Morgenausgabe
πr. 249
A 126
49. Jahrgang
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Sonntag
29 Mai 1932
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Wer regiert im Reich?
Heute Unterredung Brünings mit dem Reichspräsidenten . Bor entscheidenden Beschlüssen.
So lautet tatsächlich heute die entscheidende Frage: Wer ostpreußische Grundbefizer oder Ruhrindustrielle dabei in die Quere fommen!
Der Reichsfanzler wird heute gegen mittag die vorgesehene Unterredung mit dem Reichspräsidenten ist die Reichsregierung? haben. In dieser Unterredung soll Klarheit über den fünftigen Kurs der Reichsgewalt geschaffen werden.
Der Reichskanzler hat gestern abend vor der ausländischen Bresse es weit von sich gewiesen, daß die Reichsregierung sich mit Fragen alten politischen Stiles beschäftige:
,, Wenn man die Preffe Glauben schenken soll, so hat es den Anschein, als wenn mir uns neben den großen Schicksalsfragen der Welt, die in die Stichworte brüstung , Reparationen und Wirtschaftstrife" sich zusammenfassen lassen, in Deutsch land im wesentlichen mit ministeriellen Personalfragen, mit Fragen des Regierungssystems, Regierungstrisen und ähnlichen Dingen beschäftigen. Das mag in gewiffen Kreisen der Fall sein. Für die Reichsregierung selbst trifft es nicht zu. Wir wären glücklich ich sage das ganz offenmenn mir feine anderen Sorgen hätten als berartige Fragen alten politischen Stils, die in der jezigen Zeit schon etwas Museums geruch" an sich tragen. Nein, meine Damen und Herren, wir haben andere und vordringlichere Sorgen. Das fundamentale Problem, bas uns- fast mörtlich genommen Tag und Nacht beschäftigt, ist das Broblem der Arbeitslosen.
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Das ist eine treffliche Abweisung aller Krisenmacher- aber leider scheint es, daß die gewissen Kreise", die fich mit den Fragen alten politischen Stiles beschäftigen, viel stärker find, als es nach dieser Rede des Reichskanzlers erscheinen fönnte, und daß sie die Reichsregierung und den Reichstanzler zwingen, sich im wesentlichen mit diesen Fragen zu beschäftigen.
Denn wer ist bie Reichsregierung? Die Ant wort auf diese Frage sollen wir nach der entscheidenden Unterrebung des Reichskanzlers mit dem Reichspräsidenten er halten. Heute besitzt die Reichsregierung einen Innen minister auf täglichen Abruf, keinen Wehrminister, feinen Wirtschaftsminister, und ihr Best and wie ihr Kurs find in Frage gestellt durch Kräfte, die der Tendenz nach bekannt sind, die im übrigen aber auf dunklen Wegen wirken und sich jeder Verantwortung entziehen. Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Unterredung mit dem Reichspräsidenten der Feststellung dienen soll, ob Kanzler und Präsident weiter den bisherigen Kurs zusammen steuern fönnen, oder ob der Präsident an Kurswechsel denkt.
Die Unterredung des Kanzlers mit dem Präsidenten muß Diese Frage flarstellen! Der Ansturm der gewissen Kreise",| der auf außerparlamentarischen Wegen wirkenden Reaktion ist so stark, daß er die verfassungsmäßigen Berhältnisse getrübt hat. Es muß volle Klarheit geschafffen werden, wer in Deutschland regiert, Klarheit vor dem Inland mie vor dem Ausland, vor Lausanne und nach Lausanne auf längere Zeit.
Die Entscheidung, die heute mit der Unterredung zwischen Kanzler und Präsident eingeleitet wird, ist von größter Bedeutung. Sie geht darum, ob es den Kräften der Reaktion gelingt, auf dem Höhepunkt der Not den Kurs offen nach dem Willen der sozialen und politischen Reaktion zu be stimmen, und die klaren verfassungsmäßigen Regierungsverhältnisse im Reiche zu zerstören!
Es muß Klarheit darüber geschaffen werden, daß die Die sozialdemokratische Partei wird mit wachster AufFührung der Politik beim Reichskanzler merksamkeit die Entwicklung verfolgen und alsbald ihre Entliegt, und daß ihm nicht irgendwelche Reichswehrgenerale, schlüsse fassen!
Mahnung in letzter Stunde!
ADGB . und AfA- Bund zu den geplanten Notverordnungen.
Die Vorstände des ADG 2. und des 2f 21 Bundes haben in gemeinsamer Beratung nochmals zu der bevorstehenden Notverordnung Stellung ge
nommen.
In der Besprechung der Gewerkschaften am 18. Mai mit der Reichsregierung hatten sie bereits die Notwendigkeit be= tont, die Arbeitslosenversicherung ihrer Art und ihrem Umfange nach zu erhalten und besonders vor den Blänen gewarnt, eine Bedürftigkeitsprüfung einzuführen oder die Leistungen nach Höhe und Dauer her abzusetzen.
Sie hatten ferner die Zusammenlegung von Krisenunterstützung und Wohlfahrtsunterstützung empfohlen, gegen die drohenden neuen Verschlechterungen der Invalidenund Angestelltenversicherung Verwahrung eingelegt, wie sie sich überhaupt' g egen jeden Abbau der Sozialversicherung wehrten. Mit größter Eindringlichkeit hatten sie dagegen die
alsbaldige Einleitung einer umfassenden Arbeitsbeschaffung als das einzige Mittel gefordert, um der gegenwärtigen Not erfolgreich zu begegnen..
Sicherstellung der Mittel für seine sozialen Verpflichtungen muß
ein prozentual festzusehender Anteil ais Notopfer aller Steuerpflichtigen
aus Besitz und Einkommen erhoben werden. Bei jeder anderen Regelung würde einmal der Steuerertrag nicht die erforderliche Höhe erreichen, zum anderen eine nur allzu gerechtfertigte Verbitterung der Belasteten gegen die Bevorrech teten Platz greifen und damit die Spannungen innerhalb
unseres Volkes abermals verschärfen.
Die Gewerkschaften haben die gleichmäßige und gerechte Verteilung der Arbeit durch die
Einführung der 40- Stunden- Woche gefordert. Sie lehnen weiterhin jegliche neue Belastung der Arbeitslosen durch Kürzung ihrer Versorgung ab und vers langen eine umfassende Arbeitsbeschaffung, um die Erwerbslosen aus der Hoffnungslosigkeit ihres Daseins zu befreien.
Zum dritten Reich?
Es ist ein ebenso offenes Geheimnis, daß die Ernennung Groeners zum Innenminister völlig in Frage steht, so sehr, daß schon ganz offen die Namen der Männer genannt werden, die für seine Nachfolge in Aussicht genommen worden find, aus preußen, die zu den großagrarischen Kreisen zählen. Mit abgeschlossen habe. Immerhin bestünde innerhalb der Regies die Kölnische Volkszeitung" die wüste und abstoßende
wachſter Aufmerksamkeit wird die Frage der Beſegung des Innenministeriums beobachtet werden müssen, und der Kurs, den der neue Mann hält!
Es ist ferner bekannt, und die Zentrumspresse stellt es mit größter Erregung fest, daß Großagrarier und Großindustrielle Sturm laufen gegen Stegerwald, daß sie einen Kurswechsel gegen die Sozialpolitit herbeiführen, zu diesem Zmed Wirtschaftsministerium und Arbeitsministerium zusammengelegt haben wollen.
Schließlich wird versichert, daß die alte Harzburger Front sich wieder zusammengefunden habe, um abermals den Versuch zu unternehmen, Brüning zu stürzen, diesmal nicht auf offenen, fontrollierbaren parlamentarischen Wegen, sondern auf dunflen, unfontrollierbaren außerparlamenta rischen Wegen. Wir versagen es uns, die tollen Minister listen wiederzugeben, die ihre Wünsche bezeichnen und die tolportiert werden.
Fest steht, daß die gewissen reise stärker find als zuvor, und um so stärker, je untontrollierbarer ihr Ein fluß ist. Schroffer Rurswechsel in der Innenpolitik und in der Sozialpolitik ist ihr Ziel. Es ist kein Zweifel, daß der Kurswechsel bas Ende der Regierung Brüning sein würde!
Die Regierung fonnte damals nur ungenügende Zusiche rungen geben, da das Kabinett seine Beratungen noch nicht
rung Einigkeit über die Frage der Arbeitsbeschaffung. Daher solle die beabsichtigte Prämien anleihe alsbald aufgelegt werden.
Dieses Bersprechen ist bisher nicht erfüllt worden. Da über die Sanierung des Sozialetats und der Gemeinden vom Kabinett noch nicht entschieden worden ist, for dern die Vorstände des ADGB . und des AfA- Bundes die Regierung nochmals auf, den gewerkschaftlichen Warnungen Rechnung zu tragen und insbesondere die Ar= beits beschaffungsanleihe unverzüglich aufzulegen.
Inzwischen hat die Presse über die Absicht der Regierung berichtet, eine Beschäftigungssteuer einzuführen. Die Gewerkschaften halten es für eine selbstverständliche Bflicht aller derjenigen, denen genügendes Einkommen und Besiz vergönnt ist, einen angemessenen Beitrag für ihre ar beitslosen Bolksgenossen zu leisten. Aber sie warnen vor allen Plänen, eine unfoziale Trennung der Eintommen je nach ihrer Herkunft vorzunehmen, wie es bereits bei der Einführung der Krisensteuer geschah. Sie lehnen ins besondere den Gedanken ab, eine Beschäftigungssteuer allen Arbeitnehmern ohne Rücksicht auf eine untere' wirtschaftlich tragbare Grenze des Arbeitseinfommens aufzuerlegen. Zur Behebung der gegenwärtigen Finanznot des Reiches wie zur
Die Verantwortung der Reichsgewalt. ,, Die Geburtsanzeige des Dritten Reiches"
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so hat
Schlägerei im Preußischen Landtag genannt. Das Wort ift ein Signal und eine Warnung an alle, die sich mit den Nationalsozialisten einlassen wollen. Der Ausbruch der Roheit und des Schlägertums war die Quittung, die die Nationalsozialisten prompt dafür erteilt haben, daß der Nationalfozialist Kerrl mit Hilfe des Zentrums zum Präsidenten des Landtags gewählt worden ist. Auf solchem Wege rutscht man ab- bis ins Dritte Reich!
Diese Landtagsschlägerei ist ein Glied in der Kette der Roheitserzeise nationalsozialistischer Abgeordneter in der letzten Beit. Es begann mit dem Ueberfall des Reichstagsabgeord neten Leŋ auf Otto Wels , dann schloß sich würdig der feige und rohe Ueberfall der Heines und Genossen auf den Journalisten Klo 3 im Reichstag an die Massenprügelei im Landtag ist die Krönung der parlamentarischen Betätigung der Nationalsozialisten. Die Kommunisten reden davon, daß sie mit allen Mitteln das Funktionieren des Barlaments unmöglich machen wollen die Nationalsozialisten handeln nach dem fommunistischen Rezept.
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In dieser Politik der rohen Gewalt liegt Methode, und die nationalsozialistische Propaganda unterstützt die offene Brutalität, indem sie laut schreit: die anderen pronozieren! Der Bölkische Beobachter" überschreibt seinen burch