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Warum scheint die Sonne?

Eine aftrophyfifche Studie

Alle Energieformen, die sich die Menschen auf der Erbe nus­bar machen, mie die Energie der Rohle, des fließenden Wassers, des Bindes sind nur umgewandelte Sonnenwärme. Bebenft man, einen wie fleinen Teil der der Erde zustrahlenden Sonnenmärme der Mensch gebraucht und welch verschwindender Bruchteil der ganzen von der Sonne ausgestrahlten Bärme über­haupt auf die Erde trifft, so befommt man einen Begriff von dem gewaltigen Energievorrat, den die Sonne enthalten muß. Jeder Quadratzentimeter der großen Sonnenoberfläche liefert genügend Wärme, um damit ständig eine 8 PS leistende Maschine zu betreiben. Diefe Energiemengen strömen von der Sonne aber schon seit ungeheuren Zeiträumen. Mindestens seit der Zeit, in der auf der Erde die ersten Lebewesen entstanden sind. Das Alter der ältesten Gesteinsschichten, die noch Reste von Lebewesen enthalten, kann man jegt mit Hilfe der radiumhaltigen Mineralien in diesen Schichten recht genau abschäzen. Es ist bestimmt höher als tausend Millionen Jahre.

Boher nimmt die Sonne die Energie, die sie be fähigt, diefe Wärmemengen, während solcher Zeiträume auszu ftrahlen? Würde die Wärmeabgabe einfach auf Kosten des Wärmes Dorrats vor sich gehen, ähnlich wie eine glühende Eisenkugel Wärme ausstrahlt und sich dabei abfühlt, so müßte die Sonne schon längst falt, und tot sein. Gibt es also Energiequellen in der Sonne, die trog der ständigen Ausstrahlung die Sonnentemperatur fonstant halten?

Die Wärmeabgabe mit chemischen Prozessen wie der Berbren nung von Kohle zu erklären, ist nicht möglich. Alle tausend Jahre müßte man eine ganz aus Steinkohle bestehende Sonne verbrennen, um den Wärmeverlust zu decken. Auch die Anschauung, daß die Wärme, die beim Aufprall von Meteoren( Sternschnuppen) auf die Sonne fret wird, die entscheidende Energiequelle darstellt, persagt, denn dann müßten so viele Meteore in die Sonne fallen, daß diefe ihre Masse in dreißig Millionen Jahren verdoppelt hätte. Der Physiker Helmholt nahm eine ständige Schrumpfung der Sonne als Ursache der Sonnenwärme an. Durch eine solche Kontraktion wird wirklich Wärme frei. Wenn alle Leile der Sonne langsam zu deren Mittelpunkt hin ,, fallen", so erzeugen sie dabei ebenso Wärme, wie ein zu Boden fallender Stein sich und den Boden erwärmt. Aber wenn man nicht unwahrscheinliche Annahmen über die Dichteverteilung innerhalb der Sonne machen will, fommt man bei der Durchrechnung im günstigsten Falle auf nicht mehr als 2 Broz. der gesamten nötigen Energie.

Ein anderer Erklärungsversuch entstand, als man die radio attiven Elemente entdeckte. Die radioaktiven Elemente, deren bekanntester Vertreter das Radium ist, sind dadurch gekennzeichnet, daß ihre Atome ständig in Atome anderer Elemente zerfallen, jo 3. B. zerfällt ein Radiumatom in ein heliumatom und in ein Atom des Gafes Emanation. Bei diesem Altamserfall werden beträchtliche Energiemengen frei, die sich z. B. in einer Erwärmung der radio aftioen Substanz äußern. Es ist eine naheliegende Bermutung, baß die Sonne radicettive Clemente in solcher Menge enthält, daß deren Zerfall die Sonnentemperatur ftändig konstant hält. Jn der Tat brauchte nur ein fleiner Teil der Sonnenmasse radioaktiv zu fein, damit genügend Wärme erzeugt mürbe, Aber selbst an genommen, radioattiver 3erfall fönnte für die gesamte während tausend Millionen Jahre ausgestrahlte Bärmemenge auftommen, so würde er diese Bärme entweder zu schnell oder zu langsam liefern. Die radioattiven Elemente zerfallen nämlich mit ganz be­stimmten festen Geschwindigkeiten, und teine Kombination befannier radioattiver Elemente mürbe die nötige Energie in dem rich tiger Zeitraum abgeben.

Hiermit sind alle uns befannten energieerzeugenden Prozesse erschöpft. Menit wir an der Lösung des Problems nicht verzweifeln wollen, sind wir gezwungen, auf Grund unserer Kenntnisse vom Aufbau der Materie Prozesse für die Energieerzeugung in der

Sonne zu fonstruieren, bie wir zwar nicht bireft beobachten, aber doch theoretisch begründen fönnen.

Eine solche, heute vielfach vertretene Anschauung geht von der Tatsache aus, daß nicht nur beim Zerfall von Elementen, sondern unter Umständen auch beim entgegengesetzten Borgang des Atom aufbaus Energie frei werden fann. So würde die Vereinigung von je vier Wasserffoffatomen zu einem Heliumatom ungeheure Energiemengen liefern, selbst wenn nur verhältnismäßig geringe Wasserstoffmengen sich so in Helium umwandelten. Die Durchrech­nung der Verhältnisse, unter denen ein solcher Aufbau stattfinden fönnte, führt allerdings zu ernsten, vorläufig noch unüberwundenen Schwierigkeiten.

Bon vielen Astrophysifern wird eine Theorie verteidigt, die zwar außerordentlich phantastisch anmutet, aber die Beobachtungen doch recht befriedigend erklären. Auf Grund der Relativitäts theorie, welche die Materie nur als eine spezielle Art der Energie ansieht, ist nämlich ein Borgang dentbar, bei dem die Materie felbst verschwindet und sich in Energie, z. B. Wärmestrahlung verwandelt. Den Mechanismus diefer Berwandlung dentt man sich

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folgendermaßen: Man weiß, daß fich alle Materie aus zwei vers schiedenen Arten fleinfter Teilchen, den elettrisch positiv geladenen Protonen und den negativ geladenen Elektronen zusammen­fegt. Man nimmt an, daß im Innern der Gonne ständig je ein Proton und ein Elettron zusammenstürzen, dabei ihre elettrische Badung neutralisieren und sich in Wärmestrahlung auflösen. Berechnet man mit Hilfe der Relativitätstheorie die bei dieser Ver­nichtung ber Materie entstehenden Energiemengen, fo fommt man auf unvergleichlich viel höhere Beträge als bei allen anderen aus­bentbaren Brozessen.

Die Größe dieser Energiebeträge wird recht anschaulich ge­macht durch folgendes, von dem englischen Physiker Jeans her rührende Beispiel: Ueber vier Millionen Tonnen Kohle werden möchentlich in England verbraucht. Könnte man die Materie der Rohle in der oben ausgeführten Weise in Energie umwandeln, so mürde eine einzige Tonne Rohle genügen, um ganz England ein Jahrhundert lang mit Energie zu versorgen.

Mit diesen Energiemengen muß man in der Astrophysik auch mirflich rechnen. Es spricht nämlich viel dafür, daß die tausend Millionen Jahre, die wir unseren bisherigen Ueberlegungen zugrunde gelegt haben, nur ein fleiner Ausschnitt aus dem Leben der Sonne sind, und daß ihr tatsächliches Alter mehrere tausendmal höher ist. Um aber die Ausstrahlung der Sonne während so ungeheurer Zeiträume zu ermöglichen, fommt keine Energiequelle außer der Vernichtung der Materie in Frage.

W. W. K.

Trauer um eine Verstorbene

Kleine Skizze/ Von Max Barthel

Zu meinen Füßen lag eine meiße Schneelandschaft, erzählte Weidner, und im Hintergrund erhoben sich die dunklen Bergmassen der Berninakette. Es ist immer schönes Wetter im Engadiner Winter. Durch das Sternenficht flimmerte der gefrorene Schnee, und die Gipfel, vom aufgehenden Mond zuerst beleuchtet, warfen einen schimmernden Schein ins Tal. Um alle Konturen erglänzten violette Ränder. Und wenn ich lange hinsah, floß die violette Tinte von den Gipfeln langsam über die Hänge hinunter..

Das ganze Tal murde dunkel und leuchtend zugleich. Auf der Ebene lag der Schnee mie ein violettes Riefenleichen tuch. Sind Leichentücher violett?

Damals tam die große Schwermut über mich, die Sterbefehn fucht der jungen Jahre. Ich überlegte den Gedanken, mitten im Winter und ohne Führer auf Schneeschuhen eine Besteigung der Bernina zu unternehmen. Da ich den Weg nicht kannte, müßte ich von Glüd reden, wenn ich bis auf den Gipfel täme. Es mußte jetzt schön fein dort oben in der Mondnacht und wohl diefes eflige Leven mert. Ich brauchte nur still unter den Sternen zu liegen, Alkohol zu trinten und einzuschlafen.

Das war leicht.

Der Aufbruch von Gipfeln war mir immer schwer gefallen. ,, Diesmal wirst du auf dem Gipfel bleiben", sagte ich mir. Ich taufte eine Gletscherfarte.

Buch die violette Welt ist schön!

Aber ich tam nicht auf den. Gipfel der Bernina. Damals fiel mir ein Buch in die Hände, das großes Aufsehen erregie. Die Bes fprechungen in den Zeitungen waren mir burch ihren elegischen Zon aufgefallen. Seine Heldin mar eine Dirne, und sie beschrieb ihren | Berdegang som gut bürgerlichen Elternhaus über das Bordell bis zum Lod.

Es war das Tagebuch einer Verlorenen, von einer Toten". Der Titel übte einen großen Reis auf mich aus. Ich bestellte das Buch. Ich weiß noch, wie ich mich fehämte, eine mit meinem Namen unterschriebene Bestellung abzuschicken. Das Buch grenzte offenbar an Bornographie und fonnte mich bloßstellen. Roch vor einem halben Jahr würde ich es nicht bestellt haben. Aber schließlich: ein

Jb Krügler fagt der Welt ade

Drei Tage aus dem Leben eines Großen Von Walter Sueß

( Schluß.)

6.

Tod für den Kleinen, armseligen Arbeitslosen Gaston Morel, der nun sterben muß, damit 3b, der Große, der Unbesiegbara leben fann. 35 Krügler empfindet tein Bedauern darüber. Man wollte ihn zu Tode hezen, aber er ist gescheit. Er springt zur Seite und der Lob trifft einen andern. In fünf Stunden geht die Königin Wil helmine" von Rotterdam ab. Jns blaue Südmeer fährt sie. Irgendwo wird der Rentner Hans Christian Petersen aus Kopenhagen an Land gehen, auf Java, auf Celebes oder auf Sumatra .

Drei Tage ist Gaston Morel nun schon b Krügler. Gestern gestern ist er in Schweden gewesen. Ganz allein. Ohne Olasson. Ohne Diener. Um 4 Uhr früh war er mit einem Sonderflugzeug aufgestiegen und nordwärts gesaust. Am Mittag schritt er langsam über den Hauptplatz des fleinen Handelsstädtchens. Lange hatte er vor 35 Krüglers Baterhaus gestanden. Stunden lang im feinen, rieselnden Regen, der das Kagenkopfpflaster blant wusch. Hatte hinaufgestarrt zu den fleinen Fensterscheiben, hinter Da ist der fleine Revolver. Mit dem wird 3b Krügler einen denen das Kind Jb Krügler aufgewachsen war. Gestarrt und gefleinen Mord begehen. Höchst persönlich wird er das besorgen, denn starrt, als ob er alles in sich hineinsaugen wolle, Kindheitserinnern folch verantwortungsvolle Arbeit fann man feinem Untergebenen und innerstes Wesen. anvertrauen, nicht einmal Sigurd Olafson, dem Muster aller Unter­gebenen.

Und spät nachts, als das Auto vom Flugplay in Le Bourget zum Pariser Balais ratterte, stand jener Gedanke, der ihn im lauen Wasser der Kachelwanne überfallen hatte, flar und fest da. Er, Gaston Morel, wird, muß 36 Küglers Erbe antreten, zum Segen der Welt.

36 Krügler wird einen fleinen Mord begehen. Einen verteufelt geschickten, fleinen Mord. Werden die braven, anständigen Bürger glauben, daß er Selbstmord begangen hat?

Jb Krügler lächelt nicht mehr; er lacht.

8.

Heute heute hat Gaston Morel begonnen, schwedisch zu lernen. Die feltsame fremde, talte Sprache Jb Krüglers. Das ist Leise geht Jb Krügler in das Zimmer mit dem großen, weichen der Anfang. Denn alles muß er wissen, jede Fabrit, jede Bo Bett, in dem Gaston Morel schläft. Fest und tief schläft er, denn er sition, jeben Anleihevertrag, jedes Monopol kennen, so wie der hat Beronal in einem Glas Wein getrunken, ohne es zu wissen. Er große Bonaparte jebe Rompagnie feiner Armee und jedes Schiffschläft und träumt. Birr sind die Bilder... seiner Flotte fannte. Schmer. Sehr schwer. Aber Gaston Morel hat Mut. Gaston Moret wird's schaffen.

7.

Die

36 Krügler, der Echte, figt in seinem Arbeitszimmer. Biffern, die die Ratastrophe bedeuten, hat er in seinen Schreibtisch eingeschlossen, ganz tief hinten. Mun trifft er die letzten Vorbe­reitungen. Millionen wandern in seine Brieftasche, eine ungeheure Macht über Menschen und Dinge tonzentriert in wenigen fleinen Papieren. Das ist der Triumph menschlicher Kultur! Ein paar bunte unscheinbare Papierchen, ein paar unleserliche Unterschriften auf rechtedigen Formularen und man ist einer der großen Herren, wenn sie in der Brusttasche fnistern. Ein falscher Paß ist auch da, lautend auf irgend einen Hans Christian Petersen, Rentier aus Kopenhagen . Man färbt die Haare, legt einen Schnurrbart auf und eine Hornbrille... und ist wer anders. Offen steht die Belt mit glitzernden Eisenbahnschienen und rauchenden Dampfschiffen, mit Rontinenten und Ozeanen. Und man ist frei.

Jb der Wirtschaftsführer? Ist tot! Hat sich erschaffen! Und wieder lächelt 36 Strügler. Leben und Tod sind in diesem Büchlein. Das Leben für ihn, den großen Schwindler 3b, und der

Michis meiß er von der Revolverfugel, die in feinen Schädel schlägt. Schwarze Flügel schlagen nieder in seinen Traum. Nacht. Bergeffen.

Aus Schlaf und Traum ward Tod.

Ohne Gile flemmt der Wirtschaftsführer 36 Krügler den- Re­volver in die Hand der Beiche. Ohne Eile verläßt der Wirtschafts führer 36 Krügler durch eine Hinterpforte fein Palais, einen fleinen Reisetoffer in der Hand, einen neuen Sut auf gefärbtem Haar, eine Hornbrille vor den Augen, einen geklebten Schnurrbart über dem Wound...

Ohne Eile schlendert der Rentier Hans Christian Petersen aus Kopenhagen zum nächsten Taristandplay, um nach Le Bourget zu fahren. Er hat Zeit. Das Rotterdamer Flugzeug geht erst in. einer

Stunde.

Morgen wird die Belt erzittern. Morgen werden sich die Te legraphenmasten biegen unter der Last der schidsalsschweren Bot schaft: Selbstmord des Wirtschaftsführers Jb Krügler, Die Börsen

werdent toben.

Und Gaston Morel, der Arbeitslose. er liegt in dem großen, weichen Bett. Ein fleines Loch ist im Schädel. Das Leben fließt heraus. Blut und Hirn, rot und gelb, und alles ist vorbei.

mal ist feinmal und selten wird ein Dieb gleich das erstemal beim Stehlen erwischt. Und für mich und meine Sterbefehnsucht war es ja- das letztes

mal!

Das Buch tam eines Morgens beim Frühstücskaffee. 3h war sowieso wieder einmal zu spät aufgestanden und überlegte, ob es sich überhaupt noch lohne, ins Geschäft zu gehen.

,, Ach was, Quatsch," dachte ich, die Fremdenzeitung wird aud ohne mich erscheinen, und wenn sie nicht erscheint, so ist das auch tein Unglüd."

Ich blieb also zu Hause und las das von einer Toten verfaßte Tagebuch einer Verlorenen. Ich las es in einem Zug und gleich zweimal. In der Anzeige war verfündet worden, daß es sich wahrs scheinlich um ein echtes Tagebuch handele:

Davon mar ich nach den ersten Sägen fest überzeugt, und als die Heldin im Alter von dreißig Jahren an Lungenbluten starb, stöhnie ich wie ein Tier. Nicht eine Romanheldin war gestorben und nicht eine Dirne, nein, meine Geliebte war gestorben! Meine einzige, erfte, milde und echte Seelenliebe, fie hatte sich entflammt an diesem fleinen, unvorsichtigen, ungehorsamen und blutpollen Apotheters. töchterlein.

Ich hatte ihre langen 3öpfe aufgelöst und wieder geflochten, ihre Füße gestreichelt, ihre Augen gefüßt. Die Triumphe ihrer Schönheit hatte ich geschmeichelt miterlebt und bei ihrem Fall und Sturz in unfäglichem Mitleid gehofft und gezittert!

Meine Liebe war thr treu geblieben auf allen Stufen ihres Ab. stiegs, hatte sie nicht verlaffen im Gefängnis und im öffentlichen Haus. An ihrem Krantenlager fag meine Liebe. Sie brachte faß Blumen, Bonbons und Schotolabe ins Spital und hatte gehofft, gea hofft bis zur legten Seite, bis zum legten Wort im lezten Saz.

Und nun: verloren, tot. Nichts blieb ihr als ein stilles Grab auf einem Friedhof in Berlin .

An diesem Grabe trauerte meine Séele fieben Lage und sieben Nächte oder sieben Jahre oder siebenhundert Jahre, ich weiß es nicht, bie Seele hat ja teinen Sinn für Zeit. Auf der Uhr waren es viel­leicht zwanzig oder dreißig Minuten gemejen.

Endlich wagte der Berstand ein schüchternes Wort der Eins wendung.

Wie kann man um eine Dirne so eindringlich trauern, so gang besonders tief? Datürlich ist sie ein Opfer der Gesellschaft, und fie ist nicht schlechter als die ehrbare Frau mit der üblichen Moral, aber das fann doch fein Grund sein, aus dem Laster eine Tugend zu machen! Es sterben jeben Tag viele hundert junge Menschen an Tuberkulose, marum trauerst du nur um die eine? Bielleicht, weil fie schön gebaut und Dirne war, weil sie sich auf Wollust verstand?" Der Berstand machte der Seele eine refpeftvolle Verbeugung und fragte: War dieses Freudenmädchen denn eine Genoffin? Keine Spur!" Und er erhob scharfe Kritik an dieser unverständlichen Vera liebtheit.

Die ganze Waffenfammer des Berstandes flirtte bei dem Ges danken, was zum Beispiel geschehen wäre, wenn ich diesem Mädchen im Leben begegnet hätte. Was würde die Partei dazu sagen? Was die Arbeiter? Und was wohl die Gegner? Das war ja gar nicht ausgubenfen!

Und der Berstand hielt der Seele eine sehr ernste Moralrede. Er sprach ungefähr so wie ein Premierminister zu feinem erlauchten Herrn, der eine Dummheit begangen: ,, Majestät, das darf nicht mehr vorkommen!"

Der Trieb des Menschen ist wie ein Hündchen. Wenn die Seele lächelt, fufcht er von selber. Und meine Scele hatte unter Tränen gelächelt. Wenn die Seele ihre Aufwartung macht, stiehlt sich der Trieb aus dem Zimmer der Dame wie ein Lafei. Und er bleibt perschwunden, bis die Seele weggegangen ist. Er bellt und beißt nur gegen den dummen Verstand.

Jedes Ding und jede Sache des Berstandes besteht noch einmal, nämlich in der Seele und dort ewig. Die Seele hat ein Riesen­gedächtnis, gegen das der Verstand mit seinem langen Begriffs bücherbrett ein armer Schlucker ist. Was sie erlebt hat, bleibt ewig in ihr liegen.

Sie weiß alles, was dir je passiert ist.

Sie weiß es in anderen Formen als der Verstand. Nicht als Begriff. Sie fann es dem Berstanbe auch nicht sagen, was sie alles meiß. Sie tann es nicht in Begriffe überfegen. Aber fte weiß es. pergißt nie! Und wenn es der Berstand schon längst vergessen hat, die Seele

eindringlich auf ihn ein. Lange und gründlich. Und der zerfnirschte Und nun nahm sie den dummen Verstand beiseite und redete Verstand überjagte die Rede etwa jo:

,, Diese Dirne, die du verachtest, ist dein eigenes Bildnis. hr Schicksal ist dein Schicksal. Achte sie, wenn du deine Seele achteit. Sie liebte dieses Mädchen wie fich selbst. Ich, beine Geele, bin e sellschaft, jenes Mädchens Seele war Natur. Lerne der Ges sellschaft so zu gehorchen, wie das Mädchen der Natur gehorcht hat: blind, triebhaft, immer und überall. Ich liebe sie, weil sie gefallen ist. Berne auch du zu fallen, wenn bu mußt!"

Der Berstand, wagle feinen Einwand, er fragte nur: Ist es ungefähr das, was du mit fagen willst?"

Rann man auch mit gefchloffenen Augen nicht lesen, so merit man boch sehr wohl, ob es Tag oder Nacht ist. Auch der dümmste Berstand merkt, ob seine Seele Ja oder Nein sagt....