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BERLIN  Mittwoch 18. Mai

1932

Der Abend

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Vorsichtsmaßregeln Rußlands  

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Folge der Vorgänge in Japan   Vier Jahrgänge einberufen

Die gewaltsame Entfernung der japanischen Regie. rung durch Ermordung ihres Führers und die Aussicht auf noch schärferes Vordringen Japans   auf dem ajiati­schen Kontinent hat die ständige Kriegssorge der Sowjet­regierung gewaltig gesteigert.

Am gestrigen Dienstagabend sollte Kriegskommissar Woroschilow im Rundfunk sprechen, was jedoch mit der Begründung abgesagt wurde, daß er an einer Konferenz teilnehmen müsse. Es wurde durch den Rundfunk der Befehl des Revolutionären Kriegsrates bekanntgegeben, daß

an den Manövern die Jahrgänge 1909, 1910, 1911 und die von der Heeresdienstzeit wegen wichtiger Betriebsarbeit Befreiten des Jahr­gangs 1912 teilzunehmen haben.

Da sonst immer nur ein Jahrgang Reserve zu den Ma­növern eingezogen worden ist, bedeutet dieses Vorgehen eine Demonstration der russischen Wehrbereitschaft, wie schon der 1. Mai in dem Aufmarsch von 100 000 Mann Moskauer Garnison, Zehntausenden bewaffneter Ar­beiter, unzähliger Tanks, Motorbatterien und dem Auf­gebot von 300 Armeeflugzeugen eine solche Demon­stration gewesen ist. Im Rundfunk wurde noch mitge teilt, daß die freiwilligen Flieger der Organisation ,, Ossoawiachim" an den Heeresübungen teilnehmen. Stalin  , der zur Erholung nach der Krim   abreisen wollte, ist in der Nähe von Moskau   geblieben.

Militär diftiert Wirtschaftsprogramm.

Tokio  , 18. Mai.  ( Reuter.)

Es wird jetzt mit der Möglichkeit gerechnet, daß die Armee die Bildung einer Regierung der konservativen Senukai- Regierung mit dem bisherigen Innenminister Suzuki als Ministerpräsident billigt, unter der Bedingung, daß die konservative Partei das Wirtschaftsprogramm der Armee annimmt. Dieses Programm fordert vor allem eine Reform des Steuerwesens im Sinne der Entlastung der Landwirte und ein Mora= torium für die Schulden der Landwirtschaft und des Einzelhandels.

Die Suche nach Ministermördern.

Die politische Polizei gibt bekannt, daß sie acht neue Ber haftungen von Mitgliedern der Drachenorganisation vorge­nommen hat; es sind acht Personen, die mit der Ermordung des Ministerpräsidenten Imukai in Verbindung stehen sollen.

35 Japaner in der Mandschurei   getötet. Charbin, 18. Mai. Aufständische haben in einer Ortschaft am Sungari- Fluß 35 Japaner getötet und den Ort in Brand gesteckt. Dann haben sie sich auf Fugedin am Sungari zurückgezogen.

Agrar: und Siedlungspolitik.

Zehn Jahre Forschungsinftitut.

Auf einer Tagung des Deutschen Forschungsinstituts für Agrar und Siedlungswesen in Güstrow   hielt Staats­sekretär Dr. Geib eine Rede, in der er u. a. folgendes ausführte: Das Wesen und die Eigenart unseres Forschungsinstituts besteht darin, daß sich in ihm Reichs- und Länderregierungen mit der deut­ schen   Wissenschaft vereinigt haben, um die wissenschaftlichen Untersuchungen in die Wege zu leiten, die für die richtige Einleitung und Durchführung a grar und siedlungspoli tischer Maßnahmen der Regierung wichtig sind. Wissenschaft und Praxis reichen sich die Hand, um zum Nutzen der Allgemeinheit zufammenzuwirken. Dem Institut standen und stehen keine großen Mittel zur Verfügung. Dem Herrn Reichsernährungsminister ist die finanzielle Grundlage zu danken. Die Länderregierungen betei­ligen fich nach Kräften an der weiteren Finanzierung. Gehälter können den Herren Direktoren nicht gezahlt werden. Trotz dieser recht beschränkten finanziellen Grundlage darf ich nach zehn Jahren des Bestehens dieses Instituts mit Genugtuung feststellen, daß das hier Geleistete der Arbeit der großen verwandten ausländischen In stitute, die über ungleich mehr Geldmittel und Kräfte verfügen, zum mindesten gleichkommt.

Die Geretteten des Philippard"

Ein Teil gestern abend in Aden gelandet

Paris  , 18. Mai.  ( Eigenbericht.)

Nach einer Meldung aus den sind am Dienstagabend die beiden englischen Dampfer Contractor" und Mashud" dort ein­englischen Dampfer Contractor" und Mashud" dort ein­gelaufen. An Bord des Contractor" befanden sich 129 Passagiere und Besatzungsmitglieder des Georges Philippard", darunter 18 Schwerverletzte, an Bord des Mashud" 125 Gereftete. Der französische   Dampfer André Lebon" hat außerdem von dem ruffifchen Petroleumdampfer Sowjet Staja- Neft" 425 Gerettete über­nommen und steuert mit Volldampf auf Dichibudi. Es sind also mindestens 679 Personen gerettet worden. Da sich nach einer am Dienstagabend von der französischen   Schiffahrtsgesellschaft veröffentlichten aber noch unvollständigen Lifte 483 Paffagiere an Bord befanden, wozu noch 347 Mann Besatzung zu zählen sind, fehlen Nachrichten über das Schicksal von rund 150 Personen. Man glacbt aber, daß nicht mehr als etwa 100 Opfer zu beklagen sind, da wahrscheinlich verschiedene Passagiere von kleinen Dampfern oder Fischerbooten gerettet worden sind, die noch keine Nachricht gegeben haben. Drei gerettete französische  Passagiere haben am Dienstag von Aden ihre Namen telegraphisch  nach Paris   übermittelt.

Nach Aussage der in Aden ausgeschifften Passagiere, die fast sämtlich nur mit Nachthemden bekleidet waren, ist das Feuer, wie zuerst angenommen, durch kurzschluß in einer leer­stehenden Luruskabine entstanden. Durch sein schnelles Umsichgreifen

sollen zahlreiche Passagiere der ersten Klasse in ihren Kabinen blockiert worden und umgekommen sein. Anderen sei es unmöglich gewesen, ein Rettungsboot zu erreichen, so daß sie ins Meer fpringen mußten. Schredliche Szenen follen sich an Bord ab­gespielt haben, da viele Personen ihre Familienangehörigen suchten, von denen sie getrennt worden waren. Kein einziger Passagier hat fein Gepäck retten können.

Die Schiffbrüchigen.

Bei der Ankunft der Ueberlebenden des ,, Georges Philippard" in Aden spielten sich herz zerreißende Szenen ab. Viele Fahrgäste fanden ihre Angehörigen wieder, die sie bereits für

verloren gehalten hatten und die mit dem anderen Schiff einge­troffen waren. So sah sich eine verzweifelte Mutter plötzlich wieder ihren zwei für verloren gehaltenen Töchtern gegenüber. Andere fuchten ihre Verwandten vergebens. So konnten die Eltern mehrerer Kinder. darunter solche von ein oder zwei Jahren, nicht ausfindig gemacht werden. Die Schiffbrüchigen find in Hotels, Privathäusern und Militärquartieren untergebracht worden. Die Verwundeten wurden nach den Krankenhäusern befördert, wo bereits alle Vor­forge getroffen war. Die meisten der Geretteten mußten erst mit Kleidern versehen werden. Vicle trugen nur Schlafanzüge und richten der Ueberlebenden sind die bisher amtlich veröffentlichten manche Frauen gingen in Männerkleidern an Land. Nach den Be­Listen der Fahrgäste des ,, Georges Philippard" unvollständig. Die 3ahl der englischen Fahrgäste, die sich an Bord befanden, wird bis­her mit rund 30 angegeben.

Etatarbeit im Rathaus

Pfingstruhe ist zu Ende/ Schwierige Beratungen/ Berlin   fann nicht weiter

Die Ruhe der Pfingstwoche wird im Rathaus von dem Tempo der kommenden Arbeitswochen abgelöst. Die Beratungen über den neuen Haushaltsplan, die in diesem Jahr schwie­riger denn je sein werden, beginnen am fommenden Montag und verlangen von den Stadtverordneten höchste Arbeitsleistung. Der Haushaltsausschuß der Stadtverordnetenversammlung wird in den kommenden Wochen fast jeden Tag ununterbodhen tagen. Das Stadtparlament triff zu feiner nächsten Sihung am Donnerstag, dem 26. Mai, zusammen. Die Beratungen des Haus­haltsausschusses werden die Feststellung des Stadttämmerers Bruno Asch   bestätigen, daß Berlin   von der Welle der Not am stärksten erfaßt am Ende seiner Kraft ist, daß es ohne die vom Reichskanzler in Aussicht gestellte Hilfe des Reiches nicht weiter geht.

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rund 20 Millionen weniger Kosten verursachen als im letzten Jahre. Dabei sind vorsorglich auch die Einnahmen dieser Betriebe um fast 23 Millionen geringer geschätzt worden, so daß hier eine große Spanne entsteht, von der man im stillen hofft, daß die angenehme Enttäuschung einer Mehreinnahme eintreten wird. Das finanziell stärkste und in seiner Gestaltung und Einwirkung auf die ganze Stadtwirtschaft völlig unbestimmte Kapitel sind die Wohlfahrts­Ia sten. Sie werden für das kommende Jahr auf 404,2 Millionen geschätzt, um 12 Millionen höher als im verflossenen Jahre. Hier liegt das kritische Moment der ganzen Stadtwirtschaft, die diefen Millionenberg nicht ohne die Finanzhilfe des Reiches überwinden fann.

Die Steuereinnahmen sind um 90 Millionen, geringer ein­Wenn man die Zahlen unter dem Schlußstrich der Ordent- geschätzt worden als im letzten Jahre. Die Bauverwaltung soll einen lichen Verwaltung für das Jahr 1932 mit den früheren Etats- Einnahmerückgang von vier Millionen erfahren, beim Wohnungs­anfägen vergleicht, so ergibt sich ein Fortschritt in der Etatdrosse- und Siedlungswesen wird ein förmlicher Einnahmeschwund von lung, weil an den Sparetats der letzten Jahre noch weiter gespart 60 Millionen erwartet, und beim Schul- und Gesundheitswesen rechnet der Kämmerer mit einer Mindereinnahme von einigen werden soll. Die Ausgaben für die allgemeine Verwaltung sind um mehr als fünf Millionen herabgesetzt worden, die Polizei Millionen. Der Kämmerer rechnet, aber den Zahlen fehlt der feste Boden. Das ganze Haushaltsgebäude schwankt. Die Verhandlungen verwaltung, auf deren Unkosten die Stadt Berlin   allein keinen um Reichs und Staatshilfe gehen weiter. Das sind die Einfluß hat, sind um zwei Millionen gekürzt, und die Bauver­waltung hat über sieben Millionen Abstriche erfahren. Das letzten Hoffnungen und Reserven... und die nächsten Monate wer­alles gegenüber dem verflossenen Jahre, wo bereits auf verschieden zeigen, ob Berlin   seine Finanzkrise glücklich überstehen kann. denen Gebieten die Sparsamkeit bis hart an die Grenze des Mög­lichen ausgedehnt worden war. Die Aufwendungen für das. Woh nungs- und Siedlungswesen erfahren einen geradezu tatastrophalen Sturz von 93 auf 27 Millionen, also gewissermaßen eine Herabsetzung auf den vierten Teil des letzten Jahres.

Die Einzelberatungen über das Kapitel Schulmesen werden ergeben müssen, ob die vorgeschlagene Ausgabenfenfung von 135 auf 109 Millionen tragbar ist, ohne daß wichtige Kulturaufgaben in Gefahr geraten. Auch die städtischen Zuschüsse für Kunst und Wissenschaft sollen um zwei Millionen gekürzt werden. Die Aufwendungen für das öffentliche Gesundheitswesen sollen um 23 Millionen beschnitten werden.

Die städtischen Betriebe sollen im kommenden Etatsjahr

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Gverdeler als Sachverständiger.

Bei der Beratung des Reichskabinetts. Das Reichsta binett tagte am Dienstagnachmittag unter

Sinzuziehung des früheren Preiskommissars und als Reichswirt­schaftsminister in Aussicht genommenen gegenwärtigen Leipziger  Oberbürgermeister Dr. Goerdeler. Vor allem wurden Etats­fragen beraten. Außerdem behandelte das Kabinett die Finanz­not der Gemeinden. Goerdeler   wurde darüber als Sachverstän diger gehört.