifen gelernt, als notwendiges 3u Mozart, dem rätselhaft früh vollendeten, steht er in ähn= Glied in der Stette der Veränderungen, die wir( unvorsichtig genug) Entmidlung nennen, fozufagen als Durchgangsstation wirkender lichem Gegensaß wie Bach zu Händel : maren jene Komponisten Kräfte formaler und stilistischer, musikalischer und außermusikalischer von internationalem Ruf und Ruhm, war er( gleich Bach) lange Natur, und haben über all dem eins beinahe vergeffen: die Ber3eit hindurch nichts als der Meister, der sein Handwerk beherrscht fönlichkeit, die selbst eine( noch dazu die primäre) Kraft und im kleinsten Kreis sich jener Achtung erfreut, deren jeder sicher zentrale ist; die Persönlichkeit: das fern aller Abstraktion Ursprüng- ist, der seine Arbeit ordentlich versieht. In den Jahren des Alfers liche, das Menschliche. aber ändert sich sein Schicksal. Hatte Bach die letzten, strahlendsten hann Kuppein auf den uralten Dom der Polyphonie getürmt, hatte Haydn ein Fundament für Neues, Rommendes, Zukünftiges errichtet. Die Welt, die große Welt, begriff das rascher als Desfer­reich; es famen die Jahre der Reise nach England, Jahre des und eine Zeit der Triumphes und des europäischen Ruhms Reife( die Zeit der Londoner Sinfonien und Orata­rien), in der zu all der edlen, stillen Einfalt eine Größe sich ge­sellte. die auch er vorher nicht gefannt hatte. Als er am Rand des leise verlöschenden Lebens zum lektenmal eines seiner Werte hörte ( es mar die Schöpfung). da gab es fürstliches Gepränge um den Greis, da neigten sich vor ihm die stolzesten Magnaten Dester­reichs, da standen alle Mufiter des faiserlichen Wien , da stand ein Beethoven bereit, ihm tiefste Ehrfurcht zu ermeisen ihm, der als Jüngling einst dem alten Porpora die Schuhe hatte pugen müssen, um von ihm als Almosen ein paar Anmeisungen zu er halten, wie man Recitative zu machen hätte"... und als er starb, da waren die Generäle Bonapartes , damals des Herrn der Welt, in feine Totenmeffe tommandiert.

bes. Fürsten Efterhazy murbet ein bitteres Brot zu einer Zeit. ba, Mufiler gleichzeitig Lafaien waren, da nicht unbekannte Quar tetttomponisten Türsteher sein mußten irgendwelcher Berfonen vom Etand". In der Weltperforenheit des Städtchens Cisenstadt ( der Residenz der Esterhazys), wo er Jahrzehnte perbrachte, hatte er Zeit zu allem Erperimentieren, das ihm nüglich schien, zu immer neuem Lernen, immer fruchtbarerer Arbeit hatte er Gelegen­heit zu dem seiner Natur nötigsten: langfamem, aber unaufhalt­unausbleibliche| famem Wachsen, später, aber um so wertvollerer Reise; die Ein­famkeit machte ihn groß, die Verlassenheit wie er es selbst nennt- ,, original",

Gerade bei Haydn tann es leicht geschehen. Er mar Musiker wie ein Briefter, der sein Licht auslöscht vor dem Altar einer strengen Gottheit; sein Leben war nichts als Voraussetzung des Schaffens, demütiger Dienst am Wert, grenzenlose Hingabe an die göttliche Gnade der Kunst, an das Wunder der Mufit, die durch ihn hindurchzufluten schten wie eine fremde Gewalt, eine ftrahlende Straft, ein tostbarer Inhalt, der sich eines Gefäßes bedient, heiliger Geist, der sich inkarniert. Er lebte wie ein Baum, der um einer einzigen Frucht willen mächst und blüht und ungeheure Kräfte aus der Erbe zieht. Diese scheinbare Baffinität mar in Wahrheit aber höchste Attivität, das scheinbar übermenschliche Begnadetfein zum großen Teil menschliche Beistung, Produft eines Arbeitens, mie wenige gearbeitet haben durch Vollkommenheit typisch ge­wordenes Resultat sehr individueller Not, Einsamkeit, Berzweiflung, Hingabe. Mögen die Konturen seines Lebens im schweren Schatten des gewaltigen Werks faum zu erkennen sein( wie die Meifter gotischer Dome taum zu erraten find, zurückgesunken in das Dunfel der Anonymität, aus dem sie aufgetaucht maren für die Zeit ihres Birkens): fein Werf lebt und wird leben, solange Formen und Gefeße unferes Kulturtreises nod) irgend verbindlich sein werden; an einem Tag wie heute aber, da wir seiner in Dankbarkeit und Liebe gebenten, mollen wir uns beffen erinnern, daß er ein Mensch war wie mir, zu leiden und zu freuen sich", ein Mensch, der fämpfte, ftrebte und litt, bis ihm bos Gültige gelang, das uns froh und frei macht, wenn es erflingt und in blaue Vergessenheit finfen läßt, was je schwer mar.

Heute vor zwei Jahrhunderten erblickte Haydn in Rohrau , einem fleinen, elenden Nest an der niederösterreichisch ungarischen Grenze, das Licht, das für ihn zunächst recht trübselige Licht dieser Welt: Kind des Bolles( das heißt der Armut), Sohn eines dörf lichen Handwerkers, eines unter zwölf Geschwistern, allen De mütigungen und Erniedrigungen preisgegeben und ausgeliefert; so sehr auch äußere Armut durch inneren Reichtum aufgewogen, Entbehrung in grenzenlose Fülle zauberhaft perwandelt, Demüti gung durch Demut übermunden ward.

Er war tein Wunderkind wie Mozart, fein glanzvoller Bir­tuose mie der junge Beethoven, er hatte teine Gönner, die ihm halfen, fein Geld, um gute Lehrer zu bezahlen er hatte nichts als fid), als fein Genie und seinen fast schon legendären Fleiß ( Jahrzehnte hindurch arbeitete er bis achtzehn Stunden jeden Tag). Als Achtjähriger ist Haydn Sängerfnabe am Stefansdom , allein im fremben Wien , allein in der fremden Welt. Einsamkeit, Ber. laffenheit. Stille blieben Bett feines Lebens um ihn, ber nadh Jahren schweren Eriftenzfampfes zweiter, dann erster Rapellmeister

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Wenn es eine äußere Kraft überhaupt gab, die ihn stützte und trug, dann war es: Desterreich, das Land der Liebe zur Musik, die zu jenen Zeiten, in den Jahren der Regierung der Kaiserin Maria Therefla, noch leidenschaftlichere Notwendigkeit mar als heute und je.

Haydn hatte im Lauf seines arbeitsamen Lebens genug gelernt, um einer der größten Meister der Erde zu werden; er hatte zu wenig gelernt. um jemals die Ursprünge der Musik zu vergessen und ihre stärkste Kraft, die Melodie. So umfaßte er das Ber­ständlichste. Allgemeinste wie das Höchfte, Geistigste, so ist er heute noch der Bewunderung der Kenner sicher wie des Entzückens der Liebhaber. Grundelement feiner Mufit ist eine Heiterfeit, die in sich selbst beschlossen ist, die nichts Außermusikalisches zu charakteri fieren permag. die ihren Glanz über alles ausgießt, die so start ist, daß sie sich nicht einmal im Crucifixus der Theresienmesse zu verleugnen vermag eine unirdische Heiterfeit, die alles über­minden hilft, da sie selbst alles überwunden hat.

STOL

Was er von Desterreich empfing, hat er dem Land reichlich ver­golten; schon allein in jenem unvergänglichen Lied, das über ein Jahrhundert lang stärtfies Symbol ber Donaumonarchie gemefest, das heut die hymne aller Deutschen ist; in dem sich melo­difche Kraft und harmonische Gewalt, Ursprünglichkeit und reife Sunft zu schönster Wirtung vereinen das Lied, das seine Pro­phezeiung: Defterreich wird emig ftehn", mahr macht, nicht im Sinn bereits zerfallener Habsburger Herrschaft, fondern im Sinn eines ewigen Desterreich der Musit.