Vor dem Internationalen Gerichtshof im Haag läuft seit einiger Zeit einer der eigenartigsten Prozesse, die jemals zur Schlichtung internationaler Streitfragen geführt worden sind. Mit einer beispiellosen Erbitterung gehen seit einer Reihe von Mo- naten die Auseinandersetzungen zwischen Oslo und K o p e n- Hagen hin und her. Mit allen Mitteln moderner Propaganda werden sowohl die dänische wie die norwegische Oeffentlichkeit be- arbeitet, so daß heute auch der letzte Bürger überzeugt ist, daß das Wohl seines Landes von dem Besitz der unwirtlichen, unbewohn- baren und wirtschaftlich bedeutungslosen— oder doch fast bedeu- tungslosen— Eisküste Ostgrönlands abhängt. Der Kampf um die ostgrönländische Eiswüste ist mehr und mehr zu einer Prestigefrage geworden, die die Beziehungen der beiden nordischen Länder ernstlich bedroht, und die alte Freundschaft wird sich wohl erst nach und nach wieder einstellen, wenn das Haager Schieds- gericht seinen Spruch gefällt haben wird. Siebzig'ähriger sucht achtzehn Skelette. Bis vor nicht allzu langer Zeit galt Grönland unbestritten als dänischer Besitz. Dabei dachte man freilich nur an die Küsten - gebiete, während die unerforschten riesigen Eisfelder des Innern als herrenlos galten. Aber auch mit der dänischen Oberherrschaft über die grönländische Küste ist es eine zweifelhafte Sachs. Die West- k ü st e scheidet frellich hierbei au- Eine Reihe von dänischen Niederlassungen und unermüdliche kulturelle und wirtschastliche Ar- beit begründen die dänischen Rechte ausreichend. Anders steht es jedoch mit der O ft k ü st e. Ständige Niederlassungen bestehen hier überhaupt nicht, und die Fischer und Forscher, die ab und zu die unwirlliche Küste aufsuchen, um hier für längere oder kürzere Zeit ihre Zelte aufzuschlagen, sind fast ausschließlich Norweger . Dieser Umstand genügt jedoch den Norwegern nicht, well sie, wohl nicht zu Unrecht, annehmen, daß er nicht ausreicht, um den Spruch des Haager Gerichts im Sinne Oslos zu beeinflusien, Und deshalb will man beweisen, daß Norweger überhaupt die ersten waren, die an der Ostküste Grönlands ihrem Fischerberuf nachgingen und— so möchte man unterstellen— damit für Norwegen von diesem Gebiet Besitz ergriffen. Und diesem Zweck dient eine Expedition, die 2ln-
sang Juli unter der Führung des 70 Jahre alten Fischers H j a l- mar Breioik aus Drontheim in See stechen wird, um den Spuren der ersten Grönlandbesucher, die aus Norwegen kamen, nachzugehen. 18 Skelette, die irgendwo unier dem Gletschereis be- graben liegen, sollen den Beweis liefen� daß tatsächlich Norwegen dasjenige Land ist, das zu Recht Ansprüche auf Ostgrönland erhebt. Es war im Jahre 1898. Der Fischerkutter„A n n a" aus Tromsö mit seinem Besitzer Beivik an Bord lief in einen der Fjorde Ostgrönlands ein, um einem gewaltigen Sturm auszuweichen, der draußen auf dem offenen Meere tobte. Als er bei dieser Gelegenheit an Land ging, ent- deckte Breioik dicht am Wasser drei eingestürzte Hütten, und als er sie näher untersuchte, fand er unter den Trümmern d i e Skelette von achtzehn Menschen, die offenbar mcht Eskimos, sondern Weiße gewesen waren. Verschiedene Anzeichen deuteten darauf hin, daß es sich um Norweger handelte, die Jahrhunderte vorher hier an der Küste ums Leben gekommen waren. Einige Gegenstände, wie einen Steintopf, einen Speer usw., nahm Breivik mit und machte nach seiner Heimkehr in Norwegen Mit- teilung von seiner Entdeckung Damals dachte man aber noch nicht daran. Ostgrönland zu annektieren, und der Fund geriet bald in Vergessenheit. Aber jetzt, wo es gilt, die norwegischen Ansprüche auf das strittige Gebiet im Haag zu beweisen, kam man auch wieder auf die Entdeckung im Jahre 1898 und bat nun Breioik, der übrigens drei Jahre später, im Jahre 1901, noch einmal an der Fundstelle war, die Expedition zur Wiederentdeckung der stummen Zeugen mitzu- machen. Außer ihm werden bekannte Wissenschaftler mitfahren, um an Ort und Stelle zu prüfen, inwieweit die Vermutung, daß man es mit norwegischen Fischern zu tun hat, richtig ist. Bevor man aber soweit ist, muß man jedoch erst einmal die drei Hütten im Eis finden. Und das dürfte nicht so leicht sein. Wenn die Expedition jedoch erfolgreich oerläuft, ist es sehr leicht möglich, daß die jahrhundertealten Skelette die Frage entscheiden werden, ob Dänemark oder ittorwegen in Zukunft als der Herr Ost- grönlands anzusehen ist.
Lerne wandern. Nicht jeder, der heute auf die Wanderschaft geht, wird von dem Züchtigten„Abenteurerblut" getrieben. Heute sagt sich der junge ltonn bei voller Vernunft und nüchterner Erwägung: was soll ich u Hause? Herumdösen und das schmale Stück häuslichen Brotes loch verkleinern helfen? Da sehe ich mir in meiner unfreiwilligen sreizeit zunächst die Welt an und sammle Eindrücke. Also nicht da- irmselige Vegetieren eines abgekämpften Tippelbruders, der müde sie Landstraße entlangzuckelt, Gegend Gegend sein läßt und bloß llusschau nach einer milden Gabe hält, sondern das Leben eines Weisenden, der sich die Welt ansehen und lernen will. All diese Globetrotter sind Arbeltsmenschen und sie wollen auch die West vom Standpunkt des Arbeiters sehen; das Leben ihrer Schicksalsgenossen, die überall feiern müssen. Diese Globetrotter, obwohl sie arme Teufel sind, betteln nicht, überlasten auch nicht Weg und Schicksal dem blinden Zufall. Sie sind organisierte Arbeiter, und so haben sie in jedem Ort und in jedem Land ihre Organisa- tionen, die einem durchreisenden Kollegen für kurze Zeit Unterkunst und Esten beschaffen. Und well der Reisende nicht nur in fremdes Land kommt, um sich satt zu essen, sondern vor allem, um das Land kennen zu lernen, so führt man den Kollegen und zeigt ihm. was sehenswert ist. Auch die Reiseroute wird zu Hause m aller Ruhe zurechtgelegt. Man ist sich darüber klar, was man sehen will, was man seinen Kräften und vor ollem seinen Stiefelsohlen zumuten kann, ein winziger eiserner Kassenbestand ist für den Fall der Not vorhanden: der Rucksack enthält die nötige Wäsche, ein zweites Paar Stiefel und eine zweite Hose, so kann die Reise losgehen. Insgeheim hofft man, daß irgendwann und irgendwo ein glücklicher Zufall einen plötzlich an den Arbeitsplatz stellt, oder sonst etwas ganz Un- erwartetes mit sich bringt— aber das nur nebenbei. In der Haupt- fache bleibt schon die nüchterne Vernunft im Vordergrund. Da melden sich zwei junge Weltreisende, Partei- genossen aus E i s e n a ch, die sich die Welt vom Fahrrad aus be- sehen. Beide seit zwei Iahren arbeitslos, der eine Elektro- monteur, der andere Buchdrucker; im Borjahr haben sie die Tour Oe st erreich— Schweiz— Italien— Frank- reich hinter sich gebracht und auf ihrem 6000 km langen Weg allerlei Interestontes erlebt: die Völkerbundssitzung in Genf , die Kolonialausstellung in Paris , die Olympiade in Wien und noch vieles mehr. Mit offenen Augen und Ohren ziehen sie durch die Welt, interessieren sich für alles, was schön und lebenswichtig ist. Sie sind Naturschwärmer und dabei nüchterne Wirtschaftsinter- estenten. Sie interessieren sich vor allem für den Fortschritt im all- gemeinen und den ihrer Berufsart im besonderen. Sie haben noch kleine Talente, die ihnen auf Reisen sehr gut zustatten kommen. Der eine photographiert, der andere schreibt Reiseberichte. In diesem Jahr wird der Norden bereist, über Danzig— Königsberg gehts weiter. Pro Tag werden ungefähr 100 km gefahren, das schafft schon ganz schön. Sie sind sauber gekleidet, mumer und voll Zuversicht Aber sie erzählen von vielen, allzuvielen, denen sie auf der Landstraße begegnen, die verbittert, verzweifelt vor sich hin- trotten, nicht wissen, wo sie morgen schlafen und ob sie etwas essen werden.
vc» X Abfch edsflüge über Berlin . Das F l u g s ch i f f Do X, da» bis in die letzten Tage noch immer von zahlreichen Schaulustigen auf dem Müggelsee be- sucht worden war, unternahm gestern mehrere Flüge über Berlin . An dem ersten Flug beteillgte sich die öLjährige Berlinerin Clara Schmidt, die als 100 000. Bssucherin des Flugschiffes einen Freiflug erhalten hatte. Start und Landung wickellen sich in vorbildlicher Kürze ab, obgleich über 40 Passagiere im Innern des Flugschiffes Platz genommen hatten. Do X machte im kleinen Radius Schleifen über der Reichshauotstadt, zum Teil in geringer Höhe, da die dichte Wolkendecke beim Weitersteigen die Stadt der Sicht entzogen hätte. Das Flugschiff lag wunderbar ruhig in der Luft, und das tiefe Surren seiner zwölf Propeller war überall vernehmbar und alarmierte die Straßenpassanten. Heute wird vo X nach Stettin st arten, wo das Flug- schiff einige Tage zur Besichtigung liegen bleiben wird.
Eine Führung durch das 700sährige Bernau(Kirche, Stadtbe- festigung, Georgenhospital, alte Bürgerhäuser) macht Dr. Franz L e d e r e r Sonntag, 26. Juni. Treffen 3 Uhr vor dem Bahnhof in Bernau . Abfahrt Stettiner Vorortdahnhof 2.22 Uhr.
Vor Beginn des Kenenreiseverkehrs. 133 Bor- und Nachzüge flehen bereit. Für den stärkeren Reiseverkehr zu Besinn der Ferien hat die Reichsbahndirektion Berlin die nötigen Vorkehrungen getroffen. Neben Verstärkung der fahrplanmäßigen Züge sind vom 30. Juni bis 3. Juli 133 Vor- bzw. Nachzüge vorgesehen, die nach Be- darf gefahren werden und sich folgendermaßen verteilen: Vom Anhaster Bahnhof 12 in Richtung Frankfurt a. M., 16 in Richtung München , 3 in Richtung Dresden , vom Potsdamer Bahnhof 7 in Richtung Magdeburg , vom Lehrter Bahnhof 6 in Richtung Hamdurg-Altona, vom Görlitzer Bahnhof 14 in Richtung Görlitz , vom Stettiner Bahnhof 13 in Richtung Stettin . 1 in Richtung Stralsund , S in Richtung Neust r e l i tz. 6 in Richtung Swinemünd«, von der Stadtbahn 14 in Richtung Osten. 25 in Richtung Schlesien , 11 in Richtung Westen. Außerdem verkehren vom 30 Juni bis einschließlich 3. Juli folgende Ferien sonderzüge: Dom Anhalter Bahnhof 6 nach München , vom Potsdamer Bahnhof 2 nach dem Harz, vom Lehrter Bahnhof 4 nach der Nordsee , vom Görlitzer Bahnhof 3 nach dem Riesengebirge , vom Stettiner Bahnhof bzw. Bahnhof Char- lottenburg 14 nach der Ostsee , vom Bahnhof Friedrichstraße 6 nach Ostpreußen , 1 nach Glatz, 1 nach dem Riesengebirge : insgesamt oer- kehren im Juni, Juli und August 20 Feriensonderzüge nach Ostpreußen . In den Berliner MER-Büros macht sich der nahende Ferien- beginn schon seit Anfang der Woche bemerkbar: denn die auf 10 Tage verlängerte Vorverkaufssrist der Platz- karten bietet die Gelegenheit, sich frühzeitig einen festen Platz in den ab Berlin verkehrenden Schnellzügen zu sichern. Obwohl der
stärkste Andrang erst gegen Monatsende erwartet wird, machen doch viet« Reisende von dem früheren Vorverkauf Gebrauch. So wurden für die am 30. Juni und I. Juli verkehrenden Schnellzüge schon an den ersten Tagen des Vorverkaufs so viele Platzkarten verlangt, daß in einzelnen Verbindungen schon Platzkarten für die vorgesehenen Vor- und Nachzüge ausgegeben werden mußten Ein Ueberblick über den ooraussichllichen Umfang des Berliner Ferienverkehrs läßt sich jedoch jetzt noch nicht geben, da sich der Vorverkauf diesmal über eine größere Zeitspanne verteilt und sich nicht— wie ftüher— auf wenige Tage zusammendrängt.
Kommunistendcmonstrationen verboten! Die für heute von der Kommuni st ischen Partei nach dem Lustgarten und anderen öffentlichen Plätzen angesetzten Demon- stralionen sind von der Polizei auf Grund der Verordnung vom 31. 10. 1931(Preußisches Demonstrationsoerbot) oerboten worden. Die Polizei wird gegen jeden Demonstrationsversuch ent- sprechend einschreiten. * Während des gestrigen Tages hat sich die erhöhte Dienst- bereitschaft der Berliner Schupo günstig ausgewirkt, und bis auf einige belanglose Rempeleien links- und rechtsradikaler RowWes ist es nirgends zu Zwischenfällen gekommen. Der verstärkt« Streifen- und Patrouillendienst wird in der nächsten Zeit selbsrver- ständlich beibehalten._
Die 262.(weltliche) Schule bringt am Freitag, dem 24. Juni, um 6 Uhr nachmittags im Tanzring des Volksparks Reh- berge Gesänge, Tänze, Spiele. Hierzu wird freundlich eingeladen.
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SM Nus. De? Üfrfe<y
Die Konstanzer, dermaßen mit Gebrüll übersallen, Konstanzer im Ratsboot, dermaßen mit Gebrüll überfallen, vermeinten nun ihrerseits nicht anders, als die schreiende Bande wäre die des finsteren Jörg. Solche Elememsgewalt im Brüllen hatte nur der Grimmensteiner. Sie schauten daher gar nicht erst lange hinter sich. Los, nichts als los! Angst, echte ratsdiencrliche Angst beflügelte daraufhin ihren Ausriß und gab dem flüchtenden Boote Windes Flügel. Nur ein Mann hatte dem höllischen Durcheinander in voller Ruhe zugesehen, Ammon Weikli. Nicht ein einziger Nerv zuckte in seinem Bulldoggengesicht. Das Ding mochte ausgehen wie es wollte, auf alle Fälle war das Ende Arbeit für ihn. Soll überwältigen den andern wer will, so oder so ist Strafe fällig, gewinnen die oder die! Rudert tapfer ihr Burschen, ihr rudert euch doch nicht am Henker vorbei! Nun hat durch den Ruf:„Hier die Ritter vom Twiel!" sich ja alles aufgeklärt, und aus Angst und Bangst, aus Not und Tod, ist mit einemmal eine lächerliche und belachenswerte Geschichte geworden! Den Stadtknechten betrommelt's noch immer das Zwerch» fell. Der dicke Wachtmeister zwingt sich schließlich das Prusten ab. Er beugt sich über das Geländer:„So, wenn ihr die Ritter vom Twiel seid, so wartet gefälligst hier vor der Kette, bis es Tag ist und die Sonne uns Gewißheit gibt, daß ihr den Twieler Namen nicht mißbrauchet zu irgendeiner Hinter» oder Vorderlist!" Doch das ist Huldrich Wischer und den paar Halb- nüchternen um ihn nicht recht. Sie riechen die Betten und wollen daher mit aller Gewalt in die Stadt. „Laßt uns ein! Wir berufen uns auf unsere Gerecht» same als Bürger!" Wieder hängt sich de? Dicke übers Geländer:„Ihr besoffenen mitternächtlichen Schweine wollt mir doch nicht ein» reden, daß ihr Konstanzer Bürger seid! Konstanzer Bürger find ehrsam, keine Nachtstreifer! Konstanzer Bürger liegen
zu dieser Zeit längst in Ehepfiicht und machen nicht den See unsicher! Also wartet, bis Tag ist! Eher kommt mir keiner über die Kette!" „Weg mit der Kett'! Wir wollen heim!" „Weckt die Stadt nicht auf mit eurem Geschrei oder, weiß Gott , ich lasse euch tunken!" Doch die Ritter vom Twiel sind keinem Zuspruch zugäng- lich. Sie vollführen einen Lärm, als ob sie am Spieße stäken. In chrer besoffenen Wut packen sie die Sperrkette und ziehen sich daran hoch, um auf diese Weise an Land zu gelangen. Nein, der Wachthabende braucht dem Axt und dem Sträubele nicht mit dem Schlegel zu winken: es genügt schon, daß er die Augsbrauen stellt. Grinsend machen sich die beiden an die Winde. Einen Augenblick später plumpst die Kette ins Wasser. Huldrich Wischer und der größte Teil seiner Getreuen plumpst mit. An die dreißig Mann paddeln im See. Doch dem Ge- schrei nach, das jetzt die Nacht füllt, ist die halbe Welt am Ersaufen. „Schwimmt, schwimmt, tapfere Ritter! Laßt euch des Bads nicht verdrießen!" Die Wachtknechte lachen, daß es ihnen schier die Kollerzer- sprengt. Es lacht der dicke Wachtmeister, es lacht der Schwab, es lacht der Sundgauer, es lachen sämtliche Armbruster, die um das Vollbad stehen. Es lachen die Ruderknechte auf ihrer Bant, es lacht der Rotbart am Steuer, es lacht sogar der Mann im düsteren Mantel. Die Twieler aber paddeln um ihr Leben. Wie nasse Hunde, keuchend, das Wasser abschüttelnd, kriechen sie auf den Damm. We Ritterschaft und Großschnäuzigkeit ist von ihnen abgewaschen wie Tünche von der nassen Wand bei einem Wolkenbruch. Schnatternd drängen sie sich an die Nachtpforte am„Aberhaken", sie wollen nichts als heim, nichts als heim! „Nickts da! Nichts da!" schreit der Wachtmeister und wird nocy einmal so dick vor Macht und Wichtigkeit.„Nicht heim! Ins Loch mit der Bande! Diesen Schweinen Gottes, die sich Ritter schimpfen, sollen chre Herrenrülpser vergehen! Und du", wendet er sich an Ammon Weikli, der im Kreis seiner drei Gesellen mit oerschränkten Armen dasteht und zu- schaut, wie die Hellebardenenden der Stadtknechte auf dem Rücken der Twieler Ritterschaft Arbeit bekommen,„he, was tust du hier, fremd, frech und fett?" Der Graubünder betrachtet ihn mit einem Blick, der von seinem Wachtmeisterhals Maß nimmt für eine haltbare
hänfene Schlinge. Dann sagt er, und seine Worte klingen wie der Niederstoß des Rads: „Ich warte, bis du mir pfortestl" „Was willst du in der Stadt?" „Den Hus will ich!" „Mensch, wer bist du?" „Mit Berlaub, Herr, ein Henkerl" Ammon Weikli öffnet bei diesen Worten den Mantel und zeigt sein Blutwams. Der dicke Wachtmeister fährt zurück. als hatte er einen Hieb auf die Nase erhalten. ib fünftausend Hunde heulen in der Stadt lles. was einen Tropfen wölfischen Blutes in den Adern hat, rast an der Kette oder tobt im Zwinger, hebt die Schnauze gen Himmel und schreit sein Hundslew hinauf zu den starren sllberklotzenen Bergen des Monds. Fünftausend Konstanzer Hunde heulen; Knechtsbunde, Bürgerhunde, Rittershunde, Paffenhunde, Bauernhunde, Dirnenhunde, Wacht- und Soldatenhunde, alles wirr durch- einander; fünftausendstimmig rufen sie die alte Wildnis an. Im„süßen Winkel" hat es angefangen, kurz nachdem die Wachtknechte die Torpforte am„Aberhaken" aufgeschlossen haben und Ammon Weikli, den Graubünder, und seine drei Gesellen vom Damm in die Stadt ließen. Die Dogge beim Kornhaus hatte den Henker zuerst er- rochen. Bon seinem Körperdunst wie von einem Steinwurf getrosten, sprang sie aus ihrer dunklen Ecke auf und umkreiste die Gruppe, mit hochaufgehobener Nase Blut und Unrat witternd. Immer aufgeregter wurde das Tier, immer zu- dringlicher, schließlich gewalttätig. Ganz nah kam es zuletzt und stieß mit feuchter Schncmze gegen Ammon Weiklis Bein. Der Henker zuckte unter dieser Berührung unwillkürlich zusammen, als hätte ihn eine glühende Kohle getroffen. Die Folterknechte lachten aus vollen Hälsen über ihres Meisters Zusammenfahren. Die Fettfracht aber, als sie sah, daß sie sich von einem Hunde hatte erschrecken lassen, wandte die auf- steigende Wut gegen diesen, fluchte gottslästerlich über die Töle und nestelte geräuschvoll den Hundefänaerstrick vom Gürtel. Doch der Mantel hinderte chn bei diesem Geschäft, und ehe Wikli dazu kam. die Schlinge zu fügen und den ersten Wurf zu tun, heulte die Dogge los, die Ohren an den Schädel legend, als ob sie schon gefangen wäre und in den dunklen Hundskarren geworfen. tFortsetzuns folgt.)