Beilagents DI Freitag, 15. April 1932
Der Abend
Spalausgabe des Vorwirks
Zehn Fragen- Zehn Lügen
Entlarvung eines kommunistischen Wahlschwindels
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Die Kommunisten haben in Flugblättern und der Roten Fahne" sogenannte Zehn Fragen an die SPD. - Wähler" gestellt. Diese Fragen gründen sich auf angebliche Zahlen des preußischen Haushalts. Wir fönnen hierzu feststellen; daß es sich um ungewöhnlich plumpe und gemeine Fälschun gen handelt. Teils find die von den Kommunisten behaupteten Zahlen absoluter Schwindel, teils beziehen sie sich auf andere Gegenstände als die von den Kommunisten angeführten, teils ist die
Vergleichsmethode der Kommunisten derart willkürlich, und irreführend, daß auch sie einer planmäßigen Fälschung gleichkommt. Mit ihrem Lügenkampf gegen die Regierung BraunSevering entpuppen sich auch hier einmal wieder die Kommunisten als die Bahnbrecher des Faschis mus , genau wie beim schwarzweißroten Volks: entscheid 1931, wo sie den Stahlhelm und die Nazis unterstütten, und wie bei der Reichspräsidentenwahl ain 10. April, mo mehr als eine halbe Million Kommunisten Hitler wählte.
Sim nachstehenden deden wir den Schwindel der Kommunisten au Hand des echten Zahlenmaterials auf. Natürlich müssen unsere Leser eins beachten: Ein Schwindel läßt sich mit niel türzeren Worten behaupten als widerlegen, zumal wo es sich um fompliziertere Zusammenhänge handelt. wie z. B. die Zuständig eitron Reich, Ländern und Gemeinden, die bei den nachstehenden Fragen eine wesentliche Rolle spielt und auf deren Berschleierung ein großer Teil des tommunistischen Schmindels beruht. Bir beantworten Frage um Frage:
1. Der Polizei- Schwindel
In ihrer ersten Frage behaupten die Kommunisten, daß der Bolizeietat von 103 Millionen im Jahre 1913 auf 451 Millionen im Jahre 1932 gestiegen sei.
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Gefälscht! Sie haben turzerhand den gesamten Innenetat, Berwaltung usw. den Polizeitosten gleichgestellt. Die Soffen der Polizei betrugen im Etat für 1932 nicht 451 millionen, fondern 311 Millionen, Unterschied 140 millionen! Zum Vergleich mit dem Polizeietat nennen die Kommunisten Zahlen des Wohlfahrtsetats Aber hier hüten sie sich auffälligermeise den Bergleich mit 1913 anzustellen. Aus diesem Bergleich würde nämlich der Leser erfahren, daß der Wohlfahrtsetat in der Republik prezential, viet stärker gewachsen ist als der Innenetat, nämlich von ganzen 19 Millionen Mark im Jahre 1913 auf 231 Millionen Mart im Jahre 1931!
Das verschweigen die Kommunisten! Statt dessen erzählen sie nur, daß im Jahre 1932 der Wohlfahrtsetat gegen 1931 gejunten ist. Das ist richtig, erklärt fich aber aus der reichsgefeßlich verfügten Sentung der Hauszinssteuer, infolge derer Breußen gezwungen war, die öffentliche Bautätigkeit erheblich einzuschränken( vgl. aud Nr. 5).
2. Die Hunde- Lüge
Die Kommunisten behaupten, daß Preußen bei 745 Polizeihunden pro und und Monat für Berpflegung 51 M. ausgebe, d. h. mehr als für einen ledigen Unterstügungsempfänger! Gelogen mie gebrudt! Die monatlichen Unterhaltungsfoften pro Hund betragen nicht 51, sondern ganze 9 M., also noch nicht den fünften Teil dessen, was die Kommunisten schwindeln. Um ihte falsche Zahl zu errechnen, geben sie erstens nur 745 Polizeihande an, während sich in Wirklichkeit 3253 Hunde in die Etaffumme teilen, ferner rechnen fie die Kosten der Hundeführer in die„ Verpflegung" der Hunde ein!
3. Die Kinder- Lüge
Es wird zunächst behauptet, daß der preußische Staat 3150 M pro Pfarrerstelle Zuschuß zahle. Diese Zahl ist malos übertrieben. Richtig ist nur, daß der Staat durch ein Gesetz, das vom Landtag im Jahre 1924 gegen die Stimmen der Sozialdemokratie argenommen worden ist, verpflichtet ist, für die Pfarrerbesoldung fu schüsse zu zahlen, die aber für 1932 um 11½ Millionen niedriger find als die Kommunisten behaupten.
Im Gegensatz hierzu wird behauptet, daß für Kinderspeisung nur 6 Pf. pro kind von Preußen gegeben würden. Ein raffiniet. bösartiger Schwindel!
Die Kinderspeisung wird nicht vom Staat, sondern von den Gemeinden durchgeführt, die hierfür hohe Beträge aufbringen. Die im preußischen Etat eingestellte Summe von 250 000 m diet lediglich zur Unterstützung einzelner besonders leistungsschwache Gemeinden, bezieht sich also nur auf einen ganz geringen Bruchtet der preußischen Schulkinder.
4. Die Pferde- Lüge
Nach tommmmistischer Behauptung schenkt die Preußenregierung ben Rennsportvereinen jährlich 6 Millionen Mark. Die Wahrhe fieht so aus: Die Rennwettvereine
führen jedes Jahr 20 Millioneu Mart Rennwettsteuer an den Staat ab und erhalten davon 6 Millionen Warf für die Beranstaltung de Bferberennen züdvergütet, jo baß dem Staate 14 Millionen Neber fouß verbleiben. Ohne diese 6 Millionen könnten teine Pferde rennen stattfinden unb es würde natürlich ber Staat auch nicht di 14 Millionen Ueberschuß aus der Rennwettsteuer haben! 5. Die Hauszinssteuer- Lüge
Reichsregierung durch Kotverordnung verfügt worden.- Im übrigen hat Preußen, was die Kommunisten verschweigen, von allen Ländern den prozentual höchsten Anteil der Hauszinssteuer, nämlich 56 Proz., für Wohnungsbau verwendet. Preußen hat sei Beendigung der Inflation, also feit 1924, mehr als 1¼ Million Wohnungen erstellt, und zwar zum weitaus größten Teil mit Hilfe von Hauszinssfeuermiffeln.
2 Milliarden Subventionen soll die Preußenregierung an In
dustrie und Agrarfapitalisten gezahlt haben. Die 3ah!
ist maßlos übertrieben. Hätte Breußen wirklich 2 Milliarden aufbringen können, fo gäbe es heute in Preußen eine sehr viel geringere Arbeitslosigkeit. Subventionen, d. h. Kredite in der Form von Dar: lehen, find nämlich ausschließlich gegeben worden,
um die Schließung wertvoller Betriebe und damit die Entlaffung von deren Arbeiterstämmen zu verhindern,
Material über die illegale Tätigkeit der SA. veröffentlicht. Die KPD. weiß sehr wohl, daß dieser Teil des Materials von Severing dem. Oberreichsanwalt zweds Einleitung eines Hoch- und Landesverfahrens übermittelt
worden ist und daß Severing sich durch die Beröffentlichung dieser Dokumente, die bereits einen Aftenbestandteil eines schwebenden Strafverfahrens bilden, sich nach dem Gesetz strafbar machen mürde.
9. Die SA.- Lüge Nr. 2
Hier beschweren sich die Kommunisten, daß im Gegenjak zum RFB. die Hitlerische A. nicht verboten sei. Das soeben auf Betreiben Preußens, Bayerus und Württembergs ergangene Verbot der SA. für das ganze Reich gibt hierauf die treffende Antwort und den Fragern eine schallende Chrfeige.
3. B. an die Schichau - Werft, Elbing , an den niederschlesischen Bergbau, an den Siegerländer Bergbau. Gerade die Arbeiterschaft diefer 10. Die Standesherren- Lüge Elendsgebiete hat es freudig begrüßt, daß der Staat die Beiterbeschäftigung wenigstens eines Teils von ihnen ermöglicht hat.
berühmten Rujienaufträge fonnten der preußischen Industrie nur Eins namentlich verschweigen die Kommunisten auch hier: Die dadurch zugeleitet werden, daß der preußische Staat die Ausfallbürgschaft für diese Aufträge, und zwar bisher in Höhe von mehr als 300 Millionen Mark übernommen hat.
7. Die Streik- Lüge
Nach kommunistischer Behauptung unterstützt die preußische Bolizei, in Wirtschaftstämpfen die Agrarier und Unternehmer. Die Wahrheit: Schon im Jahre 1919 und 1920 haben die Agrarier einen Sturm gegen den damaligen Landwirtschaftsminister Otto Braun entfejjelt, weil er sich geweigert hat, die Streits der pommerschen Landarbeiter mit Bolizeigewalt zu unterdrücken und weil er im Winfer 1919/20 durch Notverordnung
die Großgrundbesitzer gezwungen hat, die Aussperrung ihrer organisierten Landarbeiter rückgängig zu machen. Damals erklärte Offo Braun in der Sigung des Landtags vom 4 Februar 1920: Die Regierung wird und darf night dulden, daß Den Landarbeitern durch brutalen wirtschaftlichen Drud das Koalitionsrecht verfümmert wird. Es wird dafür gesorgt, daß in Bommern alle Kündigungen aufgehoben werden und nicht zur Aus führung tommen."
Der sozialdemokratische Polizeipräsident von Berlin hat im Jahre 1927 durch Erlaß ausdrücklich die Polizei darauf hingewiesen, daß es nicht ihre Aufgabe sei, in Wirtschaftskämpfe einzugreifen und daß das Aufstellen von Streitposten nicht zu beanstanden, fondern erlaubt ist. Aehnliche Polizeierlaffe sind noch zahlreich
ergangen.
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8. Die SA.- Lüge Nr. 1
Hier werfen die Kommunisten der preußischen Regierung vor, daß sie in den Jahren 1929 und 1930 freiwillig an die aöligen Landesherren etwa 11 Millionen Abfindung gezahlt habe. Die Wahrheit: Preußen ist nach der Inflation
durch Urteile des Reichsgerichts gezwungen worden, die standesherrlichen Renten, die etwa 2 Millionen Mart im Jahr befrugen, voll aufzuwerten.
Auf Betreiben Preußens hatte das Reich ein besonderes Aufwertungsgesetz erlassen, durch das diese Renten nur auf 8 bis 25 Broz. aufgewertet wurden. Gleichzeitig betam Preußen die Möglichkeit, durch eine einmalige Abfindung in Höhe des zwanzigfachen Aufmertungsbetrages die ,, emig" laufenden Renten abzugelten.
Von diesem Recht hat Preußen Gebrauch gemacht, und durch Jahlung von insgesamt etwa 10 Millionen Mark die Gesamtheit diejer Renten abgelöft, so daß diejes vorsintflutliche Institut sein Ende gefunden hal! Billiger konnte nach der Rechtslage Preußen von feiner Verpflichtung nicht loskommen. Freiwillig und über das hinaus, was das Reich ihm vorschrieb, hat Preußen feinen Pfennig gezahlt!
So nicht die Wahrheit über den Komutunistenschwindel aus. Wir haben dabei im Interesse der Kürze noch manche Einzelheit fortgelassen, durch die noch viele interessante Schlaglichter auf die kommunistische Schvindelmethode hätte geworfen werden können. Aber bereits das Angeführte wird unseren Lesern den vollen Beweis erbringen, daß niemals so unverschämt, so dummdreist und so widerwärtig gelogen worden ist zu dem einzigen Ziel, eine republikanische Regierung herunterzureißen. Am 24. April gebe jeder diesen Helfers.
Die Kommunisten fragen, warum Severing nicht das gesamte helfern des Faschismus die gebührende Antwort:
Liste 1 Braun- Severing!
Was ist national?
Grundsätzliche Bemerkungen zu unserer Zeit.
In der Großen franzöfifchen Revolution( wir folgen hier Mohr, Tübingen ), fomeit wir mit ihm im Analytischen über Zieglers Darstellung in seinem Buch„ Die moderne Nation"( Verlag einstimmen) gewinnt Idee und Wirklichkeit der modernen Nation ihre vollendete Form. Siéyès definiert die Nation in seiner berühmten Schrift:„ Was ist der dritte Stand?" folgendermaßen: Was ist eine Nation? Eine Gesamtheit von ver und durch dieselbe gefeßgebende Versammlung vertreten find einigten Individuen, die unter einem gemeinsamen Gesetz stehen Die Nation ist vor allem anderen da, sie ist der ursprung von allem. Ihr Wille ist immer gefeßmäßig, sie ist selbst das Gefeß." Die souveräne Nation wird hier ganz offenbar zum obersten politi: fchen Gestaltungsprinzip.
Geschehenseinheit durchaus nicht an ein demokratisches Regierungsprinzip gebunden ist, wenn auch bürgerlich- demokratische Faktoren zu Beginn der Französischen Revolution entscheidend mitwirkten. Die Wirksamkeit des nationalen Prinzips ist heute keines wegs abgeschlossen. Der Ausgang des Weltkrieges hat starte neue nationale Bewegungen mobilisiert, die sich auch auf außereuropäische Gebiete ausgedehnt haben; es mag hier genügen, auf die natio nalen Bewegungen in China und Indien zu verweisen. Dagegen zeigt die Entwicklung vor allem in Deutschland , daß das nationale Brinzip mit dem demokratischen Prinzip in einer starten Spannung steht; Die scharfen sozialen Gegenfäge mer. den durch die Erschütterung der Weltwirtschaftskrise noch besonders verschärft. Diesen Schwierigkeiten müssen mir in den ihnen eigen. tümlichen Ursachen nun noch näher nachgehen. Deutschland wird in jeiner nationalen Einheit im Gegensatz zu Frankreich und Eng land durch seine geistigen Führer bestimmt: in der deuts fchen Romantik durch Goethe, Schiller und Wilhelm von Humboldt Herrschaft im Namen der Nation legitimieren. Jede Gruppe, die die Regierungsgemalt ergreift, muß ihre wird die deutsche Nation- Idee zu einer Zeit zum ersten Male auf Das Wohl des gestellt, in der innerhalb der staatlichen Organisation noch die Baterlandes erheischt den Kopf Dantons und auch Robes fleinsten und kleinlichsten dynastischen Interessen vorherrschten. Nur pierre wird mit dem gleichen Argument gestürzt. Die franzöfifo. ift es. zu verstehen, daß die Idee der nationalen Einheit in schen Revolutionsfriege verstärken dieses neue Prinzip politischer Deutschland mehr von der Seite der kulturellen Einheit her Geschehenseinheit. Mit vollem Recht schreibt Ziegler in diesem Zu- geprägt wurde. Diese deutsche Kulturidee( es ist bezeichnend, fammenhang: Die Revolutionierung der außenpolitischen Sphäre, daß das deutsche Wort Kultur in der franzöfifchen Sprache nicht in der nun der Wille der Nationen und nicht das Recht der Staaten gleichhedeutend ausgedrüdt werden kann) war die Idee einer entscheiden soll, fündigt sich an. Die Repolution nähert sich dem pripilegierten Bildungsschicht, die die Massen nur Stadium restloser Nationalisierung, und 1792 schreitet das neue mittelbar ergriff und sich im Laufe des 19. Jahrhunderts erst in nationale Frankreich zum Angriffstrieg gegen ganz Europa einer verflachten und abgewandelten Form( durch Schule und Unis Bon jetzt ab hat dieses, den Ausbau der politischen Wirklichkeit perität) nach und nach durchsetzte. Immerhin bildete die deutsche bestimmende Brinzip foziale Geltung und ist zu einem mit- Stulturidee, namentlich durch die sogenannte historische Schule bestimmenden saftor des. politischen Geschehens geworden. Der( Rante, Savigny usw.) auf den verschiedensten Gebieten des Geiſtes weitere Verlauf dieser Eniwidlung, die napoleonische Vera, bas lebens den Sinn für das historisch Gewordene und das historisch spätere 19. Jahrhundert und schließlich die neue Stulminatinu( Höhe Einmalige mit einer Feinheit aus, der andere europäische Völker punkt) in ber Proklamation des Selbst bestimmungsrechts faüm ähnliches entgegenzusehen haben: ber Rationen im Weltkrieg ist die Geschichte des endgültigen Durchfeßens der modernen Nation."
der deutsche Geist drang in die letten Tiefen menschlicher Selbstbesinnung ein, so ohnmächtig cr aller politischen Wirklichkeit gegenüber vcrblicb.
Diese Geschichte fann hier nicht aufgezeigt werden, da es sich Breußen foll angeblich den Hausbefizern durch Gentung de filr uns nur um die Erkenntnis des Prinzipiellen Hauszinssteuer 160 Millionen Marf schenken. Die Senting de handelt. Nur auf ein Moment ist an dieser Stelle nach hinzuweisen: Hauszinssteuer ist nicht von der Breußenregierung, sondern von de die napoleonische Aera zeigt, daß die moderne Nation als politische Erst Lorenz von Stein , Karl Marg und später Max Weber