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Europas schönstes Hallenbad. Zwei Lahre(Stadtbad Mitte. In diesen Tagen sind zwei Jahre vergangen, seil das neue S l a d k b a d Milte in der Garlensirahe im Norden Berlins in Betrieb genommen wurde. Die Erfahrungen dieser zwei Zahre haben bewiesen, dah die bereits bei der Projektierung der Anlage von vielen Seiten geäußerten Befürchtungen, daß ein derartig groß angelegter Betrieb große Zuschüsse erfordern und eine starke Le- ioftung für den Stadthaushalt werden würde, grundlos waren und die Anlage, so wie sie aus geführt worden ist. einem dringenden Bedürfnis der arbeitenden Bevölkerung entspricht. Dies erhellt am besten aus den Besucherzahlen des ver- gangenen Rechnungsjahres 193l. Es wurden insgesamt 87500» Bäder abgegeben, und zwar 60» 80» Schwimmbäder, darunter rund 86 000 im Rahmen des planmäßigen Schulschwimmunterrichts, rund 118 000 während der Uebungsabende der Schwimmoerein«, 101 000 Wannenbäder, 119 000 Brausebäder und 37 000 medizinische und Heilbäder. Es ist gelungen, durch Rationalisierungsmaßnahmen im Ver- brauch von Brennstoff, der auf den außerordentlich günstigen Satz von 2,2 Kilogramm pro Bad reduziert werden konnte, ferner im Verbrauch von Wasser und Strom den Zuschußbedarf auf ein Mini- mum herabzudrücken, so daß das Rechnungsjahr 1931 mit einem Zuschuß von nur rund Proz. der Einnahme abgeschlossen hat, also weitaus günstiger als bei allen übrigen städtischen Hallenbädern. Es kann damit gerechnet werden, daß dieser Zuschuß noch geringer werden wird und evtl. der Betrieb sich selbst erhält. Mit Befriedi- gung kann festgestellt werden, daß die Anlage allen Anforderungen, die an sie gestellt wurden, entsprochen hat. Großer Beliebtheit erfreut sich auch dos 800 Quadratmeter große Sonnenbad, das in Verbindung mit dem Schwimmbad das Freibad srsetzt. Stark besucht sind auch die G y m n a st i k k u r s e. die für Männer und Frauen an allen Tagen nachmittags im großen Gymnastiksaal des Stodtbades abgehalten werden. Alle Besucher des Stadtbades wie auch die zahlreichen Interessenten des In- und Auslandes, die das Bad besichtigten, waren stets des Lobes voll über die Zweckmäßig- keit und Schönheit der Anlage und seiner Einrichtungen, ganz besonders der großen und hellen Schwimmhalle, die ihresgleichen in Europa nicht findet. Anlagen, wie das Stadtbad Mitte, sind Schöpfungen eines neuen Berlins , entstanden für das Allgemeinwohl in einer Zeit, da der StaatW o h l f a h r t s a n ft a l t" nicht nur für Groß- grundbefitzer und Schlotbarone, sondern auch für Proletarier sein wollte. Um die Erhaltung auch dieser Errungenschaften geht es gleichfalls am 3 1. I u l i!

Selbstmord eines Direktors! In seiner Wohnung am Munsterdamm 32 in Steglitz wurde gestern der 46 Jahre alte Direktor Friedrich Müller erschossen aufgefunden. M. hatte sich aus einer Mehrladepistole einen Schuß in die Schläfe beigebracht. Finanzielle Sor- gen sollen das Motiv zu dem Verzweiflungsschritt sein. Während der Abwesenheit ihres Mannes verübt« die Z8jährige Aerztin Ilse Sigismund in der Küche ihrer Wohnung in der Wiegand- thaler Straße 14 Selbstmord durch Gas. Als die Tat entdeckt wurde, war es bereits zu spät: die Wiederbelebungsversuch« blieben ohne Erfolg. Der Grund zur Tat ist noch unbekannt. Schwerer Arbeitsunfall. In der Lindenstraße 26 ereignet« sich gestern«in schwerer Arbeitsunfall. An der Fassade werden zur Zeit Crnsuerungs- arbeiten vorgenommen. Einer der Handwerker, ein 37jähriger Vau- arüeiter Franz K u n tz e aus Südende, verlor plötzlich den Halt und stürzte vom Gerüst aus beträchtlicher Höhe hinab. Mit einem Schädelbruch und einer schweren Wirbelsäulenverletzung wurde der Verunglückte ins Krankenhaus gebracht. Die neueste Nummer derJ.R.Z.", der Illustrierten Republi- kanifchen Zeitung, bringt außerordentlich interessantes Bildermaterial über die jüngsten politischen Ereignisse. In einem Bei- tragDeutsch-französische Unterhaltungen" weist Theodor Haubach die Lügen zurück, die von der reaktionären Presse über die Tagung von Dijon verbreitet worden sind. Ueber die Sehju- lungsardeit des Reichsbanners berichtet ein reich illustrierter Artikel, der den Iungbanner-Kursus in Bernau zur Grund­lage hat.

Riesensumpf Devaheim Die Zuteilung von Spargeldern Kiesgrube Finowfurth

Im Devaheimprozeß beschäftigte man sich am Dienstag weiterhin mit der Zuteilung der Spargelder. Dieses Sapilel der Deooheim-Nlißwirtschasl ist besonders dunkel. Die Anklage erhebt den Vorwurf, daß die Zuteilung von Spargeldern nicht ordnungsgemäß erfolgt sei, sondern in zahl- reichen Fällen Zuteilungen an Personen vorgenommen wurden, die noch keinen Darlehensanspruch hatten, wobei man sich fingierter Verträge bedient haben soll. Der Zeuge M a r o tz k e gab zunächst eine Darstellung der recht komplizierren Zuteilungsarithmetik und schilderte, daß die Zuteilung auf Grund einer Schlüsselzahl erfolgte. die sich aus der Cinzahlungssumme und der Zeit berechnete, und die durch Zuschlagspunkte auf Grund des Lebensalters und der K i n d e r z a h l des Sparers erhöht wurde. Man behandelt« dann den ersten Fall dieser unrechtmäßigen Zuteilungen, wobei es sich darum handelt, daß der Angeklagte Generaldirektor Jeppel ge- meinsam mit dem Angeklagten Cremer jr. eine Zahlung von 268 000 Mark an das Bankhaus Hennings für den Erwerb des Geschäftshauses am Monbijouplatz geleistet hat. Da dies« Zahlung der Anklage nach aus Bauspargeldern erfolgte, wurd�. ein f i n- gierter Bausparvertrag abgeschlossen, in der Weise, daß ein alter Sparvertrag für einen Rittergutsbesitzer Zastrow auf das Bankhaus Hennings überschrieben wurde, ohne daß das Bankhaus davon Kenntnis hatte. Auf diesen Sparvertrag erfolgte eine Aus- Zahlung fiir den Kauf des Grundstücks Monbijouplatz, und es blieben noch 100 000 Mark als Guthaben übrig. Von diesem Konto ver- fiigten Jeppel und Cremer jr. zum eigenen Vorteil über je 4S 000 M. Da dieser Gesamtbetrag von 90 000 Mark ohne Sicherheiten nicht ausgezahlt werden durfte, hinterlegte Jeppel einen Hypothekenbrief von 170 000 Mark über eine Hypothek, die er auf eine ihm gehörig« Kiesgrube bei Finowfurth hatte eintragen lassen. Nach

Ansicht der Staatsanwaltschaft ist diese Hypothek in Wirlichkeit wert- los, da die Kiesgrube, die Jeppel für 26LOO M. in einer Zwangs- Versteigerung auf Veranlassung von Direktor de Laporte erwarb, höchstens 6000 M. wert gewesen sein solle. Der Zeuge Haupt- mann a. D. de Laporte, der frühere geschäftsführende Direktor der Devaheim, legte dem Gericht aber ein Gutachten eines beeidigten Sachverständigen vor, das den Ivcrt der Kiesgrube auf über 1 Million taxierte. Staatsanwolfichaftsrat Eichholz hielt ihm vor, daß der Konkursver- walter des Devaheim-Konzerns für die Grube nur 3000 M. erzielt habe, worüber Direktor de Laporte sein Erstaunen aus- drückte. Weiter behauptete Zeuge de Laporte, daß er von seinem Posten in der Devaheim, die auf seine Anregung gegründet worden sei, durch Intrigen der Angeklagte Jeppel und Pastor D. Cremcr verdrängt worden sei. Jeppel jun. habe sich ihm, dem Zeugen, gegenüber in Form und Haltung haar- sträubend benommen und vor einer Aufsichtsratssitzung fei er von Pastor Fllllkrug vor Pastor Eremer und der Kamarilla beim Ientralausfchuß für Innere Mission gewarnt worden. In diesem Zusammenhang bezeichnete der Zeuge, der im Aufsichtsrat des Konzerns blieb, die Mitglieder des Zentralaus- schusses als eine Schutztruppe für Pastor D. Cremer. Pastor Cremer habe ihn auch als Aufsichtsratsmitglied absetzen wollen mit der Be- gründung, daß er, der Zeuge, einige Prioattelephongesvräche ge- führt und auf einem Geschäftsbogen der Devaheim einen Prioatbrief geschrieben habe. Jeppel habe alles benutzt, um ihn, den Zeugen, zu diskreditieren.

Schüler vom Schupo gerettet. Zwölfjähriger beim Spielen ins Wasser gestürzt. Durch die Geistesgegenwart des Oberwachtmeisters Burg» Hardt vom 42. Polizeirevier wurde gestern der zwölf Jahre alte Schüler Erwin Grahlmann aus der Luxemburger Straße 3 vor dem Ertrinkungstode bewahrt. Der Junge fiel beim Spielen auf einem Kran am Nordhafen auf einen Steinoorsprung der Uferböschung. Hierbei brach sich der Schüler den rechten Arm und stürzte ins Wasser. Oberwachtmeister B., der unweit der Unfallstelle gerade patrouillierte, eilte sofort hinzu und rettete das Kind. Der Verunglückte wurde zur nächsten Rettungsstelle und später in die Wohnung der Eltern gebracht. » Dieser Tage ist wieder eine Reihe von Berliner Schupo- beamten vom Polizeipräsidenten G r z e s i n s k i wegen mutigen und umsichtigen Verhaltens im Dienst besonders belobigt worden. Wachtmeister S t o ß n o von der 1. Inspektion Neukölln gelang es, in der Nacht zum 20. Januar, als er sich außer Dienst in Zivil auf dem Heimweg befand, einen vorbestraften Mann, der Passanten mit einer geladenen Schußwaffe bedrohte, festzunehmen und unschädlich zu machen. Die Oberwachtmeister G n i e ch und Fleischmann vom 121. Revier ertappten in der Nacht zum 24. April zwei Einbrecher auf frischer Tat und nahm ihnen das Einbruchswerkzeug sowie«ine geladene Pistole und einen Dolch ab. In der gleichen Nacht kam es in der Gegend des Kreuzbergs zu politischen Schlägereien, denen durch das tatkräftige Eingreifen des Wachtmeisters Wilhelm, des Oberwachtmeisters Rosen- b e r g vom 202. Revier und mehrerer Beamter einer Kraftwagen- streife des Stützpunktes des 202. Reviers, Oberwachtmeister H i l l i g e s, Wachtmeister G r u n o w und Wachtmeister Schulze von der 4. Inspektion Kreuzberg , schnell ein Ende bereitet werden konnte. Die wenigen Schupos griffen in neun Fällen ein und brachten die Gegner radikaler Parteien auseinander. Sieben ge- lalkene Schußwaffen, Hieb- und Stichwaffen sowie staatsfeindliches Zersetzungsmaterial wurden beschlagnahmt. Schließlich fand noch

das umsichtige Verhalten des Oberwachtmeisters Joachim P r e u ß von der 2. Inspektion Tiergarten besondere Anerkennung, der in Zivil einen Trupp von 20 Anhängern einer radikalen Partei, die Ausschreitungen gegen Passanten verübten, zerstreute und zwei Rädelsführer kurzerhand festnahm.

Muttermörder nach Lübeck zurück! Der geisteskranke Muttsrmörder Ludwig Schoß, der am Dienstagvormittag dank der Geistesgegenwart der Tochter des Iustizrats Guttmann bei einem Besuch in dessen Wohnung von Kommissar Draeger und seinen Beamten festgenommen werden konnte und der Polizei eine ausführliche Schilderung seines Ver- brechens gab, ist noch am Dienstagabend auf Anfordern der Staatsanwaltschaft Lübeck nach dort transportiert worden. Die Ueberführung erfolgte in dem fahrplanmäßigen O-Zug, der um 13,13 Uhr vom Lehrter Bahnhof ab nach Lübeck Kiel geht, und zwar in Begleitung von zwei Beamten der Berliner Kriminal- polizei in einem besonderen Abteil. Der Muttermörder, der sich voll- kommen ruhig von den Beamten hatte festnehmen lassen, bewahrte diese Ruhe auch während der ganzen Vernehmung und des Trans- ports zum Bahnhof. Von der Entscheidung der Lübecker Staats? anwaltschast hängt es ab, in welcher Anstalt Schöß interniert wird.

Autobus stürzt in Straßengraben. Prag . 7. Juni. In S e l tz bei Prag kam es am Dienstag früh zu einem folgen- schweren Autobusunglück. Ein Prager städtischer Autobus, der 29 Passagiere, meist Arbeiter, Beamte und Schulkinder mitführte, kam auf einer Serpentine ins Schleudern. In diesem Zlugenblick fuhr dem Autobus ein Pferdewagen entgegen. Bei dem Zusammenstoß stürzte der Autobus in den tiefen Straßengraben. Alle 29 Insassen wurden verletzt, drei davon schwer. Der Schafsner erlitt einen Schädelbruch. Der Chauffeur wurde verhaftet. Er erklärte, daß die Bremse versagte.

Oskar J* WUS. / iy/ V/ fc Jf/f; ß?) 28AAi 1 sL#* /&**** Nicht wahr, Majestät", schließt der Komtur von Blaw seine Darlegungen,das vom Heiligen Heists erleuchtete Kon- zilium wird doch diesen heidnischen, schweinischen Hunden ihren eigenen Kot wieder einzulöffeln geben, notweis mit Gewalt, damit sie das zu dauen haben, was ihnen ihrer hündi- schen Natur halber zukommt?" Der König nickt, als ob er voller Eifer dabei wäre. Aber es ist in Wirklichkeit ein gedankenloses Nicken, ge- nau so unverbindlich, wie das liebenswürdige gefrorene Lächeln, das um seine Lippen schwebt. Ihn drücken zur Stunde andere Sorgen als diese Kon- slikte des Ordens mit Wilden und Halbwilden. SeineHeid- nischen, schweinischen Hunde" sind Wechsler und Geldlecher, die ihm zusetzen und die ihn hetzen und pfetzen, als ob er nicht der römische König, sondern ein ganz gewöhnlicher Adliger wäre, jedem Gantgriff, jeder Gläubigerunverschämt- heit erreichbar. Es will mir scheinen", sagt er, sich sammelnd,als ob die Sache des Ordens hieb- und stichfest sei. und, wenn die Verträge und Bestätigungen, von denen die Rede war, beige- bracht werden können, in asten Punkten unumstößlich be- gründet. Aber Komtur", hier zögert Sigmund einen Augen- blick und nimmt seine ganze Unverschämtheit zusammen,der Orden wird erfahren genug sein, zu wissen, daß es nichts schaden kann, auch die gerechteste Sache zu stützen. Es brauchen ja nicht gerade Pfeiler aus purem Golde zu sein..." Der Komtur lächelt voll Verständnis, trotzdem er eigent- lich schreien müßte: denn, überrascht durch das unerwartete Vorpreschen Sigmunds, hat er eine Bewegung gemacht, als ob er aufspringen wollte, und nun beißt ihn der Wolf, den er sich in Biberach ritt, millionenzähnig, da nützt auch die Hampsel frisches Nußlaub nicht, das er eingesteckt hat, um die räsen Dünste des Körpers zu dämpfen. Die Dokumente des Ordens sind alle in Ordnung, Maj-'stät!" Dabei entfaltet er lächelnd, innerlich jedoch fein

schieres Fleisch verfluchend, ein Pergament und reicht es dem König hinüber. Es ist eine Anweisung auf achttausend Schildtaler, ge- zogen auf Johannes Amnierisi de Florentia, Wechsler zu Konstanz in Johann Widens Haus, zahlbar innert acht Tagen nach Erlaß eines Konzildekrets, das die Ansprüche von Ladis- laus Jagiello, König von Polen und Alexander Witold, Groß- fürst von Litauen , wider den Deutschritterorden abweist. Sigmund liest. Zweimal liest er, dreimal. Sein kupferner Bart kommt ins Wallen. Ich muß ein Kompliment machen, Komtur! Der Orden hat Schreiber, die ungemein klar und überzeugend stilen können. Danach ist mir der Ausgang des Prozesses nicht zweifelhaft!" Die Abmachung, die nun zwischen beiden folgt, braucht keines Zeugen Gegenwart, keine Niederschrift und auch kein Königs- und kein Ordenssiegel Sie wird auch ohne diese Sicherheiten bis in den letzten Punkt hinein gehalten werden: denn es ist eine Abmachung zwischen zwei Ehrenmännern. Höchlichst befriedigt verläßt der Komtur an der Spitze des stolzen Reiterzuges die Pfalz.Besser allweil zum Schmied, als zum Schmiedlein!" denkt er. Diese halbe Stunde bei Sigmund hat ihm mindestens das Doppelte an Kosten und das Hundertfache an Zeit gespart, als wenn er den Weg von unten auf durch den Schranzenwall gemacht hätte. Seine sonst harten, abweisenden Züge nehmen die Freundlichkeit und Verklärung eines Pfortenheiligen an. Jetzt hat er's denheidnischen, schweinischen Hunden" gegeben! Rache für Tannenberg! Rache für alle die verzweifelten Treffen, in denen der Orden von der wölfischen Uebermacht zerrissen und zermetzelt worden ist! Diese heidnischen, schwei­nischen Hunde müssen sich daran gewöhnen: Es gibt noch andere Schlachtfelder, wo der Orden seinen Mann steht, nicht nur an den masurischen Sümpfen und Seen! Es gibt Kämpfe, die das Hirn schlägt, nicht das Schwert, und vielleicht sind diese Kämpfe die wichtigeren. Der Komtur kehrt sich im Sattel und lächelt. Die zipanzig Ritter, die seine gute Laune sehen, lächeln mit. Sigmund, vom Fenster aus ihr Abresten betrachtend, lächelt genau so zufrieden wie die Weißmämler mit dem dräuenden schwarzen Kreuze. Plötzlich bricht sein Lächeln ab. Er greift in die Tasche, in der er das kostbare Dokument ver- wahrt hat. Achttausend Schildtaler sind viel Geld: das will gehütet sein! Respekt vor der Leistungsfähigkeit des Ordens!

Ohne Wimperzucken achttausend Schilter auf den Tisch des Hauses legen! Aber noch sind sie nicht sein. Es muß gear- beitet werden dafür. Von Natur aus ist er bequem. Doch, wenn es etwas zu erreichen gilt, das seinem eigenen Vorteil dient, etwas auszuführen, was seine Planungen stützt, ist er von einer nicht zu übertreffenden Rührigkeit. Das ist ein Reiz, der allen seinen politischen Handlungen zugrunde liegt, eine ungeheure Anspornung seines Willens, verbunden mit der seltsamen Freude, die Wirkung seiner Kniffe und Pfiffe anzuschauen, dieser füchsischen, lüchsischen List, in der er seinen eitgenossen ein paar Nasenlängen voraus ist. Die Sache des rdens zu führen, wird gar nicht schwierig sein. Er weiß schon jetzt, welchen Knochen er den Vätern hinhalten muß, um sie zum Zuschnappen zu bringen. Ein Wermutstropfen fällt ihm in den Becher: Die An- Weisung ist befristet. Er braucht das Geld aber sofort, späte- stens morgen in aller Frühe. Die Reichsinfignien sind aus der Konstanzer Pfandkammer zu lösen: denn ohne Szepter und Reichsapfel kann er der Versammlung nicht präsidieren. Doch die Verwertung der Anweisung ist heikel. Nur ein Jude kommt dafür in Betracht, ein Jude oder ein Ordensritter, alle andern sind für ein solches Geschäft zu patschig und dalbig. Vielleicht kann ihm die Stadt einen vertrauenswürdigen Hebräer besorgen, na, es gibt sich ja Gelegenheit, nachher beim Bankett, mit Herrn Johann von Schwarzach darüber zu reden. Wie kann er die Sache auf die unverfänglichste Weise beim Bürgermeister anbringen? Sigmund trit: aus dem Fenster zurück und fetzt sich wieder an den Tisch. Nach- dentlich stützt er den Kopf in die Hand. Hundert Eindrücke kommen, aber kein brauchbarer Gedanke. Unvermerkt döst Sigmund ein. Dieser fünfte Juli ist für ihn allzu anstrengend gewesen. Hundert Gräben waren zu nehmen, darunter der gefährliche Böhmengraben. Hundert Fußangeln waren zu vermeiden, hundert glänzend maskierte Fallgruben. Hundert Schlingen waren zu legen, hundert Angelhaken mst lebendem Köder zu werfen. Hundert Netze waren auszuhängen, hundert wirtsame Leimruten. Hundert scheue Vögel waren zu locken. Hundert und aber hundert Fäden geschmeidigsten diplomatischen Garnes waren zu drehen. Dann der persönliche Stunk, der allerhand Nerven frißt, der Krach mit Barbara. Sigmund spürt das ankriechende Alter. Siebenundoierzig Jahre sind eben keine fünfund- zwanzig mehr. Sein summendes, durcheinanderquirlendes Hirn hat eine kurze Ruhestunde wirklich verdient. (Fortsetzung folgt.)