Morgenausgabe
Rr. 325
A 160
49. Jahrgang
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Vorwärts
Beeliner Boltsblatt
Mittwoch 13. Juli 1932 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschl
Vorwärts- Verlag G. m. b. H.
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Die Lügner am Pranger.
nommen habe, dann Lügter bewußt.
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verrats" hinzustellen.
Hitler , Goebbels und Konsorten wissen, daß die Oberste Heeresleitung schon im September 1918 den Krieg für verloren erklärt und einen sofortigen Waffenstill stand gefordert hatte.
Hitlers Wählerschaft besteht in der Hauptsache aus zwei| geordneten Reich" faselt, das die Sozialdemokratie über-| sammenbruch als die Folge des sozialdemokratischen ,, LandesSchichten: erstens aus den jüngsten Jahrgängen, die um die Jahrhundertwende geboren sind und den Krieg und die erste Nachkriegszeit noch als Kinder erlebt haben; zweitens aus jenen bürgerlich reaktionären Schichten, die ihr Heil bei den verschiedenen Parteien ge= sucht haben und schließlich beim Hakenkreuz gelandet sind, weil ihnen der Haß gegen die Arbeiterschaft über alles geht.
Den ersten, den Jungen, die in der Zeit von 1914 bis 1919 erst lesen und schreiben lernten und sich um die politischen und historischen Ereignisse noch gar nicht fümmern konnten, die aber inzwischen wahlberechtigt geworden sind, glauben die nationalsozialistischen Führer jede Lüge vorsetzen zu
fönnen.
Die zweiten, die erwachsenen Bürgerlich- Reaktionäre wissen, daß Hitler und seine Helfer schamlos lügen und verleumden. Aber sie sind moralisch so heruntergekommen, daß sie sich nur noch über den Erfolg der Lüge und Verleumdung freuen für sie heiligt der Zweck die Mittel. Denn ih Saß gegen die Arbeiterschaft ist grenzenlos. Sie jubeln über jede Gemeinheit in Wort und Schrift, die die Nationalfozialisten gegen die Republikaner verüben, heute sind sie sogar schon so tief gesunken, daß sie über jeden Arbeiter= mord frohloden.
Dieses Bürgertum befehren zu wollen, ist aussichtslos, würde auch unserem Gefühl für Sauberkeit und Würde wider sprechen. Da hilft nur eins: es muß die Folgen seiner eigenen Berkommenheit selbst spüren. Diese Schichten von industriellen Scharfmachern, bankrotten Großagrariern, rachedurstigen Adligen, selbstsüchtigen Geschäftsleuten, die aus den Groschen ihrer proletarischen Kundschaft vielfach Hausbefizer wurden, hohen Beamten und Großpensionären, die von der Republit Gehalt beziehen, aber ihr den Tod wünschen wir gönnen fie Adolf Hitler und seiner ,, Arbeiterpartei".
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Aber die Jungen, deren Unwissenheit durch das Alter bedingt ist und von Hitler schamlos ausgenutzt wird, sie können,
fie müssen aufgeklärt werden!
Keine Mühe ist dafür zu schade, denn es ist bei den meisten nur eine Frage des Zufalls, daß sie in die Hände der nationalsozialistischen Lügner und Betrüger geraten sind. In Tausenden von Fällen ist es schon gelungen, durch Aufklärung und Wahrheit sie aus den Fangarmen der nationalsozialistischen Hydra zu befreien und sie als Mitkämpfer für die Sache der Arbeiterklasse und der Freiheit zu gewinnen. In Zehntausenden, in Hunderttausenden von anderen Fällen ist eine ähnliche Belehrung möglich.
Wiederholt wurde hier die ebenso infame wie lächerliche Behauptung Hitlers gekennzeichnet, daß die Sozialdemokratie im Herbst 1918 ein
hätte.
geordnetes großes Reich übernommen"
Gemeint war der Trümmerhausen, den das kaiserliche Deutschland nach dem militärischen zu sammenbruch hinterlassen hatte, gemeint war das durch Hungersnot und Niederlage demoralisierte Volk.
Die Sozialdemokratie hat in übermenschlicher Kraft anstrengung damals verhindert, daß aus diesem beispiellosen Zusammenbruch ein Zustand vollendeter Anarchie und Chaos entstand, in dem die letzten Reste von Kultur und Wohlstand untergegangen wären. Hitler weiß es, denn er hat sich damals selbst in einer Soldatenversammlung zur Mehr heitssozialdemokratie befannt, was wiederholt durch Zeugen festgestellt und von ihm nie dementiert wurde. Wenn er, der im Gegensatz zu den Jungwählern, die er be trügt, damals im denkfähigen Alter stand, heute vom ,, wohl
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Diese Platate strohen von Unwahrheiten und Berleumdungen von der ersten bis zur letzten Zeile.
Darin wird zunächst der Sozialdemokratie und dem 3entrum das Recht abgestritten, den Kampf gegen Versailles
Morgen, 20 Uhr Tennishallen Wels- Severing
zu führen, denn Hermann Müller und Dr. Bell hätten ja das Dokument unterschrieben. Daß diese Unterschrift unter 3 wang erfolgte, wird mit der frechen Behauptung beantwortet: Das ist nicht wahr!"
So etwas fann man nur Wählern vorzusetzen magen, die im Jahre 1919 noch feine Zeitung lesen konnten und die sich seitdem um die einfachsten Tatsachen der Weltgeschichte überhaupt nicht gefümmert haben.
Die Wahrheit ist, daß die Deutsche National versammlung
in Weimar und mit ihr die deutsche Friedensdelegation in Versailles bis zuletzt gegen das Siegerdiktat gekämpft und den Beschluß zur Unterzeichnung erst gefaßt haben, als die Hartherzigkeit der Entente keinen Zweifel an den Folgen einer Ablehnung ließ:
Die Hungerblockade follte fortdauern. Die deutschen Kriegsgefangenen sollten zurückgehalten werden.
Der Waffenstillstand wäre beendet gewesen und die alliierten Truppen sollten den Vormarsch ins Herz Deutschlands bei offenem Kriegszustand wieder aufnehmen.
Der Zerfall der Reichseinheit drohte, weil die vormarschierenden Ententetruppen an der Mainlinie einen Keil zwischen Nord- und Süddeutschland getrieben hätten und separatistische Ausbrüche in West, Ost und Süden als unmittelbare Folge eines aussichtslofen Widerstandes drohten.
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Das wußten auch die Rechts parteien in Weimar , die ausdrücklich durch ihre Führer unmittelbar vor der entdie ausdrücklich durch ihre Führer unmittelbar vor der entscheidenden Abstimmung die feierliche Erklärung abgeben ließen, daß sie keinen 3 weifel daran hätten, daß sich auch die Mehrheitsparteien bestehend aus Sozialdemokratie und Zentrum bei der Abstimmung ,, aus rein vaterländischen Motiven leiten" ließen, und ,, aus bestem Wissen und Gewissen handelten". Das erklärten insbesondere Deutsch nationale und Deutsche Volksparteiler, deren Wähler heute größtenteils bei Hitler gelandet sind.
Heute versucht Hitler in seinen Lügenplakaten die tausendmal widerlegte Do I ch stoßlegende aufzuwärmen und die Waffenlosigkeit Deutschlands nach dem zu
Sie wissen, daß die Waffenstillstandsbedin gungen von Compiègne , durch die in der Tat Deutschland in die Unmöglichkeit versetzt wurde, neuen militärischen Widerstand zu leisten, auf ausdrücklichen Befehl des Generalfeldmarschalls von Hin= denburg unterzeichnet wurden.
Aber sie verschweigen es dem deutschen Volk und spekulieren entweder auf die Unwissenheit oder auf die Gedächtnisschwäche oder auf die Charakterlosigkeit ihres Anhanges.
Der angebliche Kampf, den die Nationalsozialisten gegen Versailles und gegen die Kriegsschuldlüge zu führen vorgeben, ist nur innerpolitischer Dummenfang. Dem Auslande gegenüber redet Hitler ganz anders!, In seiner Antwort an den französischen Nationalisten Gustave Hervé , der sich nach den letzten Reichstags= wahlen an ihn mit einem deutsch französischen Freundschaftsangebot gewandt hatte, hat
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Adolf Hitler am 24. Oktober 1930 befeuert, daß er über die angebliche Kriegsschuld Deutschlands nicht disfutieren und lediglich feststellen wolle ,,, daß das junge Deutschland feine Schuld am Kriege fragen konnte und teine gehabt hat“.
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Damit hat er auf jeden Kampf gegen den Kriegsschuldartikel 231 von vornherein verzichtet und lediglich die selbstverständliche- Unschuld der neuen deutschen Generation an den Ereignissen von 1914 betont.
In derselben Antwort an Hervé hat Hitler seine ,, Be
reitwilligkeit zu einer freundschaftlichen Verständigung mit den anderen europäischen Nationen" flärte ferner beteuert, und zwar ohne Militärbündnisse. Er er- genau wie es die Sozialdemokratie lange vor ihm getan hatte, daß nicht Deutschlands Aufrüstung, sondern Frankreichs Abrüstung
nottue.
Kein Wort schrieb er damals von der Zerreißung des Versailler Vertrages "! Im Gegenteil:
Am Vorabend der Reichspräsidentenwahl hat Hitler dem amerikanischen Journalisten Knickerboder versichert, daß nach seiner Wahl, die er für gesichert hielt, er nicht daran denken würde, den Vertrag von Versailles zu zerreißen oder die Unterschriften unter dem Young- Plan zu verleugnen. So redet er zum Ausland!
Aber das deutsche Volk ruft er zum Kampf gegen Ver sailles auf, und er versucht, durch fauftdicke Lügen und Geschichtsfälschungen ihm einzureden, dieser Kampf jei gleichbedeutend mit dem Kampfe gegen die Sozialdemokratie!
Die Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands ". deren Name allein einen dreifachen Betrug in sich schließt, lebt nur von der politischen Ahnungslosigkeit des iüngeren Teils ihrer Wähler und von der moralischen Verlumpung der Erwachsenen unter ihrem bürgerlichen Anhang
Der Kampf gegen Versailles , der von der Sozialdemokratie mit Hilfe der Sozialistischen Internationale seit zwölf Jahren konsequent, systematisch und erfolgreich geführt wird, ist in den Händen Adolf Hitlers und feiner politischen Hochstaplerbande zu einem schmuhigen Mittel trampfhafter wählerfängerei herabgewürdigt worden.
Wählerlisten einsehen! 3 bis 19 Uhr!
Täglich von 13