Trude E. Schulz: Orangen im See
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Jetzt freuzte der Maultierpfad die breite Fahrstraße. Der Blick| Marietta leise und rieb ihre Nase an seiner Schulter- eine Welle öffnete sich auf den See, den eben die ersten Strahlen der hinter den von Trost ging von dieser Bewegung aus- ,, Beppo, ich denke viel Bergen hervorsteigenden Sonne trafen. Die meite Wasserfläche leicht leben sie doch noch." Und weil der Bruder seinen Schmerzflammte in unwirklicher Farbenpracht. Ein Spiel von gelben, ausbruch nicht gleich dämpfte, wiederholte sie eindringlich, selber orangefarbigen, roten Tönen schien sie in eine Glasfläche verwandelt noch immer von Schluchzen durchzittert:" Beppo, sie werden sicher zu haben, hinter der ein Zaubervorhang ein geheimnisvolles Märchen- noch leben." Als auch diese Berheißung keinen befriedigenden Erfolg reich verhüllte. Einige Minuten später würde sich ein immer kräftiger zeigte, begann Marietta wieder heftiger zu meinen. Wenn du werdendes Violett in dieses Farbenspiel mischen und es endlich auf- meinst, dann muß ich auch meinen," stieß sie verzweifelt hervor, lösen in das klare, durchsichtig leuchtende, grundlose Blau des Wassers. ,, und vielleicht verlaufen sich doch Tonios Kinder gar nicht. Und Beppo hatte keine Ziet, dieses Farbenmunder abzuwarten, um wenn es heute nachmittag ein Gewitter gibt, dann können sie doch deffenwillen der See berühmt war, obwohl nur wenige der Reisenden, überhaupt nicht in die Berge gehen." die unten in den großen Hotels wohnten, es je sahen. Sie tanzten nachts in den marmorgepflasterten Höfen der eleganten Gaststätten zu den Klängen der Tangokapellen und waren es daher ihrer Pflicht zur Erholung schuldig, bis um zehn Uhr morgens zu schlafen und dann ihr Frühstück im Bett einzunehmen. Beppo erschienen diese Hotels und ihre Bewohner viel märchenhafter als der See, den er jetzt taum mit einem unbewußten Blick streifte. Er überquerte wie jeden Morgen rasch die Straße und setzte seinen Weg auf dem Maultierpfad fort, der mit seiner jähen Steigung und dem von der Zeit schon viel zu geglätteten Kopfsteinpflaster dem in dieser Gegend nicht Heimischen eine unüberwindliche Balanzieraufgabe geboten hätte. Beppos nackte Füße glitten jedoch so schnell und sicher vorwärts, als ginge er auf ebener Straße. Bon San Michele, der kleinen Kirche oben auf dem Berg, läuteten die Glocken schon das Ende der Morgenandacht. Wenn Beppo sich nicht sehr eilte, waren ihm heute Ohrfeigen vom Meister gewiß.
In den Glockenklang betete er vor sich hin: ,, Heilige Madonna, hilf mir! Heilige Madonna, laß mich nicht zu spät kommen!" Als er in die bequemeren. Wege einbog, die den Kurort umzogen, begann er zu rennen. Am Grand Hotel sah er auf die Uhr über dem Portal: es war erst dreiviertel sechs. Danke, Madonna!" sagte Beppo und befreuzigte sich mit einer kleinen Verneigung, so, als stünde er vor einem Heiligenbild. Dann ging er mit gemäßigten Schritten bis zu dem Neubau, an dem er als jüngster Arbeiter mitwirfte.
Die Kurgäste, die in dem Hotel die Seitenzimmer bewohnien, hätten den kleinen Jungen beobachten können, der unablässig auf dem schwankenden Gerüst das schwere Baumaterial herantrug. Sein Rücken war gekrümmt, sein schmutzig- braun gebrannter Körper von Schmeiß überströmt. Er ging unter seiner Last wie ein Alter. Wenn er sie abgeladen hatte, redte er sich ein wenig auf. Sein zier licher Buchs und seine Magerfeit ließen ihn mie einen Elfjährigen erscheinen, obwohl er schon dreizehn Jahre zählte. Die Bewohner dis Hotels, wenn sie den Knaben sahen, stutzten wohl einen Augenblic. Dann dachten sic:„ Das ist nun mal hierzulande so," oder, falls ihr Gewissen doch irgendeine Bejänstigung forberie: Arbeit in dieser herrlichen Luft muß doch eigentlich sehr gesund sein“ und wandten sich der wichtigeren Ueberlegung zu, ob sie den Nachmittag vesser in einem Bootsausflug oder einer Wagenfahrt in die Berge ausfüllen könnten. Wer trotzdem von Zeit zu Zeit einen Gedanken für den Knaben übrig hatte, midmete diesen nicht dem findlichen Bauarbeiter, sondern dem Jungen, der während der Mittagspause im See schwamun und sich auf der Mauerbrüstung sonnte. Aus dieser Perspektive erschien Beppos Leben den von Sorgen und Vergnügen geplagten Hotelgästen geradezu beneidenswert.
Die Mittagspause bedeutete jetzt in der guten Jahreszeit für Beppo wirklich ein Stückchen Glück, das er jeden Tag sehnsüchtig erwartete. Wie eine tühle, sanfte Verheißung krönte sie die harten, heißen Arbeitsstunden des Vormittags. Langsam stieg sie mit der Sonne herauf, rückte sie auf dem großen Zifferblatt der Hotelühr heran. Die Zeiger dieser Uhr wiesen die amtliche Normalzeit, aber die Arbeiter auf dem Bau hielten sie trotzdem für höchst unzuverlässig. Ihr Mittag wurde von der kleinen Glocke von San Michele ausgerufen, und also hatte diese kleine Glocke recht. Steine und Handwerkszeug hatten dann im Augenblick Ruhe, und selbst von Beppo wurde keine Handreichung mehr verlangt, weil niemand mehr bereit war, sie entgegenzunehmen. Jeder suchte sich für die nächsten zwei Ruhestunden einen möglichst schattigen Play, an dem er sein Essen verzehren und die schlimmste Hitze des Tages verjáhlafen konnte. Beppo aber erkletterte die breite alte Mauer, die den Neubau von dem Hotelpark trennte, und die im grellen Sonnenlicht stand. Ihre Steine hatten die Temperatur eines gutgeheizten Backofens und brannten selbst gegen Beppos lederharte Fußsohlen empfindlich. Doch von dieser Mauer her konnte Beppo die Straße übersehen, auf der Marietta tam, für die sich mit dem Glockenschlage die Türen der Schulstube aufgetan hatten.
Meist brauchte Beppo nicht lange vergeblich Ausschau zu halten. Marietta erjehnte in ihrer dunklen Schulstube ebensosehr die Mittagsstunde mie Beppo auf seinem sonnenversengten Bau, und sie ersehnte sie ganz besonders, weil sie ihr nun zinei Stunden Gemeinschaft mit dem großen, flugen, geliebien Bruder Beppo brachten.
Dann, mit Marietta, ging es herunter an den See; Beppo auf der Mauer, Marietta unten nebenher. Erst kurz che die Mauer an den Sce stieß, gab es eine Stelle, an der ausgebrochene Steine es auch der Sechsjährigen ermöglichten, zum Bruder emporzuklettern. Wenn Beppo bei dieser Arbeit nicht durch kräftiges Emporziehen das Beste geleistet hätte, so hätte mohl freilich Marietta ewig unten bleiben müssen.
Hier, wo Gestrüpp und Bäume die Mauer überschatteten, bat sie einen herrlichen Ruheplatz für die Kinder. Ancinandergedrängt hockten sie in dem ausgehöhlten Gestein, das sie freundlich und sicher aufnahm, aßen ihr Brot, manchmal ein paar Oliven oder etwas Käse dazu, tranten einige Schluck schlechten, fauren, selbstgefelterten Wein, den die Mutter aus Sparsamkeit meist zu zwei Dritteln mit Wasser versetzte. Nur Sonntags zu den Maffaroni trant man ihn unverdünnt, oder wenn Beppo ihn sich selber eingefüllt hatte, meil Die Mutter noch zeitiger als er zur Landarbeit fortgegangen mar. Dann, während Beppo sich so behaglich hinſtreckte, wie der Lagerplay; es eben zuließ, begann Marietta zu erzählen Sie erzählte rasch, lebhaft, mit kleinen flatternden Gesten, der Hände, die der ganze Körper mitschwang. Beppo hörte ihr entzückt zu. Es war erstaunlich, was Marietta in den Schulstunden, den langen, grauen, eintönigen Schulstunden und auf den täglich gleichen Wegen alles erlebte, Dinge, die so spannend und aufregend maren, daß man zum Schluß herzbrechend meinen aber wie toll geworden lachen mußte.
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,, Marte mal, du meinst, ab die Kinder von dem Tonio in den Bergen wirklich schon ganz verhungert sind?" Mariettas tränen überschwemmtes Gesicht sah sehr nachdenklich aus. Doch," schluchzte sie und ihr Körperchen schüttelte sich im Weinen ,,, doch, sie sind ja ganz hoch gestiegen, und dann fanden sie nicht wieder zurück. Und sie wollten doch die Alpenveilchen verkaufen, weil ihr Vater jetzt frant ist." Das stimmte; Beppo wußte, daß der Tonio fich mit der Art in den Fuß gehauen hatte, und mun war der Fuß so schlimm geworden, daß man Tonio ins Spital schaffen wollte. Trotzdem er sich mit leisen Zweifeln noch gegen Mariettas Bericht wehrte, schoffen mun auch Beppo die Tränen in die Augen. Die Kinder hielten sich umschlungen und meinten bitterlich. Seppo", jagte plötzlich
Das war wieder so eine von Mariettas Geschichten gewesen, über die Beppo böse wurde. Wenigstens stellte er sich so, denn es mar ihm unmöglich, der Schwester wirklich zu zürnen, die sich eben soviel Mühe gegeben hatte, seine Trauer zu verscheuchen, und die jetzt sehr zerfnirscht und mit noch immer bereiten Tränen seine Vormürfe über sich ergehen ließ. Erst als diese nachließen, begann sie ihre Berteidigung. Sieh mal, der Tonio muß doch heute ins Spital, und seine Kinder haben in der Schule gesagt, daß sie überhaupt kein Geld mehr hätten, meil der Vater nichts mehr verdienen| konnte, und da wollten fie Alpenveilchen suchen und verkaufen."
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Marietta sprach eifrig, bereits wieder völlig von dem Schichal ihrer Kameraden hingeriffen. Beppo hörte interessiert zu. Es mar ihm schon wieder eine ganz neue Geschichte, die ihn Marietta nun miterleben ließ. Die dachte auch gar nicht mehr an Entschuldigung; nur der Bericht war noch michtig: ,, Ja, und nun dent mal, die Kinder sind doch noch so klein, und die Alpenveilchen machsen so hoch." Ihre Stimme wurde immer ägstlicher. Und sie werden sich sicher doch verlaufen und verhungern müssen, denn der Tonio kann sie ja nicht mal suchen gehen."
Diese Wirklichkeit war zwar nicht ganz so dramatisch wie die der ersten Erzählung, aber sie stand gerade infolge dieser Einleitung so lebendig vor Beppo, daß er das schreckliche Ende der Kinder mun fast ebenso deutlich vor sich sah wie Marietta, die es immer noch oder schon wieder bemeinte. Die Tränen der Schwester brannten Beppo in der Kehle. ,, Marietta," murmelte er ,,, Marietta." Aber ein Trost wollte ihm nicht einfallen. Plötzlich rechte die Kleine ihr verschmiertes Gesicht zu ihn auf; durch die Tränen glänzte ein zärtliches Lächeln:„ Beppo, ich weiß, du mußt helfen. Morgen ist doch Sonntag, da leih ich dich Tonios Kindern. Du gehst nicht in die Andacht und holst ihnen Alpenveilchen. Die Modonna wird dir verzeihen. Du bringst ihr einen Strauß mit, einen sehr schönen, den allerschönsten." Mariettas Begeisterung strahlte die Ueberzeugung aus, daß die Madonna und sämtliche Heiligen und sogar der Dorfpfarrer gegen diese Lösung unmöglich Bedenken haben könnten. ( Schluß folgt.)
Walther Appelt: Sächsisches
Das Herz.
„ Na, Midderchen, das gibbds awr eegendlich nich, dasse hier in Anflansung rumloofen. Das muß ich Ihn' ferbieden."
Ach, or neie Herr Owerfärschder. Wissen Se, das iß bei mir ä schdillschweigendes Jewereinkomm' mit Ihrn ferschdormnen Herrn Forgänger. Der hat mir das erloobt. Wemmer nämlich alt werd unn is gewissermaßen bloß noch alleene iewrig aus seiner alden Zeit, da hängt mr an den liem Erinnerung', die een in scheene Schdundn zurickfersetzen."
" Drotzdem: Ferbohd iß Ferbohd. Da gibbds keene Erdrawurscht."
Awr Herr Owerfärschder. Sie brauchens mir doch bloß zu sagen, wenn Sie Ihre Badrullje machen durchs Rewichr. Dann richte ich mich drnach."
„ Da werd nischt draus. Hier handelt sich's um ä Brinjieb. 3u mas hat mich denn dr Schdaad off mein Bosden geschdellt? Jewer haupt, was wolln Se denn hier drinne in den jung' Fichden?"
Fon hier hat mr den scheensden Blick nach den Waldrand, mo de Beime so hoch sinn. Dort driem, sehnse, da iß eener drbei, der schdeht mu schon ä Schdicker fuffzig Jahre dort. Unn wo der noch nich so hoch war, da hamm emal zwee glickliche Menschen ä Monogamm in seine Rinde geschnidden. Das iß nu freilich so hoch noffgewachsen, daß ich's bloß noch undeidlich erkenn' kann, awr das macht nischt. Mir geniegt das, was ich weeß. Dort ohm! Sehnse: ä Herz, unn drinne ä B unn ä F. Berda, Fehdor. Ach Godo, fuffzig Jahre. Unn was inzwischen alles bassiert iß! Erscht iſſr mir undrei geworden unn hat ne andre genomm', unn dann hadrsch bereit. Amr da marsch zu schbähd. Da ließ die'n nich wieder los. Unn dann ist geschdorm. Seiddem habb ich hier schon manche schdille Schdunde serbracht. Sie, das dersen Se mir nich ferbieden. Da wär ich dodungliclich!".
„ Also Midderchen, nu zeigen Se mir mal gans genau, wo das Herz sinn soll!"
Dort ohm, wo der eene Ast so ä bissel runderhängt. Sehnjes nich?“ ,, Ja..., awr das heeßt doch nich B unn F. Das heeßt doch, warden Se mal, wie heeßt denn das? Also das eene iß allerdings ä B..., awr tas andre, das iß ä L. Da gibbd's gar teen Jrr= duhm."
„ Wärklich? So isses nu, wenn de Dogen nich mehr midmachen. Emende sollde ich mir doch eene Brille foofen."
„ Das wär schon zu embjehln. Awr immerhin sinn mr uns nut wenigsdens einig. Wenn das gar nich das Herz mit den B unn den F iß, da brauchen Se doch nich mehr ferbohdne Fahde zu bedreden."
„ Wer sagt denn das? Sie, Herr Owerfärschder, das L, das is doch dr Leobold, unn das B, das bin doch doch ich gewesen. Unn was ich Ihn' erzählt habb fon Fehdor unn mir, das drifft doch offn Leobold unn mich gans genau so zu. Die Liewe, unn die End
Fehdor Leobold zu denken, unn im iebrigen kann alles andre so bleim.... Was glaum Sie denn, was ich fr ne fielseidje Jugend gehabbt habb....."
Gespräch mit einem Angler.
Ach, a Angler! Sie, sagen Se mal, iß das scheen, das Angeln? Ja, wemmer nich drbei geschdeert werd.
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Nadierlich, das gloob ich. Awr ich schdeer Sie ja nich. Ich setz mich bloß gans schdille ä bissel nähm Sie unn baß auf. Ach so, jetzt hädde ich mich bald off die Blechbichse gesetzt. Da iß wohl Ihr Friehschdick drinne? Nee, Rägenwärmer.
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Rägenwärmer? Ach so, fr de Fische. Na, da nemm Se mersch nr nich iewl, daß ich gedacht habb, Ihr Frieschdick. Schließlich kennde ja ooch ähmsoguhd Ihr Frieschdick drinne gewesen sinn, nich wahr? Benn Sie hier ä baar Schdunden sizen unn egal an solche schmachafde Sachen denken wie Karbfen unn Hechde unn so, da missen Se doch Hunger triegen. Sie, dort kommt eener geschwomm! Amr jetzt bin ich geschbannt, ob der anbeißt. Ein Schdaadsterl iß das. Da hädden Sie amr Glück, wenn der anbeißen dähde. Der muß doch seine sims, sechs Fund hamm , Awr ich gloowe, den erwischen Se nich. Der werd wohl weider driem forbeischwimm. Sie jetzt bin ich Ihn awr beese! Das iß gemeene. Sie sinn schlecht.
Warum denn?
Das fonnden Sie mir doch gleich sagen.
Was denn?
Das missen Sie mit Ihrn geiebden Anglerblick doch schon lange gesehn hamm, daß das ä gans geweehnliches Schdick Hols war. Warum hammin das nich gesagt?
Weil ich nich zum Underhalden hiersitz.
Na, da nischd fr unguhd. Ich will ja ooch nich schdeern. Fällt mir ja nich im Droome ein. Ich habb noch nie enn Menschen bei ärjendwas geschbeert. Das liegt gar nicht in meiner Naduhr. Ichh wollde doch bloß mal offbassen, bis Sie een erwischt hamm. Wie lange werdn das noch dauern?
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Das weeß doch ich nich.
Nadierlich, das kenn Sie doch nich wissen. Awr hoffendlich ihr nich wieder aus Hols, wenn eener kommt. Das iß de Haubdsache. Sie da fällt mir iewrigens was ein. Hamm Sie schon mal enn Beetling gefang?
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Enn Beefling? Sie, daß ich nich lach! Seit wenn schwimm denn in unsern Flissen Beetlinge rum?
Sagen Se das nich. Mier hamm als Kinder mal welche gefang. Awr nich midr Angelruhde, sondern mit enner Schdange rausgeholt.
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Wer weeß, was das war, awr feene Beeflinge. Jawohl, Beeklinge! Enne ganse Kisde foll! Enne ganse Kisde foll!
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Jawohl, jogar mior Kide! Awr essen konnden mr se nich. Die warn nämlich fertorm unn schon gans weech. Dadrum hadden
deischung unn alles. Da brauch ich doch bloß in Zukunft anschdadd I die je doch wahrscheinlich weggehaun....
Das Schluchfeewerking in ben beiden bis jetzt fertigwerdenden Kraftwerken zur
In diesem Jahre wird der Ausbau der deutschen Wasserkräfte wertes im südlichen Schwarzwald um ein gutes Stück gefördert durch die Fertigstellung des ersten Abschnittes des Schluchsee - Kraftwerden. Es handelt sich hier um die Auswertung eines Teiles der im Schwarzwald vorhandenen Großwasserkräfte für die öffentliche Elektrizitätsversorgung.
Nicht weniger als rund 600 Meter beträgt der Höhenunterschied zwischen Schluchsee und Oberrhein und dieser gewaltige Wassersturz wird umgeformt in die Kraft elektrischer Maschinen, leuchtender Bampen, wärmender Heizkörper. Diese wundervolle Energieumformung ist uns vielfach schon zu einer solchen Selbstverständlichkeit geworden, daß wir uns dieses Wunder erst wieder flarmachen müssen, um es zu begreifen. Von dem Gesamtgefälle nußt der erste Ausbau 330 Meter aus. Alle die kleinen Quellbäche, die oberhalb des Schluchsees ihre Wasser talwärts führen, sind ein gefangen worden. Jede Quelle wurde wie ein kostbarer Smaragd in eine Fassung gelegt, die hier natürlich aus geeigneten Steinen besteht. Dann leitete man die Quellwasser in einen etwa 10 Kilometer langen, überdeckten Hauptkanal, der aus Eisenbeton- und Schleuderbetonrohren besteht. Bon hier ergießen sich die gesammelten Wasser in einen Weiher und werden dann in einem offenen Gerinne in den Schluchsee geführt.
Dieser prächtige Schwarzwaldsee liegt südöstlich von den Massin des Feldberges, 899 Meter über dem Meere. Vor der Ausstauung hatte sein Basserspiegel eine Fläche von einem Quadratkilometer. Seine größte Liefe murde mit 33 Metern gemessen. Diese riesige Wasserfläche wurde durch eine 33 Meter hohe, gewaltige Betonmauer am Ausfluß des zum Rheine eilenden Schwarzabaches abgesperrt. Als dieser Bau vollendet war, sammelten sich die ungezählten kristallklaren Wassertropfen zu einem neuen See, der fünfmal so groß wurde wie der alte Schluchsee , dessen Wasser sich um 29 Meter über den ursprünglichen Wasserspiegel aufstauten. Eine etwa 10 Kilometer lange Chaussee verschwand in den Fluten. Als Ersatz hatte man rechtzeitig eine neue Straße oberhalb der zu erwartenden Stauhöhe gebaut. Nicht weniger als 108 Millionen Kubitmeter Waffer stehen durch diese Maßnahmen zur Arbeits
Verfügung. Die Ingenieure zwingen die gebändigten Wasser des Schluchsees durch einen 6 Kilometer langen kreisförmigen Drudstollen von 4,10 Meter innerem Durchmesser, und nun strömen sie in die vier Turbinen des Kraftwerkes Häusern, von denen jede 23 Kubikmeter Wasser in der Sekunde verschlucken kann, während sie sich emsig drehen und dabei die Dynamos treiben, die zusammen eine Maschinenleistung von 4 X 32 000 Kilovoltampere abgeben.
Die mit großer Gemalt abströmenden Wasser werden aber unterhalb des Kraftwerkes von neuem gestaut. Eine zweite Betontalsperre von 30 Meter Höhe riegelt wiederum das Schwarzatal ab. Ein neuer See mit einem Wasserinhalt von 1,7 Millionen Kubikmetern entsteht, der als Ausgleichsbecken und als Wasserspeicher für das zweite Kraftwerk in Eichholz an der Schwarza dient. Bon hier werden die Wasser wieder gezwungen, einen Druckstollen von 2,8 Kilometer Länge zu durchströmen und in Turbinen zu verschwinden, deren Appetit in jeder Sekunde 14 Kubikmeter Wasser erfordert. Die beiden Maschinenjätze des Kraftwerkes Eichholz leisten je 14 000 Kilovoltampere.
Das Kraftwerk Häusern hat aber nicht nur die Aufgabe, Strom zu erzeugen, es dient auch als Pumpwert, um in betriebsschwachen Beiten aus dem Ausgleichsbecken Wasser in den Schluchsee als neue Kraftreserne zu pumpen. Dann laufen die Dynamos als Eletromotoren und treiben Pumpen an, die auf der gleichen Welle fizen. In jeder Sekunde schleudern die Bumpen zusammen 40 Rubikmeter Wasser empor. Dadurch wird in wasserarmen Zeiten die Strom. lieferung des Kraftwerkes am Schluchsee für den Spitzenbetrieb sichergestellt. Im Bedienungsfehler, die die komplizierte Maschinenanlage zerstören könnten, nach Möglichkeit auszuschalten, wurden beide Werke mit selbsttätiger Schaltung versehen. Das Kraftwerk Eichholz wird außerdem von Häusern aus ferngesteuert.
Den Naturfreund aber wird es freuen, daß der Techniker die Landschaft nicht zerstörte. Im Gegenteil, die gewaltige Wasserfläche des neuen Schluchsees wirkt außerordentlich eindrucksvoll. Das Kraftwerk selbst aber wird eine neue und starke Anziehungsirajt auf jeden Besucher des südlichen Schwarzwaldes ausüben. Die Ingenieure haben es gelernt, den Gegensatz zwischen Technik und Landschaft zu überwinden. Willy Mobusa