(Beiifi&e Donnerstag, 2\. Juli 1932
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Der nadistehendp Beitras ist dem im Verlage Paul Zsolnay -Wien erschienenen Buch„Das öffentliche Leben" von Heinrich M ann entnommen, das wir im„Vorwärts" bereits gewürdigt haben. Jeder aufmerksame Leser wird in diesem Aufruf die Verantwortung des Meisters vor der Geschichte spüren. Sollen wir erst an Zolas„J'accuse" erinnern? Heinrich Mann klagt in diesem einzigartigen Dokument die Nationalsozialistische ..Arbeit er"-Part ei vor dem Forum der Weltgeschidtte an. Vergebens werden sich Hitler und seine Gefolgschaft nach einem führenden europäischen Schriftsteller umsehen, der ihre betrügerischen Ziele und heuchlerischen Versprechungen zu verteidigen wagte. Heinrich Mann spricht Millionen Pepublik'nem aus dem Herzen, Sorgt dafür. Deutsche , daß hunderttausende Irregeführter diesen Aufruf zu lesen bekommen! J. P. M Im Leben macht man seinen Weg aus drei Arten: mit Arbeit, mit Beziehungen»der mit Verbrechen. Der einzelne hat nur die Wahl, und auch den Gruppen oder Parteien bleibt nichts andere? übrig, als sich zu entscheiden. Das öffentliche Leben wiederholt lauter und deutlicher, was wir auch sonst sind und was wir alle Tage tun. Der eine will arbeiten, will sein Wert aufbauen und damit werden, was die Gesellschaft ihm irgend erlaubt. Wenn er geschickt ist und Glück hat, ist es manchmal viel. Ohne Arbeit erreicht ein anderer leider mehr; er macht es mit Beziehungen, leeren: Betrieb und Redensarten. Es ist nur immer die Frage, wie lange das gut geht; schließlich fällt es doch auf, daß er eigentlich nichts kann. Was das Verbrechen betrifft, ist es zwar ein« durchaus positive Leistung. Unbestreitbar verändert man damit in der Welt etwas. Man verändert es zwar meistens zum Schlechteren und geht zuletzt selbst mehr oder weniger katastrophal zugrunde. Das Verbrechen ist der Gesellschaft nicht gemäß und wird auf die Dauer von ihr immer ausgeschieden. Sprechen wir von der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei! Am Anfang steht der Betrug: die Partei ist in Wirklichkeit nichts von allem, was sie zu sein vorgibt, weder national noch sozialistisch und besonders keine Arbeiterpartei. Sie arbeitet seit ihrer Gründung mit dem Geld einiger reichen Leute und für die Interessen derselben Großkapitalisten. Das bedingt zweitens Verrat und Ausbeutung. 150 000 arme Menschen schenken den Führern monatlich'.¥¥1 000 Mark. Sie wissen nicht, was sie tun, sie sind die Opser harter Wirt- schaftsbedingungen und ihrer zerrütteten Gemüter. Eine besser regierte Republik könnte sie heilen. So werden sie von ihrer Partei ausgebeutet, werden verrat en an ihre natürlichen Feinde und überdies noch ver- höhnt. In dem albernen Gewäsch jenes Hitler wird ihnen gesagt, daß die Arbeiter nur der Gewalt zu gehorchen haben und daß eine Herrenklasse gezüchtet werden•muß. Dafür geben die Bedauerns- werten ihr Geld und ihren Glauben! Der frühere Handwerker oerrät und verhöhnt allerdings nicht nur sie, sondern vor allem sich selbst. Was ist er denn? Ein Herr? Er spricht dermaßen Dialekt, daß in Berlin kein Mensch ihn versteht. Er lebt reich ausgehakten von denen, die ihn gegen seine eigenen Klossengenossen benützen. Herrenrasse! Am meisten Herr war er, als er noch mit seinen Händen die Zimmer tapezierte. Da tat er, was er konnte, und das ist für jeden die wahre Ehre und Vornehmheit. Wenn diese Partei eine Partei gegen die Arbeiter und durch- aus unsozial ist, auch national nennt sie sich nur unter schwerstem Mißbrauch. Vor allem ist niemand national, der vor hat, sobald er es könnte, in der Nation ein großes Blutbad anzurichten. Die j Nationalsozialisten selbst können gar nicht voraussehen, wie viele sie umbringen müßten, wenn sie die Macht erobert hätten und auch behalten wollten. Sie unterschätzen ihr eigenes Blutbad. In ihren Zeitungen zählen sie immer nur einige namhaftere Personen auf, zum Beispiel Büchner, Gutzkow und mich— Lebende und Tote, es kommt ihnen nicht daraus an, wen sie an die Wand stellen. Aber im Ernstfalle wird es bestimmt bei den Namhafteren nicht bleiben. Sie werden die Massen vergasen müssen. Wenn das national ist! Dagegen werden sie ein für ollemal nicht den kleinsten nationalen Krieg führen; dafür wären sie im Inneren viel zu sehr beschäftigt. Keine auswärtige Macht, die über Vernichtungsmittel verfügt, hätte von dem Dritten Reich etwas anderes zu erwarten, als die demütigste Unterwerfung. Die Neigung zum Mord, zum Verrat und Betrug muß einer Partei gleich mitgegeben sein, dann finden sich in ihr die passenden Typen zusammen. Von den Kommunisten kann nicht behauptet werden, daß bei ihnen die Verbrecher überwiegen, denn sie sind keine Partei des Verbrechens. Sic wollen eine ehrliche, anständige und folgerichtige Sache, es ist nur leider weder ihre noch unsere Sache, sondern in absehbarer Zeit einzig die russische. Man kann nicht Geographie und Geschichte ändern; wir liegen zu weit west- lich und zu viele westliche Lebenstatsochen sind in uns aufgegangen. Ob wir es mit Stolz oder eher resigniert sogen, so ist es. Der große und bewunderswerte russische Versuch erfaßt nur unseren Intellekt, nicht unseren Kern und wir fühlen, daß er auf den Grundlagen unseres Doseins, wie es geworden ist, nicht gelingen konnte. Uebrigens fühlen dies viele Kommunisten und mit ihnen wohl auch Moskau , zu urteilen nach seinen ungewöhnlichen Maßnahmen. Wenn wirklich ein Bündnis, womöglich sogar ein militärisches, mit den deutschen Nationalisten erstrebt würde, dann— ist es aus mit jeder Sympathie, die man den Kommunisten etwa widmete, bevor sie zu verzweifelten, uns verhaßten Mitteln griffen. Wir wollen keinen Krieg und wollen nicht, daß an dem ver- ächtlichen Rauschgift des Nationalismus noch einmal die Millionen sterben oder Bettler werden. Soviel über Verbrechen in der Politik und bei den Parteien. Dann sind da, wie im täglichen Leben, jene, die es mit Beziehungen, bloßen Privatinteressen oder mit der Phrase schlechchin machen. Wozu sollen wir uns eigentlich seit diesem Wahlkampf von jedem retten lassen? Schön, ein früherer General kann es sich gar nicht anders vorstellen, als daß die Zukunft Deutschlands auf dem Heer beruht. Auf hunderttausend Mann. Und wenn uns jener berühmte Vertrag statt hunderttausend nur zweitausend gelassen hätte— oder nur fünf Stück, es tut nichts, auf ihnen würde für manchen unent- wegt die Zukunft beruhen. Sie beruht aber zu unserem Glück auf etwas wirksameren: unserer Arbeit, unserem Sinn für das Leben, auch politischer Sinn genannt Sie beruht auf Gedanken. Die wich- tigsten Gedanken, die wir verwirklichen müssen, sind Volksgemein- schaft und gseinigtes Europa . Beides geht nur, wenn die Haupt- länder alle dasselbe Regime haben, wie sie es jetzt wirklich haben
und übrigens darf die Dauer der Republik Deutschland endlich nicht mehr in Zweifel ge- zogen werden. Do? muß als unfair gelten; denn tatsächlich ist hinter dem Drängen noch dem Wechsel der Einrichtungen oft gor keine Ueberzeugung, nur einfach der Wunsch, nach vorn zu kommen. Wird der Wunsch erfüllt, nennt man es Diktawr. Es gibt keine Diktatur, die etwas anderes wäre als die Gelegenheit, ganz vorn zu liegen. Ideen und ein Feld der Betätigung ergeben sich günstigenfalls nachher. Erst mal vorn liegen— und dazu einen Ver- ein gründen, der dich schiebt und anschwärmt. Ein Diktator arbeitet nicht, er hat Beziehungen. Hinter dem Drängen noch dem Wechsel der Einrichtungen ist oft noch weniger, nur Wichtigtuerei und Geschwätz. Wieviele hoben unterhaltungsweise geäußert, die Zeit von Weimar sei jetzt vorbei, bis«in Wahlredner, Pater noch dazu, es öffentlich weiter herum- redet. Der hat wenigstens keine Kinder. Wir olle ober— Arbeitende, Gereifte, Verantwortungsbewußte— sollen uns jeden Augenblick erzählen lassen müssen, daß das Land, in dem wir leben, kein sicherer Boden ist? Nochmal Inflation, wie? Di« Entwertung alles lebenslänglich Erworbenen, wie? Die Arbeitslosigkeit ausgedehnt auf den kleinsten Rest derer, die noch nicht abgebaut find,— anstatt daß einmal festgesetzt würde: wer tausende für sich arbeiten läßt, ist auch dafür verantwortlich, daß sie weiterbestehen. Das ließe sich doch machen, wenn nur einfach die gesetzlichen Einrichtungen ihrem wahren Sinne noch weiterentwickelt würden. Auch die ab-
Dr. Joseph Goebbels versuchte kürzlich im Rundfunk den eine nationale Kultur schaffenden Charakter der„N ationalsozialisti- sehen Deutschen Arbeiterpartei" unter Beweis zu stellen. Er hätte sich nicht zu bemühen brauchen. Unser Altmeister Goethe hat das alles vorausgeahnt und viel besser formuliert. Hier ist sein Rundfunkvortrag vom selben Thema: Das Naziprogramm. In bunten Bildern wenig Klarheit, Viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit, So wird der beste Trank gebraut, Der olle Welt erquickt und auferbairt, Dann sammelt sich der Jugend schönste Blüte. Vor eurem Spiel, und lauscht der Offenborung. Dann sauget jede? zärtliche G-müte Aus eurem Werk sich melancholsche Nahrung, Dann wird bald dies, bald jene? aufgeregt, Ein jeder sieht, was er im Herzen trägt. >i- Was ihr den Geist der Zeiten heißt. Da? ist im Grund der Herren eigener Geist. In dem die Zeiten sich bespiegeln. Da ist's denn wahrlich oft ein Jammer! Man läuft euch bei dem ersten Blick davon. Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer, Und höchstens eine Haupt- und Staatsaktion, Mit trefflichen programmatischen Maximen. Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen! Di« Nazis auf dem Bauernfang Nein, sag mir, was soll das werden? Das tolle Zeug, die rasenden Gebärden, Der abgeschmackteste Betrug, Sind mir bekannt, verhaßt genug.... * Es wird mir gleich den Kopf zerbrechen. Mich dünkt, ich hör' ein ganzes Chor Von hunderttausend Narren sprechen. * Sucht nur die Menschen zu verwirren, Sie zu befriedigen ist schwer.— » Wer schaut hinab von diesem hohen Raum Ins weite Reich, ihm scheint's ein schwerer Traum, Wie Mißgestalt in Mißgestalten schaltet, Do? Ungesetz gesetzlich übermaltet Und eine Welt des Irrtums sich entsaltet. ...... und die SA. Es war einmal ein König, der hatt' einen großen Floh, Den liebt'«r gar nicht wenig, als wie seinen eigenen Sohn. Da rief er seinen Schneider, der Schneider kam heran: „Da, miß dem Junker Kleider und miß ihm Hosen an!" In Sammet und in Seide war er nun angetan, Hotte Bänder auf dem Kleide, hott' auch ein Kreuz daran, Und war sogleich Minister und hatt'«inen großen Stern, Da wurden seine Geschwister bei Hof auch große Herrn. Und Herr'n und Frau'n am Hose, die wurden sehr geplagt. Die Königin und die Zose gestochen und genagt; Und durften sie nicht knicken und weg sie jucken nicht.— Wir knicken und ersticken doch gleich, wenn einer sticht. SA. auf dem Bürgerkriegspfad. Wie tobt's in diesen wilden Togen! Ein jeder schlägt und wird erschlagen. Und für's Kommando bleibt man taub. * Wir sind die Leute. Großes zu erreichen; Tumult, Gewalt und Unsinn! Sieh' das Zeichen! » Uns ist ganz kannibalisch mahl, Als wie fünfhundert Säuen I
scheu lich st en Vorkommnisse in der Justiz wären, gleich denen in der Wirtschast, schlechthin abzu- stellen, ohne daß deshalb im Staat irgend etwas verändert würde. Man muß nur stark genug sein, um diese Republik zu regieren. Es ist vor allem eine Frage der Ueberzeugung und de» Könnens, ob man fertig wird mit Verbrechern, Schwätzern und Diktatoren, den Uebergriff reicher Leute und irgendeinem kleinen Leichtsinn, der nun mal den Krieg liebt. Es ist auch eine Frage der Geduld. Wenn solch ein Kadettenleichtsinn dohinjchwotzen darf, das System Stresemonn sei erledigt, dann darf man sich solchem Unsinn nicht ergeben, man muß ihn widerlegen, man zeigt ihm, daß seine, grod seine Zeit aus ist. Die Zeit derer, die nichts leisten, nur Betrieb machen und uns andere in der Arbeit aufhalten,— ihre Zeit sollte vorbei sein. Muß uns immer weiter gedroht werden mit den schlimmsten Kota- strophen? Endlich einmal sollten sie hinter uns liegen. Es ist nicht wahr, daß es nur den Frieden vor dem Kriege gegeben Hot. Jetzt, jetzt ist ein besserer Frieden, denn er könnt« frei von Drohungen und bereit zur Blüte sein. Wir hoben den zwecklosen, bei ollem Betrieb ganz untätigen Radikalismus abzuschwören Wir haben für die zu stimmen, die nicht dikta- torisch, sondern gerecht denken. Wir müssen or- beiten, Geduld üben und viel zu stolz sein, als daß irgend jemand uns oder unseren Staat retten dürfte. Das können wir allein.
R a u f e b o I d(jung, leicht bewafsnet, bunt gekleidet): Wenn einer inir ins Auge sieht, Werd' ich ihm mit der Faust gleich in die Fresse fahren.
Habebald(männlich, wohlbewaffnet, reich gekleidet): Im Nehmen sei nur unverdrossen, Nach allem andren frag' hernach'
R a u f« b o l d: Wer da? Gesicht mir z�igt. der kehrl> nicht ab, ?/l» mit zerschlog'nen Unter- und Oberbacken: Wer mir den Rucken kehrt, gleich liegt ihm schlapp Hol», Kopf und Schopf hinschlotternd graß im Racken.
Habebald: Dem Heldenmut der Kais-rscharen Soll sich der Durst nach Beute paarcv
H a l t e f e st: Da wo ich bin, ist der Besitz geborgen Hitler und Hanussen. Unb glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen? Hier steht ein Mann! Da! Fragt den Astrologen. In Kreis und Kreise kennt er Stund' und Hau»; So sage denn: Wie sieht's am Himmel aus? „Adolf der Groß c." Setz dir Perücken aus von Millionen Locken, Setz deinen Fuß auf ellenhohe Sacken, Du bleibst doch immer, was du bist. >«- Erst gewahrten wir vergnüglich Wilden Wesens irren Laus; Unerwartet, unverzüglich. Trat ein neuer Kaiser auf. Und auf vargeschrieb'nen Bahnen Zieht die Menge durch die Flur; Den entrollten Lügenfahnen Folgen alle.— Schafsnatur! Hitler-Schleicher. Es wird mein schönstes Glück zunichte! Daß dies« Fülle der Gesichte Der trockene Schleicher stören muß! Hitler-Goebbels. Da droben auf dem Viergespann, Dos ist gewiß ein Scharlatan; Gekauzt dahinter drauf Hanswurst. Dr. Joses Goebbels. Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen? Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.— Betracht' ihn recht! Für was hältst du das Tier?— Für einen Pudel, der auf seine Weise Sich auf der Spur des Herren plagt. * Auch die Kultur, die alle Welt beleckt, Hat auf den Teufel sich erstreckt; Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schonen, Wo siehst du Hörner, Schweif uno Klauen? lind was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann, Der würde mir bei Leuten schaden; Darum bedien' ich mich, wie mancher junge Mann. Seit vielen Jahren soljcher Waden,
Goethe korrigiert Goehhets Rundfunkvortrag aus dem Elysium mitgeteilt von P.Lohagen