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Beilage

Mittwoch, 18. Mai 1932

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Felix Stößinger  :

Mein erster Flug

Der erste Flug war eine Revolution, der hundertste war eine Sensation, aber mein millionster, wen kann er was angehn, außer mich selbst? Eine Frau flog allein nach Afrika  , ich flog mit einer Pressekarte der Deutschen Lufthansa mit vier Passagieren nach Zürich  , im Schuß eines Schweizer   Piloten, eines Ersagpiloten und des Funkers. Um den Flug zu ermöglichen und die Ankunft sicher zustellen, haben wir vier Fahrgäste in Berlin   etwa zehn Arbeitskräfte in Anspruch genommen, in Leipzig  - Halle direkt drei weitere benugt, in Stuttgart   wieder drei, in Zürich  zmei. Wollte man die Zahl der benötigten Menschen-, Maschinen­und Geldkräfte auf Nase und Kilogramm umrechnen, würde die erstaunliche Verschwendung und der unökonomische Verbrauch von Arbeitskräften herauskommen, durch den das Fliegen so teuer und der Flugverkehr so unrentabel wird. Die Differenz zwischen dem, was den Passagieren noch zugemutet werden kann, und dem, was darüber hinausgeht, begleicht der Staat, bezahlen die Nichtflieger in Form von Steuersubventionen. Trogdem ist das Drum und Dran so teuer, daß mich der Freiflug nach Zürich   beiläufig so viel ge­fostet hat wie eine bezahlte Eisenbahnfahrt dritter Klasse.

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erstes Ziel Zürich   gratis erreicht, für das die Reichsbahn auch nur 47,10 Mark rechnet. Denn das Flugzeug kam zwar auf die Minute pünktlich in Zürich   an, aber zu spät für den Bahnanschluß. Ich mußte also in Zürich   übernachten, das heißt, gerade noch die Differenz zwischen den Kosten eines Gratisflugs und einer regulären Eisenbahnkarte zulegen. Wäre ich aber nun nicht ein Fluggast, sondern ein Passagier gewesen, der sein ganzes Gepäck ins Flug­zeug mitnehmen muß, dann würde der Flug ziemlich auf den Pfennig soviel kosten wie eine Reise erster Klasse nach Moskau  .

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Fliegen ist zunächst noch ein folossaler Lurus. Aber vor allem auch eine Unbequemlichkeit. Das Flugzeug steht nicht da, wo die Eisenbahn war, als die Linie Berlin  - Potsdam   eröffnet wurde, sondern bei den ersten Autos, mit denen man Reisen durch Bayern   und Tirol gewagt hat. Otto Julius Bierbaum   hat in einem sehr hübschen Buch seine damals viel bewunderte Reise humorvoll geschildert. Ich glaube, das war vor 26, 27 Jahren der Fall. Im Flugzeug ist man heute auf den Raum eines Fahr stuhls beschränkt, womöglich mit noch weniger Bewegungsfreiheit. Meine rechte Körperhälfte wurde vom Fuß aufwärts durch die Heizung angeglüht, während die linke im Luftzug lag. Im Reise­büro der Lufthansa wurde mir versichert: Kleiden Sie sich wie auf einer gewöhnlichen Reise. Dieser Rat war nicht gut. Ein warmer Schal hat enorm gefehlt. In Berlin   fegte ich mich auf den hintersten Platz, der der breiteste ist. Er ist aber auch der schlechteste. Kein Flugangestellter, der die Abfertigung leitete, warnte mich davor, daß dieser Plaz am meisten der Erschütterung ausgesezt ist. In Stuttgart   jagte mir ein Flugschaffner: Da hinten friegen die besten Piloten Luftkrankheit". Trotzdem werden diese Plätze verwendet und verkauft. Kundendienst? Der Wunsch, den Fahrgast möglichst in Sicherheit und Annehmlichkeit zu wiegen, ist zu stark entwickelt, aber geschäftlich ein Fehler.

Die Deutsche Lufthansa gibt für ihre Freigäste zwei verschiedene Karten aus, die im Dienstgebrauch Zg und Zn- Karten ge­nannt werden. Zg, das heißt den Zahlern gleichgestellt. Zn, den Zahlern nachgestellt. Zu einer Zg- Karte muß man sich durch Ar­beiten, die dem Verkehr und der Luftschiffahrt Nugen versprechen, hinaufdienen. Für uns einfache Zn- Passagiere bedeutet die Be-. günstigung des Freiflugs zunächst die sehr peinliche Ungewißheit, ob man überhaupt mitgenommen wird. Der Zn- Gast wird, wenn im Augenblick des Abflugs ein zahlender Gast eintrifft, wieder abgesetzt. Er fliegt nicht mit, sondern heraus. Dasselbe Schicksal steht ihm auf jeder Zwischenstation voraus. Ist aber das Wetter bei der Ab­fahrt schlecht oder die Linie neu( die Linie Zürich   ist seit dem 1. Mai wieder in Betrieb), so kann man wohl darauf rechnen, daß im letzten Augenblick nicht noch ,, alle" leeren Plätze, etwa vier, besetzt werden. Man erfährt also erst früh um 10 Uhr mit einer gewissen Sicher- tägliche. Die Welt von oben ist vor allem eine Welt der Farbe. heit, ob man mitgenommen wird.

Aber wie steht es nun mit dem Gepäck? Grob gesprochen, ist das Passagierflugzeug nur für Passagiere mit sehr wenig Gepäd oder für Millionäre berechnet. Schon deswegen scheidet es vorläufig für den normalen Passagierverkehr aus. Es kommt mehr für Ge­schäftsleute in Betracht, die mit einigen Akten und einer Reisetasche wegfliegen, als für Menschen, die mit Gepäck für Wochen auf eine Reise gehen. Da ich in der Schweiz   Vorträge halte, haben Bücher und Schriften das Gewicht meines Gepäds erhöht. Im Flugzeug foftet das Gepäd 1 Pro 3. der Fahrkarte. Die Fahrt nach Zürich   kostet 95 Mart, meine 45 Kilo Gepäck, die über der 15- Kilo­gramm- Freigepäck zone liegen, hätten also im Flugzeug über 40 Mart gekostet, etwa 5 Mark weniger als die Eisenbahnkarte nach Zürich  ! Reichsbahn   und Lufthansa sind aber noch nicht überein ge­kommen, daß die Bahn die Flugkarte als Grundlage zur Beförde rung des Reisegepäcks zu den Bedingungen des Gepäcks der Bahn­reisenden übernimmt. Es wird nach dem Tarif ohne Karte" be­handelt, kostet also einige Mark mehr. Ist es nicht möglich, daß Firmen, die letzten Endes Staatsbetriebe sind, sich über solche Kleinigkeiten einigen? Der Wunsch ist aber offenbar noch rar, denn auf der Lufthansa konnten auch höhere Stellen über die Behandlung des Gepäcks von Fluggästen auf der Eisenbahnparallelstrede feine Auskunft geben. Schließlich war das Gepäck verfrachtet, Preis 18 Mart, Versicherung 8 Mart. Damit waren die Kosten des Frei­flugs noch nicht gedeckt. Am Tempelhofer Feld erwartete mich die Pflicht, für 9,50 Mark mein Leben zu versichern. Etwas ungehalten über diesen 3wang, wünschte ich meinen Begleitern im Falle der Versicherungszahlung Eßt es gefund auf" und flog weg. Aber noch hatte ich nicht nach Zahlung von 35,50 Mart mein

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Ruth von Schulze- Gävernitz  :

Die einzige Tätigkeit des Flugpassagiers ist das Schauen. Die Welt. von oben gesehen ist eine ganz andere Welt als unsere all­Nicht die perspektivische Kleiheint der Dinge, tausendmal geschildert, tausendmal photographiert, sondern die Allfarbigkeit der Dinge war mein großes Erlebnis. Jedes Ding hat eine Farbe, nichts ist farb los, aber erst von oben gesehen, ist alles nur noch Fläche, alle Fläche nur noch Farbe. Die Dinge haben nur durch unsere Erfahrung, nicht durch unser Erleben ihre Liefe, ihre Körperlichkeit. Im Grunde ist es eine gemalte Welt, die wir sehen, das heißt eine ganz andere als die des Lebens unten. Die Farben sind von oben dichter,

Otto Corbach:

fatter, stofflicher. Grau ist silber, schmußige Farben gibt es nicht, alle sind rein, leuchtend, ineinander fließend. Und wie schön ist erst die Natur! Die Schöpfung hat wahrhaftig nicht gewußt, was häßlich ist. Sie kennt nur Schönheit, ist nur Schönheit. Auch ihre Umrisse, ihre Linien sind nie anders als schön. Ein Flußlauf ist immer schön, eine Bergkuppe immer, das Gewoge der Blätter immer. Aber wo der Mensch hintritt, hört die natürliche Schönheit auf. Wie sind alle Aecker, Wälder, Straßen von oben gesehen scheußlich geschnitten, geführt. Was unten schön ist, ist noch lange nicht oben schön, aber da wo mit großer Ueberlegung eine Burg, eine Schloßanlage, ein Aussichtsturm in die Landschaft gesezt, hat sich oft Schönheit von unten mit Schönheit von oben verbunden. Man wird in Zukunft Städte nicht nur von unten nach oben bauen, sondern auch um­gekehrt. Eine neue Dimension ist von den Menschen gefunden worden und wird nicht wieder verloren gehen.

Um das alles aber genießen zu können, wird sich das Flugzeug ebenso weit entwickeln müssen wie das Auto seit 1905 bis heute. Wie wunderbar das Fliegen ist, spürt man in dem Augenblic, in dem das Flugzeug abstößt. Wie elend und unvollkommen ist dieses rasende Abrollen über die Erdfläche und wie göttlich leicht die Er­hebung über die Erde, die Schwerkraft. Aber was der Mensch dann zum Fliegen braucht, ist ein ungeheurer Apparat, dampfend, stinkend, lärmend und wenig geheuer, wenn hoch in der Luft die Auspuff­flammen aus den Motoren schlagen, in nächster Nähe dieses leicht brennbaren Pappmodells, in dem wir sizen. Wer nicht weiß, daß dieser Apparat neben dem Flugzeug der Zukunft wie die Loko­motiven von 1830 neben den elektrischen Triebwagen der Unter­grund aussehen, hat wenig Phantasie. Warum sollte man nicht einmal dura) Radioftrahlen den Motor bewegen können! Wie gering ist der Weg von heute aus in diese Zukunft, gegenüber dem Fliegen überhaupt, von den ersten Lilienthalschen Gleitflugversuchen bis zum Kursbuch der Lufthansa!

Alle fritischen Bemerkungen über den Flug sollen nur dazu dienen, zum Besseren anzuspornen. Allzuoft liest man ein Flieger­latein, das falsche Vorstellungen von der Sache selbst gibt. Nicht vom Piloten und Sportsmann, sondern vom gelegentlichen Flug­passagier aus muß der ganze Betrieb angesehen werden. Dann kann man aber auch feststellen, daß die erwartete Hauptfreude in nichts hinter der Erwartung zurückblieb: Der Aufstieg der zadig­schneeigen Alpen aus dem Nichts der Ebene. Seitdem ich das ges waltige Alpenmassiv aus der Ebene von der Spize des Mailänder  Doms herauswachsen sah, ungeheuer, gewaltig, vor mir in einem Strich die ganze Schweiz   vom Ostpunkt bis zum Simplon, hatte ich den Wunsch, diese Alpenmasse auch einmal von der anderen Seite zu sehen. Nun, es war ganz so, wie ich es gedacht hatte, nur noch viel größer Mehr aber ist von Wunscherfüllungen zu sagen nicht möglich.

Offene Welt

imperialismus der Bevölkerung eines Mutterlandes" vorgespiegelt, Bon jeher haben die Wortführer des tapitalistischen Kolonial daß überseeische Kolonien als Aufnahmebecken für Auswanderung lichkeit haben nur diejenigen ursprünglichen Kolonien, die sich von seinen Bevölkerungsdruck aufheben oder mildern sollten. In Wirk den Mutterländern losrissen, eine starke Anziehungskraft auf euro­ päische   Auswanderer auszuüben vermocht. Die fapitalistischen Kolo­nifatoren machten sehr bald die Erfahrung, daß sich der europäische  Auswanderer gerade dort, wo sich für ihn über See, weil die ein= heimische Bevölkerung spärlich oder leicht zurückzudrängen, wenn nicht auszurotten war, unbegrenzte Siedlungsmöglichkeiten boten, als Mehrwert abwerfender Lohnarbeiter nicht zu brauchen war. Es entstand da jener Typ der freien Kolonie, deren Wesen nach Marg darin besteht, daß die Masse des Bodens noch Volfseigentum ist und jeder Ansiedler daher einen Teil davon in sein Privateigen tum und individuelles Produktionsmittel verwandeln kann, ohne den

Pfingstbrief aus Treptow  

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Pfingstlicher Sonntagmorgen: Treptow  . Der Siebentage. I sammenhang. Das neue Deutschland  , das neue Europa  , die neue rhythmus der Großstadt hat sie alle hinausgepulst. Alle freuen sie Menschlichkeit sich heute. Alle fahren sie mit Kameraden, Mädchen oder Kindern auf dem Wasser, welches in zahlreichen Buchten von der Natur für sie vorbereitet ist. Manche sind Spießer, manche moderne Menschen, viele suchen Sport und Straffheit, fie rudern zum Kommando des Obmanns, andere suchen Idyll und Träumerei, wie die beiden Blonden, Knabe und Mädel, die eben im winzigen Kanu welt­verloren an mir vorübergleiten.

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Drüben in den Anlagen des Volksparts steht, licht und einfach gebaut, die Sternwarte, die seit Jahrzehnten Tausenden von Strebenden Einblicke in das gestirnte All vermittelt. Daneben auf den grünen Rasenflächen schicken sich halbnackte Spieler mit der Faust den Ball zu, fräftige, breitschultrige junge Männer und schmächtige Neulinge, die Atem schöpfen. Gegenüber am anderen Ufer das Kraftwerk Klingenberg, ein strenger, moderner Ziegelbau, rhythmisch durchgliedert und monumental vor unseren Blicken hingelagert das warme Rot des Materials sich im Blau­schwarz des Flusses spiegelnd mit seinen sieben verschwisterten Schornsteinen, die nicht Ruß, nur leichten Dunst entlassen. Neben dem Kraftwerk mit weißem Sand, mit Duschen, Bäumen, Wasser­becken, dem Warmbad, welches von dem Kühlwasser der Kraft­turbinen gespeist wird, das neue Freibad. Hier erholen sich Hun­derte von Menschen, spielend, lagernd, schwimmend. Hier werden die jungen Erwerbslosen, die als sinnlos Wartende vor den Schaltern ihr Selbstgefühl verfümmert hatten, wieder zu Menschen. Sie sprechen und sporten miteinander wie Gentlemen  . Alles Zeugnis dieses unbeirrbaren, undefinierbaren Lebenswillens im Volke, der uns überall entgegentritt. Anzeichen wegbereitender, fördernder Initiative in Stadt und Staat. Auch weht hier, vom Wind bewegt, die schwarzrotgoldene Fahne.

Grünflächen, Ballspiele, Sternwarte, Kraftwerk, weiße Segel, die muntren Ruderer, Jungens, Mädel, lachende Kinder, denen die Alten, halb erstaunt, zuschauen. Wir sehen das pfingstliche, das neue Europa  , worin fein Gegensatz besteht zu dem neuen Deutschland  , vielmehr ein tiefer, fast geheimnisvoller Bu­

nichts von diesem, wie man es eben heute hier sieht, kann letztlich Bestand haben, das eine ohne das andere! Könnte man vergessen, daß gleichzeitig mit dieſem festlichen Bild, das wie das Vorahnen eines Völkerfrühlings anmutet, wahn­befangener Haß die Bande des Volkes zerreißt, während jener umdüsterte Blick, der keinen Ausweg sieht, uns allerorts begegnet, und uns erstarren macht! Könnte man vergessen, daß gleichzeitig mit diesem festlichen Bild sich die Nationen in immer neue Fesseln des Mißtrauens und der Angst verstricken, gleich Selbstverfolgern, welche nicht, wie sie meinen, die Mitwelt zu schaden sucht, sondern welche( wie die Alten es deuteten) aus der eigenen Seele, der eigenen Schuld erzeugte Furien hetzen! Könnte man vergessen, daß gleichzeitig mit dieser lebendigen Zuversicht, welche der Menge Haltung gibt, die furchtbare Wirtschaftskrise immer neue Opfer fordert, immer neue Teile des nahrung- und arbeitspendenden Welt­organismusses stillegt, während unser öffentliches Leben mit schwersten Gewichten belastet ist und Staat und Gemeinden von Monat zu Monat nicht wissen, wie die Mittel aufbringen, um Millionen vor dem alleräußersten Hunger zu schützen!

Was wird die Zukunft bringen. Alles weist auf das Entweder­Oder einer politischen wie wirtschaftlich- sozialen Neuordnung Eu­ ropas  . Das Schicksal wolle nicht, daß sterile Reaktion, daß sture Gewalt, daß brutaler Konzernkapitalismus über dies ,, neue Europa  " fomme, das heute erst in seinen tastenden Anfängen liegt. Bir sehen es an Tagen wie dem heutigen Sonntag mit Augen. Neulich, während eines großen Maijugendtreffens im Borgelände der Industriestadt stand es mir in Tausenden, zu Kultur und Auf­stieg, zu Zucht und Gewandtheit des Körpers, zu volkhaftem Singen und Fühlen und zu heller europäischer Menschlichkeit gewillten jungen Menschen überwältigend deutlich vor Augen. Europa   fämpft heute in sich zwischen Siechtum und Regeneration, d. h. um Tod und Leben.

Wir sehnen uns mit allen Zeitgenossen, Massen und Nationen nach dem vollen Erlebnis der Pfingsten, das die Kraft habe, uns wahrhaftig zu wandeln, zu heilen und zu einen.

im Bereiche der Einwanderung aus der Alten Welt über Sce mit späteren Ansiedler an derfelben Produktion zu verhindern". Bo fich der Zeit fapitalistische Produktionsverhältnisse entwickelten, blieb, wie sation, die innerhalb ihres Spielraums die Ausbeutung fremder in den Vereinigten Staaten  , das Fortbestehen einer freien Koloni­Profitstreben des industriellen Unternehmertums. Die Kapitalisten im Arbeitskräfte fast ausschloß, ein wirksames Bremsmittel gegen das Mutterlande zogen es jedenfalls nach vergeblichen Versuchen, im systematisch" zu produzieren, vor, statt Menschen fapita­Sinne Wakefields in den Kolonien durch Bodensperren Lohnarbeiter listische Machtverhältnisse nach überseeischen Ländern, völkerung, zu transportieren, um dort durch Zerstörung traditioneller und zwar solchen mit vorhandener, starker, arbeitsamer farbiger Be­Gewerbe sowohl eine 3wangsnachfrage nach billigen fremden Fertig fabritaten wie ein 3wangsangebot billiger Rohstoffe zu schaffen.

Auf diese Weise erklärt es sich, daß heute, wo das Zeitalter fapitalistischer Rolonisation" und kapitalistischer Wirtschaft über­haupt sich seinem Ende zuneigt, die für die Aufnahme europäischer Auswanderer geeignetsten überseeischen Kolonialländer noch un­gemein dünn bevölkert sind. Kanada  , größer als Gesamteuropa, hat taum zehn, Australien  , nur um ein Fünftel kleiner als Europa  , hat rund sechs Millionen Einwohner, und auch die latein­amerikanischen Länder könnten noch Hunderten von Mil­lionen Einwanderern Raum bieten. Inzwischen sind die Möglich­feiten, aus farbigen Kolonialsklaven Zwangsabnehmer industrieller Massenartikel zu machen, dermaßen erschöpft, ist andererseits der Kapitalismus in der Erfüllung seiner historischen Aufgabe, der ,, Entwicklung der Produktivkräfte der Gesellschaft", bis zu einem Punkte fortgeschritten, daß für immer größere Warenmassen die Käufer, für immer größere Arbeitermassen die Beschäftigung fehlt, und daß selbst in den am dünnsten bevölkerten Ländern der Ein­wanderer als überflüssiges und das Sinfen des Lohnniveaus be­schleunigendes Element gerade auf Drängen der einheimischen Arbeiterschaft ausgeschlossen wird.

Wenn ich gegenüber dieser Situation in meinem Luche Offene Welt" die Aufmerksamkeit auf die unbegrenzten Mög­lichkeiten lente, die sich einer europäischen   Massenaus. ivanderung bieten könnten, sobald in überseeischen Ländern die Voraussetzungen für ihre Aufnahme geschaffen würden, so bin ich mir darüber vollkommen flar, haß eine höhere Produk­tionsform als die kapitalistische eine sozialistische Voraus­fegung einer solchen Wiederöffnung der Welt" bildet. Allerdings nicht die einzige. Die Führer proletarischer Bewegungen in den alten Kulturländern haben sich eine schwere Unterlassungsfünde zuschulden kommen lassen, indem sie in ihrer Polemik gegen die kapi­talistische Kolonialpolitik das Kind mit dem Bade ausschütteten, statt den von kleinbürgerlicher autarkischer Engherzigkeit angesteckten arbeitenden Schichten der Völker ohne Raum" hoffnungsvolle Aus­blicke in ein Zeitalter sozialistischer Weltkolonisation zu eröffnen, das auf Koloniasklaven verzichten fann und für das die Erde   Raum für alle hat. Weil ich in meinem Buche den Hauptnachdruck auf die Notwendigkeit einer Wandlung der Psyche des europäischen   Menschen, einer Erziehung für die Offene Welt" lege, hat mich der Kritiker meines Buches im Abend"( Ausgabe vom 9. Mai), Wilhelm Tietgens, insofern mißverstanden, weil er meint, ich gebe mich der Illusion hin, als ob eine plan­mäßige Ausschließung überseeischer, menschenarmer, an unausge= döpften natürlichen Hilfsquellen reicher Länder ohne Ueberwindung des kapitalistischen   Systems durchführbar wäre. Ich wünsche nichts sehnlicher, als daß mein Buch gerade in Kreisen der Arbeitera fchaft eifrig gelesen und studiert würde; ich bin sest überzeugt, daß sie es dann als ein Arsenal geistiger Waffen für ihren Bea freiungstampf Schäßen lernen wird,

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