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1. Beilage zumVorwärts" Berliner Volfsblatt. Ur. 185. Sonntag, den 9. August 1896. 13. Jahrg. Uokales. Die juristische Sprechstunde fällt diese Woche a»Z. Bei brieflichen Anfragen bilten wir zu beachten daß Antwort nicht schriftlich, sondern nur u n t e i Briefkasten in unserem Blatte erfolgt. Das Einlegen von Briefmarken zur Rückantwort ist daher zu unterlassen. Ten Parteigenofien dcS S Berliner RcichStags-Wahl kreises werden hierdurch nochmals die Z a h l st e l l e n bekannt gegeben, wo sie sich zur Aufnahme in den Sozialdemokratische» Wahlverein für den 2. Berliner Reichstags-Wnhlkrers melden können: Karl Schonheim, Gräfestraße 8; Paul Müller, Gräfestraße 3l; Ferdinand Ewald, Schönleinstraße 6; Julius R a u m a n n, Blücherstr. 42; E. Lindemann. Moritzstr. 9' Johann Saß, Markgrafenstraße 102; Fritz Znbeil, Linden slraße 106; Karl L ü d k e, Zossenerstr. 19- Wilhelm Grube Mariendorferstraße S; Franz K i tz i n g, Belle- Alliancestr. 74 G. Schmitz, Dorkstr. 62; Hermann Werner, Bülowstr. 59 Otto A n t r i ck, Steinmetzstr. 60; Aug. Panisch, Culmstr. 36 G. Schröder, Kreuzbergstr. IS; A. Faller, Pallasstr. 16. Es ist Pflicht eines jeden Arbeiters, der seine Klassenlage erkannt hat, sich der politischen Organisation anzuschließen und somit in die Reihen der Kämpfenden einzutreten. Am Dienstag, den II. August, abends Uhr, findet im Lokale des Herrn F. Bickel, Haseuhaide 5253, eine öffentlich? Versammlung des Sozialdemokratischen Wahl- vereins statt mit einem Referat des Reichstags- Abgeordneten Franz Tutzauer . Zahlreichen Besuch erwartet Der Vorstand. Die Segnungen der berufsgenossenschaftlichen Fürsorge für kranke Arbeiter erfahren eine intereffante Beleuchtung durch folgenden Brief eines Arbeiters, der einer Klinik zur Nach kur überwiesen ist: Berlin , den 6. August 1396. Lieber Freund! Ich muß Dir doch einmal schildern, wie eS mir jetzt geht Wie Du weißt, habe ich am 4. März d. I. einen schweren Unfall erlitten, an dessen Folgen ich 13 Wochen im Kranken- Haus« zugebracht habe. Seit dem 19. Juni befinde ich mich in der Klinik des Herrn Dr. Golebiewski, Groß beerenstraß« 286, auf Kosten der N o r d ö st l i ch e n Bau gewerks-Berufsgenossenschaft, Sektion I, zur Nachkur. Was aber hier für Zustände herrschen, davon kannst Du Dir keinen Begriff machen. In jedem Krankenhause erhalten die Kranken doch Anstaltskleider und Wäsche. Hier muß jeder seine eigenen Kleider tragen. Wie es dann wird, wenn die Kleider und Stiesel zerrissen sind weiß ich noch nicht, da ich bis jetzt noch keinen Pfennig Geld von der Unfallkaffe erhalten habe. Mit der Kost sieht es auch recht trübe auS. Zum zweiten Frühstück erhält jeder ge- wohnlich eine Schmalzstulle, oder manchmal eine Butterstulle Außerdem erhält jeder Kraute pro Woche 70 Pf. 10 Pf. pro Tag zu Bier und Belag. Da rannst Du Dir denken, wie sich ein Kranker, der einen gesunden Magen hat(da es hier doch nur äußerlich Verunglückte giebt) hier erholen und zu Kräften kommen soll. Des Abends giebt es in der Regel Suppe. Sie ist aber oft so gekocht und versalzen, daß sie kaum zu genießen ist. Des Mittwochs abends giebt es in der Regel sogenannte trockene Kost, die aber auch den Namen mit recht verdient, denn sie ist sehr trocken. Nämlich 3 Stullen. Eine Slnlle ist noth- dürftig mit Käse belegt, zu den anderen beiden Stullen giebt es »in Ei. Aber Getränke muß man sich kaufen. Wie schon er- wähnt, erhält jeder 10 Pf. pro Tag. Wie die Kost beschaffen ist, geht schon daraus hervor, daß der Doktor den Restaurateur im Haus« gefragt hat, was er für die Verpflegung der Kranken beanspruchen würde, so lange er verreist sei. Wie der Restaurateur eine Mark auf den Tag verlangte, hat er davon Abstand genommen. gewiß, weil es ihm zu theuer war. Die AuSgehzeit ist von mittags>/s1 bis 4 Uhr. Um 3 Uhr giebt es aber Kaffee. Warum der Kaffee nicht um 4 Uhr verabfolgt wird, will mir immer noch nicht einleuchte». Denn dadurch wird die Ausgehzeit doch um eine Stunde gekürzt. Denn nach dem Kaffee noch einmal weggehen, verlohnt sich in der Regel nicht. Kommt man etwas später wie um 4 Uhr nach Hause, so erhält man«inen Verweis, man soll sich nach der Hausordnung richten. Auf den Uebungs Maschinen wird täglich drei Stunden geübt. Wenn man nun denkt, die Nacht ist da zum Schlafen, so irrt man sich sehr; es giebt hier nämlich sehr viele Wanzen. Und was für welche! Es sind alles große ausgewachsene Exemplare. Diese Thierchen setzen einem etwas zu. Mein Bettlaken ist ganz bunt von Sonnte» gspto udeLvi. Trägt die vielberufene Saure-Burkenzeit Schuld daran, ist eS das innige Bedürfniß. sich selber Trost zuzusprechen? Ich weiß es nicht. Verwunderlich bleibt es unter allen Umständen, daß man um eines angeblich Tobten willen immer von neuem endlos lange Leichenreden halt. Wer in den letzten Tagen die gegnerischen Blätter verfolgte und die mannigfaltigen Weisheits - ausspräche über den Sozialistenkongreß zu London laS, der mußte sich fragen: Ja. wenn die internationale Sozial- deniokcatie so sehr vermorscht und brüchig ist, warum läßt man sie nicht ruhig in sich zerfallen? Wie treibt man von derNord- deutschen' bis zur.Vossischen Zeitung' so viel Geist, so viel Beredlsamkeit auf, um zum neunten und zehnten Male darzuthun, ivie kläglich zerfahren sich die Sozialdemokratie nach den Er- fahrungen von London darstelle? Wer wird wegen eines arm- seligen Gegners so viel Aufhebens machen, wenn er mit berech- tigtem Hochgefühl von sich sagen kann, er gehöre zum kraft- geschwellten Bürgerthum? Ohnmächtig armselige Feinde über- läßt man sonst doch ruhig ihrem Schicksal. Man braucht gewiß nicht allzu stolz von den Londoner Tagen zu denken. Darum wird man aber dennoch die Leutchen komisch finden, die ein nmS andere Mal in Triumphgeschrei aus- brechen und noch mit dem Jubelhymnus auf den Lippen, hoch- weise hinüber und herüber rathen, wie man dem Sozialismus, der nun so tief zu Boden liege, vollends den Garaus machen könne. Zwacke sie, Staat, mit deinen glühenden Eisen, Hetzen die Einen, zornroth im Gesichte. Eine letzte Kraftanstreiigung und verweht ist der sozialistische Spuk. Laß' sie unbekümmert ge- währen, die Revolution machen die anderen, und von heute auf morgen haben sie alle einander abgelhan. Wenn man nach so einfachen Rezepten der Sozialdemokratie den Genickfaug geben kann, warum dann das lange Zaudern? Oder sollte das lärmende Jubelgetöse am Ende doch nicht der Ausdruck innerer Siegeszuversicht sein. Sollte es nur den Zweck haben, die angst. erfüllten Gemüther in den Reihen des erschlaffte» Bürgerthums aufzustacheln? Wie begierig horchten die Herrschaften aus jeden Mißton, der von London herüberklang. Jeder Meinungszwiespalt auf dem Kongreß schmeichelte ihren Ohren mit wohl- gefälligem Klang. Es war ein Trost für ihre wunden Seelen. Die unendlich Genügsamen! Als ob die Geschichte großer Bewegungen ihnen völlig verschlossen wäre, als Blut- und Wanzenflecken. Mitunter wird auch in der Nacht erst eine Jagd nach Wanzen abgehalten. Die Krauken haben die Hintertreppe zu passiren. Von der kannst Du Dir einen Begriff machen, wenn ich Dir die Maße angebe: Die Treppe ist nur 0,96 m lichtweit unds hat 3"=- 21 cm Steigung.' Dann sind die Stufen mit 4 em breiten Eisenschienen beschlagen, so daß wir Gefahr laufen, mit unfern gebrochenen Füßen auszugleiten und herunterzustürzen. Ich werde jetzt schließen, lieber Freund, vielleicht schreibe ich Dir ein ander Mal mehr. Was auf die Eisenbahn- Verwaltung Eindruck macht, darüber erzählen sich die Bewohner von Westend eine drollige Ges6>ichte. lieber die tief im Erdboden liegenden Eisenbahn- geleife südlich der Station Westend führt im Zuge des sogenannten Königsdammcs eine Brücke von Witzleben nach dem Exzerzier- platz bei Westend , von der die Rede geht, sie halte nur so lange. als sie rieche, nämlich nach den Jmprägnirungsstoffcn, mit denen der alte Holzbau ausgiebig versehen wird. Seit vielen Monaten roch die Brücke nicht mehr und die Balken und Bretter zeigten bedenkliche Spuren von Auflösung; gelegentliche Mahnungen bei den Beamten der Eisenbahn bleiben erfolglos; man schien dort anzunehmen, daß bei der geringen Frequenz die Brücke einer Erneuerung noch nicht bedürfe. Da wurde einem wohlhabenden und wohlbeleibten Herrn empfohlen, seiner Gesnndheit wegen das Reiten zn lernen und weitere Reittonren zu unternehmen. Bei diesen passirte er häufig die besagte Brücke und da man das Gewicht von Roß und Reiter auf acht bis zehn Zentner schätzt, so gerieth die Brücke jedesmal in ängstliche Schwankungen, wenn dieschwere Reiterei' nahte. Eines Morgens durchtrat denn auch das schwere Roß eines der dünnen Bretter, die den Fußgängerweg der Brücke bilden und auf eine Beschwerde des ReiterS und seine Androhung, er werde für etwaige Beschädigungen, die er oder sein Pserd auf sbesagter Brücke erleiden sollten, den Eisenbahnfiskus verantwortlich machen, erfolgte alsbald eine umfangreiche Reparatur der Brücke. Die Nachbarn des Reiters aber haben diesen schon öfter gefragt, ob er seine Reitkunst nicht auch mal an den alten wurmstichigen Fünfstationen-Taris versuchen könnte. Der hiesige Fachverein der Bäcker theilt mit, daß in letzter Zeit auf seine Veranlassung 70 Bäckermeister wegen Uebertretung der Bestimmungen, betreffend die Sonntags- ruhe, und mehrere Meister wegen Verstöße gegen die Be stimm«ngen über den Maxinialarbeitstag beim Polizeipräsidium zur Anzeige gebracht worden sind. Zehn Rcflelu für Angestellte hat Rechtsanwalt Korn Borftandsmitglied im Berliner Hilfsverein für weiblicbe An gestellte", sormulirt, z. B.: l. Wirst aufauf Probe' engagirt, so mache Dir acht, längstens vierzehn Tage Probezeit aus. 2. Unterschreibe keinen Vertrag und keine Geschäfts- ordnung. ohne sie vorher genau durchgelesen zu haben. Ver- lange Abschrist für Dich! 7. Uebernimm Dienste, welche Dir nach dem Engagement nicht obliegen, oder Ueberstunden niemals ohne vorher zu erklären. daß Du zu solchen Leistungen nicht verpflichtet bist. 10. Uebernimm niemals eine unbedingte Schaden- Ersatzpflicht für jede? Manko oder jeden Schaden, sondern nur, sofern solche auf Dein Ber- schulden zurückzuführen sind. Sehr schön gesagt, aber An gestellte, die diese Rathschläge befolgen wollten, dürften oft rascher. als ihnen lieb ist, an die Luft gesetzt werden. Den zehn Regeln für Angestellte, die derHilfsverein' seinen Mitgliedern zur Be- achtung empfiehlt, stehen hundert andere Regeln für Angestellte gegenüber, deren Befolgung die Herren Chefs ihrem Personal in ihren TefchäftSordnungen meist reckt dringend und mit beut lichem Wink nach der Thür ans Herz legen. Geburten i« Berlin . Die Zahl der Geborenen wird in Berlin in diesem Jahre vielleicht größer wenigstens absolut größer sein als im Vorjahre, zum ersten Male wieder seit längerer Zeit. Nach den Monatsberichten des Kaiserlichen Gesundheitsamts", die jetzt bis Juni vorliegen, wurden im ersten Halbjahr 1896(182 Tage inkl. Schalttag) 24 604 Kinder(23 733 lebend, 871 todt) geboren, pro Tag 135,3. Dagegen wurden im ersten Halbjahr 1895(181 Tage), ebenfalls nach den vorläufigen Monatsberichten des Gesundheitsamts", 24 342 Kinder(23 451 lebend, K9l todt) geboren, pro Tag 134,5.(Die Angaben desGesundheitsamts weichen übrigens von denen des Berliner Statistischen Amts", dessen Monatsberichte für 1896 erst bis April veröffent- licht sind, regelmäßig um einen allerdings nicht ins Gewicht fallenden Bruchtheil 7/io pCt. für die ersten vier Monate von 1896 ab.) Ob die Zahl der Geborenen 1896 auch relativ größer fein wird als 1895, muß vorläufig noch sehr bezweifelt werde n. Das Plus des ersten Halbjahres stellt sich erst auf 262, ob nicht die gewaltigsten menschlichen Kämpfe kleinliche und widerwärtige Momente aufwiesen. Hat irgend ein einsichts voller Sozialdemokrat je behauptet, es gäbe in den Reihen des internationalen Proletariats nichts mehr zu erobern? Und da kommen die antisozialistischen Vorkämpfer und schieben den Wort- ührern der Sozialdemokratie unter: Ihr predigt ja immer auf >en Gassen, eure Saat sei reif geworden in allen Ländern. Der Humor der Dinge offenbart sich am lebhaftesten in der Art, wie lieselben Menschen, die öffentlich triumphiren, heimlichden ge- ünden Menschenverstand der angelsächsischen Rasse" als Helfer in der Roth beschwören. Drollig beinahe ist die Sprungfähigkeit deutschen Bürgergefühls, wenn eS sich um England und englische Zustände handelt. Heute umschmeichelt und mit zärtlichen Koseworten bedacht, morgen von geballten Fäusten umdroht. Einmal das perfide Albion und jäh wieder der zutrauliche, liebe angel ächsische Vetter. Es sind wenige Wochen her, da zeterte nian über den eingebildeten Herren- und Größenwahn der britischen Insulaner und«ine Fluth von Scheltworten ergoß sich über die Spektakelkomödie, die man den Prozeß Jamefon nannte. Inzwischen hat der Prozeß Lothaire in Belgien be- wiesen, daß die britische Spektakelkomödie noch übertrumpft werden konnte und daß in prächtigster Jnternationalität der Brauch erblüht ist: Wo der Profit rücksichtslos nach Geltung drängt, da hat das Recht sich in ein Loch zu verkriechen. Der gewaltthätige Soldat wird zum Nationalhelden, wenn er für vaterländische Beute sorgt. Nun ist es still geworden vom ruchlosen Albion; und mit zärtlichen Schmeichelworten drängt man sich an den Bruder Arbeiter der stammverwandten angelsächsischen Rasse heran.f Er sei der Hort, er der Fels, an dem der fluchwürdige Sozialismus sich breche. Man weist seine überlegene Ruhe, nian rühmt seinerealpolitischen Instinkte", die den sozialpolitischenTräumen und Wahn- zebilden' so kräftig und nachhaltig zu widerstehen wissen. Ind dem Bruder Arbeiter in England zu Liebe wird der eng- lisch« Stamm auf einmal zum Inbegriff aller gediegenen Tüchtig- keit und Gesundheit. So harren und hoffen die Neunmal- chlauen und vom Widerstand der mächtigen englischen Arbeiter- chast erwarten sie für sich die Rettung vor dem Zusammenschluß, demEinbund" des internationalen Proletariats. Mögen sie ge- trost weiter hoffen und harren, die Ueberklugen, wenn nur der ozialistische Geist innerhalb des Arbeiterheeres Englands in gleicher Kraft vorwärts schreitet, wie er es in den jüngst ab- gelaufenen Jahren gethan. rund 1 pCt., und wenn man den Schalltag in betracht zieht, knapp auf die Hälfte davon. Die mittlere Bevölkerungsziffer Berlins wird aber von 1895 zu 96 das läßt sich schon jetzt mit Sicherheit voraussehen viel stärker zunehmen. I« der städtischen Sparkasse wurden im Vierteljahre April» Juni d. I. eingezahlt 10 638 017,43 M. und abgehoben 8 165 315,12 M. Hiernach ergiebt sich eine Mehreinnahme von 2 472 703,31 M., wodurch sich die Forderung der Interessenten mit Ende Juni d. I. auf 181 133 368,14 M. erhöhte, vertheilt auf 549 874 Bücher. Das Gesammtvermögen der Kaffe beziffert« sich an diesem Tage ans 196 433 627,21 M. inkl. des WerlhcS der derselben gehörigen beiden Grundstücke Klosterstraße 63 und Zimmerstraße 90/91, der sich auf 1797 392,82 M. belief. Die städtischen Gasanstalten haben im Vierteljahr April- Juni d. I. eine gegen den gleichen Zeitraum des Vorjahres um 2 103 000 Kubikmeter gleich 12 673 pCt. höhere Gasproduktion zu verzeichnen, und zwar betrug dieselbe 13 693 000 Kubikmeter. Die Zahl der Privatflammen vermehrt« sich von 944 125 auf 955 047, also um 10 922 Stück, die der öffentlichen Flammen von 25 073 auf 25 749, also um 676 Stück. Durch die von den englischen Gasanstalten auf dem ehemaligen Schöneberger Gebiet gespeisten 927 öffentlichen Flammen erhöht sich die Grsammtzahl derselben aus 26 676 Stück. Daß beschädigte ReichSmiinzen nicht kassenmäßigen Geld» werth besitzen, wird noch immer viel zu wenig beachtet. Denn fortgesetzt kommt es vor, daß mit verbogenen oder zerschlagenen Münzen aller Sorten Zahlung geleistet wird und sie namentlich auch im Kleinverkehr unbeanstandet angenommen werden. Es sammelt sich im Jahre bei manchem Kleingeschäst ein ganz an- ständiges Sümmchen solcher verkrüppelter Silber- und Nickel« münzen an, und den Schaden hat der zu tragen, der sie annimmt« weil sie von der Bank zurückgewiesen werden. I« einem sehr schlechte» Gerüche steht schon seit längerer Zeit das Jndustrie-Gebäude in der Beuthstraße und ganz besonders derjenige Theil, in welchem die Reichspost untergebracht ist. Die Beamten werden durch den üblen Geruch in hohem Maße belästigt; in gleichem Maß« das dort verkehrende Publikum und die zahlreichen Angestellten der im Industrie- gebäude untergebrachten kaufmännischen Geschäfte. Der Grund des Uebels ist in den eisernen Müllkästen zu suchen, die entweder nicht genügen, die vielfachen übelriechenden Abgänge des HaufeS aufzunehmen, oder für deren Entleerung nicht hinreichend Sorg« gelragen wird. Für beides sprechen die Anhäufungen, die sich fast täglich auf und neben den Kästen in unangenehmer Weise bemerkbar machen. Es wäre dringend zu wiiuschen, daß diesem Uebelstande ein baldiges Ende bereitet würde. Im Berliner Aquarium ist mit den letzten Sendungen auch ein afrikanischer Skorpion angelangt. Bisher waren nur südeuropäische Vertreter dieser Gliederthier-Familie, die trotz ihres in mancherlei Beziehung an die Krebse gemahnenden Körperbaues zu der Ordnung der Spinnenthiere gehören, hier zu sehen. Der neue Ankömniling, in einem besonderen GlaS- kästen in der Schlangengalerie untergebracht, ist von an» sehnlicher Größe und gleich anderen seines Geschlechts gefürchtet wegen des Giftstachels am Schwänzende, der hinreicht, um kleinere Thier« zu tödten und dem Menschen sehr schmerz- hafte Stiche zu versetzen. Zufälligerweise führte eine über Stral- snnd einpassirte zweit« Sendung dem Aquarium noch ander» Skorpione" zu, die jedoch nicht mit dem vorigen verwandt find, sondern zu den Seefischen gehören und der merkwürdigen, ver- wundenden ttörperstacheln und der von der eigentlichen Fisch- gestalt so sehr abweichenden Leibesform wegen die Bezeichnung Seeskorpione" erhielten. Erschossen hat sich gestern Abend um 7 Uhr der verheirathet« Kutscher Grunewald, der in der Apotheke, Schönhauser- straße 10, beschäftigt war. Er beging den Selbstmord auf dem Hofe der Apotheke. Was ihn dazu getrieben hat, ist bisher nicht bekannt. Ueber ein« Bande von Fahrrad- Diebe», von denen einige festgenommen wurden, wird von einem Berichterstatter mitgelheilt: Die Verbrecher gingen, um die Entdeckung des ge» stohlenen Gutes und damit ihre Entlarvung zu verhindern, bei dem Vertrieb der gestohlenen Räder mit außerordentlicher Schlauheit zu Werke. Die Räder wurden auseinandergenommen und in anderer Form so zusammengestellt, daß sich in einem jeden Fahrrad Theile von verschiedenen der gestohlenen Räder befanden. Dieselben wurden alsdann dem Hehler übergeben. ivel6,er den Verlrieb im großen bewirkte. Wiewohl in Hannover bereits 90 solcher so zusammengesetzten Räder gefunden worden sind, ist bisher doch nur ein geringer Theil der Diebesbeule er- Ein seltsames Zusammentreffen fügt eS. daß ein Mann, der in schwer gekränkter Unschuld über fem undankbares Baterland jammert, gleichfalls den gesunden realpolitischen Sinn der Eng» länder als Vorbild für unreife deutsche Schwärmer preist. Dieser Mann ist Leist der Gute, ehedem Held in Afrika . Herzbeweglich ist die Klage-Epistel, die er in der WochenschriftZukunft" ver» öffentlicht hat. Wie dersFabrikant Dreißiger in denWebern " voller Naivetät fragt: Bin ich ein Tyrann, ein Leuteschinder, so fragt auch Leist mit gleich naiverEntrüstung: Wann war ich je ein Despot? Habe ich nicht wie ein besorgter, liebender Vater an meinenPfandweibern gehandelt. Und die geringfügigen Züchtigungen! Harmlose Kleinigkeiten, über die sich nur der deutsche Moralphilister in Presse und Parlament entrüstet. Ein so eminent kolonialpolitisches Volk, wie das englische, lacht sich" heimlich ins Fänftchen über den deutschen Moralfatzke", der eine förmliche Hätz gegen seine besten Kolonialhelden veranstaltet. Soll es so weit kommen, daß Presse und Parlament in Deutschland regieren, dann Gnade un« allen. Dies der Stoßseufzer des frommen Leist. Seine Be- kenntnisse, seine ehrliche, ungeheuchelte Empörung über Presse und Parlament gestatten prächtige Einblicke in die schönen Seelen der meisten unsererAfrikaner".! Wie der karrikirte König in der Operette ausruft:Wers wagt, mich zn necken, der kriegts mit dem Stecken", so möchten eS am liebsten die Herren im schwarzen Welltheil halten. Absolut- patriarchalische Herrenwürde und keine Störung dieses höchst patriarchalischen Zustandes, keine Neckerei von feiten einer höchst überflüssigen Presse und eines thöricht-neugierigen Parlaments. Beinah grotesk ergötzlich ist eS, wie Leist in vollstem Ernst eine Gedanken über das patriarchalische, unfehlbare Kolonial- Heldenthnml zum besten giebt, mit der Einschränkung 'reilich für die Erregungen, die unter der Tropen» onne erzeugt werden. Gleichwie der Staatsanwalt im Prozeß Lothaire zu Brüssel meinte, Lothaire. der den Engländer Stokes ohne viel Federlesen aufhängen ließ, habe nicht wie«in ängstlich prüfender Jurist, sondern wie ein soldatischer Held gehandelt. der das Gemeine niederzwingt und bändigt, so hält es auch Leist mit dem soldatischen Heldenlhum in den Kolonien. Die Gemeinheit niederschlagen, wo man sie trifft, und die Gemein» heit, das ist der elende Nigger. In diesen Kamps der kolonialen Helden soldaten hat sich aber kein lurlstischer Federfuchser, kein ZeitunaS chreiber und kein ge- chwätzigsr Parlamentarier«inzumengen. Alxd». V