Einzelbild herunterladen
 

Das Leben eines Professors

Lujo Brentanos Erinnerungen/ Von K. H. Döscher

Am 9. September 1931 starb der letzte große Sozialliberale Lujo Brentano   im 87. Lebensjahre. Bis in sein hohes Aliter hinein mar er literarisch tätig gewesen, eine große englische   Wirt­schaftsgeschichte hatte er noch vollenden können; sein Vermächtnis aber maren seine Erinnerungen, die nach seinem Tode unter dem Titel: Mein Leben im Kampf um die soziale Ent widlung Deutschlands  " im Berlag von Eugen Diederichs  , Jena  , erschienen sind( 421 Seiten Großoktav, geb. 18 M.). Das Buch endet, nachdem Brentano furz zuvor erklärt hat, daß er die Wirtschaftspolitik des Vereins für Sozialpolitik", aus dem er bereits ausgeschieden war, nicht verstehe, mit folgenden Zeilen:

"

,, Dagegen sage ich dem letzten Ministerium der Sozial demokraten aufrichtigen Dank, denn sie, die mich und mein Streben, die Partei mit dem deutschen   Staat während Jahr: zehnte zu versöhnen, mit nicht geringerer Heftigkeit bekämpft haben, wie dies die Unternehmer taten, haben den Reichs­präsidenten veranlaßt, mir die höchste Ehre zu verleihen, welche die Republik   verleiht."

Sein Lebenswert.

Der Aufstieg der Arbeiterklasse ist Ziel und Inhalt der Brentano schen Lebensarbeit. Er ist überzeugt davon, daß bei wahrhaft liberaler Ausgestaltung und Handhabung der Geseze dieser Aufstieg möglich ist, und er sucht den Beweis zu führen, daß er in England und auch in Deutschland   bereits zum Teil erfolgt ist. Alle seine Bücher, die er über die Fragen von Arbeitszeit und Arbeitslohn, über Achtstundentag und Koalitionsrecht schreibt, dienen immer dem gleichen Zweck, die bürgerliche Gesellschaft von der Richtigkeit seiner Theorie zu überzeugen und die mannigfachen Vorurteile und Hemm finden, aus dem Weg zu räumen. An all den Kämpfen, die um nisse, die sich bei den Regierungen und Interessentenverbänden Deutschland   sich abgespielt haben, so vorzüglich auch gegen die Zucht­cine freiere Gestaltung des Koalitionsrechts in hausvorlage, hat er in seiner Weise den lebhaftesten Anteil ge= nommen. Die gewaltsame Interdrückung der Arbeiterbewegung hat er immer wieder gebrandmarkt, da sie nur der weiteren Radikali­fierung diene. Als Meister der pointierten Erzählung, der er in der persönlichen Unterhaltung noch viel mehr war ais in der literarischen Firierung, gibt er ein charakteristisches Beispiel von der Veriogen­lung des Vereins für Sozialpolitik, die 1882 in Frankfurt   tagie, einen höchst bezeichnenden Vorgang aus einer der Ausschußsizungen:

Der entschiedenste Vertreter der politischen und wirtschaftlichen Gleichberechtigung der Arbeiterschaft aus dem bürgerlichen Lager hat also seine eigene Gründung, den Verein für Sozialheit der Politik von damals. Er berichtet von der Generalversamm­politit", wegen dessen wirtschaftsreaktionärer und arbeiterfeind lichen Haltung verlassen müssen, andererseits bezeigten ihm die Gewerkschaften ihren Dant durch offizielle Beteiligung an seiner Beerdigung. Die Fronten waren flar geschieden; der Liberale, der mit seinem Liberalismus Ernst gemacht hatte, fand bei seinem Tode teine Liberale Partei mehr vor, und das tathedersozialistische Fähnlein der Wissenschaft war arg zusammengeschmolzen.

Das Leben eines deutschen   Professors spielt sich gemeinhin in großer Zurückgezogenheit ab, und man würde mit Recht fragen, inwiefern Brentano   einen so breiten Raum für die Darstellung seines eigenen Lebens gebraucht hat. Aber die Wissenschaft, der er diente, stand in dieser Zeit mitten im Kampf, und so ist die Er­zählung seines Lebens zugleich eine Darstellung der Kämpfe um das Recht der Arbeiter, um die wirtschaftliche Freiheit und um die Unabhängigkeit der Wissenschaft geworden. Das Lebensbuch ist so zugleich ein wichtiger Beitrag zur sozialen Zeitgeschichte. Was sich zwischen 1869, da Brentanos erstes Buch über die Gewerf= vereine erschien, und 1930 auf dem Gebiet der deutschen   Volks­wirtschaft und Sozialpolitik abgespielt hat, das findet hier ein lebhaftes Echo durch einen Kämpfer, der in der Wissenschaft, auf dem Katheder, in den Versammlungen des Vereins für Sozialpolitik und vielfach auch in der Presse für soziale Gerechtigkeit gegen Gewaltanmaßung und gegen die privatwirtschaftliche Interessen­politik der Industriellen wie der Agrarier immer für das Recht der Schwächeren eingetreten ist.

Brentano als Lehrer.

Brentano   war in einer ganzen Reihe deutscher   Hochschulen als Dozent tätig; seine größte Wirksamkeit hat er in München   ent­faltet, wo er von 1891 bis zum Jahre 1917 und gelegentlich bis 1924 Borlejungen abhielt. Man muß ihn selber als Lehrer gehört und an seinem Seminar, das eine Pflanzstätte nationalötono: nischer Wissenschaft von internationaler Bedeutung wurde, teilgenommen haben, um die starke Wirkung dieses, Professors zu verstehen. Seinetwegen mußte in München   ein neuer großer Hörsaal gebaut werden, weil der frühere die jährlich anwachsende Zahl der Hörer nicht mehr aufnehmen konnte. Aus dem Seminar sird eine Menge Arbeiten hervorgegangen, die weit über die Bedeutung der vielfach überschäßten Doktordissertationen hinaus Zeugnis von der guten Schulung in der unbefangenen Beobachtung wirtschaftlicher Tat­sachen und in der Würdigung historischer Zusammenhänge ablegen. Ganz in seinem Element war Brentano   als Kathederlehrer. Sein auch in der Form vollendeter Vortrag fesselte vom ersten Augenblick an; er ging immer auf das Wesentliche, verabscheute die Notizenwirtschaft und den Unfug des Bücherzitierens und ging vor allem auf völlige gedankliche Klarheit aus.

,, Als wir nach einer derselben bei einem Glase Wein zu sammensitzen, erhob sich Miquel, der damals Oberbürgermeister von Frankfurt   mar, zu einer Rede, die in den Worten ausflang: Das infamiste Gesez, das Gesez, das uns um 30 Jahre zurückgeworfen hat, ist das Sozialisten geseh. Unjer Staunen bemerkend, fuhr er fort: Wenn aber einer sich darauf beruft, daß ich dies gesagt habe, so leugne ich es, was wir mit schallendem Gelächter quittierten."

schaft nicht minder entlarot wie die Agrarpolitik, die sich auf Kosten der Konsumenten durch Getreidezölle Vorteile verschaffte, und ist für den Freihandel bis zuletzt eingetreten als den Regulator internationaler Wirtschaft.

Interessante Einblicke gewährt die Selbstbiographie in die Universitäts   mirtschaft, mie sie von Regierung und Par­teien getrieben wurde. Das System Althoff und das noch viel schlimmere, das ihm folgte, geben Brentano Anlaß zu mancherlei Enthüllungen über Beinflussungsversuche der Wirt­fchaft auf die Universitätsmissenschaft, die Affären Ehrenberg und Ludwig Bernhardt werden behandelt, und der Dr. Gustav Ruhland   wird noch einmal getreulich abfonterfeit.

Nach dem Kriege.

Die letzten Kapitel sind den Erlebnissen während und nach dem Kriege gewidmet. Brentano   ist bis zum letzten Tage seines Lebens bemüht gewesen, wo immer er konnte, der vollen Gleichberechtigung der Arbeiter zu ihrem Rechte zu verhelfen. Das Verhalten der Gewerkschaften während des Krieges ist ihm eine Bestätigung seiner ganzen Politif.

,, Wo wäre, so fragt er( S. 313), das Deutsche Reich ge­blieben, wären die deutschen   Gemertschaften, als der Krieg erklärt wurde, die paterlandslosen Gesellen gewesen, als welche sie diejenigen verdächtigt hatten, die ihnen die Rechte verweigern wollten, deren sich die Unternehmer- Verbände an­standslos erfreuten. Die Folge mar, daß die Arbeiter das Be­mußtsein erlangt haben, daß sie im Rahmen der gegenwärtigen Wirtschaftsorganisation ihre Lage zu heben vermögen."

Brentano   hat die Revolution in München   miterlebt und er erzählt allerlei Vorgänge, die interessante Schlaglichter auf die da malige Zeit werfen. Von Eisner meint er:

,, Er war nicht ohne Geist und Beredtsamkeit, aber er war, trotzdem er Redakteur des Vorwärts" gewesen war, tein Po­lititer; er mar Jeuilletonist."

Eisner hat auf jede Weise versucht, Brentano in der neuen Re­gierung mitwirken zu lassen. Aber Brentano   bemerkt mit Recht, daß die deutsche Bürokratie ihm niemals Gelegenheit gegeben hatte, praktische Erfahrungen in der Regierungsfunft zu erwerben, und er beschränkte sich daher darauf, am geistigen Arbeiterrat teilzunehmen und das Volkskommissariat für Handel und Industrie bald wieder abzugeben, da er sich keine fruchtbringende Tätigkeit davon versprach.

Alsbald nach Schluß des Krieges hat Brentano   an der Wie. deranknüpfung internationaler Beziehungen, besonders auch mit England, lebhaften Arteil genommen. Seine Darstellung von seiner Beteiligung an dem Londoner Kongreß zur Bekämpfung des Hungers zeigt, wie schwierig die Wieder. anknüpfungen maren und wie sehr andererseits freidenkende eng­ lische   Kreise sich über alle nationalen Vorteile hinwegsetzten.

Der Verein für Sozialpolitit, den Brentano   mit Schmoller und Wagner begründete, war für ihn das Mittel, um seinen Ideen in Professorenkreisen und in der breitesten Deffentlich­den Kulissen abspielten, sein immer stärker werdender Gegensaz feit Geltung zu verschaffen. Die mancherlei Kämpfe, die sich hinter zu dem Sozialkonservativen Adolf Wagner werden eingehend beleuchtet. Brentano   rechnete damit, daß die Arbeiterbewegung schließlich in eine großliberale Partei einmünden würde, wenn alle die einengenden Beschränkungen und Ungerechtigkeiten gefallen sein würden. Aber der Wunsch ist doch zu sehr der Vater des Ge­dankens, menn er glaubt( Seite 239), daß Vollmar dem Gedanken einer großen, die Sozialdemokraten mit umfassenden liberalen Die letzten Kämpfe um den Achtstundentag, die Auseinander­Partei ebenso zugänglich war, wie auf der anderen Seite Bamsetzungen mit dem Verein für Sozialpolitik führen fast bis zum berger und Barth  . Vollmar kannte die deutschen   liberalen Par- Schlusse dieses außerordentlich arbeitsamen Lebens eines hochs teien viel zu genau, um von ihnen irgend etwas Durchgreifendes gesinnten Mannes, der ein treuer Freund der Arbeiterklasse mar.

zu ermarten.

In der Wirtschaftspolitik hat Brentano   von Anfang an die Bestrebungen der Interessenten, sich auf Kosten der Allgemeinheit Vorteile zu verschaffen und Parteien und Regierungen in ihren Dienst zu stellen, und schließlich sich auch die Wissenschat gefügig zu machen, denunziert und bekämpft. Er hat die Kartellmirt

Brentanos Lebensbiographie, so gehaltvoll sie ist als Dar stellung dieses besonderen Lebens, empfängt ihre höhere Bedeutung als Beitrag zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des kapitalistisch erblühenden Deutschlands  , einzigartig aber ist sie und von höchstem Wert für die Geschichte der aufsteigenden und sich ihre Rechte er­kämpfenden deutschen   Arbeiterschaft.

Piratenschiff auf dem Atlantik

oder: Revolution in Brasilien  / Von Leonhard Adelt  

Der Speisesaal des Hotels Central in Recife   nimmt den achten, obersten Stock des schmalen Turmbaues ein, der inmitten der niedrigen Tropenhäuser, einen Wolkentrager in Taschenformat darstellt. Man hat aus seiner Höhe nach drei Seiten wunderbaren Ausblick: auf den Atlantik, dessen Brandung sich gischtend an dem viele hundert Kilometer langen Sandsteinriff der brasilianischen Flachküste bricht, auf das grelle, heiße Labyrinth der unabsehbar ausgedehnten Stadt und auf die moorigen Lagunen mit den lang stieligen Staubwedeln der Kokospalmen, zwischen denen von Zeit zu Zeit der Silberfisch   Graf Zeppelin" unter senkrechter Sonne

Wir jungen Sozialisten waren damals feineswegs absolute Brentanianer; seine Polemik mit Karl Marry wegen angeblicher Zitatenfälschung war noch unvergessen, und die ganze realpolitische Art dieses klugen Bürgers, der wohl verstand, daß das heutige Eigentum feine ewige Kategorie mat, aber von irgendwelchem systematischen Sozialismus nichts wissen wollte, gefiel uns durchaus nicht. Aber wir hatten das sichere Gefühl, daß hier fein beschimmert. amteter Vorleser, sondern ein Charakter zu uns sprach, der zu seiner Sache stand, ein Mann der Ueberzeugung, der keiner Re­gierung und feiner Partei gefällig war.

Brentano   läßt uns in seinem Buche miterleben, wie er geworden ist; wie er es denn auch in seinen Büchern liebte, seinen Lesern den Entwicklungsgang seiner Arbeiten vorzuführen. Er macht uns mit seiner berühmten Familie vertraut, die von den Gestaden des Comer Sees im 18. Jahrhundert in Deutschland   eingewandert ist und nach einigen Generationen großer Kaufleute für das geistige Leben Deutschlands   bedeutende Männer und Frauen hervorgebracht hat. Der romantische Dichter Clemens Brentano   war sein Onkel, Bettina Brentano  , die später den Dichter von Ainim hei­ratete, seine Tante. Lujo Brentanos Bruder wieder mar der Philo­foph Franz Brentano  . In einem streng katholischen Hause aufgewachsen, aber aus einem fulturgejättigten Milieu stammend, wurde der junge Brentano   mährend eines Aufenthalts in Irland  von den englischen liberalen Ideen erfaßt, und ihnen ist er sein Leben treu geblieben. Er zeigt uns eindringlich, wie er als Schüler des preußischen Statistikers Engel die englische Arbeiterschaft und ihre Probleme fennenlernt. Daraus erwachsen seine ersten Bücher über die Arbeitergilden der Gegenwart. Getreu seiner theoretisch gewonnenen Ueberzeugung, daß die deduktive klassische National­ötonomie mit ihren vorzeitig gewonnenen Sägen kein Bild der Wirt­lichkeit gibt, vertieft er sich in die Lage der gewerkschaftlich organi­sierten englischen Arbeiter und schreibt ihre Geschichte. Nach Deutsch­ land   zurückgekehrt, baut er seine ganze Sozial- und Wirtschafts­politik auf den in England rein erfahrungsgemäß gewonnenen Grundlagen auf. Er formuliert sein Programm selber( Seite 83) folgendermaßen:

Ilm unser Wirtschaftsleben bor   notwendig fehlschlagenden Versuchen, seine Grundlagen umzustürzen, zu bewahren, verlangte ich die ehrliche, rückhaltlose und folgerichtige Durchführung der im heutigen Wirtschaftsleben geltenden Prinzipien der Frei= heit auch gegenüber den Arbeitern. Sozialpolitik mar auch in meinen Augen weit mehr als Stoalitionsrecht, Ar­beiterschutzgesetzgebung, Wohnungsreform, gerechte Steuerver teilung u. a. m. Das waren alles vortreffliche Dinge, aber doch nur Einzelheiten der Politik, die eingeschlagen werden müsse, um zu verhüten, daß das hier in der Natur der Entwicklung liegende Aufsteigen der Arbeiterflasie zu einer gleichberechtigten Stellung im Staats- und Gesellschaftsleben ohne Katastrophen sich abspiele."

Die Brise von der See streicht fühlend durch den Saal; an den weißgedeckten Tischen, über die winzige Ameisen auf Zucker jagen, speisen vornehme Brasilianer, blonde Deutsche, ungenierte Bürger der USA.  , lautlos bedient von straffhaarigen, braunen Indios.

In diese friedliche Versammlung weißgekleideter Gentlemen und Ladys trägt der Fahrstuhl einen schwerbewaffneten Soldaten. Der Mann ist, gemessen an den hünenhaften Deutschen  , klein und zierlich, und nimmt sich in seiner gelben Khati- Uniform wie ein verschreckten Rehaugen zu ihm ausschaut. Höflich teilt er den älterer Bruder des schwarzen, kraushaarigen Liftboys aus, der aus Gästen mit, daß in diesem Augenblick die Revolution beginnt, und ersucht sie, die Fensterpläge zu räumen, da sogleich ge­Wunsch des jungen Helden zu erfüllen; faum haben sie sich an die schossen wird. Die Gäste, wie sich denken läßt, beeilen sich, den pierte, fensterlose Wand des Speisesaals zurückgezogen, so hebt drunten ein Maschinengewehr zu tacken an, Gemchre knallen, in Fensterscheiben und Saaldecke erscheinen mit Gellirr und Klatschen

runde Löcher.

|

zwischen Mais- und Bohnenfeldern, Maniok und Rizinus, ein paar flache Steinhäuser, überragt vom Gerüst der Funkstation. Einen einzigen Menschen werde ich gewahr: regungslos steht er am Strand und schaut dem Luftschiff nach, das in regelmäßigem Kurz die einsame Felsenburg im Ozean passiert.

Ist der Mann am Strand einer der 160 Wärter, ist es der Staatsgefangenen einer, wie sie nach jeder Revolution hierher verbannt sind? Politische Differenzen begleichen sich dort drüben rasch und radikal: wer im Waffenkampf die Macht behält, der schickt seine Widersacher auf die glühend rote Insel drei Grad vom Aequator  , 750 Kilometer von der nächsten Festlandsküste. Einmal im Monat kommt der Dampfer von Recife de Pernambuco und bringt Post und Proviant.

-

-

her treuzen Boote. Ehe Kapitän und Mannschaft recht begreifen, Der Regierungsdampfer legt an und bootet aus; vom Strande was da vor sich geht, sind sie übermältigt gleich den 160 Solda ten, deren sich die Gefangenen schon vorher bemächtigt haben. So­piel nur immer der Regierungsdampfer faßt, gehen die Meuterer, 600 Mann, an Bord und nehmen, mit Proviant und Munition reich versehen, Kurs auf Pernambuco  . Die Funkstation auf der Insel haben sie wohlweislich zerstört.

macht, zwischen Küsterfahrern, die Brafilholz, Mahagoni, Baum Als der Dampfer nach drei Tagen am Kai von Recife feste wolle und Zucker laden, und statt einer Handvoll Mannschaft roten, braunen, schwarzen, gelben, graugefleckten Einwohnern der Hunderte verwegener Gesellen landet, bricht unter den weißen, Hafenstadt schreiende Verwirrung aus. Frauen und Freunde der Verbannten werfen sich den Selbstbefreiten in die Arme, Volk rottet sich zusammen und demonstriert lärmend für und gegen, Polizei und Militär werden alarmiert, noch rasender als sonst lingeln die Sanitätsautomobile durch die überfüllten Straßen. Berbannte werden eingefangen, wieder befreit und flüchten auf das Schiff, und da die bewaffnete Macht nicht nachdrängt, so bleibt den Ausreißern Gelegenheit und Zeit, die Schiffsvorräte zu ergänzen.

Die Revolution, die solcherart vom Polytechnikum gegenüber ihren Anfang nimmt, ist ein Echo jener größeren, die die Landes­hauptstadt Rio de Janeiro   in Verwirrung setzte. Rasch auf gebotene Nationalmiliz schlägt die Meuterei der Militärschüler und Jägerbataillone nieder, die politischen Drahtzieher des Aufruhrs werden eingefangen, abgeurteilt und nach Fernando Moraubten Dampfer schlüssig wird, stechen die Meuterer wieder in ronha verbannt. An das Strohjeuer der Revolution erinnert bald nichts mehr als die Kugelspuren in Saaldecke und Fenster scheiben; sie auszubessern lohnt nicht, da die nächste Revolution doch wieder schießt. Und in der Tat, faum hat das deutsche Luft­schiff seinen Anfermast verlassen, so junft Pernambuco   schon wieder Meuterei.

Im Morgenlicht des jungen Tages steigt der Felskegel von Fernando Noronha   aus dem Ozean. Die Brandung donnert haus hoch um die Inselklippen und der weiße Gischt scheint sich zu fliegendem Getier zu verdichten: Seeadler, Albatrosse, Reiher flizen wie Schneegestöber um die Felsentürme; im gläsern blauen Meer tief unter uns gleitet des Luftschiffs violetter Schattenumriß über torpedoförmige Saie und braune, deckenflache Riesenrochen eilfertig dahin. Das Gilard, 2% Kilometer breit, 11 Kilometer lang, er­innert mich an Helgoland  : über breitem Strand erhebt sich 100 Meter hoch der rotgebrannte Fels. Auf seinem Rüden schmiegen fich

Ehe die Regierung sich über einen Generalangriff auf den ge See, um fortan als Piraten ihr recht- und heimatloses Dasein zu verteidigen. Ein Geschwader Wasserflugzeuge, zur Verfolgung ausgeschickt, gerät in Wettersturm und fehrt um, zmei flinke kleine Kreuzer sind darauf aus, das Piratenschiff zu stellen. Der Atlan­ tische Ozean   ist ein weites Feld und die brasilianische Stüfte 8000 Kilometer lang weiter und länger aber reicht der Rundfunk, der die Flüchtlinge unerbittlich einfreist. Wenn Graf Zeppelin" in haben sich die roten flachen Häuser der Felsenkuppe schon wieder der Morgenfrühe an dem brasilianischen Helgoland vorüberführt, gefüllt mit Gefangenen von jener Sorte, die man Staatsverbrecher gefüllt mit Gefangenen von jener Sorte, die man Staatsverbrecher

nennt.

-

Berantwortlich für Politif: Victor Echiff: 99irtschaft: G. Alingelhäfer; Gewerkschaftsbewegung: 3. Steiner; Feuiüeton: Dr. John Gilomsti; Lotales und Sonstiges: Frig Sorstädt, Anzeigen: Th. Glode; sämtlich in Berlin  , Verlag: Borwärts- Bering 6. nt. h. H., Berlin  . Drud: Borwärts- Buchdruderet und Berlagsanstalt Baul Ginger u. Co.. Berlin   C. 68, Lindenstraße 3, Hierzu 2 Beilagen.