In der gestrigen Reichstagsbebatte( prach nach Dr. Hugo( D. Bp.) 2bg. Dr. Heuß( Staatsp.): Das neue Denten" des Herrn Straßer ist eine Kombination zwischen deutscher Romantik und utopischem Frühsozialismus. Dabei ist ihm die Banne passiert, hem nicht ganz raffereinen" Herrn Woytinski die Bruderhand Finzu ftreden.( heiterfeit.)
Als Göring vor cin paar Monaten in den Zennishallen zu Berlin- Wilmersdorf sprach, lief ein junges Mädchen mit einer Sammelbüchse herein und lud zu Spenden ein für Brünings Beerdigung".
Goebbels hat einmal erzählt, daß in der S. fich die neue Aristofratie bilde.( Heiterkeit.) Wenn Minister Groener das Wesen der S. schon solange gefannt, marum hat er sie nicht schon früher aufgelöft? Da lebten manche Menschen vielleicht noch... Die Aus stattung des Dritten Reiches besteht aus einer großen Anzahl neu ladierter Ladenhüter der wilhelminischen Zeit.( Heiterfeit und Beifall.)
Reichskanzler Dr. Brüning
beginnt seine mehr als 1½stündige Rede mit dem Hinweis darauf, daß er in dem morgen zusammentretenden Auswärtigen Ausschuß sich eingehender und in vertraulicher Form über außenpolitische Fragen äußein werde. Da er dies zum Teil auch schon am nergangenen Sonntag vor dem Berein der auswärtigen Presse in Berlin getan hat, beschränkt er sich zunächst auf einige
Ausführungen über die internationale Abrüstungskonferenz. Dort habe er gegenüber dem Februar gewisse Fortschritte feststellen fönnen, und verschiedene Großmächte hätten sich dem deutschen Standpunkt start genähert, daß nämlich die allgemeine Abrüstung in raschem Tempo auf jenen Stand gebracht werden müsse, den man beim Kriegsende Deutschland und seinen damaligen Verbündeten zwangsweise auferlegt hat. Andere Großmächte allerdings zeigen noch eine Haltung, die ernste und schwere Ausein andersetzungen in den nächsten Wochen erwarten lassen. Deutschland sehe ihnen mit Ruhe entgegen, denn es fordere nur Recht und Gerechtigkeit. Es wäre überaus gefährlich, die Ermar tungen ber ganzen Welt auf diesem Gebiete zu enttäuschen.
Keine Reparationen mehr.
Dann spricht der Reichsfangler über die Reparations frage, die mit der Abrüstungsfrage unauflöslich zusammenhängt. Die Hoffnungen auf Lausanne dürften nicht enttäuscht werden. Kommt es zu der einzig vernunftsgemäßen Lösung einer vollen Streichung der Reparations und Kriegsschulden, so werde unzweifelhaft in der ganzen Welt alsbald jeder einzelne eine günstige Wirkung spüren, da in der immer weiterschreitenden Weltfrise cine Erleichterung eintreten müßte.
Der Reichstanzler unterstreicht auch die Unzufriedenheit der Bölter mit der schleppenden Verhandlungsweise internationaler Diplomatenkonferenzen und Sachverständigenausschüsse. Er hebt die steigende Erkenntnis einer weiteren deutschen Zahlungsfähigkeit für Reparationsschulden bei Sachfennern aller Nationen hervor und ohne ihn zu nennen,
zitiert
Lloyd George , der vor einigen Tagen bei einer infernationalen Sundgebung erklärt hat, vor 10 Jahren fei es zu früh gewesen für die Erkenntnis des Notwendigen, man müffe fig jest fragen, ob es 10 Jahre nachher nicht schon zu spät dafür geworden fel. Schon vor vielen Monaten hat ber Bafeler Sachverständigenaus schuß und auch der beratende Sonderausschuß einen bringenden Appell an die Regierungen gerichtet, ohne Berzug zu den notwen digen Entschlüssen zu fommen. Trotzdem vergeht fast ein halbes Jahr feitdem, bevor endlich die Lausanner Konferenz zusammentritt, auf die die Welt ihre Hoffnungen feßt. An dem Standpunkt der Reichsregierung, daß eine weitere Zahlung nach Ablauf des Hoover. Jahres nicht mehr in Frage tomme, hat sich nichts geändert; eben fowenig aber ist auf eine spätere Wiederaufnahme dieser Zahlungen ober auch auf eine Abschlagszahlung zu rechnen.
Der Fluch der Goldanhäufung. Niemand wird behaupten wollen, daß die Anjammlung des Goldes der ganzen Welt in zweien unserer Gläubigerländer ein Zufall fei. 70 Broz. des Goldvorrates der Welt find im Bejiz Frankreichs und Ameritas. Die früher passive Handelsbilanz Deutsch lands ist infolge der Schuldzahlungen und der Auslandskredite in eine enorme Attivierung der deutschen Handelsbilanz umgeschlagen. In der gleichen Zeit ist Frankreich von einer ziemlich ausgeglichenen oder sogar aktiven Handelsbilanz zu einer start paffiven gekommen, und die gleiche Entwicklung zeigt sich in USA . Was bedeutet gegen über diesen enormen Verlusten im Güteraustausch der Wegfall der Kriegszahlungen! Die frühere optimistische Einschätzung der Weltlage hat fich furchtbar gerächt durch die Erschütterung der Wäh rungen, des Kredits und vor allem der Handelsbeziehungen.
Der Reichskanzler tommt nun auf die einschneidenden Maßnahmen zu sprechen, die Deutschland im Geldverkehr vorvorgenommen hat
und die besonders durch die Zurückziehung der kurzfristigen aus ländischen Privattredite notwendig geworden sind. Er befont, daß diese Maßnahmen zur Erhaltung ber damals start gefährdeten deutfchen Währung unentbehrlich waren, daß sie von der Reichsregierung fo schonend wie möglich gehandhabt werden, und daß dabei fein ausländischer Staat vor einem anderen bevorzugt werde. Sollten noch schärfere Eingriffe erforderlich werden, so werden wir nicht zögern, sie vorzunehmen. Wir werden aber, somie eine Gefahr für die deutsche Währung nicht mehr besteht, mit dem Abbau und der schließlichen Aufhebung dieser Maßnahmen nicht zögern. In diesem Zusammenhang betont der Redner auch das fernere Ziel eines fchrittweisen Abbaues der gewaltig erhöhten Zolmauern.
Das Wort vom St. Nimmerleinstag trifft die Situation wirf lich nicht mehr, wie sie sich in fortschreitendem Tempo in den letzten Monaten und Wochen gestaltet hat. Es gibt aber eine ,, Hoffnung", und diese besteht für alle Länder der Welt darin, daß die Krise so ungeheuer rapide Fortschritte macht, daß die Welt in eine Situation tommit, aus der dann vielleicht feiner mehr einen Ausmeg findet.( Die Kommunisten behaupten in chorartigen Zurufen, daß sie den Ausweg wüßten. Die Hitlerianer behaupten darauf das gleiche.) Ju meinen Gesprächen mit den leifenden Staatsmännern der anderen Länder habe ich doch soviel feststellen können, daß die Hoffnung einzelner Lauder, die Krife wenigstens eine Zeitlang noch von fich fernhalten zu fönuen, langjam aber fiefig im Schwinden ist.
Welche Wirtschaftsform auch immer in einem Lande besteht, feines mird von den Konsequenzen deffen verschont bleiben, was bei einem allgemeinen Zusammenbruch föme. Die Zeit ist vorbei, mn die Staatsmänner vor der Deffentlichteit mit allzu vorsichtigen Worten glaubten sprechen zu müssen. Es tommt darauf an, in diesen Wochen ohne llebertreibung die volle Wahrheit den Wölkern zu sagen.( Lebh, Beifall.) Mit Patentmedizinen ist es meder in Deutschland noch fonstwo möglich, die Dinge zu meistern. Ein Volf wie das deutsche
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muß in den kommenden entscheidenden Auseinandersehungen das| Fönnte.( Wiederholte stürmische Hört- hört- Rufe in höchste Maß an Intelligenz und Leistungsfähigkeit aufbringen, um diesen Kampf am sichersten und am längsten aushalten zu fönnen. der Mitte und links. Die Rechte verlangt Namens. Ich bedauere fehr, daß einzelne Zeitungen, die sonst ein großes Ber. nennung.) ständnis für die Politit der Reichsregierung gehabt haben, es mum Keine Inflation! so darstellen, als ob ich einen Fehler gemacht hätte, in der Repa rationsfrage mit einer folchen Energie hervorzutreten.
Meine Damen und Herren nur nicht in den legten fünf Minuten weich werden! Ich wende mich auch dagegen, daß immer wieder von einem drohen ( Außerordentlich lebhafter anhaltender Beifall und große Bewegung.) den schnellen Zusammenbruch gesprochen wird, und daß fogar schon Termine dafür angegeben werben. Wenn das deutsche Bolt die Nerven behält, und wenn das Lezie barangelegt wird, um die Kräfte aufammenzufassen, dann wird das deutsche Volt ganz bestimmt nicht dasjenige sein, das untergehen müßte.
Zur Rechtsopposition gewendet, führt der Reichskanzler weiter aus: Es ist Ihr gutes Recht, die inneren Maßnahmen der Reichs. regierung zu fritisieren. Ich habe volles Verständnis dafür, meil Sie natürlich die Aufgabe haben und die Verantwortung fühlen, zu drängen und Vorschläge zu machen, die zu dem Ziele führen könnten, von dem ich soeben gesprochen habe. Wenn Sie mir aber gestern 3ögern vorgeworfen haben( 3urufe der Komm.: Im Lohnabbau nicht!), so erinnern Sie sich doch, wie viele Wirtschaftsführer in den legten zwei Jahren ein eben erst empfohlenes Atheilmittel alsbald durch einen anderen Borschlag ersetzt haben. Einmal wirft man uns vor, die Bantensanierung zu früh, ein andermal sie zu spät vorges nommen zu haben. Wir mußten natürlich, im Gegensatz zu den Kritikern, Rücksicht nehmen auf die Aufrechterhaltung der Wider standskraft des deutschen Volkes und auf die außenpolitische Situation Deutschlands. ( Lebh. Beifall, Dr. Goebbels : Sie zerstören die Widerstandskraft und führen die Entartung des Volkes herbei!) Büchtigung für Goebbels .
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Solche Bemerkungen mögen Sie im Sportpalast oder sonst wo machen, zu dem, was ich in pollem Ernst vor der ganzen Welt dem deutschen Volke zu sagen habe in dieser Stunde. passen sie mirtlich nicht!( Lebh. Beifall.) Sagen Sie mir, mag ich in diesen zwei Jahren getan hätte, um die Widerstandstraft des deutschen Boltes zu schmächen. Können Sie mir etwas admeijen? ( Zurufe der Komm.: Hunger, Lohnabbau, Unterstügungsraub, at mucher.- Zurufe der faz.: Staatsanwälte, Boliger, Gerichte!) Ich habe noch niemals jemand durch den Staatsanwalt verfolgen laffen. Herr Göring hat mir gestern vorgeworfen, ich hätte meine Regierung mit Bersprechungen begonnen. Wahr ist, daß ich nom ersten Tage an ins Land hinausgegangen bin und es stets als meine Aufgabe aufgefaßt habe, dem deutschen Volke die Wahrheit fiber seine Situation zu sagen.( Großer Beifall.)
Diesen Weg bin ich unentmegt meitergegangen und werde ihn weitergehen( Ruf rechts: Mit der Wirtschaftspartei!), meil bie schmer sten Hemmungen, die für Deutschland existierten, auf dem Wege, den wir unbedingt gehen müßten, überwunden werden müssen, damit es nicht zu einem wirtschaftlichen und seelischen Zusammenbruch fommt. ( Andauernde Zurufe der Komm.) Ich kenne die Not und das Elend und empfinde es in meinem Herzen mindestens so start wie die jenigen, die damit ihre Agitation betreiben.( Lebh. Beifall. Göring : Die SA.- Männer hat man auf die Straße geworfen und ins Asyl zur Palme" gejagt!)
Razis biedern fich dem Ausland an.
Als der Kanzler bei seinen meiteren Ausführungen pon Gelächter ber Rechten unterbrochen wird, stellt er dieses Lachen bei einer fo ernsten Verhandlung fest und fährt fort:
Ich halte mich für verpflichtet, Ihnen( uach rechts) eine Warnung und Bitte auszusprechen Seien Sie bitte in Ihren privaten Unterhaltungen mit ausländischen Politikern etwas vorsichtiger. ( Lebh. Hört- hört- Rufe in der Mitte und links.
Zorgler: Bitte deutlicher, wir sind doch keine sell: feher.- Heiterfeit.) Es ist weder im Interesse der Beteiligten noch einer gradlinigen und festen Fort führung der Außenpolitik wünschenswert, daß das Ausland etwa auf Grund von allen möglichen pri. vaten Schwägereien hoffen könnte, daß eine nach mir kommende Regierung kompromißfreudiger
sein
Die Forderungen bes Abg. Straßer becken sich zu einem ganz großen Teil mit Maßnahmen, die die Regierung in Borbereitung hat.( hört, hört! bei den Komm.) Straßer hat gefagt, daß er in bezug auf die Arbeitsbeschaffung mit den freien Gewerkschaften äußersten daran festhalten, nichts zu tun, was auch nur por zusammenarbeiten fönnte. Aber in einem Punkt scheiden sich die Geister, und das ist die Finanzierungsfrage. Ich werde bis zum übergehend die Mart entwerten könnte. Die Finan zierungsvorschläge Straßers führen aber dazu.( Widerspruch der so3.) Wenn Sie das nicht wollen, dann müssen Sie auch gegen den Finanzierungsantrag ftimmen, den Sie hier eingebracht haben. Wir sind
in der Vorbereifung für den freiwilligen Arbeitsdienst so weit vorgeschritten, daß wir damit leicht anfangen fönnen. ( Sört, hört! links.) Aber nur mit einer sauberen Finanzierung. Selbstverständlich denken wir nicht daran, nur den Reichsetat zit sichern. Es müssen auch die Länder und Gemeinden ebenso ge sichert werden, und soweit wir Mittel aufbringen können, müssen sie im Interesse der deutschen Gesamtwirtschaft dazu verwendet werden. Diese Not ist nicht die Folge des" Systems".( Rufe der Komm.: Aber des Wirtschaftssystems!) Als die Deutschnationalen regierten, hat ein ganz großer Sachverständiger ein Urteil über die deutschen Banken gefällt, das ich heute noch nicht wiederholen möchte. Warum haben Sie( nach rechts) nicht schon damals eingegriffen?( Hört, hört! links und in der Mitte.) Die Hugenberger versuchen, die Schuld auf die Weftarp- Leute abzuschieben.
Die Feftigkeit der Kleinbetriebe.
Dr. Hugo hat von einer Konzerndämmerung gesprochen. Das mill viel fagen. Einen völligen Zusammenbruch der großen Stonzerne mit einem Schlag fann Deutschland unter feinen Umständen aushalten. Das müßte untedingt verhindert werden; eine der schwersten Aufgaben, die uns gestellt werden fönnen. Indessent sehen wir eine wachsende, erfolgreiche Konkurrenz des fleinen Inter nehmers gegenüber den großen und größten.( Lachen und 3urufe der Stomm.: Bollen Sie noch einmal von porn anfangen? Schöner Ausmeg!) In der Strukturkrise der Weitwirtschaft bewährt sich nun die Opferfreudigkeit und Entschlußkraft der fleinen selbständigen Eristenzen, und darauf stützt sich eine Hoffnung auf Ueberwindung der Krise. Wir haben deshalb auch bei der Bantenjanierung besonderes Augenmert auf Kreditgewährung an die feinen Unternehmer gelegt.
Siedlung.
3u überlegen ist auch, daß bei der landwirtschaftlichen Ulm. schuldung nicht so vorgegangen wird, daß die Betriebe in furzer Zeit wieder ruiniert sind.( Bachen rechts.) Es ist bezeichnend, daß Sie über diese Dinge lachen. Mit der Siedlung fönnen wir in großem Maßstab beginnen auf Grund der Umschuldung usw. Ich warne aber vor Illusionen und vor der Schaffung eines Siedler. tops, der schon nach ein, zwei Jahren nicht mehr zu halten wäre. 2lerdings muß man um ber moralischen und psychologischen Folgen der Arbeitslosigkeit willen auch manches tun, was wirtschaftlich nicht ganz richtig ist.( 3uftimmung.)
Das GA. Berbot.
Der Reichsfangler wiederholt jobann die Begründung für das 2- Berbot aus Gründen ber Staatsautorität und der Bermeidung einer Beunruhigung, die sich in der Abhebung der Sparkassen. einlagen folgenschmer hätte äußern tönnen. Die Regierung hat Sie( nach rechts) lange genug gewähren lassen. Aber schließlich hätten wir por der Geschichte als verantwortungslos bagestanden, wenn wir nicht endlich mit gewissen Dingen Schluß gemacht hätten. |( Lebhafte Zustimmung. Die Nazis verlangen in Zurufen das Verbot des Reichsbanners und der Eisernen Front.)
Der Reichstanzler faßt hun feine Ausführungen noch einmal zusammen und betont, daß er weder übertrieben, noch aus Beffi
mismus gesprochen habe. Wenn die notwendigen Maßnahmen international rechtzeitig ergriffen und durchgeführt werden- und die Not wird die Welt dazu zwingen, dann wird man zum ersten Male vielleicht von Frieden seit dem Ende des Strieges sprechen fönnen. Die Ausnutzung des Sieges hat eine unmögliche Situation geschaffen und die Angst vor neuen Kriegen hervorgerufen. Die Sicherheit ist am besten garantiert, wenn alle Völker nach eigenem Gesetz, aber in Handelsvereinbarungen, Güteraus
Der Weg zurück
Zu den Landesverratsplänen der Razis.
Deutschland Polen