Morgenausgabe
Nr. 287
A 145
49. Jahrgang
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Dienstag
21. Juni 1932 Groß- Berlin 10 Pf.
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Kampfruf der Gewerkschaften!
,, Die schlimmsten Befürchtungen übertroffen."
Die gewerkschaftlichen Spitzenverbände| lage und ein Ende der immer fortschreitenden Ver-| aller Richtungen veröffentlichen zur neuen Not berordnung folgende Erklärung:
,, Die unterzeichneten gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen stellen einmütig fest, daß die in der Not verordnung enthaltenen Abbaumaßnahmen und Neubelastungen die schlimmsten Befürchtungen, die die gesamte deutsche Arbeitnehmerschaft auf Grund der programmatischen Erklärung der Reichsregierung hegen mußte, weit übertreffen. Damit hat sie den Kampf aufgenommen gegen die sozialen Einrichtungen des Staates, den sie als soziale Wohlfahrtsanstalt" be zeichnet hat. Dieser Angriff muß von den Gewerkschaften der Arbeiter, Angestellten und Beamten als eine Her ausforderung empfunden und mit Entschieden heit zurückgewiesen werden.
Die unter größten Opfern von den Arbeit. nehmern aufgebauten sozialen Versicherungseinrich tungen sind in ihren Grundlagen bedroht. Die Arbeitslosenversicherung ist praktisch beseitigt. Die Arbeitslosen werden rücksichtslos der ,, Armenpflege" überlassen. Die steuerlichen Neubelastungen sind vornehmlich den leistungsschwachen Schichten auferlegt.
Kein Arbeitsbeschaffungsplan, auch sonst fein aufbauender, in die Zukunft weisender Gedanke, der eine Besserung der furchtbaren Wirtschafts
Ein deutschnationaler Kronzeuge.
Der deutsch nationale Abgeordnete des Preußischen Land tags , Dr. Eduard Stadtler , der zu den Nazis gute Beziehungen unterhält, sagt ihnen in seiner Zeitschrift„ Das Groß deutsche Reich" offen ins Gesicht, daß die Regierung Schleicher Papen im Einvernehmen zwischen Herrn von Schleicher und Hitler zustandegetommen ist. Stadtler schreibt:
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,, Dem Reich gegenüber ist das Verhalten der nationalsozialistischen Führung fompliziert und seltsam. Es ist eine unwiderlegliche Tatsache, daß die Kabinettsbildung dort auf einem ,, Einverneh men" zwischen Herrn von Schleicher und Herrn Adolf Hitler beruht. Herr Hitler ,, toleriert" das Kabinett und erhält dafür als Gegenleistung die Auflösung des Reichstages und die Aufhebung des SA. - Verbotes. Gleichzeitig aber kämpft der Nationalsozialismus mit allen agitatorischen Mitteln gegen das „ kapitalistisch- reaktionäre Kabinett" und beschimpft dabei im Lande eine Regierung, die im Grunde genommen eine von Hitler tolerierte Staatsgewalt darstellt. Das ist, als ob die nationalsozialistische Führung sowohl in Preußen wie im Reich den neuen Zustand im Innersten begrüßte, weil er neue Agitationsmöglichkeiten bietet! Und schon jetzt spielt man mit dem Gedanken einer neuen Auflösung des Preußischen Landtages! Da kann man sich nicht wundern, daß allmählich der Gedanke aufkommt, Hitlers politische Kunst erschöpfe sich ausschließlich im agitato rischen Element. Die Gegner Hitlers vertreten sogar die These, es fäme ihm nur auf das„ Trommeln" an, und die überlaut proklamierte Bereitschaft, die Alleinverantwortung zu übernehmen, sei nichts als verdrängte Verantwortungsscheu."
Hier plaudert ein Mann aus der Schule, der weiß was bei den
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elendung des Volkes erhoffen läßt, ist zu erkennen. Die Gewerkschaften wissen, daß die Not der Zeit Opfer fordert. Aber sie verlangen im Geist wahrer Volksgemeinschaft eine sozial gerechte Vertei lung unvermeidbarer Lasten. Ein Staat, der sich in erster Linie zum Schutz des Besites bereit findet, verkennt seine vornehmste nationale Aufgabe.
Die Gewerkschaften appellieren an alle Kräfte in Staat und Volk, denen die Einheit des Volkes und das Wohl der Gesamtheit am Herzen liegt, sich mit ihnen in der Bekämpfung dieses sozialen Unrechts zu vereinen. Sie sind entschlossen, ihre ganze Kraft ein zusehen, um den breiten Massen des Volkes wieder den Lebensraum zu verschaffen, der die unerläßliche Voraussetzung für die Gesundung von Wirtschaft und Staat ist.
Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund . Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften. Gewerkschaftsring deutscher Arbeiter und Angestelltenverbände.
Allgemeiner freier Angestelltenbund. Allgemeiner Deutscher Beamtenbund. Gesamtverband deutscher Verkehrs- und Staatsbediensteter.
sozialdemokratische Reichstagsfraktion will die Reichsregierung vor dem Ueberwachungsausschuß schließlich zwingen, ihre Absichten auf Subvention der hochkapitalistischen Vereinigten Stahlwerte mit Reichsmitteln darzulegen.
Sollte der Abg. Straßer die Einberufung des Ausschusses noch weiter verschleppen, so dürfte die Einberufung durch den dafür zuständigen Präsidenten des Reichstages unmittelbar veranlaßt werden.
Die gute Heffenwahl.
Der Bann ist gebrochen.
Von Carl Mierendorff- Darmstadt.
Die Nationalsozialisten haben in Hessen ihr Ziel nicht erreicht: trop starken Anstiegs und beträchtlichen Gewinns bleibt nach wie vor Hessen eine Regierungsbildung ohne Zentrum unmöglich. Die Partie steht jetzt 35:35, wenn man die zwei bürgerlichen Mandanten der Nationalen Einheitsliste( 1 Deutsche Volkspartei und 1 Landbund) der Rechten hinzuzählt, obwohl sie offiziell mit der Front gegen den Sozialismus jeder Richtung gewählt wurden. Das Kabinett Adelung wird unter diesen Umständen aller Voraussicht nach als geschäfts= führende Regierung in Hessen bleiben müssen.
Es war mit einem großen Erfolg der Nationalsozialisten zu rechnen. Das platte Land ist vollkommen naziverseucht, die bürgerlichen Parteien sind in voller Auflösung begriffen. Die Zusammenfassung zur nationalen Einheitsliste hat nicht gefruchtet. Die entscheidenden Kräfte der nationalsozialistischen Massen waren größer. Trogdem ist bemerkenswert, daß der nationalsozialistische Gewinn von insgesamt 37 000 Stimmen( etwa 12 Proz.) nicht dem Gesamtverlust der bürgerlichen Rechtspartei en entspricht, der sich auf insgesamt 43 000 Stimmen beläuft.
Die Sozialdemokratie hat sich glänzend geschlagen. Es wäre schon ein großer Erfolg gegenüber Schwerin und Oldenburg gewesen, wenn wir unsere Stims men behauptet hätten, denn der Wahlkampf war außerordentlich kurz befristet und die Zeit sehr ungünstig. Jetzt ist die Zahl der sozialdemokratischen Wähler von 168 000 auf 172 500 angestiegen bei einem gleichmäßig starken Rückgang der Wahlbeteiligung von über 82 Proz. auf 74 Proz. Das Ergebnis für die Linke wäre parlamentarisch noch Die Tägliche Rundschau" schreibt über die Wahlen in günſtiger, wenn nicht das Zentrum auch einen Verlust zu verzeichnen hätte, der vor allen Dingen auf mangelnde Hessen : Aktivität zurückzuführen ist.
Sie merken was!
Nun weiter vorwärts gegen die Reaktion.
,, Eine Beurteilung des Wahlergebnisses muß von der überraschenden Tatsache ausgehen, daß die Sozialdemokratie zwei Mandate gewonnen hat. Dieser Gewinn erfolgte zwar aus dem margistischen Lager, trotzdem ist er beachtlich. Es zeigt sich bei den Hessenwahlen, daß die beiden großen Parteiblöcke( SPD. und Zentrum), die der NSDAP . gegenüberstehen, durchaus intakt sind. Die Sozialdemokratie wird auch ohne Zweifel bis zur Reichstagswahl ihre Agitation verstärken und einen Teil des linken Bürgertums für sich gewinnen.
Die Weisung des nationalsozialistischen Propagandaleiters Dr. Goebbels , nicht über die Taten der Regierung von Papen zu diskutieren, wird die sozialdemokratischen Angriffe gegen die äußerste Rechte noch verschärfen. Der Reichstagswahlkampf fann u. E. durchaus mit einem über raschenden Erfolg der Sozialdemokraten enden, da sich die Regierungspolitik in den nächsten Wochen kaum vorteil haft für die der Regierung nahestehenden Gruppen auswirken wird. Achtung, Lintsturve!"
Nazis gespielt wird. Insofern iſt ſeine Feſtſtellung, daß die Regie: Antifaschistische Einheitsfront in Bayern
rung Schleicher- Papen eine Regierung von Hitlers Gnaden ist, als authentisch zu betrachten. Von berufener Seite ist damit zu Bayerische Volkspartei und Bauernbund gehen zusammen. gleich festgestellt, daß die unsoziale Notverordnung der SchleicherRegierung nur im Einverständnis mit Hitler und Ronsorten möglich war.
Leberwachungsausschuß noch nicht einberufen.
Der Ueberwachungsausschuß des Reichstags, dessen Vorsitzender der nationalsozialistische Abgeordnete Gregor Straßer ist, ist bisher nicht einberufen worden, obwohl eine entsprechende Forderung bereits von verschiedenen Parteien erhoben worden ist.
Außer mit der unsozialen Notverordnung soll sich der Ausschuß auch mit der Frage der Rechtsgültigkeit der Notver= ordnung des Reichspräsidenten über die Auf= lösung des Reichstags beschäftigen. Dem Reichstag liegen ferner zahlreiche Anträge auf Aushebung der Immunität von Abgeordneten vor, deren Erledigung ebenfalls den baldigen Zujammentritt des lleberwachungsausschusses erforderlich macht. Die
München , 20. Juni. ( Eigenbericht.) Die zunehmende Verseuchung der bayerischen Landbevölkerung durch das Hakenkreuz hat zu Einigungsverhandlungen zwischen der Bayerischen Volkspartei und dem Bayerischen Bauernbund geführt.
Diese Einigung soll darin bestehen, daß unter Beibehaltung der organisatorischen Selbständigkeit beider Parteien ein gemein samer Wahlvorschlag für die Reichstagswahlen eingereicht wird unter dem Kennwort: ,, Bayerische Volkspartei mit Bayerischem Bauern- und Mittelstandsbund". Auf diesen Wahlvorschlag sollen. vier Kandidaten des Bauernbundes an sicherer Stelle gesetzt werden, darunter die bisherigen Abgeordneten Professor Fehr, Kling und Gandorfer. Die Landesausschüsse beider Parteien haben sich bereits für die Einigung ausgesprochen.
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Noch und noch! Ueber das Ergebnis der Hessenwahlen schreibt zusammenfassend die kommunistische Welt am Abend":" Die Erfolge der Kommunisten wären wahrscheinlich noch größer gewesen, wenn nicht auf dem Lande von der SA. ein blutiger Wahlterror verübt worden wäre."
Das Schlimmste jedoch ist die geradezu katastrophale Niederlage der Kommunisten; sie haben ein Viertel ihrer Stimmen verloren. Das ist die Folge der Sünden der kommunistischen Führung, die die kommunisti schen Massen erst aufputscht, um sie dann völlig richtungslos im Stiche zu lassen!
Der Erfolg der Sozialdemokratie ist das Ergebnis intenfipster systematischer Arbeit unter Anwendung der neuen Propagandamethode. Symbolkrieg und Außenpropaganda waren die Hauptwaffen. Leider war die Zeit zu kurz, um die neue Methode im ganzen Lande restlos durchzusehen. Dementsprechend ist das Ergebnis unterschiedlich. In Ober= hessen , wo die Organisation schwach und die Naziverfeuchung gewaltig ist, ist das Ergebnis schlecht. Hier hat die Sozialdemokratie auch Verluste zu buchen, obwohl sie minimal sind, wenn man die schwierigen Umstände in Rechnung stellt.
In Rheinhessen war das Ergebnis besser! hier find die oberhessischen Verluste nicht nur ausgewegt, sondern überkompensiert, und der Hauptverdienst kommt dabei Stadt und Kreis Worms , sowie Stadt und Kreis Mainz zu.
Infolgedessen entspricht der Gesamtgewinn in Hessen im wesentlichen dem Gewinn in der Provinz Starkenburg von rund 4000 Stimmen. Auch in Starkenburg waren es die Städte, die vorzüglich gewählt haben, in erster Linie Offenbach und Darmstadt .
Das Darmstädter Ergebnis ist ganz besonders erfreulich. Hier sind nämlich den bürgerlichen Parteien, einschließlich Nationalsozialisten, beachtliche Verluste beigebracht worden: Deutschnationale 500, Nationale Einheitsliste 1300 und Nationalsozialisten 600, während die Sozialdemokratie einen Gewinn von 1340 Stimmen buchen fonnte, und das in einer Stadt, die geradezu ideales Nazipflaster bildet.
Dieses Ergebnis zeugt für die Wirksamkeit der neuen Maffenpropaganda. Nur in Darmstadt war es möglich, die