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Nr. 233 49. Jahrgang

21. 1. Beilage des Vorwärts

Von der Spree zur Elbe  

Eine Fahrt in den Frühling

Langes Kursbuchstadium, langes Erwägen und Abwägen.| Blöglich ist dann eine Höhe erreicht, von der her Blid in ein tief Ertrameg zum Bahnhof zum Kartenfauf, unruhige Nacht vor der Bohrt, unausgeschlafen zum Bahnhof gehetzt, milder Kampf um einen Sigplay, furchterliche Temperatur im 2bteil, Halten des zuges an jeder kleinsten Station, das alles und noch mehr ist eine Pfingst fahrt mit der Bahn. Belch Glüd, menn einem am Telephon un­ermartet die Stimme des Freundes entgegentönt: Du, willst du zu Pfingsten im Auto mit? Ein Blas ist gerade noch frei- Nach Dresden   und in die Sächsische Schweiz  ! Sonnabend Punkt ein 11hr geht es los!" Natürlich jagt man zu.

Ein Zug muß um ein Uhr abfahren, beim Auto fann es auch halb zwei Uhr werden. Das schabet nichts. Das wird her nach wieder eingeholt. Der Mann am Steuer macht das spielend. Es dauert aber jedoch eine gewisse Zeit, che man sich von der Stadt gelöst und freie Fahrbahn hat. Da hat es eben die Bahn besser. Aber plöglich furrt man über die Grenze Berlins   und ist in den Riefelfeldern. Die bieten bei Groß Beeren eine uner­mariete lleberraschung. Tausende von Apfelbäumen fäumen die durch die Felder gehenden grünen Rasenmege, und auf der Heimfahrt, d. h. am Dienstag, standen alle diese Apfelbäume in üppigster Blüte. Eine Baumblüte, die fein Mensch in Berlin   fennt und vermutet und die, obwohl sie ganz zauberhaft wirft, feine hundert Menschen hinausloden wird. Es sollte aber trobem probiert werden, denn nicht immer riechen die Rieselfelder unangenehm.

Arme Autofahrer!

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Man soll eine Autofahrt nicht vor dem Ende loben. Auf der Sinfahrt ging es über 3offen, Baruth  , Goljen, Ludau, Finsterwalde  . Maren die Chausseen in der Provinz Brandenburg   auf dieser Strede größtenteils recht gut, so waren sie im Freistaat Sachsen   ausges zeichnet. Mit Bermunderung stellt man aber in Brandenburg   immer mieder fest, daß die Dörfer heute wie vor 50 Jahren offenbar nicht für würdig befunden wurden, ein anständiges Pflaster zu haben. Ist die Chauffee gut, so ist die Fahrdede in den Dörfern sehr oft unter aller Kritif. Man fönnte meinen, das geschehe mit Absicht, um die Fahrer zu veranlassen, in den Dörfern langsamer zu fahren. Barum aber, so muß man fragen, gibt es so schauderhafte Fahr straßen nicht in den Dörfern des Freistaates Sachsen  ? Die Rück­

unten liegendes reich angebautes Lal geht. Und darüber hinaus neue Berge, höhere und mächtigere als die bisher erreichten. Und so schön die Marf in vielen Teilen, ist, die erregenden Gegensäge von Berg und Tal im Gebirge find unvergleichlich. Wir sind in Se b nis, schon ganz nahe der tschechischen Grenze. Durch die Herstellung fünstlicher Blumen hat das Städtchen Weltruf erlangt. Noch eine Stunde, da reißt auf einer Höhe der Horizont auseins ander. Vor dem überraschten Auge liegt das Elbtal  , Lilienstein  , Königstein  , die gewaltigen Felsflöte, ein riesiges Gebirgspanorama. Zehntausende von Berlinern fahren alljährlich nach Sachsen  , aber den Weg über Gebniz fennen sie nicht. Der Zauber eines Gebirgs landes befiegt die Ebene. Berlin   ist vergessen, liegt nun wirklich in der Ferne. Es ist einfach nicht mehr da.

Niemand möge behaupten, diese Sächsische Schweiz   311 fennen, er sei denn Woche um Woche durch sie gegangen und gefahren. Sie ist und bleibt für Mitteldeutschland   die großartigste Gebirgsszenerie, die auf einen natürlich empfindenden Mensch immer wieder ihre

fahrt ging über Elsterwerda  , Liebenwerda, Herzberg  , Jüterbog  . Luckenwalde   und Trebbin  . Was jedoch auf dieser Straße, die zu den Brovinzen Sachsen und Brandenburg   gehört, dem Automobi­Liften zugemutet mird, spottet oft jeder Beschreibung. Die fürchter lichen, selbst von der Reichswehr   längst preisgegebenen Sommer mege machen es vielfach unmöglich, daß sich auf der eigentlichen Fahrstraße zwei Wagen ausweichen fönnen. Selbst ein leber holen macht Schwierigkeiten, da in diesem Falle beide Bagen teif­meise auf den Sommerweg müssen. Unaufhörlidh medfelt die Art der Straßendede. Es gibt Streden, die aussehen, als seien fie aus dem Mittelalter auf unsere Seit gefommen. Während nun aber die zuletzt genannten Chousseen sich immerhin noch durch außerge wöhnlich schönen Baumbestand auszeichnen, der feineswegs die Fahrbahn beengt, machen die Chausseen, die für die Hinfahrt ges nannt wurden, einen oft niederdrückend trostlosen amerikanischen Eindruck. Die alten prachtvollen Baumbestände wurden rücksichtslos abgeholzt, die neuen find flein   und midrig. Trotzdem kein Blag für Radfahrer und Fußgänger. Man ist froh, wenn man von derartigen Chauffeen, die offenbar in höchst einseitiger Weise nur das Auto kennen und bevorzugen wollen, wieder herunter ist. Im Freistaat Sachsen   hat man ein ganz anderes Bild, Prachtvolle Kirsch, Apfel- und Birnbaumreihen säumen die Chausseen. Eine Chauffee mit üppig blühenden Birnbäumen, wie wir sie bei Dresden   fanden, dürfte in ganz Brandenburg   nicht zu finden sein.

Freitag, 20. Mai 1932

starten Reize ausübt. Mit ihren bizarren Felsgestalten eine Rätselmelt für den Laien. Kein Geringerer als Wilhelm Bölsche  erflärt in seinem prächtigen, unbedingt lesenswerten Büchlein Er wanderte deutsche   Geologie: Die Sächsische Schmeiz"( Berlag J. H. W. Diez Nachf.) dieses Berg- und Felsenland als eins der merf. würdigsten Gebirge der Welt" und lobt es weiter als ein Wunder­merf der Natur". Und in der Tat, fein deutsches Mittelgebirge  kann sich mit diesen wilden phantastischen und oft geradezu unheim lichen Felsbildungen messen. Der Gedante des Wanderers, ob man denn diese steilen Schroffen auch erflettern fönne, ist kaum gedacht und schon verwirklicht er sich. Plöglich sieht man um eine Felsenede biegend, über sich in 60 Meter Höhe einen Kletterer om Felsen hängen. Alljonntäglich ziehen aus Dresden   und anderen fächsischen Städten regelrechte Bergfraglerkolonnen aus, die hier ihre alpinistische Vorschule besuchen.

Nur zwei Tage des Bermeilens maren uns vergönnt. Und menn mir aus den Fenstern unseres hübschen Zimmers hoch über dem Städtchen Königstein   schauten, das ein arbeitsloser Genosse ver mietet, donn sahen mir tief im Tal die große Elbschleife, sahen am anderen Ilfer unter dem Lilienstein das Heim der Natur­freunde" mit luftigen Zelten davor ind dem Gemimmel fröh. licher Jugend. Hinter uns aber, nur 30 Minuten Gehzeit, lag Gohrisch   mit dem August Bebel  - heim, in dem unsere treusorgende Arbeiter mohlfahrt Proletarierkindern zu Ge­fundheit und Lebensfreude verhilft.

Die ,, aufgelöste" SA.

las Was Pfingstausflügler beobachteten!

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Bon parteigenöffifcher Seite wird uns über Erlebnisse| brauner Lederscheide.( Entermesser.) Die legten amei Gruppen in der Umgegend Berlins   geschrieben: führten fogenannte llebungsgewehre mit sich.

Am Himmelfahrtstage berührten wir auf unserer Wanderung auch den Wald zwischen Brieselang   und Fintent rug. Neben den ja beinahe sprichwörtlichen Raturschönheiten gab es aber noch etwas anderes weniger Erquicliches zu sehen: 15 berittene S.- Leute auf tabellojen Reitpferden!

der Führung ihrer Chefs, denen man die Reserveoffiziere schon von weitem anjah, munter unterwegs sein. Vorüberkommende, an scheinend Anfäffige, begrüßten die Reiter mit lautem Heil Hitler  !,

Die SA. aufgelöst? Diese 15 in noller Uniform durften unter

was von diesen stramm militärisch beantwortet wurde.

Bei Seddin mußten wir in der Ortschaft Wildenbruch die Feststellung machen, daß die SA. offenbar audy dort noch nicht aufgelöst war! Zwei Lofale waren im Ort, und beide hatten SA.

inquartierung! In beiden Lokalen hatte die 2. die Tanz föle für sich in Anspruch genommen. Hier lagen gut ausgerichtet die gepadten Tornister. Am Saaleingang stand eine Bache vont 3 Mann. Wir schauten in den Saal, die Wache ließ uns gewähren, begrüßte uns aber mit Heil Syitler! Diesen Gruß beantwortete unfererseits nur ein Lächeln, worauf die Saaltür geschlossen und ängstlich gehütet wurde.

Gegen 5 1hr ertönte ein furzes Signal. Nun hatten mir Ge­legenheit, ein militärisches Schauspiel zu erleben. Im Laufschritt traten die SA.- Leute an. Alles ausgesucht stramme Burschen, feiner unter 1,80 Meter. Der Romandierende ließ ausrichten und stillstehen. Ganz wie beim Militär, nahte sich jetzt eine zweite ,, Größe". Der Gewaltige, der hatte antreten laffen, machte eine stramme mili tärische Meldung, das Kommando übernahm der zulegt gekommene, denn schon war der Oberstkommandierende" in Sicht. Es wieder­holte sich dasselbe Spiel. Nachdem die Kommandogemalt abgegeben war, tam eine furze Ansprache und ein dreifaches Heil Hitler  !" auf den Gastgeber. In Gruppen links schwenkt marsch, dann fegte fich die ganze Gesellschaft im Gleichschritt in Bewegung, der Anführer mit Klempnerladen und Kartentasche vornmeg. Alle waren einheitlich gekleidet: Schaftstiefel, braune Hofen, Kletterweste, einheitliche blaue Mügen. An der linken Seite trugen alle ein feststehendes Meffer in

Dörfer und Städtchen im flachen Land. Die Kleinstädte der Mart und der Provinz Sachsen   machen durchweg einen erstaunlich sauberen und freundlichen Eindrud, wenn es auch Sehenswertes in ihnen faum gibt. Straßen und Pläge sind ,, im Interesse des modernen Autoverkehrs" fast immer ihres reiz vollen Baumschmuckes beraubt worden; sie sind tahl, nüchtern und langweilig. Der Wochenendler würde hier im Südosten der Mart ziemlich enttäuscht merden. Auffallend ist der Unterschied zwischen Industries und Landstadt. Die Bandstadt noch immer, auch am Tage, im tiefen Schlaf. Hafenkreuze über Hakenkreuze zeigen hier mie in fast allen Dörfern die Friedhöfe deutsche Kultur und deutscher   Gefittung deutlich an. Aber in den Städten und Städt. chen des niederlaufiger Bergbau und Industrie­gebiets ist es lebendig. Hier sieht man, was in der Kleinstadt felten zu sehen ist: Läden einer Konsumgenossenschaft. In Finster­malde z. B., das in Berlin   lediglich durch den alten Schlagertert non den Sängern befannt geworden ist, pulst reger Verkehr durch die ganz großstädtisch angelegten Straßen. Bor jedem größeren und mittleren Geschäft sieht man, mie in vielen niederlaufizer Städten, eiserne Ständer zum Befestigen der Fahrräder, denn das Fahrrad spielt als Berkehrsmittel hier eine große Rolle. Die Schau­tenster sind vollkommen modern hergerichtet und ausgestattet. Und menn hier nationalsozialistisch und deutschnational auch Trumpf iſt, von der immer wieder betonten deutschen bzw. völkischen Eigenart ist nichts zu spüren. Im Gegenteil, jung und alt bemüht fich, die legte internationale Mode zur Schau zu tragen.

Bis nach Luckenwalde  , Jüterbog   und Baruth   streckt Berlin   schon feine Fühler aus und in 20 Jahren wird man von Berlin   bis zu diesen Städtchen nur zwischen den die Siedlungen abgrenzenden Zäunen fahren. hat man den Grenzmall des Fläming hinter sich, so rollt der Wagen durch die Provinz Sachsen  . Acker. flachland, so meit der Blick reicht. Unabsehbare Flächen, denen jeder Baum und jeder Strauch fehlt. Das Auge irrt ruhelns. Die rationelle Londbemirtschaftung hat zur vollfommenen Kultursteppe geführt. Die Dörfer ohne Eigenart und Besonderheit. Mohn. häuser, Ställe und Scheunen sauber und neu. Aermlich sieht hier nichts aus. Man hot jedenfalls Geld gehabt, unt alles gut instand zu segen. Die hohlwangigen Glendsgestalten der Großstädte fieht man nirgends. Und dennoch wird auf den Staat geschimpft und geflucht, und man gewinnt den Eindrud, als ob man es nicht mit febhafter staatsbejahender bäuerlicher Bevölkerung, sondern mit heimat- und eristenzlojen Anarchisten zu tun hat, die je cher je lieber 11msturz spielen und alles ruinieren möchten.

Und dann erscheinen plöglich am Horizont die ersten Berge. Die richtigen" Berge, die anders find als die märkischen, die Berge, die Vorposten find für das Gebirge. Immer näher fommen fie und der tiefe Summiton des Motors zeigt an, wie start die Straße steigt.

Halpaus

Wir fragen: Ist die SA. aufgelöst oder nicht?

G. Werber festgenommen.

Meiter erfahren wir zu dem gleichen Thema:

Trotz des Verbotes scheint die SA. weiterzubestehen. Ueberall fann man die halbuniformierten SA.- Leute sehen.. Die Nichtachtung der Gesetze geht schon soweit, daß fie auf die Höfe der Häuser gehen und dort im Sprechchor unverfroren zum Eintritt in die verbotene SA. auffordern. Ein solches Trio erschien gestern nachmittag auch

auf dem Hof des Grundstücks Wormser Straße 9 in Char­ lottenburg  

und leierte sein Lied herunter. Ein Bewohner des Hauses rief die Polizei herbei, und ehe sie es sich versahen, waren die drei Hitlergardisten festgenommen. Sie wurden der Poli tischen Polizei übergeben. Das Schnell gericht wird sich nach den notwendigen Feststellungen der Politischen   Polizei weiter mit ihnen befassen.

In Steglig, von jeher das Dorado aller Hitlerfnechte, schickt man sogar zehnjährige Kinder auf die Betteltour. Mit einem fieinen blauen Heft bewaffnet ,, flappern" die Kleinen Haus für Haus ab, natürlich nur die Borderaufgänge, versteht sich, und bitten um Unter stützung für die Hitlerjugend. Ganz besonders rege war diese wider liche Bettelei furz vorm Pfingstfest. Es wäre gut, wenn man auch in Stegliz mehr nach dem Rechten sehen würde, denn es wohnen nicht nur Hakenkreuzler dort.

Hartnäckiger Selbstmordfandidat.

Neubrandenburg  , 19. Mai.

Ein junger Mann hatte sich aus Liebestum mer mit einem Revolver eine Fleischmunde beigebracht. In der Nähe der Zirzomer Mühle legte er fich später vor den Eilzug, um den Tod zu erwarten, aber der Zugführer brachte den Zug zum Stehen. Dann sprang der Lebensmüde in einen Fluß, ebenfalls ohne den gewünschten Todeserfolg. Als er später noch einmal die Schienen aufsuchte, wurde er auch hier wieder verscheucht.

Rarität

CIGAR

HA

PAUS

N

RARITAT

Zwei Dinge machen sie besonders vorteilhaft:

extra mild- starkes Format.

3/10

Jetzt mit hochinteressanten Völkerschau- Bildern!