Einzelbild herunterladen
 
  

Nr. 263 49. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Wahnsinnstat eines Muttermörders

Grausiges Paket in der französischen   Botschaft

Eine wahrhaft schauerliche Mordtat ist gestern mittag durch die Abgabe eines Paketes bei der französischen  Botschaft in Berlin   aufgedeckt worden. Dort erschien bei dem Pförtner ein junger Mann und übergab ein Paket. Er schrieb in der Loge einen Brief an den Botschafter und gab an, sich in den nächsten Tagen Bescheid zu holen. Als man das Paket öffnete, entdeckte man darin zwei abgeschnittene Frauenhände sowie zwei Geld börsen, in denen sich Inflationsgeld und eine norwegische Münze befanden. Aus dem Brief, den der Ueberbringer geschrieben hatte, ging hervor, um wen es sich handelte. Der Bote ist der 25 Jahre alte geistes­franke Landwirtschaftsschüler Ludwig Schöß aus Eutin   bei Lübeck  , der am 3. Juni seine Mutter ermordet und zerstückelt hat. Der irrjinnige Mörder ist dann nach Berlin   gekommen und hat hier seine schauerliche Fracht bei der Botschaft abgegeben. Auf diese Weise fand die vom Abend" bereits kurz mitgeteilte Ermordung der Witwe Schöß in Eutin   ihre schaurige Aufklärung. Der Kriminalkommissar Draeger   hat bisher folgendes er­

mittelt:

Es war gegen 11 Uhr, als ein junger Mann beim Pförtner der Botschaft vorsprach und verlangte, den Botschafter zu sprechen. Dieser befand sich im Auswärtigen Amt  . Der Pförtner ersuchte den jungen Mann, sein Anliegen schriftlich zu hinterlassen und führte ihn zu diesem Zwecke in die Loge. Hier setzte sich der junge Mann hin und schrieb einen Brief. Kaum war er weg, las der Portier der Bot­schaft die nachfolgenden Zeilen: ,, Uebersende hiermit die Hände der berüchtigten Verbrecherin Johanna Luise von Schöß, welche sich in Eutin   aufhielt. Ebenfalls dazu bringe zu den dort aufgefundenen Gegenständen. Mein Vermögen wird mir vorenthalten. Wünsche Paß und Papiere für Frankreich  . Hochachtungsvoll Baron Ludwig von Schöß." Das Ganze mar ein unheimliches Getrizel. Nachdem der Pförtner den Brief gelesen hatte, öffnete er das Paket und machte den graufigen Fund. Man benachrichtigte sofort das Polizei­präsidium und die Kriminalpolizei konnte sofort den Zusammen­hang mit der Bluttat in Eutin   kombinieren, denn von der Lübecker  Kriminaldirektion war ein Funkspruch an Alle" ergangen, in dem von der Ermordung einer Witwe Schöß in Eutin   und der Flucht ihres geisteskranken Sohnes Ludwig berichtet wurde.

Ludwig Sch. ist der Sohn einer Rentnerin, die in Eutin   ein eigenes Haus besaß und dort mit ihrem Sohne lebte. Ihr Sohn mußte sich schon 3 meimal in Nervenheilanstalten   be­geben. Am 5. Mai hatte Ludwig Sch. in Lüneburg   wegen Brand­stiftung vor Gericht gestanden: Er hatte ein Bauerngehöft in der Ortschaft Insel angezündet. Auf Grund des§ 51 wurde der Brand­stifter jedoch freigesprochen. Er begab sich wieder in das Haus seiner Mutter. Leute aus der dortigen Gegend wunderten sich mun in den

Der Handel um eine Mitgift. Bum Prozeß Caro- Petschef.

Der Prozeß Caro- Petsch et mutet wie eine Gerichts­groteste an. Der Familienstreit zwischen dem durch seine Erfindun­gen schwer reich gewordenen Gelehrten und Stickstoffindustriellen einerseits und dem Kohlenmagnaten und vielfachen Millionär an­dererseits wird durch gegenseitigen Haß vor das Strafgericht und in alle Deffentlichkeit gezerrt. Wer recht und mer unrecht hat in diesem Streit, wird sich in den nächsten Wochen entscheiden. Soviel steht aber schon nach dem ersten Verhandlungstag fest: Dieser Prozeß dürfte für beide Parteien recht peinlich werden. Gestern bekam man schon Erbauliches zu hören. So wurde Prof. Caro sozusagen

der wissenschaftlichen Hochstapelei verdächtigt.

-

Professor Caro malt seinen Schwiegersohn und dessen Vater Ignaz Petschef in schwärzesten Farben. Besonders häßlich soll der Geiz des letzteren sein; das Geld spiele in der Familie Petschef feine Rolle wenn es andere zahlten. War Ignaz Petschek   zu Besuch bei Professor Caro, so mußte er selbst die Trinkgelder für die Hausangestellten zahlen. Caros Sekretärin arbeitete wochenlang für Ignaz Petschef und erhielt dafür nur 50 Mark. Professor Caro will anscheinend den Geiz der Petscheks dafür verantwortlich machen, daß sie, anstatt die von ihm ausgezahlte Mitgift in Höhe von 400 000 Mark zurückzuzahlen, gegen ihn diesen Prozeß angestrengt haben.

Anfangstagen des Juni, daß sie die alte Frau nicht mehr sahen. In den frühen Morgenstunden des gestrigen Montag flopste man an die Tür des Hauses und erhielt keine Antwort. Die Anwohner von Eutin   verschafften sich jetzt gewaltsam Zutritt und kamen schließlich in die Küche der Witwe. Hier sahen sie auf dem Herd einen eisernen Kochtopf stehen, über den ein Deckel gestülpt war. Topf lagen ein gekochter Kopf und zwei Füße. Voller Entsetzen Als sie ihn hoch hoben, machten sie einen grausigen Fund. In dem durchsuchten die Leute jetzt das ganze Haus und fanden im Keller den Körper der alten Witwe, dem Kopf, Füße und Hände fehlten. Die Eutiner   Kriminalpolizei ermittelte, daß der Sohn der Witwe am Nachmittag des 3. Juni gegen 4 Uhr Zigaretten gekauft hatte. Man stellte fest, daß der alten Frau zwei Sparbüchsen fehlten. Ludwig Sch. war von da an verschwunden. Am Montag kam aus Berlin   die Nachricht von der Abgabe der abgeschnittenen Frauenhände, von denen eine zwei Trauringe trug. Die Vermutungen der Po­lizei trafen zu: Ludwig Schöß hat die abgeschnittenen Hände seiner

alten Mutter mit nach Berlin   gebracht.

Man fahndet jetzt nach dem irrsinnigen Mörder. Er wird be­schrieben als 1,72 meter groß, schlank und bartlos, hat dunkles Haar und ebensolche Augen. Wenn er mit jemandem spricht, blickt er starr und verstört geradeaus. Wenn er allein geht, blickt er stets zu Boden. Man nimmt an, daß der Irrsinnige tat­sächlich die Botschaft noch einmal aufsuchen wird, um sich dort den erwarteten Bescheid zu holen.

Auf den Spuren des Muttermörders.

Wie bisher festgestellt werden konnte, hatte sich der irrsinnige Muttermörder in den Nachmittagsstunden des Sonnabend zwischen 6 und 7 1hr in einem Hotel in der Zimmerstraße eingemietet. Am Sonntag ließ er sich ein Bad bereiten. Der Wirt verlangte dafür 1,50 Mt. Schöß konnte aber diesen Betrag nicht aufbringen. Er juchte seine letzten Kupferpfennige zusammen, um sich noch einige ist er dann aus dem Hotel fortgegangen und seit der Zeit nicht wieder Zigaretten zu kaufen. Am Sonntag gegen Mittag, etwa um 11 Uhr, aufgetaucht. Die Angestellten des Hotels berunden übereinstimmend, daß er ein grünes Patet bei sich hatte. Dies ist das Paket, in das er die Hände seiner ermordeten Mutter eingewickelt hatte und das er am Montagvormittag dem Pförtner der französischen   Bot­schaft übergab. Bereits am Sonnabendvormittag hatte er sich in dem Büro eines Rechtsanwaltes, der unweit des Hotels wohnt, gemeldet. Er wollte den Rechtsanwalt sprechen und kehrte zu diesem Zweck dreimal in das Büro zurück. Der Anwalt war aber auf einem Gericht. Die Büroangestellte fürchtete sich schließlich vor dem jungen Mann, weil er, wie sie sagte, einen so starren Blick hatte, und ließ ihn das vierte Mal nicht mehr ein. Auch hier hatte er einen Schuh­larton und das grüne Paket bei sich. Wo er den Sonntag über gewesen ist, weiß man noch nicht. Wohin er sich nach dem Besuch der französischen   Botschaft gewandt hat, konnte bisher noch nicht ermittelt werden. Wahrscheinlich irrt er, da er ohne einen Pfennig Geld ist, in den Straßen Berlins   umher.

-

Hat er aber die 400 000 Mark Mitgift auch wirklich gezahlt und hat Ignaz Petschek   ihm eine Quittung darüber gegeben? Professor Caro erzählt: Wenige Tage nach der Hochzeit brachte er 400 000 Mark Bargeld in sein Büro und übergab sie als., Notgroschen" für seine Tochter Ignaz Petschek  , da dieser wegen gewisser Devisen­maßnahmen der tschechoslowakischen Regierung das Geld nicht auf eine Bank überwiesen haben wollte. Ignaz Petschef stellte ihm aus eigener Initiative eine Quittung aus des Inhalts: Ich bestätige, 400 000 Mart Mitgift erhalten zu haben und werde die Summe auf 10 Millionen erhöhen". Es war mir nicht angenehm, sagt Professor Caro. Ich erblickte darin einen großen Snobismus. Ueber die weiteren Schicksale der Quit­

tung wird Professor Caro am Donnerstag gefragt werden.

Traktor auf dem Bürgersteig.

An der Ede Charlotten und Jägerstraße geriet am Montagnachmittag ein Traktor auf den Bürgersteig und riß eine Straßenlaterne um. Zwei Bassantinnen, die 27 Jahre alte Margot Bail aus der Richthofenstr. 27 und deren 23 Jahre alte Schwester Lucie, die in demselben Augenblid die Unfallstelle passierten, wurden von dem Laternenmast getroffen und erheblich verlegt. Die Verunglückten erhielten auf der nächsten Rettungsstelle erste Hilfe. Ein weiterer eigenartiger Unfall trug sich in der

-

Dienstag, 7. Juni 1932

Butligstraße zu. Dort geriet der Arbeiter Richard Taut aus der Lübecker Str. 2 in Moabit   mit seinem Fahrrad in die Straßen­bahnschienen. Das Vorderrad klemmte sich in der Schiene fest und T. wurde von einem nachfolgenden elektrischen Traktor, deffen Führer nicht mehr rechtzeitig zu bremsen vermochte, über­fahren. Mit schweren Verlegungen wurde T. ins Virchow- Kranken­haus übergeführt.

Wie Pfarrer Grüber prügelte.

Er fann sich darauf nicht mehr befinnen. Im Prozeß der Prügelanstalt Waldhof haben sich die Angeklagten in Rechtsanwalt Sad Verstärkung geholt. Der Schwager des Pfarrers Grüber, der Angeklagte Franke, hat es anscheinend mit der Angst zu tun bekommen. Auch dem Pfarrer Grüber ist nicht ganz geheuer zu Mute.

Am Freitag erklärte, er noch, die Antwort auf die Frage des Nebenklägers, Rechtsanwalt Dr. Löwenthal, ob er auch selbst 3ög­linge geschlagen habe, verweigern zu wollen. Der Staatsanwalt belehrte ihn aber, daß aus dieser Aussageverweigerung Schlüsse gegen ihn gezogen werden könnten. Also wählte er eine andere Taktik: Er entsinnt sich nicht mehr auf die einzelnen Fälle. Er wird gefragt, ob es richtig sei, daß er den Zögling W. geschlagen habe? Grüber verweigert darauf die Antwort. Ob es richtig sei, daß er den Zögling N., der einen Selbstmordversuch be­gangen hat, geohrfeigt habe? Pfarrer Grüber kann sich darauf nicht entsinnen.

Ob er den Zögling K. geprügelt habe? Ja, das mag schon stimmen.

Die anderen Jungens hätten ihn aber wegen seiner Flucht eine Saalplatte" verabreichen wollen. Deshalb habe er ihn bestraft. Ob er den Zögling S., der sich beim Turnen den Fuß verletzt hatte, o urch den Hof geschleift habe, weil der Junge nicht schnell genug gelaufen sei? Pfarrer Grüber besinnt sich nicht darauf. Ob er einen Jungen geschlagen habe, weil dieser eine Beschwerte ein­gereicht habe, der Junge habe sich hinterher die Pulsadern auf­geschnitten? Nein. Ebenso unbestimmt sind die Antworten in sieben weiteren Fällen.

Rechtsanwalt Dr. Löwenthal hält dem Pfarrer zwei vollendete und zwei versuchte Selbstmorde von 3öglingen vor und fragt ihn,' wieso er die Jungen in Arrest gesperrt habe, ob= gleich ihm das vom Landesjugendamt verboten worden sei; ob es stimme, daß er Jungens bestraft habe, weil sie nicht zur Andacht gehen wollten? Nein; er habe solche Jungen nur beschäftigt, u. a. auch mit Klosettreinigen.

Rechtsanwalt Dr. Löwenthal beantragt die Ladung von 25 3eugen, die teils von Pfarrer Grüber selbst geprügelt, teils Zeugen seiner Exekutionen gewesen sind. Das Gericht behält sich den Beschluß über diesen Antrag vor. Erschütternd ist die Aussage des Zöglings W.

Der Angeklagte Franke hat ihn wegen Widerspenstigkeit mit dem Schlüffelbund das Ohr durchbohrt.

Der Junge ist der Ansicht, daß in keiner Anstalt Mißhandlungen wie in Waldhof ütlich gewesen seien. Kein Junge habe sich da wohlgefühlt. Der Angeffagte Frante muß schließlich zugeben, daß die Schilderung des Jungen vom Schlüffelbund wohl der Wahrheit entsprechen könne, er entfinne sich dessen nicht. Die Verhandlung geht heute weiter.

Das verhaßte Heim der Jugend. So sehen die Freunde" der deutschen Jugend aus!

Ein besonderes Meisterstückchen leistete sich gestern natio­nalsozialistischer Mob im Osten Berlins  . Ein Trupp von über fünfzig Naziburschen war ausgezogen, um das Jugend­heim in der Frankfurter Allee   zu stürmen.

Als sich gestern abend kurz nach 19 Uhr einige Jungbanner­leute mit ihrem Kreisführer auf dem Wege zum Heimabend be= fanden, wurden sie bereits in der Petersburger Straße von Na­tionalsozialisten angepöpelt. Die Nazis liefen dann in ihr Ver­tehrslokal, dem berüchtigten Reglerheim", wo weitere Schläger­trupps alarmiert wurden. So verstärkt marschierten die Helden des Dritten Reiches dann zum Jugendheim, das sie regelrecht be= lagerten und zu stürmen versuchten. Die Jungbannerfameraden, die im Heim friedlich ihren Kameradschaftsabend abhalten wollten, schützten das Heim vor den zerstörungswütigen Hitler- Buschen, bis Beamten der Schutzpolizei   die Uebermacht der Nationalsozialisten vertrieb.

Die Jugend des Berliner   Ostens wird sich diese neue Heldentat der Nazis, die wichtiges Gut der Jugendarbeit in zügelloser Ge walttätigkeit vernichten wollten, sehr genau merken.

Richtig rechnen! GOLD

Nur das ist wirklich preiswert, was auch gut ist!

Wer so rechnet, raucht die neue ,, Gold Saba"

nach dem alten Original- Rezept!

Statt

Mit

Z4.Pf. jelzi

3/3

Pf

melbildern. Die Eroberung

der Luft

SABA

EXTRA STARKES AGYPTERFORMAT