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BERLIN Dienstag 12. Zuli 1932

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10 Pf. Nr. 324 B 157 �9. Jahrgang

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(Zslogsn viis olskstiert! ErseK« EäKctisr sn clor Arbeit Nazimörder auf dem Wedding Reichsbannerfunktionär lebensgefährlich verletzt- Die GA.- Kasernen eine öffentliche Gefahr

Auf einem Plakat erheben die Nazis gegen dieSystem- Parteien" Zentrum und Sozialdemokratie den Vorwurf des Landesverrats. DieSystemparteien" sollen im Jahre 1S17 durch ihre Friedensresolutiondem schon geschwächten Feind Mut eingeflößt" haben. Wahrheit ist, daß dieSystemparteien" einen Frieden in Ehren erstrebten, den die Nationalisten ver- hinderten, so daß es durch die Schuld der Nationalisten zur Niederlage kam. DieSystemparteien" sollen den M u n i t i o n s- arbeiterstreik im Januar 1S18 angezettelt und infolge­dessen Zehntausende von allen Frontsoldaten auf dem Ge- wissen haben. Wahrheit ist, daß der Munitionsarbeiterstreik infolge unerträglicher Ernährungszustände ausbrach, daß er durch Vermittlung von Sozialdemokraten rasch beigelegt wurde und nach dem Zeugnis maßgebender Militärs keinem einzigen Frontsoldaten das Leben gekostet hat. DieSystemparteien" sollen im November 1918 eine M arinemeuterei angezettelt" haben. Wahrheit ist, daß die Marineleitung, entgegen dem Willen der kaiserlichen Regierung, der englischen Flotte noch eine letzte Schlacht liefern wollte, die in völlig sinnloser Weise zur Vernichtung der deutschen Flotte mit Mann und Maus führen mußte. Dem widersetzten sich die Mannschaften. Die Systemparteien" hatten von dem ganzen Vorgang gar keine Kenntnis. DieSystemparteien" sollen aus trügerischem Optimis- mus weil sie an einen Sieg der Revolution bei der Entente glaubten dieEntwaffnungsbestimmungenvon Compiegne unterzeichnet haben. Wahrheit ist, daß die Unterzeichnung auf Wunsch der Obersten Heeresleitung erfolgte. Freche Fälscher! Kann man auf zwei Quadratmeter Papier noch mehr lügen? O ja! Die Nazis bringen auch das fertig! Auf ihrem Plakat lieft man: Sie schrieben im Oktober ISIS imvorwärts",es sei ihr helliger Wille, daß Deutschland die Krieg»- flagge streiche, ohne sie siegreich heimzubringen." Damit bekundete« sie ihre Absicht, den Krieg unter allen Umständen fiir Deutschland zum Verlust zu bringen. Sie opserten unseren Sieg für die innenpolitische Machtübernahme. Das war Landesverrat! Hier die Tatsachen: Der 8. August 1918 war der berühmte «schwarze Tag des deutschen Heeres", wie Ludendorff ihn nannte. Am 11. August erklärt Ludendorsf im Kronrat: «Wir können diesen Krieg nicht mehr gewinnen." Bald darauf schreibt derV o r w ä r t s", dem die Zustände in der OHL. bekanntgeworden sind, die warnenden Worte: ,,W ehe dem Volk, das seine Waffen fünf Mi» nuten zu früh an die Wand stellt!" Im September folgt ein gegnerischer Großangriff dem anderen, die Deutschen müssen vor dem glänzend ausgerüsteten und mit frischen Reserven aufgefüllten Ententearmeen immer weiter zurück- gehen. Die Balkanfront bricht zusammen. Oesterreich bittet um Separatfrieden. Bulgarien unterzeichnet den Waffen- stillstand. Am 3. Oktober folgt die Bitte der OHL. um Waffen st ill st and und sofortige Herausgabe des Friedensangebots an die Entente. In der folgenden Zeit täglich« Großkämpfe an der Westfront, dauerndes Zurückweichen der völlig erschöpften deutschen Armee trotz tapferer Gegenwehr unter furchtbaren Berlusten. In dieser Situation also, am 20. Oktober 1918, schrieb derVorwärts" wörtlich das Folgende: Unser« französisch«« Genossen aber mochten wir fragen: War «s wirklich«in solche» Verbrechen von uns, daß wir von Beginn des Krieges an für die Verteidigung unseres Landes eintraten? Welche Garanti« konntet ihr uns dafür bieten, daß im Fall« unseres

In der Ehausseestraße auf dem Wedding wurde heute in der fünften Morgenstunde der 55 Jahre als Partei­genosse und technische Leiter des Kreises Osten im Reichs- banner Tchwarz-Rot-Gold Max Wülfel von SA.» Leuten überfallen und in geradezu viehischer Weise niedergeschlagen. Die Täter hatten den hinter- hältigen Ueberfall systematisch vorbereitet und sich im Flur des Hauses Chausseestraße 83, in dem sich eine berüchtigte TA.- Kaserne befindet, versteckt. Genosse Wülfel wurde mit einem Kieferbruch, einem Veinbruch und schweren inneren Verletzungen ins Virchow-Krankenhaus eingeliefert, wo er befinnungslos daniederliegt. Die nach Aufhebung des Uniformverbots in alle» Stadtteilen Berlins wieder eröffneten TA.- Kasernen sind zu einer öffentlichen Gefahr geworden. Un- zählige Ueberfälle, bei denen eine Unzahl von Republi- kanera getötet wurden oder zu Schaden gekommen find, habe« ihren Ausgang in diesen Mörderhöhlen ge-

nommen:

Die viehische Tat.

Gegen i.ZY Uhr früh oerließ Genosse Wöffel seine Wohnung in der Boyenstroße, um sich an seine Arbeitsstätte zu begeben. Als er in die Chausseestraße eingebogen war, wurde er plötzlich von zwei S A.- L e u t e n, die dort nach Zeugenaussagen bereits seit 4.15 Uhr herumlungerten, hinterrücks überfallen. Die beiden Burschen drehten Wölfel beide Arm« über den Rücken zu- sammen, so daß der Ueberfallene völlig wehrlos war. Im nächsten Augenblick stürmten aus dem Flur der TA.-Kaserne in der Chausseestraße 83 Iv TA.-Leute heraus, die mit Schlagringen, Totschlägern, Cisen- stützen und Gummiknüppeln in bestialischer Weise auf Wölfel einHieben. Der Ueberfallene brach bewußtlos zusammen. Die rechtsradikalen Untermenschen hatten Wölfel den Kiefer buchstäblich herausge- geschlagen, ein Bein gebrochen und ihm mit eisenbeschlagenen Stieseln zahllose Tritte gegen den Bauch versetzt. Die Chauffeure zweier Kraftdroschken und einige Radfahrer «ilten Wölfel zu Hilfe. Jetzt ließen die feigen SA.-Pattone

von chrem besinnungslosen Opfer ab, liefen die Chausseestraße hinunter und flüchteten in die SA.- Kaserne in der Raven- st rahe. Dort bekam der Mördertrupp Verstärkung und mit gezogenen Pistolen stürzten sich die TA.-Leute aber- mals auf die Straße, um über die Chauffeure und Radfahrer, die die Verfolgung ausgenommen hatten, herzufallen. Es wäre zu einem furchtbaren Blutbad gekommen, wenn nicht in diesem Augenblick eine Polizeistreise in einem Ueberfallauto er- schienen wäre. Die Nazistrolche hatten das Polizeiauto kommen sehen und dem größten Teil des Mördertrupps gelang es leider, zu entkommen. Mehrer« Rowdys wurden festgenommen und der Politischen Polizei übergeben. Bei einem der Täter wurde eine mit sieben Schuß scharfer Munitton geladene Pistole gefunden. Systematisch vorbereitet! Wie uns von verschiedenen Zeugen übereinstimmend mitgeteilt wird, ist der viehische Ueberfall auf den ruhigen und besonnenen Parteigenossen, der seit Jahrzehnten der Sozialdemokratischen Partei angehört, planmäßig vorbereitet worden. Seit i Uhr lagen die SA.-Banditen an ben Fenstern ihrer im zweiten Stock des Hauses Chausseestraße 83 gelegenen Wohnung. Zwei der SA.-Leute hielten sich an der Chaussee- und Boyen- straße als Beobachtungsposten auf. Es war unverkennbar, daß die SA.-Sttolche eineAktion" in Vorbereitung hatten, niemand wußte natürlich, wem dieVorbereitungen" galten. Der Ueberfall auf Wölfel in feiner brutalsten Art war dos Wert weniger Augenblick«, und als die Banditen sahen, daß die Radfahrer und Chauffeure gegen sie Stellung nahmen, suchten sie das Weit«. Roch etwas hat der heutige Ueberfall auf Wölfel einwandfrei bewiesen. Die SA.-Käsernen stehen in ständiger engster Verbindung miteinander und ein systematisches Netz um- faßt die gesamten Mörderzentralen. Zu dem nationalsozialistischen Mördertrupp, der den Ueberfall auf Wölfel ausfichrte, scheint auch ein SA.-Mann zu gehören, der sich bereits gegen 3 Uhr früh in der Chaussee straße und

Versagens nicht die Pläne der ftanzöfifchen Vernichtungspolitiker verwirklicht worden wären durch unsere Schuld? Wie würden wir dann vor unserem Volt« dagestanden haben? Hätte nicht ein solches Verholten die Aussichten der Arbeiterbewegung in unserem Lande auf Jahrzehnte hinaus vernichtet? Begreift doch, daß wir in den Kampf gegangen sind au» ehr- sicher Sorge um unser Volk. deren Berechtigung ihr jetzt aus den rachesprühenden Arttteln eurer Chauvinistenpresse erkennen dürst!... Wir aber hierzulande wollen den Tatsachen ins Gesicht sehen. Wir stehen gegen eine gewaltige llebermacht. Diesen Krieg werden wir nicht gewinnen. Wir kämpfen keinen Augenblick länger als wir müssen, und wir kämpfen nicht um den Sieg, sondern um einen Frieden, der nicht den Keim neuer Kriege in sich trägt. Deutschland soll das ist unser fester Wille als Sozialisten sein« Sriegsslagge für immer streichen, ohne sie das letzte Wal sieg. reich heimgebracht zu haben. Da» ist eine schwere moralische Ve- laslungsprobe für jede« Volk, und jene, die sie bis zur Unmöglichkeit des Gelingen« steigern wollen, nehmen eine schwere Verantwortung auf sich. WehrloS kann kein Frieden uns machen. Sicherhell gibt auch dem Sieger nur ein Frieden, der all« entwaffnet

und aus Feinden Freunde macht. Aber eine Gefahr auch für ihn ist ein Frieden, in den ein Volk heimkehrt, um in der blutigen Ge- schichte der Vergangenheit zu lesen, daß die Besiegte« von heute die Sieger von morgen sind! Man mag die Haltung, die derVorwärts" in jener Zeit der Tragödie Deutschlands einnahm, für richtig oder für falsch halten, ja, manchem mag das Pathos jener Stunde allzu feierlich klingen niemand aber kann bestreiten, daß jener Artikel ein geradezu flammendes Bekenntnis zur Landesverteidigung darstellte und daß sein« Absicht, dem deutschen Bolke in schwerster Bedrängnis beizuspringen. auch für den feindseligsten Beurteiler offenkundig ist. Der' aus dem Zusammenhang herausgefälschte Satz sagt im Zu- sammenhang nichts anderes, als daß die Entente Deutschland einen gerechten Frieden geben müsse, wenn sie die Gefahr einer späteren Revanche vermeiden wolle. Welches Maß von moralischer Verkommenheit dazu ge- hört, aus diesem Artikel den Willen zur Nieder- läge herauszufälschen das zu beurteilen dürfen wir ruhig den anständigen Menschen überlassen, die es in Deutschland trotz alledem noch immer gibt!