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BERLIN Mittwoch 29. Juni

1932

Redaktion u. Expedition: Berlin SW 68, Lindenstr. 3

Tel. A7 Donhoff 292-297

Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntags Zugleich Abendausgabe des ,, Borwärts". Bezugspreis für beide Ausgaben 75 Pf. pro Woche, 3,25 M. pro Monat( davon 87 Pf. monatlich für Zustellung ins Haus) im voraus zahlbar. Post bezug 3,97 M. einschließlich 60 Pf. Postzeitungs- und 72 Pf. Postbestellgebühren.

Spätausgabe des Vorwärts"

Anzeigenpreis:

Die 1fplt. Milli­meterzeile 30 Pf. Die Reklamezeile toftet 2 Mart. Rabatte n. Tarif.

10 Pf.

Nr. 302

B 151

49. Jahrgang

Verbot des..Vorwärts"?

Ersuchen der Reichsregierung an Preußen

Die Reichsregierung hat an die preußische Staats­regierung das Ersuchen gerichtet, den ,, Vorwärts" für fünf Tage zu verbieten.

Begründet wird dieses Ersuchen mit dem Hinweis auf die Karikatur in der Morgenausgabe des ,, Vor­wärts" vom 25. Juni und auf das Extrablatt: ,, Volk, du mußt zahlen, damit die SA. paradieren kann".

Die beanstandete Karikatur stellte zwei Kriegs beschädigte dar, die einer Schar geschniegelter S2. Leute nachblicken, worauf der eine zum anderen sagt: ,, Siehste Paul, dafür haben sie uns die Rente gefürzt!"

Die Reichsregierung vertritt die Meinung, durch diese Karikatur mie auch durch unser Wahlflugblatt solle der Eindruck hervorgerufen werden, als ob die Einsparungen und Mehreinnahmen aus der Notverordnung dazu dienen sollten, die Uniformen der SA. zu bezahlen. Die Reichs­regierung unterschiebt uns damit eine Behauptung, die mir gar nicht aufgestellt haben. Sie selber, stellt sich aber absicht­lich blind gegenüber den Zusammenhängen, die wirklich bestehen.

Diese Regierung der Barone ist nun einmal die Frucht der nationalsozialistischen Wahlerfolge, sie steht nun einmal auf den Schultern jener ,, aufbaumilligen Elemente", die jetzt wieder in den braunen Jacken herumlaufen dürfen. Sie hat sich durch ihr Entgegenkommen an diese Aufbauwilligen" erst die Möglichkeit verschafft, überhaupt Notverordnungen zu erlassen, durch die die Renten gekürzt werden. Also besteht zwischen den Uniformparaden der SA. und den Renten­Fürzungen ein enger Zusammenhang, und darum nennt ja auch das Volk die braunen Jacken der SA. vollkommen zu= treffend die Notverordnungsjaden.

Wir erheben gegen den Versuch der Reichsregierung, die Aufklärung der Wähler im Sinne der Sozialdemokratischen Partei gewaltsam zu unterbinden, vor der ganzen Welt den allerschärfsten Protest.

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Der Vorwärts" hat viele Regierungen fommen und gehen gesehen. Er hat unter allen Umständen auch schwie­rigeren als den gegenwärtigen das Recht der Sozialdemo­Er fratischen Partei, ihre Meinung zu sagen, verteidigt. wird das auch weiter tun!

Von den Nationalsozialisten und den Deutschnatio­nalen ist in der letzten Zeit wiederholt unter Anwendung starter Druckmittel ein Verbot des Vorwärts" ge­fordert worden. Aus dem Ton, in dem dies geschah, kann man schließen, daß die Herren geradezu ein Recht zu be figen glauben, eine solche Forderung zu stellen. Ganz be sonders war es der ,, Angriff" des Herrn Goebbels , der, bevor ihn selbst das Verbot traf, fast jeden Tag mit der Miene des Diktators ein Verbot des ,, Vorwärts" verlangte. Wohl, weil ihm das nicht schnell genug ging, forderte er dann zwischen­durch auch zu einem Sturm auf das Vorwärts". Gebäude auf, was ja entschieden ein abgekürztes Verfahren bedeutet.

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Die SA.- Aktion, die daraufhin am letzten Sonnabend erfolgte, endete allerdings mit einer strategischen Niederlage und einem geordneten Rückzug in die ,, Legalität ".

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Am Montag hatten vier Vertreter des Parteivorstandes bei dem Reichsinnenminister von Gayl vorgesprochen und hatten ihn gefragt, ob er nach dem Ueberfall auf den Vor­märts" noch immer nicht den Zeitpunkt für gekommen er­achte, gegen solche Zustände mit allen verfassungsmäßigen Mitteln vorzugehen. Darauf antwortete der Minister mit den bekannten Worten, die vielleicht in die Geschichte eingehen

merden: Noch nicht!"

Inzwischen hatte dieselbe Reichsregierung, die für dieses Noch nicht!" die Verantwortung trägt, bereits die Bor bereitungen für eine notverordnungsmäßige Stillegung des ,, Borwärts" getroffen: Möglichst jofort!"

( Fortsetzung auf der 2. Seite.)

Die neuen Notverordnungen

Der Eingriff in die Landesrechte/ Versammlungen unter Polizeizenfur

Die zweite Notverordnung des Reichstätigkeiten gegen Personen oder Sachen aufgefordert oder angereizt präsidenten gegen politische Ausschreitungen, wird, können polizeilich beschlagnahmt und eingezogen werden. Zu­die das Datum vom 28. Juni 1932 trägt, ist am Mittwoch ständig sind, soweit die oberen Landesbehörden nichts anderes be= mittag verkündet worden, ebenso die Verordnung über poli- stimmen, die Ortspolizeibehörden. tische Versammlungen. Sie haben folgenden Wortlaut:

I.

Auf Grund des Artikels 48 Abs. 2 der Reichsverfassung wird folgendes verordnet: § 1.

( 1) Bersammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge dürfen liche Sicherheit verboten werden von den Landesbehörden megen unmittelbarer Gefahr für die öffent

§ 4.

Diese Verordnung tritt mit ihrer Verkündung in Kraft. ( Unterschriften.)

II.

Auf Grund des§ 4 der Verordnung des Reichspräsidenten gegen politische Ausschreitungen vom 14. Juni 1932( Reichsgesetz­blatt I S. 297) wird mit Wirkung für das Reichsgebiet folgendes

1. allgemein nur für bestimmt abgegrenzte Ortsverordnet: teile,

2. im übrigen nur im Einzelfalle.

( 2) Das Tragen einheitlicher Kleidung, die die Zugehörigkeit zu einer nicht verbotenen politischen Bereinigung fennzeichnet, darf von den Landesbehörden nur im Einzelfalle bei unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verboten werden. Bestehende allge­meine Verbote dieser Art treten außer Kraft.

( 3) Hat der Reichsminister des Innern gegen ein Verbot nach

Absatz 1 Nr. 1 Bedenken, so kann er die oberste Landes.

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Die GA- Uniform

تبع

und ihre Wirkung!

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behörde um Aenderung oder 2 ufhebung ersuchen. Entspricht die oberste Landesbehörde dem Ersuchen nicht, so tann er das Verbot aufheben.

§ 2.

Der Reichsminister des Innern kann allgemein für das ganze Reichsgebiet oder einzelne Teile Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge sowie das Tragen einheitlicher Kleidung, die die Zugehörigkeit zu einer politischen Vereinigung fennzeichnet, nerbieten und für Zumiderhandlungen Gefängnisstrafe oder Geldstrafe allein oder nebeneinander androhen.

§ 3.

Blafate, Flugblätter und Flugschriften, in denen zu einer Be malitat gegen eine bestimmte Berfon ober allgemein zu Gewalt

§ 1.

( 1) Deffentliche politische Versammlungen sowie alle Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel sind spätestens achtundvierzig Stunden vorher unter Angabe des Ortes, der Zeit und des Verhandlungsgegenstandes der Ortspolizeibehörde anzu­

melden.

( 2) Sie können im Einzelfall verboten werden, wenn nach den Umständen eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu besorgen ist. Statt des Verbots fann eine Genehmigung unter Auflagen ausgesprochen werden. Zuständig find, soweit die obersten Landesbehörden nichts anderes bestimmen, die Ortspolizeibehörden.

( 3) Deffentliche politische Versammlungen sowie alle Versamm lungen und Aufzüge unter freiem Himmel können aufgelöst werden, wenn sie nicht angemeldet oder wenn sie verboten sind oder wenn von den Angaben der Anmeldung absichtlich abgewichen oder wenn einer Auflage zuwidergehandelt wird.

( 4) Ausgenommen sind gewöhnliche Leichenbegängnisse, die hergebrachten Züge von Hochzeitsgesellschaften, kirchliche Pro­zeffionen, Bittgänge und Wallfahrten.

( 5) Eine Anordnung nach Abs. 2, 3 kann nach den Bestimmun gen des Landesrechts angefochten werden.

§ 2.

( 1) Mit Gefängnis, neben dem auf Geldstrafe erkannt werden fann, wird bestraft:

1. Wer ohne die nach§ 1 erforderliche Anmeldung oder in ab= sichtlicher Abweichung von den in der Anmeldung gemachten Angaben oder unter Zuwiderhandlung gegen ein Verbot oder eine Auflage eine Versammlung oder einen Aufzug veran­staltet oder leitet oder dabei als Redner auftritt; 2. mer für eine Versammlung, die entgegen der Vorschrift des § 1 nicht angemeldet oder die verboten ist, den Raum zur Berfügung stellt.

( 2) Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Reichsmark wird bestraft, wer an einer Versammlung oder einem Aufzuge teilnimmt, die entgegen der Vorschrift des§ 1 nicht angemeldet oder die ver­boten find.

( 3) Die Borschriften des Abs. 1, 2 find nicht anzuwenden, wenn ein politischer 3 med mit der Tat nicht verbunden war und eine Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht eingetreten ist.

§ 3.

Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Reichsmark wird be­straft, wer sich nach Erklärung der Auflösung einer Versammlung (§ 1 Abs. 3) nicht sofort entfernt.

Die Regierung der Barone hat durch diese neuen Ver­ordnungen so weitgehend in die Länderrechte eingegriffen, wie das noch niemals vorher geschehen ist. Sie zwingt den Ländern Notverordnungsjacken auf. Für die Folgen, die sich aus diesem Zwang ergeben, trägt die Reichsregierung allein die Berantwortung, auch für die Opfer an Menschenleben, die die beschotten­müßten Hitlertruppen noch fordern werden.

Die mandschurische Regierung hat das Zollamt in Char bin besetzen und ihre Fahne aufziehen lassen. Der britische Leiter des Zollamts hat Protest erhoben und sein Amt nieder­gelegt.