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Schulaufbau" für dein Kind Stadtschulrat Nydahl spricht vor den Elternbeiräten
Vor den Berliner Ellernbeirälen sprach Sladlschulrat Nydahl anläßlich der bevorstehenden Ellern - beiralswahlen über den„Schuletal der Stadl Berlin ". Dem Abbau des„Wohlfahrtsstaates", so sührte Nydahl aus, wird bald der Kulturabbau folgen. Den kulturellen Stand des deutschen Volkes auf die Vorkriegszeit herabzudrücken, ist offenbar die Absicht der neuen Reichsregierung. Der Kampf um die Schule ist also nichts anderes als eine politische Machtfrage. Was hat die Stadt Berlin auf dem Gebiets des Schulwesens geschaffen? Kurz und bündig gesagt: sie ist über die Leistungen und Forderungen des Staates weit hinausgegangen
Zur EEternbefratswahl: Seht die Wählerlisten ein! BlI»»M|%Ec 44 Iii■ m■ lieeen die Wählerlisten an den Schulen ■ 4U| Ell9 U&m JfcäEli zur Einsicht aus. Alle Wahlberechtistcn müssen sich davon überzeugen ob sie in der Wähleriis'e eingetragen sind. An allen Schulen müssen von unseren Genossen die Wählerlisten abgeschrieben und für die Agitation nutzbar gemacht werden. Bis zum IÄ Juni mjjssen die Wahlvorschläge bei dem Wahlleiter,(nicht Schulleiter) eingereicht sein.
und wenn jetzt, den allgemeinen Etateinschränkungen folgend, auch die Schulverwaltung Einschränkungen vornehmen muß, so werden tatsächlich nur gewisse Sonderleistungen abgebaut, auf die allerdings, das muß in diesem Zusammenhang gesagt werden, Berlin stolz war und immer noch sein kann. Wenn man bedenkt, daß vor dem Kriege besonders die Volksschulen die Stiefkinder der Verwaltung waren, so ist erfreulicherweise nachgeholt worden, was versäumt wurde. Noch im Jahre 1930 war der Schuletat mit 151 Millionen Mark höher als der Etat von ganz Württemberg und Baden. Im Jahre 1931 konnten allerdings nur noch 135 Millionen Mark verwaltet werden und im neuen Etat für das laufende Jahr ist die Summe auf 109 Millionen zusammengestrichen. Der neue Etat ist also un- zweifelhaft stark gekürzt. Aber nicht etwa beabsichtigter Kulturabbau sei, so betonte der Stadtschulrat, der Anlaß für diese Kürzung, son- dern die Notwendigkeit, die ins Ungeheure gewachsenen Unterstüt- zungen für die notleidende Bevölkerung aufzubringen. Bei der Herabsetzung des Schuletats ist zu berücksichtigen, daß Berlin den Zeitverhältnissen entsprechend nicht mehr so viel Schulneubauten auf- führen wird als bisher, und es ist weiter zu bedenken, daß die Kür- zungen der Beamtengehälter auch ganz wesentliche Summen aus- machen. Das ist kein„Bankerott des Berliner Schulwesens", wie Kommunisten und Nationalsozialisten gern behaupten. Die Erspar- nisse im Schulwesen sind aber auch durch einen erheblichen Schülerrückgang möglich gewesen; die Geburtenaus- fälle in den Kriegsjahren haben sich ausgewirkt. So haben z. B. die Berufsschulen fast die Hälfte der Schüler verloren. Die höheren Schulen haben gegen das Vorjahr 6000 verloren. Schon aus dieser Tatsache ergab sich die Möglichkeit, freiwerdende Schul- räume zu Volksschulen einzurichten oder sehr stark de- zimierte Schulen zusammenzulegen. Wenn auf diese Weise Schul - räume frei, oder Schulgebäude geschlossen wurden, schrien die Kom- munisten über„rigorose Schließung von Schulen durch den sozial- demokratischen Magistrat". lieber den Erlaß und die Herabsetzung des Schul- g e l d e s brachte Stadtschulrat Nydahl interessante Zahlen. Von den Schülern der höheren Schulen haben etwa 40 Prozent Frei- stellen, während in den staatlichen Instituten nur 20 Prozent diesen Vorzug genießen. Unter diesen 40 Prozent befindet sich eine große Anzahl von Kindern, deren Eltern den minderbemittelten Kreisen angehören. 75 Prozent der Schüler in den Ausbauschulen und 52 Prozent der Besucher in den Mittelschulen sind ebenfalls von der Zahlung des Schulgeldes befreit. Das wollen allerdings die Gegner des systematischen Schulaüfbaues nicht wissen: in ihrer Agi- tation verschweigen sie es jedenfalls mit Absicht. „Es sind keine Gelder für Lernmittel vorhanden", so schreien
unsere Gegner! Noch sind alle Ansorderungen, sagte der Redner, befriedigt worden. Wenn die Haushaltsmitiel dafür gekürtz� wur- den, so hat das nicht zuletzt seinen Grund darin, daß viele Schulen sich mit der Zeit große Läger in Lernmitteln angelegt hatten, die sie aus Anweisung des Magistrate» jetzt ausbrauchen müssen. So erklärt sich der Rückgang dieses Elatstitels. Aehnlich oerhält es jich mit den für die Reinigung der Schulen ausgeworfenen Mittelsi. Wenn infolge des Schülerrückganges Schulen geschlossen werdest können, können auch die Reinigungskosten herabgesetzt werden. Stadtschulrat Nydahl schloß: Auch bei der starken Herab- s e tz u n g des Etats ist es möglich, einen geordneten Schulbetrieb und eine Schuloerwalturrg durchzuführen, die den kulturellen Erfordernissen der Neuzeit entsprechen. Allein durch die zielbewußte Arbeit der Sozialdemokratie im Roten hause ist es gelungen, das Schulwesen auf die höhe zu bringen, die wir vor uns haben, und die zu halten unsere ernste Absicht ist. Dazu kann die Bevölkerung Berlins beitragen, wenn sie bei den Elternbeiratswahlen der Liste„Schulaufbau" zum Siege verhilft. Der Vorsigende der Elternbeiräte, Genosse Schröder, gab am Schluß der Versammlung Richtlinien sür die Durchführung der Agitation und der Wahlen. Blutiger Zusammenstoß. Nazis gegen Kommunisten.— Fünf Verletzte. Am Bahnhof Zungfernheide und am Tegeler weg kam es gestern abend zwischen 20 und 2t Uhr mehrfach zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen hakenkreuzlern und kam- munisten. Den Anlaß zu den Zwischenfällen hatten die Nationalsozialisten gegeben, die ani Bahnhof Jungfernheide einen Kommunisten niedergestochen hatten. Einige Zeit später erschien ein größe. rer Trupp Kommunisten am Tegeler Weg, wo sich ein übel be- rüchtigtes Verkehrslokal der Hakenkreuzler befindet. Den National- sozialisten war das Herannahen des kommunistischen Trupps ofsen- bar gemeldet worden, denn aus der Straße hatten sich zahlreiche Nazis eingefunden, die mit den Kommunisten sofort in ein Hand- gemenge gerieten. Bei dieser Schlägerei wurden zwei Haken- k r e u z l« r und zwei Kommunisten durch Hiebe und Stiche verletzt. Zwei von ihnen mußten ebenso wie der niedergestochene Kommunist in das Westend-Krankenhaus gebrocht werden. Ein nationalsozialistischer Rädelsführer wurde festgenommen. Lehter Krampf. Dingeldey will eine neue Partei gründen. Am Dienstag hat im Demokratischen Klub der Le- gationsrat Freiherr von R i ch t h o f e n über die Notwendigkeit einer neuen Parteigrllndung gesprochen. Heber die Pläne dieser neuen Gruppe erfuhr man wesentliches aus dem Schlußwort des Hansabundpräsidenten Hermann Fischer. Die Gründung der neuen Partei wird besonders betrieben von Dingeldey, Fischer, Oberbürgermeister I a.r r e s und Herrn M o s i ch. Man ist energisch bestrebt, auch die Deutsche Staatspartei sür den neuen Laden zu gewinnen. Zu diesem Zweck wird seit längerer Zeit intensiv gegen den bisherigen Vizekanzler Dietrich gearbeitet. Aus der Ecke Hansabund— Dingeldey— Fischer ist ein planvolles Kesseltreiben gegen Dietrich inszeniert worden. Am Sonn- abend dieser Woche oder in den ersten Tagen der nächsten Woche soll der Gründungsakt vollzogen werden. Die Funktionäre und Mitglieder der Staatspartei versolgen diese Entwicklung mit großer Beunruhigung. Die Ortsgruppen der Staatspartei, die noch einiger- maßen Bedeutung haben, wie in Hamburg , Baden, Württemberg und Freistaat Sachsen , haben sich bereits schärfstens gegen die ge- plante Neugründung ausgesprochen.
Grunde— mißverstandene Mutterliebe— ein Gnadengesuch für Frau Lodewig einreichen. Die Begründung spricht dann weiter von den Zusagstrafen für den Mordanschlag an Frau Winkler und der Verleitung zum Meineid in der Giftmordaffäre Krüger. Diese Strafen sind in eine Gesamtstrafe von einem Jahr sechs Monaten Zuchthaus zusammengezogen worden. Frau Ziehm erklärte nach Verkündung des Urteils, Revision einlegen zu wollen: sie war vollkommen ruhig.
Lleberzogener Kredit. Aufstieg und Werdegang eines Großkaufmanns. Im Zeichen des Niederganges kaufmännischer Moral stand wieder eine Verhandlung vor dem Schnellschössengericht. Der Vertreter einer alten thüringischen Familie, der Großkaufmann Scheidcmandel, war wegen Betruges und Urkundenfälschung angeklagt. ' Bezeichnend ist der Lebensweg dieses Mannes. Als Beamter der Mitteldeutschen Creditbank trat er in Beziehungen zum Grafen Douglas, dem bekannten Inhaber von Kalibetrieben, wurde Direktor seiner zahlreichen Gesellschaften, lernte Ballin von der Hamburg- Amerika-Linie kennen und trat auf dessen Drängen bei A. C. Frei- ters u. Comp., einer der größten Exportfirmen Hamburgs ,«in. wurde im Jahre 1907 Mitarbeiter des oberschlesischen Kohlen- Magnaten Friedländer-Fuld und arbeitete von 1912 bis 1920 bei Scherl. Im Jahre 1921 begründete er«ine Exportfirma und be- lieferte auf Grund von Verträgen mit dem Verbände deutscher Papierfabriken Italien mit Papier, auch Mussolinis Blatt„Popolo dJtalia, dem er auch persönlich vorgestellt wurde. Als die hohen Zollsätze das Geschäft mit Italien unmöglich machten, wurde er Mittelsmann für die Papierbelieferung bei Ullstein, Mosie und Scherl. Cr hatte bei der Deutschen Bant«inen Kredit in Höhe von 200000 bis 250 000 Mark, als Sicherheiten galten Hypotheken auf seine zwei Grundstücke. Durch große Verluste war der Angeklagte in finanziell« Schwierigkeiten geraten. Der Kredit, den ihm die Deutsche Bank gewährte, genügte ihm nicht. Er fand einen Ausweg, der bei seinem Werdegang unbegreiflich scheinen würde, wenn man nicht den allgemeinen Rückgang der kaufmänni- schen Moral mit in Rechnung ziehen wollte. Die Geldüberweisungen für die Papierlieferungen, die durch Scheidemandels Vermittlung von den Papierfabriken an Ullstein gemacht wurden, gingen von dieser Firma direkt an die Deutsche' Bank. Der Angeklagte über- sandte der Bank von Zeit zu Zeit Aufstellungen über die zu er- wartenden Geldüberweisungen. Nach der Höhe der Geldüber- Weisungen richtete sich der ihm gewährte Kredit. Scheidemandel be- stellte Formulare bei der Firma Ullstein und setzte Rechnungen auf. die bereits bezahlt waren, als hätte die Zahlung dieser Rech- nungen noch zu erfolgen. Er schrieb einfach«in späteres Datum hin. Die Deutsche Bank gewährte ihm auf Grund dieser von ihm selbst unterschriebenen und unterstempelten Rechnungen«inen höheren Kredit als er ihn sonst erhalten hätte. So trieb er es das ganze Jahr 1930 hindurch bis 1931. Ein entlassener Angestellter und sein geschiedener Schwiegersohn zeigten ihn schließlich bei der Bank und bei der Staatsanwaltschaft an. Ein Versuch, sich mit der Deutschen Bank zu verständigen, mißlang. In Zürich wurde er verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert. Die Schuld an die Deutsche Bank war unterdes auf 400000 M. angewachsen. Der Staatsanwalt beantragte wegen Urkundenfälschung und Betrugs 1K Jahre Gefängnis. Das Gericht verurteilte den An- geklagten zu 6 Monaten Gefängnis unter Zubilligung einer Bewährungsfrist. Der Haftbefehl wurde aufgehoben. In der Urteils- begründung hieß es u. a.: wenn der Angeklagte auch nicht die Ab- ficht gehabt haben mag, die Deutsche Bank zu schädigen, so hätte er sich jedenfalls sagen müssen, daß solch ein Schaden unter Um- ständen entstehen könnte. Im Augenblick sei er doch nicht imstande, seine Schuld abzutragen. Der Vortrag des spanischen Presseattaches Rodrigo, der für heute im Deutschausländischen Akademikerklub (Harnack-Haus ) angesagt war, mußte wegen einer Dienstreise auf Donneretag, den 2 3. Juni, verschoben werden. Oberbürgermeister Dr. Sahm hat am Mittwoch seine Amts- gcschäfte, wenn auch zunächst im beschränkten Umfange, wieder auf- genommen.«
Oska-r J&t* Äv 1 Aber es kommt nicht zur Ruhe. Es rast dahin wie ein durchgehendes Pferd. Es oerarbeitet die Geschehnisse des Tags zu wilden, galoppierenden Bildern. Der König träumt. Qualvolles träumt er. Prag brennt, die vielen Türme flackern wie pschene Fackeln. Ein ungeheuerlicher Kelch ist umgestürzt, Blut schießt aus ihm, wie aus dem klaffenden Hals eines Enthaupteten. Die ganze Moldau dampft davon, die Nase mag den rauchigen Nebel gar nicht mehr atmen. Scharen von waffenschwingenden Böhmen rennen gegen ihn an. Jeder schreit: Hus! Husl Bon irgendwo»in Stoß, der in eine unendliche Tiefe stößt. Als er zu sich kommt von dem höllischen Sturz, ist er wieder in Haft in jenem furchtbaren Hungerturm. Durst sitzt ihm wie eine Igelscharte im Halse. Er krallt sich in die Fugen der Quadern, vor Verzweiflung leckt er die feuchten Steine ab, bis ihm die Zunge blutet. Er sieht wieder die Augen der alten Frau auf sich gerichtet, der er zwei Söhne gelötet. Diese guten, prüfenden Mutteraugen, vor denen er das Spiel seines Lebens spielt! Einsatz: seine Freiheit. Triumph, er gewinnt! Er sitzt an einem weiß- gedeckten Tisch: er ißt wieder Brot, er trinkt wieder Wein, er spürt wieder Sonne, er hört wieder Wind, er sieht wieder Tiere und Menschen! Er weiß nicht mehr, was Hunger und Durst und Verlassenheit ist. Er kennt nicht mehr den Quäler- griff der schlaflosen Nacht. Er frißt sich wieder durch die Welt, wie«ine Schabe durch die Wolle. Eine Königsschabe, haha! Wo er sich durchfrißt, bleiben Lächer. Hat er nicht Flügel? Doch, er hat Flügel, so viele er will! Wieder ist die Böhmen- lanze da. Diesmal trifft ihn der Stoß nicht, er fliegt ihm davon. Er kehrt zurück, setzt sich keck auf die Spitze der Lanze. Jetzt kann er sia) die Kühnheit erlauben: denn sie ist ihm un- gefährlich geworden. Sein Bruder Wenzel grinst ihn an, dumm, idiotisch, hjnterhältig, so echt brüderlich! Nein, daß er diesem Stück Vieh die römische Krone genommen hat, dar- über braucht er sich wirklich keine Vorwürfe.zu machen.
Höchstens darüber, daß er ihm— verdammt die zitternde Hand— doch nicht das weiße Pulver in den Wein gab! Böhmen könnte heute sein sein. Ha, die rauchenden Schmelz- öfen, aus denen in pfeifendem Strahl das flüssige Silber in die Barrenform fährt! Wieder ist die zustoßende Lanze da! Wieder brennt Prag . Wieder dampft die Moldau von Blut, das der ungeheuerliche umgestürzte Kelch über sie ausschüttet. Wieder treiben die Leichen wie Flößholz. Wieder �rennen die Scharen aufgerissenen Mundes an: Hus! Hus! Diesmal sind es nicht die Böhmen allein, die schreiend anrennen, diesmal rennen die Mähren mit, die Polen rennen, die Preußen rennen, die Litauer. Zahlreicher als Ameisenvölker rennen sie gegen ihn an, ein Wald voller Lanzen. Dieser verdammte Einauge vorn an der Spitze. Der schwarez Lederlappen, der ihm die halbe Stirne oerdeckt, flattert wie ein Wimpel. Schwarzes Wimpel, wer führt denn das? He, Kanzler, he, Kopist, das Wappenbuch! Schlagt nach, wer in der Ritter- fchaft das schwarze Wimpel führt! Eh, eh, jetzt bringt dieser Ungar statt des Wappenbuches eine Zustoßlanze! Nicht ein- mal bei den eigenen Leuten ist man sicher! Einen Schild! Einen Schild! Er kann doch nicht ewig rennen! Die Knie sind ihm jetzt schon knirschsandig. Die Lunge keucht! Einen Schild! Jetzt hat er's. Er hält die Anweisung des Ordens auf die achttausend Schildtaler dazwischen. Doch das Schwert des Einäugigen haut zu, schärfer, als feine verdammten Worte zugehauen haben! Hus! Hus! Immer nur Hus! Das trifft! Das zerschneidet! In zwei Fetzen zerslattert die Anweisung. Sie ist wertlos geworden. Aber sie hat wenigstens den Schlag abgefangen. Ohne Wucht, mit häßlichem Quietschlaut, prallt das böhmische Schwert an Sigmunds Brustpanzer ab. Mit dem gleichen häßlichen Ouietschlaut dreht sich die Tür in der Angel. Sigmund fährt schweißgebadet aus seinem Schrecktraum auf. Gewaltsam schüttelt er den letzten Rest Benommenheit aus den Augen. Wer kommt da? Es ist be- reits so dunkel im Zimmer, daß er nicht sehen kann, wer eingetreten ist. Er erkennt jedoch die dunkle Masse, die nach seinem Tisch strebt, am Schritt und an den lauten, schnaufen- den Bewegungen. Sigmund ist wiedsr hell wach und auf dem Sprung. „Wie war's, lieber Oheim?" Der Angeredete unterbricht seine Schritte. Er tostet nach einem Sessel, zieht- ihn polternd zu sich und setzt sich nicht minder polternd nieder. «Ihr habt ihn nicht weichgekriegt?!" «Den und weichkriegen!" lacht bissig der Pfalzgvaf.„Ein
erzböhmischer Schädel ist das! Der wird immer härter, je mehr man ihn befährt und behämmert!" „Was sagte er?" „Immer das gleiche Lied: Bevor man mir einen Wider- ruf zumutet, soll man mich erst eines Irrtums überwinden! Belehrt man mich aus der Schrift eines Bessern, so will ich nicht zögern, mich in die gnädige Hand des Konzilrums zu ducken. So aber... na, du kennst doch den Moschus, den er bei solchen Gelegenheiten ausdüftet!" „Ein Unverbesserlicher!" „Sage das nicht, aber ein Unbelehrbarer, und das ist schlimmer! Kämpfe bei einem Scholasten gegen den Willen an, das ist alles unnütz und eitel, und wenn du mit tausend Feldschlangen schössest. Der Wille des Menschen ist ein starres Viehhorn, zu brechen unter Umständen, aber nie zu belehren, nie zu bekehren!" „Er drängt sich geradezu nach dem Scheiterhaufen, nicht?!" „Soweit das unsereins beurteilen kann, ja. Aber ich muß sagen, er stellt sich bei dieser Drängelei verhältnismäßig ge- schickt an. Jedenfalls so, daß das volle Maß der Schuld auf feine Gegner fällt und auf uns, vor allem auf dein gesalbtes Genick, Neffe Sigmund!" „Wennschon, was heißt hier Schuld? Die Geschichte fragt nur nach dem Ergebnis. Die Hauptsache ist, daß in Böhmen Ruhe eintritt, daß diese ewige Selbstzerfleischung aufhört. Dafür laß ich mir gern ein Schock Anwürfe ins Genick fallen. Die Wunde muß sich endlich schließen, die diese heillosen Re- bellen aufgerissen haben. Kann der morgige Scheiterhaufen die Blutung stillen, gut, hundert Hüffe mögen dann brennen!" „Ich an deiner Stelle würde mich schon dieses einen wegen besinnen!" „Warum auf einmal so bedenklich, Oheim?" „Was geht dich letzten Endes dieses Pfaffengezänke an?! Sei zufrieden, wenn deine Gefälle richtig einkommen!" „Auch die wären dahin, wenn die Sekte dieses Predi- kanten aufkäme! Verstehe, die Kirche kann sich mit keinem in Diskussionen einlassen, der an ihren Grundlagen rüttest, der Rüttler sei, wer er sei. Sie ist gezwungen, ihm im ge- eigneten Augenblick brennendes Pech auf die Finger zu schütten. Will sie selber nicht erledigt werden, so muß sie ihn erledigen, auf welche Art ist gleich, auch aus die un- nobelste." „Dann meinst du, die Väter tun dem Böhmen unrecht?� (Fortsetzung folgt�,.