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Morgenausgabe

Nr. 226

A 114

49. Jahrgang

Böchentlich 75 Bt., monatlich 3,25 m ( davon 87 Pf. monatlich für Suftel lung ins Haus) im voraus zahlbar. Boftbezug 3,97 M. einschließlich 60 Pf. Bitzeitungs- und 72 Pf. Postbestellger Gühren. Auslandsabonnement 5,65 pro Monat; für Länder mit ermäßig tem Drucksachenporto 4.65 M

Der Bormärts erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Juustrierte Sonntagsbeilage Bolt und Zeit"

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonntag

15. Mai 1932

Groß- Berlin 15 Pf.

Auswärts 20 Pf.

Die einipalt. Millimeterzeile 30 B. Reklamezeile 2.- M Kleine An­geigen" bas fettgedrudte Bort 20 Vf. izulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Bort 10 Bf. Rabatt It. Tarif Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Millimeter. jeile 25 Pf. Familienanzeigen Milli­meterzeile 16 Bf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, mochentäglich von 8 bis 17 Uhr Der Verlag behält sich das Recht der Ab­lehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

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Gefängnisstrafen in Köln .

Ley drei Monate, Fuchs fünf Monate.

Köln , 14. Mai. ( Eigenbericht.)

Am Sonnabend um 9 Uhr abends wurde in dem Prozeß gegen die Kölner Nazi- Raufbolde das Urteil ge­sprochen. Dr. Leh erhielt drei Monate Ge fängnis, der Mitangeklagte Fuchs fünf Monate Gefängnis.

In der Begründung des Urteils hob der Richter als strafverschärfend hervor, daß zunächst ein älterer

Mann angegriffen worden sei und es sich bei den Ange­griffenen un Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gehandelt habe. Strafmildernd sei die späte Zeit des

Vorganges, die Einwirkung des starken Alkoholgenusses bei den Tätern und die Einwirkung der bis zum Zer reißen gespannten politischen Zeit.

Im Anschluß an die Verhandlung begaben sich Otto Wels , Polizeipräsident Bauknecht und Rechtsanwalt Wagner in das Volkshaus, wo die Kölner Partei eine _große Kundgebung veranstaltete. Otto Wels wurden

stürmische Ovationen bereitet.

In dem Prozeß gegen den Raufbold Ley und seine Rumpane begann die 3eugenvernehmung mit der Aussage des Regierungspizepräsidenten Bier. Dieser gibt eine Darstellung der Vorgänge, die mit der Aussage von Wels und Bauknecht über­einstimmt. Ber geschlagen hat, hat Bier nicht beobachten fönnen, meil ihm die Aussicht verstellt war. Im weiteren Berlauf der Zeugenvernehmung fommt es zu einer äußerst wichtigen Aussage des Zeugen Ed, der Portier- und Hausburschendienst im Hotel Deis zu besorgen hat. Ed betont, daß der Angeklagte Fuchs es gewesen ist, der gegen Wels die Schläge ge Leh bestellt Motorfahrer.

führt hat.

Ed bezeugt weiter, daß er durch Zufall ein Telephon. gespräch zum Teil mitangehört hat, das Dr. Len in der Nacht mit einer anderen Stelle führte. In diesem Gespräch habe Dr. Len gesagt, es follten einige Leute mit den Motorrädern fommen, aber vor dem Lokal bleiben und wenn möglich, die Nummer des Motorrades fälschen.

Die Berteidigung sucht diesen Zeugen in die Enge zu treiben, doch bleibt er unter Eid fest bei seiner Aussage. Die Glaub würdigkeit dieses Zeugen und seine Zuverlässigkeit werden von dem Hotelbefizer wie auch von dem Kelner Falt

bestätigt.

Die Nazis wissen von nichts.

Die Vernehmung der Nazizeugen ergibt die befannten Bilder: Die Nazis wissen von nichts. Drei bei dem Vor­fall am Tisch des Dr. Len anwesende Nazis, gelten. als die großen Unbekannten. Diese drei find nach der Ausführung der Tat auf einem Motorrad mit Beimagen vom Westdeut schen Beobachter" geflohen. Den Angeklagten Fuchs mußte die Polizei aus einem Bersted im Hotel hervorholen. Im übrigen streiten die Nazizeugen ab, daß eine Verabredung zu der Tat oder eine Bestellung der Leute zum Zwecke der Tat in das Hotel Deis durch Dr. Len erfolgt sei. Außerordentlich bezeich nend ist auch, daß fich der Hauptpropofateur und Haupt. zeuge Simon, der das Signal zu dem lleberfall gab, sich selbst als total betrunken bezeichnet und von den ganzen Bor­gängen nichts mehr wissen will. Noch bezeichnender aber ist, daß der Femerechtsanwalt Dr. Sad Berlin das zum Anlaß nimmt, feine Klienten mit der Bemerkung in Schuß zu nehmen, man dürfe eine Gesellschaft nicht für den Erzeß einer einzelnen Persönlichkeit verantwortlich machen.

=

Das Urteil der Sachverständigen.

Ein Kölner Arzt gab'als Sa dh verständiger das Gutachten ab, daß Polizeipräsident. Bauknecht, den er in der Polizeimache fofort nach dem Vorfall untersuchte, weder betrunken noch ange heitert gewesen sei.

Ein zweiter medizinischer Gutachter erklärte, die Berlegung von Bels fei am bheilen. Allerdings könne nicht gesagt werden, ob nicht doch eine dauernde Schädigung zurückbleiben werde. Der Schildknorpel sei an sich ein sehr elastisches Ge­bilde, und es bedürfe schon eines sehr heftigen Schlages, um eine Verlegung wie die vorliegende 3erreißung hervorzu

rufen.

Der Staatsanwalt beantragt wegen gemeinschaftlicher einfacher Rörperverlegung unter erschwerenden Umständen gegen Dr. Len vier Monate und gegen Fuchs acht Monate Gefäng nis. Rechtsanwalt Dr. Wagner, der die Nebenfläger vertritt, schloß sich im großen und ganzen dem Antrag des Anflagevertreters an, betonte aber, daß die intellektuellen Urheber und moralisch Verantwortlichen der Tat wenigstens die gleiche Strafe treffen müsse mie die Ausführenden. Der Vorfall habe die ganze deutsche organisierte Arbeiterschaft bis ins Innerste aufgerührt, und es sei nur der eisernen Disziplin zu danken, daß man auf das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit baue, daß dieser Borfall seine Sühne finde, die der Schwere des Falles entspricht.

Postichedlonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3. Dt. B. u.Disc.- Gef., Depofitent., Jerufalemer Str. 65/66.

Kreuz und Hakenkreuz.

Die Evangelische Kirche und der Nationalsozialismus

Von Prof. D. Emil Fuchs - Kiel .

1.

Mit dem sie auszeichnenden brutalen Willen zur Macht und sichern Instinkt für alles, was Macht gibt, rüstet sich die nationalsozialistische Bewegung zur Eroberung der evangelischen Kirche. In diesem Herbst nämlich fin den in der altpreußischen evangelischen Kirche Kirchenwahlen statt. Schon hat der Abgeordnete Kube für Schlesien in einem Kirchenpolitischen Sonderrundschreiben Nr. 1" einen eingehenden Plan für diesen Feldzug entwickelt. In der Provinz Sachsen ist eine Vereinbarung mit der dortigen firchlichen Mittelpartei unter Führung von Geh. Kirchenrat D. Eger, der sich im Falle Dehn so merkwürdig und eifrig hervortat, im Wert. Man will mit Hilfe der National sozialisten dieser kirchlichen Gruppe die Herrschaft in der Kirche sichern.

Wer die Kirche in- der Hand hat, hat ein Propa ganda instrument allerersten Ranges in der Hand. Bis ins fleinste Dorf und abgelegenste Hüttlein reicht der Einfluß der Kirche in ihrer Seelsorge und ihrer Lebens­gestaltung. Wo die Macht der Presse versagt, wirft sie am stärksten.

Republit, Demokratie und Sozialismus haben es feit der Revolution erfahren, was es bedeutet, diese Organisation gegen sich zu haben. Die feindselige Stellung des überwiegenden Teiles der Kirche hat mit bewirkt, daß Demokratie und die mit ihr zusammenhängende Politik der Berständigung den genügenden Grund im Bürgertum nicht gewinnen fonnten. Man nehme die Wahlstatistik zur Hand und konstatiere die Tatsache: Auf katholischem Boden ist man republikanisch, denn die Kirche geht mit der Republik auf protestantischem Boden ist fast das gesamte Bürgertum heute nationalsozialistisch, denn die Kirche in ihrer überwiegenden Mehrheit hat die Republik bekämpft und nationalistische Leidenschaft geſchürt.

2.

-

Aber ist da eine Eroberung der Kirche nötig? Ist sie nicht schon das, was hitler wünschen fann? Die firch lichen Kreise erleben heute, mas hugenberg erlebte. Sie schürten die Leidenschaften, die das Bürgertum verblendeten, es unfähig machten, die Gegenwartsaufgaben zu erkennen. Aber die Bewegung, die nun gekommen ist, will nicht nur den Geist, sie will die Macht über die gesamte Organisation. Es sei zur Ehre der firchlichen Kreise anerkannt, daß sie nun besorgt sind, nicht nur um ihre persönliche Macht, son­

der zu beschäftigen. Diese Mahnung soll als das Andern um das Schicksal der Kirche. Nun. fühlen sie ja

Bespikelung des Reichsbanners fen einer fremben Macht zum Eingriff in die inneren doch, daß eine Kirche sich nicht einseitig in den Dienſt einer

Sugenberg- Redakteur organisiert den Spitzeldienst. Wie wir erfahren, liegen der gestern mitgeteilten Mitgliedersperre beim Reichsbanner sehr eigenartige Feststellungen zugrunde. In letter Zeit

häuften sich die Mitteilungen über das Auftreten von Spikein und Provokateuren im Reichsbanner.

In fast allen Fällen handelt es sich um Mitglieder, die erst vor kurzem dem Reichsbanner beigetreten waren.

Es sind Beweise vorhanden, daß es sich um einen organisierten Spizeldienst nationalistischer Kreise han. delt. Man ist auf diese unsaubere Weise bemüht ,,, Ma­

terial" zu beschaffen, um den Hintermännern der Aktion gegen das Reichsbanner die Möglichkeit zu geben, ihre krampfhaften Versuche, das Reichsbanner zu belasten, fortzusehen.

Nachdem das bisherige Material derart dürftig war, daß der großzangelegte Feldzug gegen das Reichsbayner mit einem entsprechenden Reinfall seiner Veranstalter endete, ist zu verstehen, daß man sich bemüht, auf jede endete, ist zu verstehen, daß man sich bemüht, auf jede Weise neues Material zu beschaffen. Es ist nicht un­interessant zu erfahren, daß einem namhaften sugen berg- Redakteur die Organisierung dieses Spizeldienstes in Berlin nachgewiesen werden kann.

Danziger Zustände.

Anrufung des Bölkerbundes- Landesverrat!!

Danzig , 14. Mai. ( Eigenbericht.) Die Danziger Regierung soll die Absicht haben, gegen den verantwortlichen Redakteur der ,, Volksstimme" ein Verfahren wegen Landesverrats durchzuführen, und zwar wegen der Veröffentlichungen, in denen den Völker bundsorganen nahegelegt wurde, sich mit der Entwic Tung der politischen Verhältnisse in Danzig eingehen

Verhältnisse der Freien Stadt ausgelegt werden. Das des Wölkerbundes untersteht. wäre um so grotesker, als Danzig bekanntlich dem Schutz

Die Verhandlungen über eine Wiederaufhebung des

Volksstimme".Verbots hatten bisher noch keinen Erfolg. weil die Regierung dem Verlage ganz unglaubliche Be­

dingungen stellt.

Zum Tode Wilhelm Kahls. Reichskanzler Dr. Brüning hat an die Witwe des ver storbenen Rechtslehrers Abg. Kahl das folgende Beileids: telegramm gesandt: Zu dem schweren Verlust, den Sie und Ihre Angehörigen durch das Hinscheiden Ihres von mir hochver ehrten Batten erlitten haben, spreche ich Ihnen, zugleich im Namen der Reichsregierung, aufrichtiges Beileid aus. Geheimrat Rahl hat sich auf allen Gebieten feiner wissenschaftlichen und schöpferischen Tätigkeit unvergängliche Verdienste erworben. parlamentarischen Wirkens war er jahrelang Vorsitzender des Rechtsausschusses des Reichstags und hat mit seiner großen Erfahrung und seinem tiefen Wissen die deutsche Gesetz großer Kreis von Verehrern und. Freunden steht trauernd an feiner gebung der letzten Jahrzehnte auf das wesentlichste gefördert. Ein Bahre. Er neigt vor dem Hüter und Gestalter des Rechts", wie Der Herr Reichspräsident ihn anläßlich des 80. Geburtstages nannte, in Ehrfurcht das Haupt und wird sein Andenken allezeit

in hohen Ehren halten."

Während seines

Auch die sozialdemokratische Reichstagsfrat tion hat der Mitwe des Verstorbenen ihr Beileid aussprechen laffen.

Wenige Stunden vor Wilhelm kahl , dem Alterspräsidenten des Deutschen Reichstags, ist das alteste Mitglied der französisch en Kammer, Gaston Thomson, der dem Parlament umunter­brochen seit 55 Jahren angehört hat, im Alter von 83 Jahren ge­storben.

Der neue irische Geschäftsträger in Berlin , Leo MacCaulen. hat sein Amt angetreten.

politischen Richtung stellen darf, daß das Selbstzerstörung wäre. Sie fühlen auch, daß es einer christlichen Kirche nicht möglich ist, sich restlos gerade dieser Bewegung hinzugeben. So bringt die Deutsche Allgemeine Zeitung" einen Artikel des Generalsuperintendenten in Breslau D. Schian ( Nr. 201/2, 1. mai 1932), in dem bei aller Sympathie für die Bewegung ausgeführt wird, daß die Kirche doch un­möglich ihr selbständiges Urteil irgendeiner Bewegung gegen­über aufgeben könne, also auch hier nicht.- ,, Soll man das heiße Eisen anfassen", beginnt der Artikel und endet in sehr schönen Ermahnungen an die NSDAP., vor Eintritt in die firchliche Wahlbewegung eingehend sich über Wesen, Auf­gabe, Geschichte und Geist der Kirche zu unterrichten, damit fie nicht Unheil anrichte. Sie wird die innere Selbständig­feit der evangelischen Kirche anerkennen müssen, sonst würde diese aufhören, Kirche zu sein."

3.

Man muß etwas lächeln, wenn man denkt, der Herr Generalsuperintendent glaube, daß man solchen Mahnungen dort Gehör schenken werde, man werde dort die Selbständig man eben nicht. Die evangelische Kirche soll ja Instrument keit der evangelischen Kirche anerkennen". Nein! Das will des alleinseligmachenden völkischen Glaubens werden, der allein das deutsche Volk vom Marrismus" retten kann. Und die heute in der Kirche herrschenden Parteien haben nicht mehr die Macht, dies Schicksal zu verhindern. Zu lange haben sie die Aufgabe der Kirche vernachläffigt und gerade die Leidenschaften gefördert, die nun ihre Anhänger beherr schen und sie zu Mitläufern dieses Nationalismus machen.- D. Schian zeigt diese Stellung selbst, wenn er vom National­sozialismus fagt: Seine grundsätzliche paterländische Haltung fann ihnen, die selber ihr Baterland von Herzen lieben und ehren, nur sympathisch sein."-Gewiß, das ist die einzige Baterlandsliebe, die maßgebende firchliche Kreise fennen, jene, welche Macht des Volkes, Verteidigung, Heer und