Nr. 265 49. Jahrgang
Ende des Ziehm- Prozesses
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Von der Schuld der Mörderinnen überzeugt
Guben , 7. Juni. Unter atemloser Spannung verkündete 18.15 Uhr der Vorsitzende im Ziehm- Prozeß das Urteil. Die beiden Angeklagten, Frau Ziehm, und ihre Mutter, Frau Ladewig, wurden wegen gemeinschaftlichen Mordes zum Tode verurteilt. Frau Ziehm erhielt außerdem wegen versuchter Anstiftung zum Meineid und wegen versuchten Totschlags ein Jahr sechs Monate Zuchthaus . Die bürgerlichen Ehrenrechte wurden beiden Angeklagten auf Lebenszeit aberkannt.
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Rechtsanwalt Biernert hatte sich in seiner Verteidigungsrede auf den Standpunkt gestellt, es sei nicht erwiesen, ob das Kind das Gift nicht selbst genommen habe. In der Sache wegen Verleitung zum Meineid stellte der Verteidiger die Beurteilung dem Gericht anheim. Rechtsanwalt Dr. Ebersbach führte für Frau Ladewig aus: Der Indizienbeweis ist sehr lückenhaft. Er bildet ein morsches Gebäude, das in sich zusammenbrechen muß. Ich habe schon mehrfach nachgewiesen, daß die Vergiftung nur in der Zeit von 12.50 Uhr bis 1.05 Uhr erfolgt sein fann. Für die Wirkung des Giftes selbst blieben etwa drei bis vier Minuten, denn die andere Zeit hatte ja Frau Ladewig gebraucht, die Betten abzuziehen. Es sei aber, so führte der Verteidiger weiter aus, ganz aus
geschlossen, daß Chlorkali, dessen mittlere Wirkung sechs Stunden beträgt, innerhalb drei Minuten wirken kann.
In der Sizung hatten die beiden angeklagten Frauen das letzte Wort erhalten. Frau Ziehm sagte: Ich bin unschuldig, wenn Sie mich zum Tode verurteilen, dann verurteilen Sie eine Unschuldige. Vorsitzender: Ich appelliere an die Tochter in Ihnen. Ihre Mutter steht mit Ihnen unter schwerer Anklage. Wenn Sie sich schuldig fühlen, so wäre jetzt die letzte Minute, in der Sie vielleicht Ihre Mutter retten können. Frau Ziehm: Ich bin unschuldig.| Vorsitzender: In jedem Punkte der Anklage? Auch in dem Punkte, wo es sich um Verleitung zum Meineide handelt? Frau Ziehm: Da habe ich mich nur geirrt. Vorsitzender: Wollen Sie wirklich nicht mehr sagen? Frau Ziehm: Ich kann nur immer wieder sagen, ich bin unschuldig. Frau Ziehm unterhält sich daraufhin mit ihrem Verteidiger und erklärt dann: Ich gebe nach Rücksprache mit meinem Verteidiger zu, daß die Unterredung mit Frau Krüger in der Weise stattgefunden hat, wie sie Krügers schildern. Damit hat auch Frau Ziehm die Verleitung zum Meineid zugegeben.
Vorsigender: Frau Ladewig, haben Sie noch etwas zu erklären? Frau Ladewig: Ich habe nie etwas von Chlorkali gewußt, ich habe nie gewußt, daß Chlorkali im Hause war, ich bin unschuldig am Tode des Kindes Ich habe es geliebt, es sollte meine Altershoffnung sein. Während dieser Ausführungen meinte Frau Ziehm heftig, während Frau Ladewig so ruhig wie sonst im ganzen Verlauf der Verhandlung war.
Unter der Ueberschrift ,, Das Wohlfahrtswerk des Faschismus" gibt im ,, Angriff" der Berliner Nazi- Stadtrat Herbert Treff seine Eindrüde von einer Studienreise durch das faschistische Italien
wieder. Wohl als Vorbereitung für eigene Pläne hat er sich in Mussolinien insbesondere die Einrichtung der städtischen Fascio angesehen, also die Kontrollorgane der Faschistenpartei über die Gemeindevertreter. In Italien wird selbst der Podesta( Bürgermeister) und die ihm zur Seite stehende beratende Körperschaft nicht von den Einwohnern der Gemeinde gewählt, sondern alle Posten werden auf Vorschlag der faschistischen Parteizentrale besetzt. Herr Stadtrat Treff sollte sich einmal dazu äußern, ob das eine aus= gesprochene Bonzenwirtschaft oder eine ,, nationale Volks vertretung" ist.
Stattdessen schreibt aber der Sendling der Berliner Nazis, der ein Empfehlungsschreiben mitbekam, das ihm angeblich alle Türen öffnete, lang und breit über den liebenswürdigen Empfang bei seinen Parteifreunden und fällt fast vor Erstaunen um, daß man ihm einen deutschsprechenden Führer zur Verfügung stellt, der ihm sogar zu einer Audienz beim Oberbonzen von Mailand verhilft.
Interessant ist die Schilderung des so durch das Faschistenparadies Geführten über einen Palast der Fasciogruppe Sciesa im Zentrum von Mailand , zu deren Bereich nach den eigenen Worten des Verfassers nur reiche und feudale Mitglieder gehören. Da gibt es ein vierstöckiges Gebäude mit Sportraum zum Fechten und Boren, Brausebad, Erfrischungsraum und Spielzimmer mit Billards. Selbst den in Mailand ansässigen russischen Emigranten hat man ein Zimmer zur Verfügung gestellt.
Danach berichtet der Berliner Sendling der Nazis aber auch von einem Fascio in der südlichen Arbeitergegend Mailands . Und da ist plöglich nichts mehr zu hören von prunkvollen Häusern und Gelegenheiten zu sportlicher Betätigung. Vielmehr läßt man hier die Proleten eine Sammlung zur Bekämpfung der Tuberkuloje abhalten. Wo bleibt da die Staatshilfe und die städtische Wohlfahrt, Herr Treff? Der Faschismus hat die Idee der Nation als Ganzes auf seine Fahnen geschrieben, unser Berliner Stadtrat
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das Ziel, das sich die Nazis auch in Deutschland gestellt haben. helft alle mit, den Nachäffern Mussolinis am 31. Juli flarzumachen, daß das deutsche Volk nicht so dum m ist, wie sie glauben.
Führer
im
Entscheidungskampf
zwischen
Freiheit und Diktatur
Arbeiterrecht und Knechtung Sozialismus und Gewaltherrschaft
ist der
„ Vorwärts"
Jeder Parteigenosse, jeder Reichsbannerkamerad, jeder Gewerkschaftler, jeder Arbeitersportler wirbt jetzt für den ,, VORWÄRTS", die
Zeitung der Arbeit
Ans Werk!
muß aber bekennen, daß es in Itallen eine rein öffentliche Wohlfahrt Rüstet zum 31. Juli!
nicht gibt. Vielmehr besorgen das auch wieder die Partei= instanzen. Wer also in Not und Elend steckt, muß zum Fascio laufen und sich dort eine kleine Unterstützung erbetteln. Selbstverständlich wird er dabei im faschistischen Sinne traftiert, und wer der offiziellen Gewerkschaft nicht angehört, hat wie in allen arbeitsrechtlichen Fragen feinerlei Anrecht auf Unterſtügung.
Die Gemertschaften find aber 3mangsorganisationen des Staates, der Beitrag dafür wird einfach vom Lohn abgezogen. So sieht die Freiheit" der italienischen Arbeiterschaft aus. Alles: Arbeitsbeschaffung, Wohlfahrtsunterstützung, Ferienurlaub, tarifliche Bezahlung bekommt nur derjenige, der sich den faschistischen Organifationen angeschlossen hat. Braucht man da noch über die Zahl der Organisierten zu staunen?
,, Dopolavoro"( Nach Feierabend) heißt mit sehr schönen Worten ein faschistischer Bund, der verbilligte Reifen und Kinobesuche durchführt. lleberall gibt es also Privilegien für die offiziellen Parteiunternehmen. Die übrigen Broleten fönnen ruhig perreden. Das nennt sich dann eine würdige ,, nationale Vertretung" der Boltsintereffen.
Herr Treff hätte mal ohne amtlichen Führer in die Arbeiterviertel von Genua oder Neapel gehen sollen, er hätte ein anderes Bild vom wirklichen Jtalien erhalten: Wohnungsnot, Hunger und Erbifferung über das faschistische System.
Als Höscher und Niederhalter der wachsenden Gärung hält sich Mussolini seine vom Staat bezahlte Parteigarde, die schwarzbehemdeten Milizleute. Es mag sein, daß sie heute in der Deffentlichkeit nicht mehr so sehr hervortreten mie in den Anfangsstadien des Faschismus. Aber sie lauern im Hinterhalt. Als der fühne Bassanesi feine antifaschistischen Flugblätter im letzten Herbst über Rom warf, erzählten uns bei einem furz darauf folgenden Besuch Arbeiter in einer römischen Borstadt, daß in furzem in der Umgebung 3 ehntausende diefer Landsknechte versammelt waren, um ihren Duce" zu beschützen.
Dittatur gegen die Arbeiterschaft mit Hilfe einer bevorrechteten und gut bezahlten Landstnechtsgarde, das ist
Mittwoch, 8. Juni 1932
Frau lebendig verbrannt.
Schweres Brandunglück in Rangsdorf / 2 Kinder gerettet. In der Ortschaft Rangsdorf an der Zoffener Strecke ereignete sich gestern ein folgenschweres Brandunglück, das ein Todesopfer forderte.
In einem Geräteschuppen hatte sich die 46 Jahre alte Frau Hanke aus der Stromstraße 20 in Moabit mit ihren beiden 10 und 6 Jahre alten Mädchen eine Notwohnung eingerichtet. Auf dem Nachbargrundstück wohnt die Schwester der Frau. Heute früh gegen 24 Uhr ertönten aus dem Schuppen plötzlich laute Hilferufe. Ein Fenster wurde geöffnet und die beiden Kinder sprangen ins Freie. Aus dem Schuppen drangen dichte Rauch schwaden. Durch die Schreie wurde die Tante der Kinder aus dem Schlafe geschreckt und als sie hinzueilte, fand sie Frau Hanke in ihrem Bett, das fast niedergebrannt war, mit schweren Brandverlegungen be= wußtlos auf. Die Unglückliche wurde ins Neuköllner Krankenhaus gebracht, wo bei der Einlieferung jedoch nur noch der Tod fest= gestellt werden konnte. Wie die polizeilichen Nachforschungen bisher ergeben haben,
erwachte die Zehnjährige gegen 3 Uhr und sah das Bett der Mutter in Flammen stehen. Das Kind rettete zunächst sein fechsjähriges Schwesterchen
und versuchte dann auch noch mit einem Eimer Wasser die Flammen zu ersticken. Als das aber nicht gelang, sprang die Kleine gleichfalls ins Freie und rief Hilfe herbei. Die Entstehungsursache des Brandes ist noch völlig ungeklärt. Wie wir von dem Amts= vorsteher in Rangsdorf erfahren, wohnte Frau Hante unange= meldet und ohne Genehmigung in dem Schuppen. Da Frau H. schon einmal wegen eines Nervenleidens in einem Sanatorium war, ist der Verdacht aufgetaucht, daß die Unglückliche auf diese furchtbare Weise Selbstmord begangen hat.
Drahtlos Feueralarm.
Versuche der Feuerwehr. - Der Funkwecker kommt.
In den letzten Jahren ist ständig an Verbesserungen bei den Alarmanlagen der Feuerwehr, soweit der Etat es erlaubte, gearbeitet worden. Neuerdings erprobt das Stadtamt für Feuerlöschwesen Berlin bei der Feuerwehr in Wann see die drahtlose Alarmierung, wozu ein sogenannter Funkwecker von einer Berliner Spezialfirma konstruiert worden ist. In der
Wannseer Feuerwache ist zunächst ein fleiner Sender( 5 Watt) probeweise in Betrieb genommen worden. An fünf Stellen im Brandbezirk find hierzu die Melder aufgestellt. Bei Feuersgefahr werden bei den einzelnen Meldern von der Wache aus drahtlos Alarme ausgelöst. Die amtlichen Stellen der Berliner Feuerwehr, die überhaupt die Anregung zur Konstruktion dieser neuesten Alarmanlage gegeben haben, sind an diesen Anlagen stark interessiert; leider wird sich für die nächste Zeit eine allgemeine Einführung nicht ermöglichen lassen, da die Kosten sehr hoch sind. Am Stölpchensee war dieser Tage eine zweite Anlage errichtet worden. Demonstrationen vor einem Kreis von Interessenten und Presseleuten erbrachten den Beweis der Brauchbarkeit der drahtlosen Alarmanlage.
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In der scharfen Rechtskurve hinter dem Dorfe Lindenholzhausen ereignete sich am Montagmittag ein schweres Autounglück, dem der 52jährige Opelrennfahrer Walter Andreae aus Frankfurt a. M. zum Opfer fiel. Der Besizer des verunglückten Sportwagens, Prinz Karl zu Löwenstein( Württemberg ) befand sich auf einer Zuverläffigteitsfahrt, die ihn rheinaufwärts über Limburg nach Frantfurt a. M. führen sollte. In Limburg hatte er das Steuer dem Fahrer Andreae überlassen, und als dieser die Kurve mit ungefähr 100- Kilometer- Geschwindigkeit nehmen wollte, raste der Wagen die Böschung hinauf und überschlug sich. Der Prinz und Andreae wurden aus dem Wagen geschleudert, wobei letzterer einen schweren Schädelbruch erlitt, dem er turz nach Einlieferung ins Limburger Krankenhaus erlag.
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Rarität.
Jetzt mit
Die Arbeitsgemeinschaft für Boltsgesundung, Berlin W. 30, Mopstr. 22, hält am Freitag, dem 10. Juni, um 16 Uhr, im Landeshaus, Matthäikirchstraße 20-21, ihre diesjährige Mitgliederversammlung ab.
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