Nr. 226 49. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 15. Mai 1932
Glück im Winkel
P
Blick auf die Sommerschau am Funkturm
Wer weiß, wo die beiden alten Männer geblieben sind, die nach Charlottenburg stempeln gingen, jeden Tag Heringe brieten und abends in ihren Höhlen schliefen. Das war in jener trostlosen Sandwüste zwischen der Einfahrt zur Avus und der Heerstraße. Zu der Zeit dieser beiden mag sich dort wohl noch Hund und Katze ., Gute Nacht gesagt haben. Das ist nun alles vorbei. Jetzt blühen zwischen dem Grunewald und der Messestadt genau 100 000 Stiefmütterchen und in vierzehn Tagen werden dazu noch 60 000 Rosenstöcke ihre Blüten pracht entfalten. Die Wüste ist zum Garten geworden. Inmitten ein tiefgrünes Wiesenoval: 300 Meter in der Länge und 180 Meter in der Breite. Und von der Wiese steigen die vier Terrassen an und formieren sich zu der bleibenden Sehenswürdigkeit der Berliner Sommerschau 1932, die unter dem Motto: ,, Sonne, Luft und Haus für Alle" am gestrigen Sonnabend in der Messestadt am Funkturm ihre Pforten öffnete. Was die Bauausstellung des Vorjahres für den Fachmann war, das will die Berliner Sommerschau 1932 für jedermann sein. Alle fühlen sie die drückende, beinahe erdrückende Enge des weltstädtischen Steinmeeres. Irgendwo müssen jetzt die Spatenstiche getan werden, um diese Riesenstadt aufzulockern. Der Ansätze dazu ermangelt es nicht. Und anschaulich, wie diese repräsentative Schau Berlins ist, knüpft sie an das Vorhandene an und sucht die stille Sehnsucht des Großstadtmenschen nach einem wenn auch noch so bescheidenen Glück im Winkel der Wirklichkeit näher zu bringen.
Das Kreisrund der Schrebergärten. Trockene Prinzipienreiter werden auf der Sommerschau so Leicht keine Heimstatt finden. Erfreulich schon, wie man von der Koje in den Hallen loszukommen versucht. Die dort aufgehängten Diagramme mägen lehrreich und eine Augenweide für den Statistiker sein, das praktische Beispiel draußen auf dem Freigelände ist besser. Darum auch: 25 000 Quadratmeter ist diesmal die Fläche der Ausstellungshallen groß, aber 110 000 Quadratmeter das Freigelände. Da stehen nun die 22 Typen von Laubengärten. Jeder Garten anders und jede Laube anders. Das einzige, was an gleichem übrig blieb, ist die Größe der Gärten: je 300 Qua dratmeter. Dann beginnt das Kaleidoskop dieser Laubenkolonie rings um den Terrassengarten zu spielen: Hier der Garten des Kinderreichen, dort der des Rosenfreundes und immer weiter: der des Staudenfreundes, des Obstliebhabers, bes Tierfreundes, des Faulenzers, des Sonnen freundes, des Gemüsefreundes, des Spalierobst, des Beerenobst- und des Kleintierbegeisterten. Der Faulenzergarten, das ist etwas für Anwärter auf die Mitgliedschaft im Verein der ganz schweren Männer: porn mannshoch die dichte, undurchsichtige Hede, ein paar Bäume zum Schatten spenden und sonst die grüne Wiese zum aalen. Dazu die Laube mit der Bratpfanne auf der Kochstelle und beinahe wäre es vergessen worden, das Wasserbecken mit der Dusche, wenn die Julisonne gar zu heiß brennt. Hier wird nicht rigolt, hier mögen der Huflattich und die Butterblumen sprießen und das wichtigste Requisit der ganzen Einrichtung ist der Liegestuhl. Nicht eine Erdbeere wird der Besizer ernten, schon das Bücken ist ihm zu viel. Etwas für die Ausgeruhten.
So hat jeder Gartentyp seine Eigenart. Und die Lauben, die in den Gärten stehen, sind keine Marzipanhäuschen, sondern überall wird darum gebeten, näherzutreten, die Tür aufzuflinten und Umschau zu halten. Werbung durch das praktische Beispiel. Denn auf absehbare Zeit wird die Laubenkolonie noch am ehesten geeignet sein, die Wunschträume des großstädtischen Naturfreundes zu erfüllen. Das Pachtsystem des Provinzialverbandes Groß- Berlin im Reichsverband der Kleingartenvereine Deutschlands - der übrigens die Regie für diesen Ausstellungsteil führt ermöglicht auch dem Arbeitslosen für wenige Mark im Jahr in den Genuß all jener Vorzüge zu kommen, die eine kleine Parzelle, und sei sie nur 300 Quadratmeter groß, bietet. Natürlich darf das Fahrgeld zur Laube nicht alle Vorteile wieder rückgängig machen; wer am Morigplay wohnt und auf den Siemensstädter Nonnendammwiesen seinen Garten bestellen wollte, das hat herzlich wenig Sinn. Das Ideale in dieser Hinsicht wäre ungefähr: in Reinickendorf - Ost nach der Nordbahn zu wohnen, dazu zehn Minuten Fußweg und schon ist man in Schönholz auf der Laube. Zwischen diesen beiden Extremen muß ein Mittelweg gefunden werden. Denn der Weg zum Eigenbesitz ist den meisten Siedlungsluftigen heute radifal versperrt; mer
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schüttelten den Kopf und einer sagte ein wenig ungläubig zu dem| anderen: Sich doch mal, was baut sich denn der Mann dort für einen Kasten auf." So fing mancher Handwerker vor Jahren an: erst eine Wohnküche, wenn wieder Geld für Stein und Holz da mar, kam die Veranda an die Reihe, dann die Stuben, jezt die Dachkammern, und eiserner Grundsatz blieb immer: nur feine Schulden machen beim Bauen, denn für die Hypothekenzinsen könnten die Leute auch in der Stadt wohnen bleiben. Nur zu viele fümmerliche Mauerreste an den Rändern märkischer Straßen sind heute die traurigen Male verkrachter Bauherren. Und als die Spa ziergänger in diesem Frühjahr wieder hinausfuhren, da war aus dem merkwürdigen Kasten ein ansehnliches Haus geworden und der Siedler mar gerade dabei, eine Badewanne in sein Haus zu tragen. Mittlerweile mar nämlich sogar die Badestube ,, angewachsen". So sind seinerzeit die Häuser in Birkenwerder wie in Petershagen gemachsen; waren wieder zehn Taler beisammen, dann konnte es meitergehen mit dem Bauen. Wer dagegen feine Art im Haus, aber dafür 2500 Mark auf der hohen Kante hat, der mag sich in diesen Tagen stundenlang in der Anbauhaus- Abteilung, die die größte der ganzen Sommerschau ist, tummeln, um zu wägen und zu prüfen.
Wochenende mit magerem Geldbeutel.
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Groschen, für den man dort den ganzen Tag herumspringen, baden und sich sonnen kann. Und die Fahrradschuppen vor den Bade tabinen sind heute die Bahnhöfe all jener, die hinaus wollen aus der Mietkaserne, aus den Altberliner Stuben mit dem einen fümmerlichen Fenster, aber dafür den fünf und sechs Bettstellen. In Schildhorn und auf den Müggelbergen ist es schön, aber nach Blößensee und in die Jungfernheide fommt man auf Schusters Rappen. Familienväter, die heute nur noch 40 Mark netto in der Woche nach Hause bringen und in dieser Lohnstufe ist die Mehrheit aller Arbeitsmänner können nicht am Sonntag mit Frau und zwei Kindern 2,40 Mark für Fahrgeld aufwenden, können nicht mehr in Gartenrestaurants sich an die Kaffeetafel setzen. Für fie bleibt übrig entweder die Laubenkolonie oder das Freibad. Da zu für die Jugend das Zelt und wer noch Arbeit hat, der mag die Gelegenheit jegt wahrnehmen und einmal Sonntagvormittags an die Tore der Bootshäuser an Havel und Dahme pochen. Es gibt deren viele, die in diesen schlechten Zeiten ihr Paddelboot hergeben müssen, so gern sie es auch behalten möchten.
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Sogar der 30o hat auf der Berliner Sommerschau 1932 eine Filiale eröffnet. Halb 300, halb Forst. Natürlich nicht mit Löwen besetzt, aber desto mehr mit Rehen. Mitten durch das Waldstück führt ein Wildpfad mit feltenen Pflanzen. Und am äußersten Rande der großen Ausstellung grüßt ein alter Bekannter: die Liliput bahn. Nun mag noch der Wettergott ein Einschen haben und vor allem der Schau selber das geben, was sie allen Berlinern wünſcht: den Sonnenschein.
Die dritte große Abteilung ist dem Wochenende gewidmet. Da hat man einen See geschaffen, einen Wald aufgebaut, zwischen dem See und dem Wald liegt ein Zeltlagerplatz, jenseits des Lagerplages erhebt sich in einer ausgezeichneten Nachbildung das Panorama des größten Binnenseestrandes der Welt, nämlich unseres Die Ausstellung wird bis zum 7. August durchges Strandbades Wannsee . Dann wirbt die Reichsbahn um führt. Geöffnet sind die Hallen und das Gelände täglich den Wochenendfahrer; Postauto , Straßenbahn und Autobus des- von 9 bis 8( 20) Uhr. Der Preis für den einmaligen Besuch gleichen. Selbst der Wetterdienst fehlt diesmal nicht als Aussteller, beträgt 1,50 Mart. Jugendliche bis 18 Jahre, Studenten und Facheine Muster- Jugendherberge ist da, unsere Zentralfommis- schüler mit Ausweis, Militär und Polizei in Uniform zahlen nur fion für Arbeitersport und Körperpflege, eine 75 Bfennig. Für die Sommerschau sind allerdings an Vereine, Sportärztliche Beratungsstelle im prattischen Betrieb, Berbände, Gewerkschaften und Betriebsbelegschaften Organisations. der„ Sturmvogel " mit neuen Segelflugzeugen, Pfadfinderlager farten ausgegeben worden, die nur 1 Mark kosten. Alle Organiund dort mehr, dort weniger wird der Gedanke in den Vorder- fierten seien darauf hingewiesen. Dann werden wieder Dauerkarten grund gestellt: es kommt heute beim Wochenende weniger auf die ausgegeben, nur mit Lichtbild und Unterschrift des Inhabers gültig, Beit als auf das Geld an. Nichts notwendiger als das. Worauf die zum ständigen Besuch der Ausstellung berechtigen und 5 Mart beruht denn der Erfolg der Groß- Berliner Freibäder? Auf dem kosten.
Devaheim- Skandal vor Gericht
Mittwoch Beginn des neuen Monstreprozesses
Während der Stlaret- Prozeß in den letzten Zügen| gerichts I, also auf Grund der dritten Notverordnung vom 6. Ot
in dieser Woche noch Arbeit hat, kann in der nächsten Woche schon liegt am Montag nach Pfingsten sollen die Strafanträge gestellt tober, vorigen Jahres, gleich vor der Berufungsinſtanz beginnt
auf dem Arbeitsnachweis fizen.
Häuser, die wachsen sollen.
Wem es allerdings in besseren Zeiten möglich war, ein Stück Eigenland an der Peripherie der Weltstadt zu erstehen, der hat jetzt die Sorgen um das Haus. Denn eine Parzelle ohne Haus bedeutet ja kaum die halbe Freude an dem oft mühselig ersparten Besitz. Diese Sorgen greift die große Abteilung vom Wachsenden Haus" auf. Dreißig folcher Häufer, majjiv gebaut, völlig bezugsfertig eingerichtet, stellen sich auf dem Freigelände der Sommerschau vor. Es sind dies Häuser, die in verschiedenen Etappen gebaut merden fönnen. Zunächst ist nur nötig, eine Grundzelle zu bauen, die etwa 25 Quadratmeter Grundfläche bietet und massiv und gut er richtet nicht mehr als 2500 Mark fosten darf. Diese Grundzelle muß so erstellt sein, daß in späteren Jahren ein oder mehrere Anbauten noch anwachsen tönnen, so daß schließlich eine harmonische und praktische Endlösung erreicht wird.
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Nun soll der Ruhm unserer Architekten nicht verkleinert merden, aber mie viele Siedler haben sich in dieser Weise ihr Haus bereits aufgebaut. Bor etwa fünf Jahren spazierten die Ausflügler durch die entfernteren Vororte Berlins , bisweilen blieben sie stehen,
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beginnt am Mittwoch in Moabit ein neuer
Riesenprozeßz: das gerichtliche Nachspiel des großen Devaheimstandals.
Wie erinnerlich, kam diese Affäre Ende Jult vorigen Jahres ins Rollen, nachdem bereits allerlei Mitteilungen aufgetaucht waren über Schmierigkeiten beim Devaheim- Deuzag- Konzern, der sich aus einer unter dem Namen ,, Deutsche Evangelische Heimstätten- Gesellschaft" im Jahre 1926 gegründeten Bausparkasse der Inneren Mission entwickelt hatte. Mit der Verhaftung des Generaldirektors Wilhelm Jeppel des Devaheim- Konzerns wurde der eigentliche Standal publit, immer neue Vorwürfe gegen die Leitung des inzwischen zusammengebrochenen Konzerns und damit auch gegen die hinter ihm stehenden kirchlichen Kreise wurden laut, weitere Berhaftungen erfolgten, darunter die des Sohnes des Aufsichtsratsvorsitzenden Pastor Cremer, des Prokuristen Ernst Wilhelm Cremer, das Ermittlungsverfahren murde auch auf Pastor Cremer und weitere leitende Persönlichkeiten des Konzerns ausgedehnt, und nach monatelanger Untersuchung murde am 4. Januar dieses Jahres die Anflage erhoben, auf Grund deren die Haupt verhandlung am Mittwoch vor der 3. Straffammer des Land
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Angeklagt sind:
der frühere Generaldirektor Wilhelm Jeppel, der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Pastor D. Cremer, dessen Sohn, Profurist Ernst Wilhelm Cremer, der frühere Bevollmächtigte der Auslandsanleihe beim Zentralausschuß für Innere Mission , Gustav Hollmar Claussen, der frühere Aufsichtsratsvorsitzende der zum Devaheim- Konzern gehörenden Baugenossenschaft des Deutschen Evangelischen Volfsbundes in Mülheim ( Ruhr ), Pastor Müller, sowie die früheren Direktoren dieser Baugenossenschaft, Paul Jeppel( ein Bruder Wilhelm Jeppels) und Kocks. Wilhelm Jeppel, Pastor Cremer und seinem Sohn wird eine Reihe von Untreuehandlungen zum Nachteil der im Devaheim- Konzern zusammengeschlossenen Gesellschaften des Zentralausschusses für Innere Mission zur Last gelegt, die vor allem in der Verwen dung von Bauspargeldern zu unzulässigen Geschäftstransaktionen und eigennützigen Zweden erblickt werden. Allen dreien wird auch Bilanzverschleierung vorgeworfen, Wilhelm Jeppel und Cremer jun. außerdem noch Betrug zum Rachteil von Sparern und Kreditgebern. Wilhelm Jeppel werden in diesem Zusammenhang auch noch Urkundenfälschungen zur Last
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