Morgenausgabe
Nr. 231
A 117
49. Jahrgang
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Der„ Borwärts" erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend". Juustrierte Sonntagsbeilage Bolt und Zeit"
Donnerstag
19. Mai 1932
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
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Eine ernste Mahnung an Brüning. Freiwilliger Arbeitsdienst.
Bayerische Warnung vor dem General Schleicher.
Münchev, 18. Mai.( Eigenbericht.)
macht als Werkzeug beffimmfer parteipolififcher Machtbestrebun gen mißbrauchen.
3m 3usammenhang mit der Neubesetzung des Reichsmehre ministeriums äußert die Bayerische Bolfspartei- Korrespondenz aber. mals schmere Besorgnisse über die in stematische Minier. arbeit gegen die Regierung Brüning. Die politische Bedeutung des Artifels liegt vor allem darin, erzielt werden, sondern einzig und allein durch eine Daß er an den Reichstanzler eine
direffe Warnung vor dem General Schleicher
ausspricht. In den letzten Borgängen ficht das offiziofe Organ ber bayerischen Regierung eine Bestätigung ihrer früheren Informa tionen, daß seit längerer Zeit gewisse Kreise am Werte sind, die unter Einschaltung unkontrollierbarer Einflüsse einen vollkommenen Umbau der Reichsregierung in personeller und richtungsmäßiger Beziehung vorbereiten.
Börtlich erklärte die Korrespondenz hierzu:„ Der Reidetangler mird darauf bedacht sein müssen, die von nationalsozialistischer und halbnationalsozialistischer Seite mit fo großem Erfolg verbreitete Lesart zu zerstören, daß es sich bei dem Abgang Groeners und bei der Neubesetzung des Reichswehrministeriums um eine wichtige Etappe der Machtergreifungspolitik der Nationalsozialisten handle, die ihnen zur Zeit mehr wert sei als irgendeine Regierungs beteiligung.
Diese Cesart ist um fo gefährlicher, als dadurch mit aller Absicht die Reichswehr selbst in ein verhängnisvoll fchiefes Licht gesetzt wird, indem der Eindrud erweckt wird, als lasse sich die Wehr
Die Reinigung der durch diese Borgänge erzeugten Atmosphäre fann nicht durch Dementiersprißen und offizielle Beruhigungsformein Erledigung des Falles Groener, die in überzeugender Weise einwandfrei Gewähr dafür schafft, daß der für die Richt finien der Politit des Reichswehrministeriums in gleicher Weise wie für die Richtlinien der Politik des Reichsinnenministeriums und aller Reichsministerien verantwortliche Reichskanzler Herr der Situation iſt.
General von Schleicher ist in der öffentlichen Meinung Deutsch lands und auch des Auslands so start in Verbindung mit jenen Bestrebungen gebracht morden, die mit Hilfe der Reichswehr
cinen verfaffungsmäßig unzuläffigen Drud auf die politische Entwidlung ausüben wollen,
das ein politisches Hervortreten gerade dieses politisch ohne allen meifel außerordentlich unternehmungsluftigen Generals den gefähr lichen Misdeutungen erst recht Nahrung geben muß. Der neue Reichsmehrminister muß von vornherein über allen Ber dacht hoch erhaben sein, einen anderen Ehrgeiz zu besigen, als die deutsche Wehrmacht ein in jeder Beziehung zuverläffiges und schlagträftiges Instrument der legalen Staatsgewalt zu erhalten und zu fräftigen."
Erfahrungen und Probleme.
Der freiwillige Arbeitsdienst ist fein bloßes Programm mehr. Fast 60 000 junge Menschen sind bis heute im freiwilligen Arbeitsdienst tätig gewesen. Die Notverordnung vom 5. Juni 1931 hat mit§ 139a des Gesetzes für Arbeitsvermitt lung und Arbeitslosenversicherung die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, indem sie die Förderung des frei. willigen Arbeitsdienstes der Reichsanstalt übertrug.
Selbstverständlich darf man an die wirtschaftlichen Möglichkeiten des freiwilligen Arbeitsdienstes feine phantastischen Vorstellungen fnüpfen. Schon die eingangs mitgeteilte 3ahl beweist, daß im freiwilligen Arbeitsdienst nur Bruchteile der Arbeitslosen erfaßt werden fönnen.
So gewiß auch die friseneindämmende Rückwirkung des freiwilligen Arbeitsdienstes, zumal er ja nur nach Artikel 1 der Ausführungsverordnung vom 3. August 1931 für gemeinnügige zu fägliche Arbeiten eingesetzt wer den darf, volkswirtschaftlich nicht sehr erheblich ist, so liegt die Bedeutung des freiwilligen Arbeitsdienstes in der politischpädagogischen Sphäre. Junge Menschen, die oft seit Jahren arbeitslos waren und vielfach der Gefahr seelischer Abstumpfung oder politischer Ueberradifalisierung erliegen, lernen wieder die erfüllende Wirkung einer gefunden Arbeitsordnung fennen. Einer gesunden Arbeitsordnung! Jede Ber bindung des freiwilligen Arbeitsdienstes mit militärischem Drill, Unteroffiziers- und Feldwebelherrschaft muß entschieden abgelehnt werden. Sicherlich war dies vor allem der Grund für die zunächst zögernde Haltung der freien Gewerkschaften gegenüber dem freiwilligen Arbeitsdienst. Daß die lohn politische Seite des Problems jederzeit trotz der ausdrück lichen Bestimmungen über den zufäßlichen Charakter des Arbeitsdienstes-tontrolliert werden muß, versteht sich ja von selbst.
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Die rechtsstehenden Behrverbände sind nach einer Mitteilung des Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermitt lung und Arbeitslosenversicherung bisher stärker als das Reichsbanner am freiwilligen Arbeitsdienst beteiligt gewesen.
Nazis können die Wahrheit nicht vertragen/ Protestaktion der Sozialdemokraten. Auf feinen Fall darf diese Tendenz in Zukunft erhalten
Braunschweig , 18. Mai. ( Eigenbericht.)
Der Braunschweigische Landtag nahm nach zwei monatiger Bause feine Sigungen wieder auf. Bei der Besprechung eines Gesuches des Deutschen Freidenfer- Verbandes auf Anerkennung der Weltanschauungsfeiertage im Lande Braunschweig und auf das Recht der Freidenker- Eltern, an solchen Tagen ihre Kinder aus der Schule zurüdhalten zu können, ergingen fich die Nazis in müsten Beschimpfungen und Drohungen gegen die Sozialdemo fratie. Als darauf von sozialdemokratischer Seite das positive Christentum" der Nazis unter die Lupe genommen und die Mordheze nationalsozialistischer Geistlicher gebrandmarft wurde, fam es zu in stematischen Störungen und Propofa. tionen durch die Hafenfreuzler.
Der sozialdemokratische Abgeordnete Thielemann hielt der ... chriftlichen" Gesinnung der Nazis einen Spiegel vor. Als er auf
Landtag am Dienstag.
Zunächst nur furze Geschäftsfigung.
Der neue Preußische Landtag ist vom preußischen Staatsminifterium auf Grund des Artikels 17 der preußischen Verfaffung zum 24. Mai, nachmittags 3 Uhr, einberufen worden.
Die erfte Sihung des neuen Preußenparlaments, die von dem nationalfozialistischen Alterspräsidenten , General Cihmann, eröffnet wird, dürfte nur von furzer Dauer sein. In ihr soll nach den bisherigen Dispositionen nur der eltestenrat bestellt werden. Der Landtag wird sich dann auf unbestimmte Zeit mit der Maßgabe vertagen, daß der Alterspräsident in Uebereinstimmung mit dem Weltestenrat den Termin der neuen Sitzung festsetzt.
Bon der Wahl des Landtagspräsidenten foll nach einem Wunsche des Zentrums wenigftens folange abgesehen werden, als über die fünftige Regierungsbildung in Preußen Klarheit noch nicht herrscht. Diese Klarheit dürfte bald nach dem Zusammentriff des Landtages durch Berhandlungen zwischen den Nafionalsozialisten und dem Zentrum gefchaffen
werden.
Die neue sozialdemokratische Frattion des Breus Bifchen Landtags ist zu Montag, den 23. Mai, einberufen morben
die Defertionen tommunistischer Atheisten ins Hitler Lager hinmies, ob diese früher linksradikalen und nun mehr rechtsradifal gewordenen. Elemente etwa zum Pfarrer gehen und ihn auffordern würden, sie nochmals zu taufen, da es das erstemal nichts geholfen habe, feßte eine theatralische Entrüstung der Nazifraktion ein, deren Mitglieder vorher noch den Sozial demokraten blutigen Terror angefündigt hatten.
Da der Abgeordnete Thielemann völlig unbegründet von dem mie üblich parteiisch handelnden nationalsozialistischen Präsidenten 3örner von der Sigung ausgeschlossen wurde, verließ die gesamte SPD - Fraktion ebenfalls den Saal, dieser soloß fich der größte Teil der Tribünenbesucher an, die vielfach ihre Empörung über die unerhörte Geschäftsführung des Präsidenten zum Ausdruck brachten. Obwohl der Landtag beschlußunfähig war, wurden nunmehr 18 Puntte der Tagesordnung durchgepeitscht.
Die Militärs fordern... Roch feine neue Regierung in Japan . Zofio, 18. Mai.
Der japanische Junenminiffer Suzuki hat den Chef des japanischen Generalstabes empfangen und hatte mit ihm eine längere Unterredung über die politische cage. Die japanischen Militärgruppen verlangen gemiffe Aufklärungen über die Politik der fommenden Regierung gegenüber China , Rußland und der Mandschurei . Die Besprechungen find bisher noch nicht beendet worden. Falls die Berhandlungen erfolgreich verlaufen, dürfte das Kabinett Suzuki aus folgenden Persönlichkeiten bestehen:
Ministerpräsident und Innenminifter: Suzufi, Kriegsminister: Araki( wie bisher),
Marineminifter: Kato,
Finanzminifter: Tatahafchi( mie bisher),
Außenminister: Nagy.
Die übrigen 2emfer sollen später besetzt werden.
bleiben, wie überhaupt die Arbeitslager nicht einseitig polififiert werden dürfen. Die Reichsbanner 3eitung" hat dieser Forderung unlängst flaren Ausdrud gegeben:„ Es ist zu vermeiden, daß der Parteien und Weltanschauungss fampf auch den freiwilligen Arbeitsdienst dergestalt ergreift, daß nur politisch und meltanschaulich säuberlich getrennte Lager zustande kommen. Es muß dafür gesorgt werden, daß der ständischen und weltanschaulichen Abmauerung entgegen gearbeitet wird, indem möglichst bunte und gemischte Lager erreicht werden." Die Bossische Zeitung", die in einer Sonderbeilage über Arbeitsdienst der Jugend" berichtet hat, ( Nr. 233, 234), meist auf Beispiele hin ,,, daß sozialdemokratische Arbeitslager ohne eigenes Butun Zulauf von Stahlhelmern hatte, einfach deshalb, weil hier die Möglichkeit war, aus der Misere des Nichtstuns herauszufommen". Die Arbeitslager fönnen, wenn in dieser Richtung meitergearbeitet wird, wesentlich dazu beitragen, die Mord- und Totschlagsgefinnung, die heute schon vielfach in die Jugend eingedrungen ist, zu überwinden.
In diesem Zusammenhang ist auch auf die beachtenss werten Ausführungen des Breslauer Soziologen Prof. Eugen Rosenstock hinzuweisen, mit denen er das Sammelwert ,, Das Arbeitslager. Berichte von Arbeitern, Bauern Studen ten"( Verlag Eugen Diederichs , Jena ) abschließt. Rosenstock, der erst unlängst durch ein universalhistorisches Werk über die europäischen Revolutionen weiteren Kreisen bekannt geworden ist, hat sich schon seit 1912 für den freiwilligen Arbeitsdienst eingesetzt. Obwohl wir den Optimismus Rosenstods in bezug auf die Bedeutung der Hochschulen für den freiwilligen Arbeitsdienst die deutschen Universitäten sind ja heute leider überwiegend rechtsradikal gerichtet- feineswegs teilen, so wendet er sich mit uns doch ganz entschieden gegen eine lohnpolitische Ausmuzung des freiwilligen Arbeitsdienstes. Eine Wirtschaft, so führt Rosenstod aus, die Millionen Arbeitslose zählt, fann feine Arbeiten vergeben ,,, die den Ars beitsmarkt noch weiter ruinieren. Der Arbeiter hat Anspruch darauf, seinen Lohn nicht konfisziert zu sehen, durch lohnfreie Arbeit". Ebenso scharf wendet sich Rosenstod gegen die An
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Premierminister Macdonald ist von seiner zweiten Augen hänger des alten Militärs, die heute schon dem freiwilligen operation genesen. Er geht zur Erholung aufs Land.
Der litauische Minifterpräsident und Finanzminister a. D. Petrulys ist vom Obersten Gericht in Kowno zu zwei Jahren schweren Sterfers und 90 000 2it Schadenersaz an den Fiskus verurteilt por: den. Gleichzeitig sind ihm sämtliche bürgerlichen Chren. den. Gleichzeitig find ihm fämtliche bürgerlichen Ehren rechte aberfannt morden,
Arbeitsdienst zujubeln. Diesen Leuten bedeutet er unmißverständlich: Der Arbeitsdienst in der modernen Gesellschaft hat die entgegengesette Funktion als die Militärpflicht im alten Staat." Dieser Saz wird dann durchaus marristisch begründet. Das Militär rationalisierte die Menschen. Es erzog port