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Beilage Dienstag, 14. Juni 1932

Der Abend

Spalausgabe des Vorwards

Henny Schumacher:

Ehe und Zeitenwende

Es ist eine Tatsache, daß die menschlichen und mirtschaftlichen Beziehungen der Ehe heute so start im Fluß sind, daß wir nur mit Vorbehalt über diese Zusammenhänge sprechen können. Aber es ist ebenso richtig, daß alles, was uns hinsichtlich von Ehe und Wirtschaft heute als Chaos erscheint, durch die Darstellung von Beziehungen und Schwierigkeiten eine deutliche Klärung erfährt. Und diese Klärung ist immerhin fruchtbar.

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Die bürgerliche Ehe der Bergangenheit fußte im wesentlichen auf der Basis wirtschaftlicher Sicherheit. Wohl spieite auch das erotische Moment eine Rolle. Es war für den Beginn einer gegenseitigen Bindung oft entscheidend. Aber es wurde selten der Kernpunkt der endgültigen Eheschließung. Dieser lag vielmehr im Wirtschaftlichen, und damit auch im Begriff des Standes= gemäßen. Ich brauche nicht näher auszuführen, unter welchen Formen das bürgerliche Verlöbnis zustande fam. Vor kurzem er­lebte ich aber eine ergögliche Geschichte, die den Gegensatz des Früher" und Heute" sehr anschaulich illustriert: Ein junges Mäd­chen, ausgebildete Lehrerin, aber noch ohne Anstellung, trifft in den Alpen beim Stilaufen einen jungen Künstler; sie beide finden Gefallen aneinander. Sie verleben in guter Kameradschaft einige schöne Wochen, trennen sich und beginnen einen Briefmechsel. Zu fällig bekommt der Vater des jungen Mädchens ein preußischer Geheimrat! einen Brief in die Hand und ist empört, daß seine Tochter hinter seinem Rücken" eine Liebschaft" begonnen hat. Sofort setzt er sich hin und schreibt einen unhöflichen Brief an den jungen Mann, macht ihm heftige Vorwürfe und fordert ihn auf, ihm umgehend über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhäit nisse Auskunft zu geben und Referenzen beizulegen, andernfalls er sich nicht anmaßen sollte, seiner Tochter noch weiterhin zu schreiben. Der junge Mann ist wie vor den Kopf geschlagen. Da er selbst sich schon früh vom Elternhaus emanzipiert hat, ist ihm dieser geheim rätliche Standpunkt der Bergangenheit völlig fremd. Eine Ehe fam meder für ihn, noch für das junge Mädchen in Frage. Sie denken auch beide nicht daran, sich Vorschriften über ihr Verhältnis machen zu lassen. Das Endergebnis ist: die Tochter verläßt das Elternhaus und nimmt eine Stellung im Ausland an, um der häuslichen Beaufsichtigung zu entgehen. Die Eltern sind über das ,, ungeratene Kind" empört und jammern über die ,, verdorbene Jugend von heute".

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Ja, so war es früher! Der Chekandidat mußte in Frack, weißer Binde und Zylinder vor den Eltern erscheinen, in feierlicher Form um die Hand der Tochter bitten und zugleich seine wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse, wenn man sie vorher noch nicht fannte, klarlegen. Wenn dann die Einwilligung gegeben war, fonn ten sich die beiden jungen Menschen als verlobt" betrachten. Die Innehaltung dieser Formen hob sowohl Eltern wie Bemerber aus der Masse heraus und das war ja auch der eigentliche Sinn der Zeremonie. Wesentlich war dann noch die Aussteuer für die junge Frau. Sie mußte ,, standesgemäß" sein, sowohl was die Möbeleinrichtung anbetraf, wie auch Wäsche und Kleidung. Der Mann mistete die neue Wohnung, die in einem bestimmten Stadtviertel liegen und eine genügende Anzahl Zimmer umfassen mußte. Der Beruf, bzw. die Arbeit des Mannes, gab die Existenzgrundlage. Hatte die Tochter geheiratet, so war damit ihre Zukunft vor aller Not gesichert. Ent­meder mar der Gatte Beamter oder Offizier mit Pensionsberechtigung, gut fituierter Kaufmann mit genügend eigenem Vermögen, ein im freien Berufe tätiger Akademifer, der durch Persönlichkeit und Stellung vertrauenswürdig war. Niemand dachte früher daran, daß die Stabilität der wirtschaftlichen Lage eine Aenderung erfahren tönnte. War ein junger Mensch einigermaßen fleißig und recht schaffen, so war tatsächlich sein Leben gesichert. Es nerfloß ohne größere Aufregung in ruhigen Bahnen. Was das Bürgertum damals vom Proletariat schied, mar ja ganz wesentlich die Unsicherheit der proletarischen wirtschaftlichen Basis. Von dieser Tatsache aus sind besondere bürgerliche und proletarische Einstellun gen zu verstehen und zu werten. So gewisse spießbürgerliche und philisterhafte Anschaungen des Bürgertums, seine Selbstherrlichkeit, zumeilen der Mangel an persönlicher Initiative im Broletariat die unstete Lebenshaltung, mangelndes Selbstbewußtsein, das Nur auf den Augenblid- eingestellt- sein.

Die wirtschaftliche Sicherheit ist heute für jeden Stand und jede Berufsschicht dahin. Weder Geld noch Sachwerte fönnen heute

Säuglinge protestieren

Anweisungen für den Sommer/ Von Susi Bork

Säuglinge protestieren, und das mit Recht! Sie geben ihren| wie Flaschen und Sauger, müssen hygienisch einwandfrei gehalten Protest durch anhaltendes Weinen fund und liegen in ihren Bettchen oder Kinderwagen, indem sie staunend über die große Unvernunft der Erwachsenen nachdenken.

Bor furzer Zeit ist es nämlich von heute auf morgen Hoch sommer geworden mit Hochsommertemperaturen. Die Babys sehen, wie ihre Mütter, ganz leicht angezogen mit hellen luftigen Sommer fleidern, sich die Hize erträglicher machen. Und sie selbst? Sie liegen im Bett und im Kinderwagen unter Daunendecken, über die noch eine hübsche farbige Wagendecke gelegt wird, und ihre kleinen Körper sind eingebündelt, wie wenn draußen eine wahre Wintertälte herrschte. Ueber dem baumwollenen weißen Hemdchen und Säckchen sizt noch eine weiße, rosa oder hellblaue wollene Strickjacke, die irgendeine Großmutter oder sonstige gute Tante geschenkt hat.

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Sie schwizen ganz fürchterlich, die Härchen fleben ihnen am Kopf, der Hals ist ganz naß, und sie leiden, als sollien sie Folterqualen aushalten zur Strafe für ihnen unbekannte Schuld. Die Sonne prallt auf das Verdeck des Kinderwagens, und mit jedem Schweißtropfen, der die kleine, zarte Stirn herabläuft, zweifeln sie mehr an der Mutterliebe. Damit tun sie unrecht, denn die jungen, unerfahrenen Mütter, die ihre Kinder so quälen, glauben richtig zu handeln. Sie sind trotz aller Aufklärung, die ihnen von allen Seiten über Pflege von Säuglingen und Kleinkindern erteilt werden fann oder erteilt worden ist, unsicher geblieben. Sie fürchten, daß thre Lieblinge sich erfälten könnten und lassen darum ,, Borsicht" walten.

Nichts ist aber ihren Kindern unzuträglicher als lleber higung. Wer ein Kind im Sommer pflegt, sollte sich immer fragen, wie es ihm zumute wäre, wenn er unter den gleichen Bedingungen | ,, perpackt" spazieren gefahren würde oder im Bett schlafen sollte.

Ein Kird braucht Licht, Luft und Sonne für seinen ganzen Körper! Darum laßt die Kinder an der frischen Luft ftrampeln, ohne daß Windeln, Decken und Jäckchen sie beengen. mit einem Hemdchen bekleidet soll das Kird bei Hochsommer­temperaturen auf Roßhaar - oder Reformmatragen und Unterlagen ohne Federbetten liegen. Besonders sollten in jedem Fall Federnkopfkissen vermieden werden. Je mehr ein Kind schmit, desto leichter zieht es sich die gefürchteten Erkältungen zu. Denn jeder Luftzug beim Aufwickeln, Trockenlegen usw. mirft nach solcher Ueberhizung als scharfe Kälte. Selbstverständlich kann man ein in der hier beschriebenen Weise behandeltes Kind nicht von heute auf morgen gleidh völlig nadt liegen lassen. Man muß allmählich Tag um Tag etwas auslaffen.( Die dicken Federbeiten und Stepp decke ersetzt man selbstverständlich sofort durch eine leicht übergelegte wollene Decke, die ja überall in den Familien vorhanden ist. Um sie zu desinfizieren, plättet man sie mit heißem Eisen, wenn man befürchtet, sie durch eine Wäsche zu verderben.) Hat durch die lieber higung der Säugling Hippidelchen, die fich häufig durch die Reizung beim Abtrocknen usw. entzünden und eitrige Buiteln bilden, fo empfiehlt es sich, dem Badewasser einige Tage lang 4 bis 5 Rodeln übermanganjaures Kali zur Desinfektion hinzu zufügen. Die Farbe des Wassers darf aber nur einen leichten rosa Schimmer haben, nicht etwa eine tief dunkle lila Färbung an nehmen.

Gerade im Sommer bedarf das Kind der größten Sau berfeit, es muß zweimal am Tage gründlich gewaschen werden, es muß vor jeder Mahlzeit trockengelegt und gepudert werden. Alle Gefäße, die zur Bereitung seiner Mahlzeiten dienen, Töpfe sowohl

die Ursachen solcher Erscheinungen zu untersuchen, scharfe Selbst­fritik zu üben und neue Wege in ein Zukunftsland zu finden. Der Sinn des Lebens fiegt doch wohl nicht in der Feststellung, wie herrlich meit mir es gebracht haben", sondern in dem Willen, alles was an Unvollkommenheiten, an Ungerechtigkeit und Häßlichkeit in dieser Welt vorhanden ist, auszumerzen. dieser Welt vorhanden ist, auszumerzen.

Mathilde Wurm :

werden. Reste von früheren Mahlzeiten, die angesäuert sind, tönnen schwerste Brech durchfälle hervorrufen. Kinder, die durch Muttermilch ernährt werden, haben gerade im Sommer einen großen Borteil, da sie nicht Gefahr laufen, verdorbene Nah­rung gereicht zu bekommen. Aber auch den stillenden Müttern sei empfohlen, sich vor jedem Anlegen die Brustwarzen gründlich zu säubern. Dazu können sogar weiche Bürsten benutzt werden. Das Bürsten verhütet am besten das schmerzhafte Bundwerden durch das Saugen.

Wenn die Säuglinge vorschriftsmäßig gepflegt werden, wenn man sie vor dem Wundwerden hütet, menn sie frische Luft und zweckmäßige Nahrung bekommen( nach 3 Monaten nebenbei Frucht­fäfte und durchgerührte Mohrrüben und Spinat), gedeihen sie von ganz allein. Sie werden dann auch nicht andauernd schreien, son­dern liebenswerte und rücksichtsvolle fieine Mitbürger werden. Sie verlangen ja nur, daß sie pünktlich nach der Uhr ihre Mahlzeiten bekommen und daß man sie nicht in Betten und Decken in der Sommerhize braten lassen soll. Bor direktor Be­strahlung durch die Sonne sind sie auf jeden Fall streng zu schürzen, ganz besonders der Kopf. Ist Sonnenbrand schon für Erwachsene sehr peinlich und in schwereren Fällen lebensgefährlich, so führt er bei Säuglingen zum Tod.

Man ist sich immer noch nicht flar darüber, daß Ver­brennungen durch die Sonne gleichzusetzen sind den Ber­brennungen durch kochendes Wasser oder Feuer usw. Jede Verbrennung verhindert die für das Leben notwendige Haut­atmung. Sind große Teile der Hautoberfläche des Körpers ver­brannt, so führt der Mangel an Atmungsmöglichkeit( die Lungen­atmung allein genügt nicht zur Erhaltung des Lebens) zum Tode.

Häufig fieht man beim Spazierengehen auf Bänken in den Anlagen Erwachsene, die das im Wagen brüllende Kind beruhigen mollen, indem sie unaufhörlich den Wagen ,, chunkeln", wie der Berliner sagt. Fuß oder Hand schaufeln ihn auf und nieder, und allmählich hört dann auch das Schreien auf, da das arme Wesen im Wagen ganz mirr im Kopf wird, und allmählich eindöst. Ihm ist zumute, so denke ich mir, wie einem Erwachsenen, den mon zwingt, seine Zeit in einer dauernd schwebenden Luftschaukel zu verbringen. Das Kind wird gleich ihm Magenbeschwerden bekommen und erbrechen,

Kinder müssen gelegentlich weinen, das ist gefund und kräftigt die Lungen, es erseht ihnen gemissermaßen das Spa­zierengehen" der Großen; aber wie beim Epazierengehen muß die Dauer des Spazierganges" immer der Kraft des betreffenden Individuums gemäß sein. Schreit ein Kind stundenlang, grund los"(?), jo sollte das die Eltern zum Nachdenken anregen. Denn das ist beim normalen Kind stets ein Zeichen dafür, daß etwas nicht in Ordnung ist. Ohne Grund meint fein Kind unaufhörlich. ft nach Berücksichtigung aller hier erwähnten Faktoren durch die Eltern eine Ursache nicht festzustellen, so muß der Arzt aufgesucht werden. Ganz gleich, ob nun die Säuglingsfürsorge aufgesucht wird oder sonst ein behandelnder Arzt.

Biiden sich auf dem Kopf Schuppen, sogenannter Milch schors, so ist das ein Zeichen dafür, daß die Ernährung des Kindes. nicht richtig zusammengesetzt ist. Nur nach fachmännischer Beratung durch den Kinderarzt fann man durch entsprechende Umstellung der Ernährung diesen häßlichen Schorf und anderen Hautausschlag im Geficht usw. beseitigen.

einem Menschen eine feste Beruhigung für die Zukunft fein. Die Notverordnung, die noch fehlteitsstellen frei zu machen, wie es ja bei der Demobilmachung

In­

flation und Deflation entwerten beides. Was uns die vergangenen Jahrzehnte lehrten, das ist das eine: die Sicherheit in uns zu suchen und zu finden: in unserer Menschlichkeit und Geiftigkeit, in unserem Charakter.

Damit ergeben sich ungeheuer weitgreifende Perspektinen für die menschliche Gesellschaft. Es gilt sich wieder zu besinnen auf geistige Werte, von denen wir, als Bolk der Dichter und Denker" wohl stets recht viel geredet haben, die uns aber nicht entscheidend zum Handeln wurden. Erziehung und Schule dürfen uns nicht meiterhin Wege zum höheren Verdienst sein, wie es bisher als selbstverständlich angenommen wurde: je höher die Ausbildung, desto größer nachher das Einkommen! Das hat selbst dann nicht seine Berechtigung, wenn allen Volksgenossen der Weg zur höheren Bildung frei wäre. Bildung trägt ihre Berechtigung in fich. Tut sie das nicht, ist sie ein Irrlicht und feine wärmende Flamme, die brennt, meil sie brennen muß. Die Erziehung hat die eine zu sich und jeden Menschen! große Pflicht, den Menschen selbst zu führen, ihm den Weg zu ebnen zu seinen eigenen, oft tief verborgenen, im Unbewußten und Bewußten ruhenden Kräften. Nur aus diesen Tiefen kann der Mensch kommen, der allen äußeren Vorteilen zum Trotz mitbauen wird an einer Weltordnung der Gerechtigkeit und Güte.

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Das wird auch einschneidende Wirkungen für die Bindung der Ehe haben. Diese Wirkungen beginnen schon heute. Es ist auch kein Wunder, daß die Frage der Erziehungs- und Schulreform seit der Krise des alten Systems so brennend geworden sind und überall nene pädagogische Versuche gemacht merden. Wir sehen die Not wendigkeit der Besinnung und Neumerdung schon in unserer Ueber­gangszeit. Der Weltfrieg war nicht eine Katastrophe von un gefähr. Er bedeutete auch eine Katastrophe im Mensch lichen. So ist die Zunahme der Ehescheidungen und die noch niet größere Zunahme der Ehezerrüttungen, die nicht registriert werden können, auch feine Zufallserscheinung. Ber wache Augen hat, sieht rings um sich herum, was nor fid) geht. Da nuzen teine ,, wissen schaftlichen Untersuchungen" über den Bestand der Familie und die Festigkeit der heutigen Ehe. Sie bestätigen doch nur, daß Erschütte rungen da sind, und daß sie in ungeheurer Schmere auf den Men schen lasten. Viel ehrlicher und auch dem Leben zugemandter ist es,

Soeben erscheint der Geschäftsbericht der Allgemeinen Orts­tranfenfasse für den Stadtkreis Allenstein für das Jahr 1931. Benn sich auch das Interesse für derlei Berichte im allgemeinen auf die Fachkreise beschränkt, so verdient doch dieser einer breiteren Deffentlichkeit, insbesondere den ermerbstätigen Frauen, unterbreitet zu werden, meil hier auf Kosten der Frauen endlich das Mittel zur Abschaffung der Arbeitslosigkeit in Deutschland verkündet wird. Aus dem Often kommt das Licht, das Licht der Erkenntnis, baß nur die Frauen schuld find an der Arbeitslosigkeit.

Schon der Vorspruch des Berichts bringt das deutlich zum Ausdruck; er lautet: Uebermaß von Frauenarbeit ist Sünde" Er entstammt also dem Weltrund: ( Quadragesimo anno). schreiben über die gesellschaftliche Ordnung, ihre Wiederherstellung und ihre Vollendung nach dem Heilsplan der Frohbotschaft zum 40. Jahrestag", das ist die Enzyflifa Pius XI. , Neujahr 1931. Der Bericht dürfte also aus katholischer Feder stammen, was nicht weiter wunder nimmt, denn diese Allensteiner Kasse gehört dem Gesamt verband der Krankenkassen Deutschlands E. V., Sig Essen, an, einer dem Zentrum nahestehenden Spizenorganisation. Ihr Vor­figender ist der Reichstagsabgeordnete Beder- Arnsberg, der zum Papen Flügel des 3entrums gehört. Desgleichen ist auch der geschäftsführende Direktor Schulte Mitglied der Zentrumspartei . Ob ihr auch noch andere Vorstandsmitglieder an gehören, entzieht sich unserer Kenntnis.

In der allgemeinen Betrachtung über die Gesamtsituation wird die Lage der öffentlichen Finanzen auch in ihrer bedauerlichen Rück mirkung auf Löhne und Gehälter ausführlich erörtert, ebenso mie die der sich ständig vermindernden Steuereingänge infolge der Arbeitslosigkeit und der daraus resultierenden, immer schwerer trag baren Steigerung der Soziallasten. Wörtlich heißt es:

Wir

Aus dieser unumstößlichen Wahrheit muß nun eine dop­pelte Folgerung gezogen werden. Eine für die öffentliche Verwal tung, die andere für die Wirtschaft. Das Hauptübel ist die zu it arte Belastung der Verwaltungstofte n. haben nun einmal im Zeitalter der Maschine nicht genug Arbeit für alle Männer und Frauen. Wir müssen wählen: entweder dulden wir auch weiterhin 10 Millionen erwerbstätige Frauen in Deutsch­ land

und als Folge davon(!) 6 Millionen und mehr arbeitslose Männer. Dann müssen wir auch die unausdenkbaren Folgen auf uns nehmen und haben das Chaos in Staat und Wirtschaft sicher vor Augen. Oder wir besinnen uns auf die göttliche Welt­ordnung, wonach die Frau vom Mann zu ernähren ist, wie es seit Jahrtausenden gemesen ist. Die Frau darf dann nicht mehr oder nur von einem bestimmten 2lter ab( 25. oder 30. Jahr) in Handel, Berkehr, Industrie und Verwaltung gegen Lohn beschäftigt werden. Zunächst sind allen Männern, zuerst den verheirateten, 1918 auch geschehen mußte. 3 Milliarden und mehr werden dann unmittelbar an Unterſtügungslasten jährlich erspart. Größer aber noch wäre der individuelle Nuzen. Handel und Wandel würden wieder aufleben. Die Steuerkraft der Bürger und die Finanzen des Staates fich heben. Die Zunahme der Ehen und Ge­burten eine Vermehrung der Bevölkerung und einen neuen Aufschwung der Nation hervorrufen... Was ist also zu tun? Wegen ihrer billigen Arbeitskraft wird die Frau in vielen Berufen dem Mann vorgezogen. Ein Appell an die Arbeitgeber, die Dinge von sich aus zu ändern, ist vergebene Mühe. Hier fann nur der Zwang helfen. Noch eine- die letzte Notver­ordnung fehlt uns demnach, furz aber inhaltreich: Die Beschäfti­gung weiblicher Personen durch Arbeitgeber ist nur gegen Aus­nahmeschein der höheren Verwaltungsbehörde gestattet: Für Berufe des häuslichen Dienstes, der Kranken- und Kinderpflege bedarf es feiner Ausnahmescheine. Ein solches Gesetz würde Wunder wirken!"

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Dieser Bericht beweist, daß im Zentrum selbst lange schon vor dem Sturz der Regierung Brüning der Kampf gegen den Wohlfahrtsstaat", mie es in der Regierungserklärung der Bapen- Regierung heißt, geführt worden ist. Wenn auch das Zen­trum auf Grund seiner Weltanschauung eine möglichst hohe Ge­burtenzahl propagiert und immer noch in der Ehe Versorgung und alleinigen Beruf der Frau sieht, so hat es sich doch bisher gehütet, seine Forderungen in dieser frassen und plumpen Form auszu­sprechen. Von den mahren Ursachen der Krise, der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, dem Krieg, von der Not, die Millionen Frauen in die Erwerbsarbeit hineinzwingt, wird nicht gesprochen. Es braucht hier nicht nochmals miederholt zu merden, mas durch die Statistit längst erwiesen ist, daß der Anteil ermerbstätiger Frauen, der im Produktionsprozeß heute noch entbehrt werden könnte, minimal gering ist.

Diese eine Stimme, die unvorsichtigerweise in einem Zeitpunkt laut wird, da die Klassengegensäte schärfer denn je in Erscheinung treten, zeigt uns, daß es bei den bevorstehenden schweren Kämpfen nur eine einzige Front gibt, die gegen alles fämpft, was die Arbeiterklasse aus ihren schmer errungenen Bositionen auf dem Gebiet des Arbeiterschutzes zu verdrängen sucht, das ist die Sozialdemokratische Partei Deutschlands .